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Vor 62-63 Jahren lief ein Bauernjunge aus der wenige Wegstunden von Mürzzuschlag in den Wäldern um Krieglach gelegenen Einschicht des Kluppeneggerhofes nach Wien, um den Kaiser Josef, von dem er so viel gehört, von Angesicht zu sehen. Der Kleine war so weltfremd, daß er die erste weitläufigere Ortschaft, in der er übernachten mußte, Wiener-Neustadt, schon für die Kaiserstadt hielt. Herzhaft ausgelacht, wanderte er am nächsten Morgen unverzagt weiter, bis er bei der Spinnerin am Kreuz vorüber glücklich in die Kärntnerstraße kam. Die Leute, die er nach dem Kaiser Josef fragte, kümmerten sich zuerst nicht um den Knirps. Endlich erbarmte sich seiner ein alter Herr und führte ihn in das Kellergewölbe eines Klosters, in die Kapuzinergruft zum Sarge des Volkskaisers. Bis dahin hatte der junge Peter Rossecker – so lautet der Name des Dichters nach dem Taufschein – nicht gewußt, daß Josef II. längst gestorben war. Und lebendig, wie er dem Kinde gewesen, ist in Hauptfragen der Duldung, der Aufklärung, der Volkserziehung Kaiser Josef dem Manne geblieben bis zu seinem siebzigsten Geburtstag (31. Juli 1913).
Den Protestanten des Mürz- und Murtales hat der Dichter eine neue, mit einem Defreggerschen Muttergottesbilde geschmückte Heilandskirche in Mürzzuschlag gebaut und gleich nachher den Katholiken des Ursitzes seines Geschlechtes geholfen, die niedergebrannte alte Kirche in St. Kathrein am Hauenstein frisch aufzurichten. Und nicht minder angelegen als das Herz – so nennt er das Gotteshaus – ließ er sich den Kopf – so heißt bei Rosegger das Schulhaus – seiner Heimatgenossen sein. Wie bescheiden er begann, zunächst mit dem Waldschulhaus für seinen Geburtsort Krieglach-Alpl, um mit der Dreimillionenstiftung für den Deutschen Schulverein lange nicht abzuschließen, mag ein kleines Erlebnis bezeugen.
Ende der Neunzigerjahre schrieb mir Rosegger, nach dem Tode unserer Freunde Schlögl, Anzengruber und Grasberger sei ich jetzt sein ältester Bekannter in Wien; deshalb bitte er mich, für ihn, den in solchen Geschäften wenig Bewanderten, durch einen Konzertagenten auf seine Kosten einen Saal mieten und eine Vorlesung zum Besten der von ihm geplanten Waldschule veranstalten zu lassen. Mir schien ein solcher Mittelsmann überflüssig. Bösendorfer ging uns willig an die Hand, er stellte Rosegger seinen Saal für den Leopolditag zu Gebote. Vor die Wahl gestellt, zwischen großen und kleinen Preisen, entschieden wir uns für mäßige Ansätze; die nötigen Ankündigungen besorgte Eduard Pötzl; die Vorlesung war ausverkauft; statt der paar hundert Gulden, die Rosegger bestenfalls erwartet hatte, ging mehr als das Doppelte ein. Anderthalb Jahre später lud er zum Dank für den kleinen, von uns längst vergessenen Dienst Pötzl und mich zur Eröffnung der Waldschule nach Alpl. Pötzl konnte nicht abkommen und ich selbst hätte mich schwerlich freigemacht, wenn mir Rosegger nicht fürsorglich eine auf mich als Frühaufsteher launig gemünzte, in einem Tag zu bewältigende Bahn- und Wagenfahrt vorgezeichnet hätte.
In der Morgenfrühe eines Herbsttages 1902 kutschierte mich ein Landauer vom Bahnhof in Mürzzuschlag über Langenwang, wo Roseggers ältester Sohn als Werksarzt angestellt war, auf die Waldstraße von Krieglach-Alpl. Am Himmel standen Wetterwolken, und ein paar verspätete, zum Fest hastende Fußgänger, die ich unterwegs gern einsteigen ließ, meldeten, Rosegger habe gerade zuvor einen heftigen asthmatischen Anfall gehabt, der Doktor habe ihm verboten, an der Feier teilzunehmen. So unwillkommen diese Nachricht, so rege unser Mitgefühl für den Dulder war, ein wenig Trost brachte die ungeahnte Schönheit der Landschaft. Angesichts dieser uralten Forste, die selten, dafür desto überraschendere Vor- und Rückblicke auf den Semmering, die Mariazeller Berge und die Höhen des Jackellandes erschlossen, erschienen Roseggers hymnische Schilderungen seiner heimatlichen Wälder nicht übertrieben, begriff man das unstillbare Heimweh, das den Dichter in der Fremde beständig quält. Das Waldschulhaus in Alpl wirkte geradezu wie die Erfüllung eines Dichtertraumes. Was der Held von Roseggers Erstlingsroman, der Waldschulmeister von Winkelsteg mit dem überdeutlichen Steckbriefnamen Erdmann, ersehnt, stand stattlich und leibhaftig auf weitem, freiem Wiesenplan Hunderten von Kindern und Bauersleuten vor Augen, die zu der anspruchslosen Feier aus allen umliegenden Bergdörfern zusammengeströmt waren. Der Dechant hielt die erste Ansprache. Dann zeigte sich unversehens zu allgemeiner Freude der Bauherr in eigener Person. Dem ärztlichen Verbot zum Trotz war Rosegger in das Waldschulhaus und nach kurzer Rast zur Begrüßung der Gäste ins Grüne gekommen. In seinem härenen Havelock sah er noch magerer aus als sonst; im blassen Gesicht waren die Spuren des letzten Anfalles unverkennbar; seine Stimme klang, als er zu sprechen anhob, so schwach, daß Groß und Klein den Atem anhielt, um keine Silbe zu verlieren. Bald aber gewann er volle Kraft, und so oft ich ihn vordem und seither am Wirtstisch, im Freundeskreis, am Vortragspult gehört, niemals hat er mich mächtiger gepackt als in jener schmucklosen Erzählung von der Schulnot seiner eigenen Jugend, da Alpl keinen anderen Lehrer für die paar Dorfkinder hatte, als einen aus einer Nachbarpfarre vertriebenen halben Bettelmann, Michael Patterer, der von Haus zu Haus ging und den Kindern für schmales Essen und geringes Tabaksgeld Lesen, Schreiben und Rechnen lehrte. Wohnen mußte der Arme in einer kleinen Hütte, schräg gegenüber dem neuen Waldschulhaus. Als Rosegger mit dem Finger auf die Keusche seines ersten Lehrers wies, brach die Sonne aus dem Gewölk und überglänzte die morschen Bretter der Behausung Michael Patterers. Ebenso einfach und eindringlich wie dieser alten Schulgeschichten von Alpl gedachte Rosegger der neuen. Es sei ihm zu Herzen gegangen, daß die Kinder seines Geburtsortes in Ermanglung eines Schulhauses stundenlang in die nächste Dorfschaft, mitunter, zumal zur Winterszeit, nicht ohne Gefahr hätten wandern müssen. Deshalb habe er sich bemüht, die Mittel für ein Waldschulhaus in Alpl aufzubringen. Die Worte, mit denen er allen Spendern und Nothelfern dankte, die Lebensregeln und Segenswünsche, die er den Kleinen für die Zukunft mit auf den Weg gab, waren so urechter Rosegger, daß manchem Alten dabei warm in den Augen wurde. Mit stummem Händedruck verabschiedete ich mich von dem Trefflichen und wanderte mit dem Wiener Lehrerpaar Josef Allram und dessen Schwester zu Fuß nach Krieglach, um mit dem nächsten Zug heimzufahren.
So leidend Rosegger aber die Tage vorher und so angestrengt er durch die Feier gewesen, Schonung für sich ließ er nicht gelten. In der Herberge von Höbenreich fand ich die dringende, nicht abzuweisende Bitte, den Abend bei ihm zu verbringen. Nicht zum ersten- und nicht zum letztenmal bin ich nach solchen Kraftproben Roseggers mit ihm zusammengesessen. Seinen besten Bekannten war bisweilen bange, daß er sich zuviel zugemutet, wenn er nach Wohltätigkeitsvorlesungen außer Atem, scheinbar vollkommen erschöpft, in die »Anzengrube«, späterhin zum Obmann des Vereins der Steirer, Dr. Foregger, kam und geraume Zeit kein Wort sprach. In so schlimmen Stunden verargte man ihm fast, daß er die Vorschrift seiner Ärzte mißachtete. In Wirklichkeit wußte er besser, was seiner Natur frommte. Der Anblick vertrauter und vergnügter Gesichter war ihm lieber und heilsamer als Kuren und Gesundbrunnen. Im Kreise guter Kameraden erholte er sich erstaunlich rasch und beschämte dann durch Gesprächigkeit und gute Einfälle die Muntersten und Jüngsten. Der 28. September 1902 war nun gar ein so besonderer Tag des Glückes für ihn geworden, daß ihm dieser Feierabend ohne Geselligkeit gar nicht geschmeckt hätte. Patriarchalisch nahm der Anspruchslose, wie sich das für einen rechten Hausvater gehört, den Vorsitz am langen Speisetisch ein. Die Unterhaltung mit ihm, seiner feinen Frau, den Haustöchtern, Pastor Kappus u. s. w. ging immer lustig weiter, bis ich neckend bemerkte, ganz ohne böse Nachrede käme niemand, am allerwenigsten ein Wohltäter, davon. Unterwegs hatte mir ein Siebengescheiter anvertraut, Rosegger wisse genau, was er tue. Zuerst habe er, scheinbar zum allgemeinen Besten, in seiner Waldheimat die evangelische wie die katholische Kirche, dann ein Schulhaus gebaut; demnächst komme für seinen eigenen Sack ein großes Krankenhaus in Alpl an die Reihe. Das Gerede war Rosegger nicht neu. Lästermäuler, so erzählte er lachend, hätten ihm aufgebracht, er wolle mit einem amerikanischen Konsortium in Alpl ein einträgliches Sanatorium ins Leben rufen. Als Gast verschwieg ich die naheliegende Antwort: ein solches Sanatorium führt unser Wirt schon seit Mitte der Sechzigerjahre; der Grundstein wurde mit »Zither und Hackbrett« gelegt und jeder neue Band seiner Schriften ist nur ein weiterer Anbau der von Hunderttausenden gesuchten Heil- und Erholungsstätte des ehemaligen Alm-Peterls, den mittlerweile die Universitäten von Heidelberg und Wien zum Ehrendoktor der Weltweisheit ernannten und mit gleichem Recht zum Ehrendoktor der Medizin hätten ausrufen können. Dürften auch die Handelsschulen solche Würden verleihen, dann müßte die Grazer Handelsakademie ihren früheren außerordentlichen Hörer als Meister der Finanzwissenschaft krönen: so selbstsicher hat, nach einem ersten Fehlschlag, der Waldbauernbub drei Millionen Kronen für den Deutschen Schulverein aus dem Boden gestampft. Vor Jahrzehnten verspekulierte er sich, als er den Landsleuten sagte: nicht durch Worte, durch Taten sollten sie ihre deutsche Gesinnung bekräftigen. Er sei bereit, den zehnten Teil seines Vermögens für Schulvereine zu stiften, wenn die anderen ein Gleiches tun wollten. Dieser Weckruf fand keinen Widerhall. Als er geraume Zeit später einen ähnlichen Vorschlag für einen enger umgrenzten Zweck mit einer bescheidener bemessenen Selbstbesteuerung machte und den ersten Baustein mit 2000 K für den Deutschen Schulverein widmete, gab er ein folgenreiches Beispiel, was das weise Wort und der feste Wille eines einzigen redlichen, selbstlosen Mannes vermag. Und dieser Sieg war nur der auffälligste, äußerlich größte, lange nicht der einzige, der dem Praktiker Rosegger und seinen Anregungen zu danken ist.
Im »Heimgarten« und in »Volkskalendern«, »stoansteirisch« und in der Schriftsprache, in beschaulichen und zornigen Tagebuchergüssen, in einem unübersehbaren, seinen besten Schöpfungen ebenbürtigen Briefwechsel hat er als geborener Volksbildner die Menschen belehrt, ergötzt, erhoben, getröstet und über den irdischen Zielen als Beichtiger und Prediger niemals die übersinnlichen aus den Augen verloren. Als Sohn eines religiösen Schwärmers hat er diesem halben Heiligen, dem »betenden Lenz«, nicht nur ein dauerhaftes Denkmal in der mundartlichen Dichtung »Mei Voda« gesetzt. Der Glaubensdrang dieses Vorfahren ringt in Roseggers Lebenswerk oft und oft nach Gestaltung. Von den »Gottsuchern« der Frühzeit bis zu dem ein Menschenalter später entstandenen » INRI« bestimmen religiöse Probleme sein Denken und Fühlen im Tiefsten. Die Handwerker, Fischer, Schiffer, Schächer seines Jesus-Romans sind bewußt und unbewußt Doppelgänger der steirischen zeitgenössischen Landsleute des Dichters. Seine eigenste Glaubensansicht offenbart sich in seiner Auslegung und Wiedergabe von Christi Gleichnisreden. Und der Gipfel seines » INRI«-Buches, zugleich der Gipfel seiner Ethik, ist seine Nachdichtung der Bergpredigt, Roseggers Messiade: »Liebet Eure Feinde. Tuet Gutes Denen, die Euch hassen. Nun schweigt er und im Volke ist eine stumme Bewegung. Eine Weihe ist zu dieser Stunde über den Erdball gegangen, wie sie seit Erschaffung der Welt nicht gewesen.«
Strenggläubige und Zweifler haben an Einzelnheiten, besonders harte Richter an dem Ganzen dieser »frohen Botschaft eines armen Sünders« Anstoß genommen. Die Milde der Gesinnung, die Größe der weltüberwindenden Nächstenliebe Roseggers leuchtet nirgends heller als in seinem Jesus-Roman. Sie wird für ihn zeugen und Segen stiften, wenn alle Tadler längst vergessen sein werden, die seinem Denken Mangel an Schärfe und Tiefe, seinem Schaffen Kritiklosigkeit und Ungleichmäßigkeit vorgeworfen haben. So bitter Rosegger, der Sache wegen, Einwendungen gegen seine Glaubensmeinungen und Sittenlehren kränken, Anfechtungen seiner Künstlerschaft nimmt er selbst vorweg: in der zum siebzigsten Gedenkjahr seiner Geburt von Staackmann ins Werk gesetzten endgültigen Gesamtausgabe seiner Schriften hält er erbarmungslos Gericht über Jugendsünden, tilgt er grausam wie mit Höllenstein Schwulst, Verstiegenheit, Überschwang, streicht er leichten Herzens ein volles Fünftel seiner Schreibereien. Eigenlob hat er nie geliebt, fremdes Lob Berufener demütig hingenommen, wenn er zufällig davon erfuhr; viel Umschau hielt er auch darnach nicht. So weiß er bis zu dieser Stunde vermutlich selbst nicht, daß Luise v. François seinen »Peter Mayr, den Wirt von der Mahr«, den besten deutschen Volksroman genannt hat und daß Gottfried Keller die kleinen Geschichten des »Petri Kettenfeierle« gern mochte: halb anekdotische Skizzen, wie »Ein Pfeiflein zur rechten Zeit«, »Ums Vaterwort«, »Wie ich mit dem Theresel ausging«, waren für den Staatsschreiber von Zürich nach dem Zeugnis seines Biographen Bächtold vom allerersten Range.
Derjenige, nach dessen Urteil Rosegger am meisten fragte, hat von den Erstlingen bis zur frühesten Gesamtausgabe meines Erachtens das Treffendste gesagt, was über Rosegger gesagt worden ist und gesagt werden wird: die Besprechung des »Waldschulmeisters«, die Anzengruber 1875 im »Neuen Wiener Tagblatt« drucken ließ, wiederholte ich deshalb in den Anmerkungen zu der Rosegger gewidmeten Ausgabe von Anzengrubers Briefen. Dort steht auch, wie der Wiener zu dem steirischen Lebensfreund über die zwölf Bände gesammelter Schriften 1882 sich äußerte: »Da ich Ihre ausgewählten Schriften las, erwachte in mir – einem der krittlichsten Kerle, wie Sie wissen – die Überzeugung, daß in diesen zwölf Bänden zwei Bücher stecken, die spätere Zeiten mit dem Besten aufbehalten werden, was unsere Tage hervorbrachten. Das eine, die Schilderung von Leben, Bräuchen und Sitten des steirischen Landvolkes von bleibendem kulturhistorischem Werte, das andere, die kurzen, knappen Bilder voll Gemütstiefe und echten lachenden und weinenden Humors von bleibender Wirkung als Musterstück dichterischer Leistung. Und da muß ich denn auch, um jedes Mißverständnis auszuschließen, noch hinzufügen, daß ich als Zeitgenosse mir von Ihren Dutzend Bänden nicht einen nehmen ließe.«
Seit dem Jahre 1882 hat Rosegger weitere zwei, drei Dutzend Bände veröffentlicht, darunter ein paar größere Kompositionen – »Jakob der Letzte«, »Das ewige Licht« – die rein künstlerisch längere Dauer verheißen. Das Schlußwort über Rosegger wird auch sonst bei Mit- und Nachwelt jederzeit er selbst behalten. Unsterblich ist er schon durch den Vierzeiligen:
Der Odom hot d'Lieb aufbrocht
Da Noah in Wein
Da Davidl 's Zithernschlogn
– Müassn Steirer g'west sein.
Das Liedl »Därf i 's Dirndl liabn« wird alle Symbolisten und Ästheten unserer Tage überdauern. Und der Wunsch, den der Dichter dem Herrgott vor zwanzig Jahren auf die Frage, was er wolle, wenn's zu Ende ginge, aussprach, malte ihn auch am Rosegger-Tag 1913:
»Mei Herrgott! wult ich sog'n
Do brauchts ka Bidenkn
Dasselb Leben, dos d' heunt nimmst
Dös tua ma wiada schenk'n:
's kloan Kind loß mih sein,
Dös vor oanasiebzg Johrn
In Wold obgschiedn
Bei Ormuot und Friedn
Mei Muada geborn.«
In dieser unzerstörbaren Welt- und Lebensfreudigkeit gleicht er Zug für Zug dem Bild, das er vor fünf Jahren von Berthold Auerbach gezeichnet hat: »Sein unzerstörbarer Optimismus gibt seiner Person etwas rührend Kindliches, seinen Schriften etwas Klassisches. Er war kein universeller Kopf, aber er war ein Weltherz. Er war zu haben für alle, für arm und reich, für hoch und niedrig, und allen, allen predigte er immerdar sein freudiges Hoffen und Streben auf den Sieg des Wahren und Guten. Reichlich vorgearbeitet für diesen Sieg hat er wahrhaftig, wenn er auch schwere Enttäuschungen erleben mußte. Welcher Optimist erlebte sie nicht und welcher Optimist ginge doch nicht immer wieder siegreich hervor!«
Solche Naturen sind sicherlich nicht die einzigen, deren die Menschheit bedarf. Sie gedeihen leider nur so spärlich, daß man sich ihrer nie genug freuen kann. Rosegger war von Kind auf ein Besonderer. Welcher andere Bauernbub wäre 1850 nach Wien gelaufen, nur um den Kaiser Josef zu suchen? Und sein Schneidermeister prophezeite, er werde niemals ein guter Schneider werden, weil er nie auch nur den Versuch gemacht habe, ihm ein Schnittmuster zu stehlen. Er hat auch als Künstler und Volksprediger keinem andern ein Schnittmuster abgeguckt. Und er ist trotzdem oder gerade darum geworden und geblieben, was er ist: ein einziger, der Rosegger.