Honoré de Balzac
Physiologie der Ehe
Honoré de Balzac

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Format XXVI. Beginne niemals die Ehe mit einer Notzucht!

Mit der unehrerbietigen Kühnheit der Chirurgen, die mit rücksichtslosem Schnitt das trügerische Muskelgewebe auftrennen, unter welchem eine ekelhafte Wunde sich birgt, haben wir in den vorhergehenden Betrachtungen die Ausdehnung des Geschwürs festgestellt. Die Tugend unserer Gesellschaft, auf den Seziertisch unseres anatomischen Theaters gelegt, hat nicht einmal einen Leichnam unter dem Skalpell gelassen. Liebhaber oder Gatte – ihr habt über die Krankheit gelächelt oder vor ihr geschaudert? Nun, mit einer boshaften Freude wälzen wir die Verantwortung für die ungeheuer schwere Last, unter der die Gesellschaft stöhnt, auf das Gewissen der Prädestinierten. Wenn Harlekin den Versuch macht, ob nicht sein Pferd sich dran gewöhnen könnte, ohne Fressen zu leben, so ist er nicht lächerlicher als die Männer, die in ihrer Ehe das Glück finden wollen, aber sie nicht mit aller erforderlichen Sorgfalt pflegen. Die Fehltritte der Frauen sind ebenso viele Anklagen gegen die Selbstsucht, Gleichgültigkeit und Nichtigkeit der Ehemänner.

Und nun, Leser, mußt du, der du oft dein Verbrechen an einem andern verdammt hast, die Wage halten! Die eine Schale ist ziemlich schwer beladen – sieh zu, was du in die andere legen willst! Mache einen Überschlag über die Zahl der Prädestinierten, die sich etwa unter der Gesamtzahl der Verheirateten befinden, und wäge: dann wirst du wissen, wo das Leiden seinen Sitz hat!

Wir wollen versuchen, in die Ursachen dieser ehelichen Krankheit noch etwas tiefer einzudringen.

Das Wort ›Liebe‹ auf die Fortpflanzung der Rasse angewandt, ist die schändlichste Lästerung, die unser moderner Sittenbegriff jemals ausgesprochen hat. Indem uns die Natur durch das göttliche Geschenk des Denkens über das Tier erhob, hat sie uns die Fähigkeit verliehen, Eindrücke und Gefühle, Bedürfnisse und Leidenschaften zu empfinden. Diese Doppelnatur schafft im Menschen das Tier und den Liebenden, und diese Unterscheidung wird das gesellschaftliche Problem aufklären, das uns hier beschäftigt.

Die Ehe kann je nach dem politischen, bürgerlichen und sittlichen Standpunkt als ein Gesetz, als ein Vertrag, als eine Einrichtung betrachtet werden – als ein Gesetz, indem sie für die Fortpflanzung des Geschlechts sorgt; als ein Vertrag, indem sie die Übertragung des Eigentums regelt; als eine Einrichtung, indem sie Interessen verbürgt, die für alle Menschen wichtig sind! Sie haben einen Vater und eine Mutter, sie werden Kinder haben. Die Ehe muß also der Gegenstand allgemeiner Ehrfurcht sein. Für die Gesellschaft haben nur diese höchsten Begriffe in Betracht kommen können, in denen für sie die Frage der Ehe gipfelt.

Die meisten Menschen haben bei ihrer Heirat nur Fortpflanzung, Eigentum oder Kind im Auge; aber weder Fortpflanzung, noch Eigentum, noch Kind machen das Glück aus. Das ›Seid fruchtbar und mehret euch!‹ hat mit der Liebe nichts zu tun. Von einem Mädchen, das man in vierzehn Tagen vierzehnmal gesehen, im Namen des Gesetzes, des Königs und der Gerechtigkeit Liebe zu verlangen – ist eine Abgeschmacktheit, die der meisten Prädestinierten würdig ist!

Liebe ist der Einklang von Bedürfnis und Gefühl; das Glück der Ehe erwächst aus einem vollkommenen Seeleneinverständnis der beiden Gatten. Daraus folgt, daß ein Mann, um glücklich zu sein, sich an gewisse Vorschriften der Ehre und des Zartgefühls gebunden halten muß. Nachdem er den Vorteil genossen hat, daß das soziale Gesetz dem Bedürfnis sein Recht zuspricht, muß er den geheimen Gesetzen der Natur gehorchen, die die Gefühle sprießen lassen. Wenn er sein Glück darin sucht, geliebt zu werden, so muß er aufrichtig lieben: nichts widersteht einer wahren Leidenschaft.

Aber Leidenschaft empfinden heißt ewig begehren.

Kann man immer seine Frau begehren?

Ja.

Die Behauptung, es sei unmöglich, immer dieselbe Frau zu lieben, ist so abgeschmackt, wie wenn man sagen wollte, ein berühmter Künstler brauche mehrere Violinen, um ein Musikstück zu spielen und eine Zaubermelodie zu schaffen.

Die Liebe ist die Poesie der Sinne. Sie teilt das Los alles dessen, was beim Menschen groß ist und aus seinem Gedanken entspringt. Sie ist entweder erhaben, oder sie ist nicht vorhanden. Wenn sie da ist, ist sie für ewig da und nimmt stets zu. Dies ist die Liebe, deren Gott, Eros, die Alten zu einem Sohne des Himmels und der Erde machten.

Die Literatur hat im ganzen nur sieben Gegenstände; die Musik drückt alles mit sieben Noten aus; die Malerei hat nur sieben Farben. Wie diese drei Künste beruht vielleicht auch die Liebe auf sieben Grundgesetzen; wir überlassen deren Feststellung dem kommenden Jahrhundert.

Wenn die Poesie, die Tonkunst und die Malerei unendlich viele Ausdrucksmöglichkeiten besitzen, so müssen die Wonnen der Liebe deren noch viel mehr darbieten; denn in den drei Künsten, die uns behilflich sind, die Wahrheit – vielleicht vergeblich – auf dem Wege der Analogien zu suchen, steht der Mensch allein mit seiner Einbildungskraft – die Liebe dagegen ist die Vereinigung zweier Leiber und zweier Seelen. Wenn die drei Hauptarten, dem Gedanken Ausdruck zu verleihen, von den von der Natur zu Dichtern, Musikern oder Malern Bestimmten ein fleißiges Studium verlangen – ist es dann nicht sinnfällig, daß man, um glücklich zu sein, zuvor in die Geheimnisse der Liebeswonne eindringen muß? Alle Menschen empfinden das Bedürfnis der Fortpflanzung, wie alle Hunger und Durst haben; aber nicht alle sind berufen, Liebeskünstler und Feinschmecker zu sein. Die Zivilisation unserer Tage hat den Beweis geführt, daß der Geschmack eine Wissenschaft und daß es keine Eigentümlichkeit gewisser bevorzugter Wesen sei, mit Verständnis zu essen und zu trinken. Die Liebeswonne, als Kunst betrachtet, harrt noch ihres Physiologen. Für uns genügt es, nachgewiesen zu haben, daß nur die Unkenntnis der Grundbedingungen des Glücks an dem Unglück schuld ist, das alle Prädestinierten erwartet.

Nur mit Zittern und Zagen wagen wir die Veröffentlichung einiger Aphorismen, die vielleicht zur Entstehung dieser neuen Kunst führen können, wie aus Gipsabgüssen die Geologie entstanden ist. Wir widmen sie dem Nachdenken der Philosophen, der heiratsfähigen jungen Leute und der Prädestinierten.

Ehekatechismus

XXVII. Die Ehe ist eine Wissenschaft.

XXVIII. Ein Mann kann sich nicht verheiraten, ohne Anatomie zu studieren und mindestens eine Frau seziert zu haben.

XXIX. Das Schicksal einer Ehe hängt von der ersten Nacht ab.

XXX. Die Frau, die ihrer freien Willensbestimmung beraubt ist, kann niemals das Verdienst haben, ein Opfer zu bringen.

XXXI. In der Liebe – ganz abgesehen von allen Seelenstimmungen – ist die Frau gewissermaßen eine Leier, die ihre Geheimnisse nur dem offenbart, der sie als Meister zu spielen weiß.

XXXII. Unabhängig von einem unwillkürlichen Widerwillen lebt in der Seele aller Frauen ein Gefühl, das sie treibt, Liebeswonnen, die der Leidenschaft entbehren, früher oder später zu verwerfen.

XXXIII. Nicht nur die Ehre, sondern zum mindesten ebenso sein eigener Vorteil gebieten einem Ehemann, sich niemals einen Genuß zu erlauben, wenn er nicht verstanden hat, in seiner Frau den Wunsch nach diesem Genuß zu erwecken.

XXXIV. Da die Wonne der Liebe durch die Vereinigung von Gefühl und sinnlichen Empfindungen hervorgerufen wird, so kann man kühn behaupten, daß die Liebesfreuden eine Art materieller Ideen sind.

XXXV. Da die Ideen eine unendliche Menge von Zusammenstellungen zulassen, so muß mit den Wonnen der Liebe das gleiche der Fall sein.

XXXVI. So wenig wie an einem Baum zwei völlig gleiche Blätter sind, finden sich im Menschenleben zwei völlig gleiche Augenblicke der Wonne.

XXXVII. Wenn zwischen einem Augenblick der Lust und dem andern Unterschiede bestehen, so kann ein Mann stets mit derselben Frau glücklich sein.

XXXVIII. Der Mann, der die Abstufungen der Wonne geschickt zu erkennen, sie zu entwickeln, ihnen einen neuen Stil, einen originalen Ausdruck zu verleihen weiß – hat das Zeug zu einem genialen Ehemann.

XXXIX. Im Verkehr zweier Menschen, die sich nicht lieben, ist ein solches Genie Unzucht; aber Liebesbeweise, die von der Liebe eingegeben sind, sind niemals unzüchtig.

XL. Die keuscheste verheiratete Frau kann zugleich die wollüstigste sein.

XLI. Die tugendhafteste Frau kann unbewußt unanständig sein.

XLII. Wenn zwei Menschen in der Wonne der Liebe vereint sind, schlummern alle Formen gesellschaftlicher Etikette. Hierin birgt sich eine Klippe, an der schon viele Schiffe gescheitert sind. Ein Ehemann ist verloren, wenn er ein einziges Mal vergißt, daß es eine Scham gibt, die mit den äußern Hüllen nichts zu tun hat. Die eheliche Liebe muß stets zur rechten Zeit die Augenbinde umzulegen und abzunehmen wissen.

XLIII. Kraft besteht nicht darin, daß man stark oder oft zuschlägt, sondern daß man richtig trifft.

XLIV. Eine Begierde aufkeimen zu lassen, sie zu nähren, sie sich entfalten und größer werden zu lassen, sie zu reizen, sie zu befriedigen – das ist ein ganzes Gedicht.

XLV. Die Wonnen der Liebe gehen vom Distichon zum Vierzeiler über, vom Vierzeiler zum Sonett, vom Sonett zur Ballade, von der Ballade zur Ode, von der Ode zur Kantate, von der Kantate zum Dithyrambus. Der Ehemann, der mit dem Dithyrambus beginnt, ist ein Dummkopf.

XLVI. Jede Nacht muß ihr Programm für sich haben.

XLVII. In der Ehe gilt es einen unaufhörlichen Kampf gegen ein Ungeheuer, das alles verschlingt: die Gewohnheit.

XLVIII. Wenn ein Mann nicht die Liebeswonnen zweier aufeinanderfolgender Nächte vollkommen verschieden zu gestalten weiß, hat er sich zu früh verheiratet.

XLIX. Es ist leichter Liebhaber als Ehemann zu sein, weil es schwerer ist, alle Tage Geist zu haben, als von Zeit zu Zeit eine hübsche Bemerkung zu machen.

L. Ein Ehemann darf niemals zuerst einschlafen und niemals zuletzt aufwachen.

LI. Der Mann, der das Ankleidezimmer seiner Frau betritt, ist ein Philosoph oder ein Dummkopf.

LII. Der Ehemann, der keine Begierden übrig läßt, ist ein verlorener Mann.

LIII. Die verheiratete Frau ist eine Sklavin, die man verstehen muß, auf einen Thron zu setzen.

LIV. Ein Mann kann sich nicht eher schmeicheln, seine Frau zu kennen und sie glücklich zu machen, als wenn er sie oft auf den Knien sieht.

An diese ganze unwissende Herde unserer Prädestinierten, an unsere Legionen von Katarrhalikern, Rauchern, Schnupfern, Wackelgreisen, Brummbären usw. dachte Sterne bei jenem Brief, den in seinem ›Tristram Shandy‹ Walter Shandy an seinen Bruder Toby schrieb, als dieser letztere mit dem Gedanken umging, die Witwe Wadman zu heiraten.

Da die berühmten Lehren, die der originellste englische Schriftsteller in diesem Briefe niedergelegt hat, fast ausnahmslos unsere Beobachtungen über die Art, sich den Frauen gegenüber zu benehmen, vervollständigen können, so bieten wir sie in wörtlicher Übertragung dem Nachdenken der Prädestinierten dar, indem wir sie bitten, andächtig darüber nachzusinnen, da dieser Brief eines der gehaltvollsten Meisterwerke des menschlichen Geistes ist.

Brief Mr. Shandys an den Kapitän Toby Shandy.

Mein lieber Bruder Toby!

Was ich Dir sagen will, bezieht sich auf die Natur der Frauen und auf die Art und Weise, sich in Liebesangelegenheiten mit ihnen zu benehmen. Und vielleicht ist es ein Glück für Dich – obgleich nicht in demselben Maße für mich – daß die Gelegenheit sich dargeboten hat, und daß ich mich imstande sehe, einige Belehrungen über diesen Gegenstand für Dich niederzuschreiben.

Wenn Er, der uns unsere Gaben zumißt, hätte geruhen wollen, Dir mehr Kenntnisse zuzuteilen als mir, so wäre ich entzückt gewesen, säßest Du an meinem Platze und hieltest Du diese Feder in der Hand; da es aber mir zukommt, Dich zu belehren, und da Mrs. Shandy hier bei mir ist, indem sie sich anschickt, sich zu Bett zu legen, so will ich in großen Umrissen und ohne besondere Ordnung allerlei Gedanken und Vorschriften über die Ehe zu Papier bringen, wie sie mir gerade einfallen, und je nachdem ich glaube, daß sie für Dich werden von Nutzen sein können. Ich möchte Dir damit einen Beweis meiner Freundschaft geben und zweifle nicht, mein lieber Toby, an der Dankbarkeit, womit Du ihn empfangen wirst.

Was nun zunächst hierbei die Religion anbetrifft, so bemerke ich zwar an dem Feuer, das mir ins Gesicht steigt, daß ich erröte, indem ich Dir hiervon spreche; und ich weiß ferner trotz Deiner Bescheidenheit, die es uns nicht würde sehen lassen, daß Du keine einzige ihrer frommen Übungen vernachlässigst – indessen möchte ich Dir eine derselben ganz besonders ans Herz legen und Dich bitten, sie niemals zu vergessen, zum mindesten nicht, solange Deine Liebschaft dauert. Ich meine, Bruder Toby, daß Du Dich bei dem Gegenstande Deiner Bewerbung niemals, weder morgens noch abends, einfinden solltest, ohne Dich zuvor dem Schutze des allmächtigen Gottes zu befehlen, damit er Dich vor allem Unglück bewahre.

Alle vier oder fünf Tage, und womöglich sogar öfter, rasiere und wasche Dir den Kopf, damit sie nicht, falls Du in einem Augenblick der Zerstreutheit Deine Perücke abnehmen solltest, unterscheiden kann, wie viele von Deinen Haaren unter der Hand der Zeit und wie viele unter der Hand Deines Korporals Trim gefallen sind.

Du mußt, so sehr es in Deinen Kräften steht, ihrer Phantasie jeden Gedanken an einen kahlen Kopf fernhalten. Beherzige wohl, Toby, diesen sichern Grundsatz und richte Dich nach ihm: alle Frauen sind furchtsam.

Und es ist ein Glück, daß sie es sind; denn wer möchte sich sonst mit ihnen einlassen?

Deine Hosen dürfen weder zu eng noch zu weit sein und nicht den Pluderhosen unserer Vorfahren gleichen.

Ein angemessenes ›Medium‹ kommt allen Glossen zuvor.

Was Du auch zu sagen hast, ob Du wenig oder viel zu sprechen hast, mäßige stets den Ton Deiner Stimme. Das Schweigen und eine Ruhe, die dem Schweigen nahekommt, erinnern den Geist an die Geheimnisse der Nacht. Darum, wenn Du es vermeiden kannst, lasse niemals die Ofenschaufel oder die Feuerzange fallen.

In Deinen Unterhaltungen mit ihr vermeide alles Scherzen und alles Spotten, und passe soviel wie möglich auf, daß sie keine ausgelassenen Bücher liest. Es gibt einige fromme Traktate, die Du ihr erlauben kannst – obwohl es mir lieber wäre, wenn sie auch diese nicht läse – aber dulde nicht, daß sie Rabelais, Scarron oder Don Quijote liest!

Alle diese Bücher reizen zum Lachen; und wie Du weißt, Toby, gibt es nichts Ernsthafteres als die Zwecke der Ehe.

Stecke stets eine Nadel in Deinen Busenstreif, bevor Du bei ihr eintrittst.

Wenn sie Dir erlaubt, Dich mit ihr auf dasselbe Sofa zu setzen, und wenn sie Dir Gelegenheit gibt, Deine Hand auf die ihrige zu legen, so widerstehe dieser Versuchung. Du kannst nicht ihre Hand ergreifen, ohne daß sie an der Wärme Deiner Hand errät, was in Dir vorgeht. Laß sie stets in bezug auf diesen Punkt und auf viele andere im Ungewissen. Wenn Du Dich so benimmst, so wirst Du zum mindesten den Vorteil für Dich haben, daß ihre Neugier erregt ist; und wenn Deine Schöne noch nicht ganz fügsam ist, und wenn Dein Esel noch fortwährend weiterbockt – was sehr wahrscheinlich ist – so wirst Du Dir unter den Ohren einige Unzen Blut abzapfen lassen, nach einem Brauch der alten Szythen, die durch dieses Mittel die regellosesten Begierden ihrer Sinne heilten.

Avicenna ist der Meinung, man solle sich hierauf mit Nieswurzextrakt einreiben, nachdem man die angemessenen Ausleerungs- und Abführungsmittel angewandt habe; und ich bin vollkommen seiner Meinung. Aber vor allen Dingen iß nur wenig und auf keinen Fall Ziegen- oder Hirschfleisch; enthalte Dich sorgsam – das heißt, so sehr Du nur kannst – der Pfauen, Kraniche, Bläßhühner, Taucher und Wasserhühner.

Dein Getränk – das brauche ich wohl nicht besonders zu betonen – sollte ein Aufguß auf Eisenkraut und Haneakraut sein, von denen Aelian Wunderwirkungen berichtet. Sollte aber Dein Magen sie nicht vertragen, so müßtest Du von ihrem fernern Gebrauch absehen und von Gurken, Melonen, Portulak und Lattich leben.

Für den Augenblick fällt mir weiter nichts ein, was ich Dir sagen könnte.

Es sei denn, daß, falls der Krieg erklärt werden sollte ...

Ich wünsche Dir also, mein lieber Toby, daß alles aufs beste gehe

und bin Dein Dich liebender Bruder
Walter Shandy.

So wie die Sachen jetzt stehen, würde Sterne selber ohne Zweifel aus seinem Brief die Bemerkung über den Esel streichen; er würde sich hüten, einem Prädestinierten den Rat zu geben, sich Blut abzapfen zu lassen, und würde anstatt der Gurken und des Lattichs eine ganz besonders gehaltreiche Kost anempfehlen. Er riet damals zum Maßhalten, um für den Augenblick der Kriegserklärung einen zauberhaften Überfluß zu erzielen; dies war eine Nachahmung des Verfahrens der bewunderungswürdigen englischen Regierung, die in Friedenszeiten zweihundert Kriegsschiffe hat, deren Werften aber im Notfall das Doppelte liefern können, wenn es gilt, die Meere zu umklammern und sich einer ganzen Flotte zu bemächtigen.

Wenn ein Mann zur kleinen Zahl derer gehört, die eine großherzige Erziehung in das Reich des Gedankens einführt, so sollte er stets, ehe er sich verheiratet, seine körperlichen sowohl wie seine sittlichen Kräfte prüfen. Um mit Aussicht auf Erfolg gegen alle die Stürme kämpfen zu können, die so viele Verführungen im Herzen seiner Frau zu erregen drohen, muß ein Ehemann außer einer wissenschaftlichen Kenntnis der Liebeswonnen und einem Vermögen, das ihm erlaubt, zu keiner Klasse der Prädestinierten zu gehören, noch folgende Eigenschaften besitzen: eine kräftige Gesundheit, einen auserlesenen Takt, viel Geist, genug Vernunft, um seine Überlegenheit nur bei passenden Anlässen merken zu lassen, und endlich ein außerordentlich feines Gesicht und Gehör.

Hätte er ein schönes Gesicht, einen hübschen Wuchs, ein männliches Aussehen – und bliebe er in seinen Leistungen hinter allen diesen Versprechungen zurück, so würde er zur Klasse der Prädestinierten gehören. Daher wäre ein häßlicher Mann, dessen Gesicht aber ausdrucksvoll ist, in der günstigsten Lage, um den Kampf mit dem Geiste des Bösen aufzunehmen, sobald seine Frau nur einmal seine Häßlichkeit vergessen hätte. Er wird sorgfältig darauf achten – und dies ist ein Umstand, den Sterne in seinem Brief vergessen hat – stets geruchlos zu sein, um keinen Widerwillen zu erregen. Daher wird er auch von den Parfüms – die unsere Schönen stets einem beleidigenden Verdacht aussetzen – nur einen mäßigen Gebrauch machen.

Er wird sich in seinem Benehmen der größten Vorsicht befleißigen, wird in allem, was er sagt, sich der gewähltesten Ausdrücke bedienen, wie wenn er ein Courmacher der unbeständigsten Frau wäre. Für ihn hat ein Philosoph folgende Betrachtung angestellt:

»Manche Frau hat sich für ihr Leben unglücklich gemacht, hat sich zugrunde gerichtet, hat sich entehrt für einen Menschen, den sie nachher nicht mehr liebte, weil er seinen Rock ungeschickt ausgezogen, einen seiner Nägel schlecht beschnitten, seinen Strumpf verkehrt angezogen oder sich beim Aufmachen eines Knopfes tölpelhaft benommen hat.«

Eine seiner wichtigsten Aufgaben wird es sein, seiner Frau den wirklichen Stand seines Vermögens zu verbergen, um ihr alle möglichen Einfälle und Launen befriedigen zu können, wie freigebige Junggesellen es zu tun pflegen.

Endlich – und dies ist schwierig, man bedarf dazu eines übermenschlichen Mutes – muß er den Esel, von dem Sterne spricht, vollkommen in seiner Gewalt haben. Dieser Esel muß ihm gehorchen, wie ein Leibeigener des dreizehnten Jahrhunderts seinem Herrn; muß ihm zu Willen sein und schweigen, muß auf den leisesten Wink gehen und stehen.

Mit allen diesen Vorteilen ausgerüstet, wird ein Ehemann dennoch kaum mit Aussicht auf Erfolg den Kampf aufnehmen können. Wie alle andern läuft er immer noch Gefahr, für seine Frau nur eine Art verantwortlich zeichnenden Herausgebers zu sein. »Ei was!« werden hier einige gute Leutchen rufen, deren Horizont bei ihrer Nasenspitze endet – »ei was, muß man sich denn mit dem Lieben so viele Mühe machen? Müßte man wirklich, um in der Ehe glücklich zu sein, vorher in die Schule gehen? Wird wohl gar die Regierung für uns einen Lehrstuhl der Wissenschaft der Liebe errichten, wie sie neulich einen Professor für Staatsrecht angestellt hat?«

Hierauf antworten wir:

Diese mannigfaltigen, so schwer zu erkennenden Regeln, diese ins einzelne gehenden Beobachtungen, diese je nach den Temperamenten so veränderlichen Begriffe existieren bereits, sozusagen, im Herzen derer, die für die Liebe geschaffen sind, wie ein instinktmäßiger Geschmack und eine schwer zu erklärende Fähigkeit, Ideen zu kombinieren, sich in der Seele des Dichters, des Malers oder des Tonkünstlers finden. Männer, denen es irgendwie Schwierigkeiten machen würde, die in dieser Betrachtung gegebenen Regeln zu betätigen, sind von Natur Prädestinierte, wie ein Mensch, der die zwischen zwei verschiedenen Ideen bestehenden Beziehungen nicht zu bemerken vermag, ein Dummkopf ist. Ja die Liebe hat ihre unbekannten großen Menschen, wie der Krieg seine Napoleons, wie die Dichtkunst ihre André Chéniers und wie die Philosophie ihre Descartes hat!

Diese letzte Beobachtung enthält den Keim einer Antwort auf die Frage, die seit langer Zeit alle Menschen sich stellen: warum kommt denn so selten eine glückliche Ehe vor? Dieses Phänomen der sittlichen Welt findet sich selten, weil man nur wenig genialen Menschen begegnet. Eine dauernde Leidenschaft ist ein erhabenes Drama, das von zwei gleichbegabten Schauspielern aufgeführt werden muß – ein Drama, dessen Katastrophen die Gefühle, dessen Ereignisse die Begierden sind, worin der leiseste Gedanke zu einem Szenenwechsel führt. Wie könnte man nun wohl in dieser Herde von Zweihändern, die man ein Volk nennt, häufig einen Mann und eine Frau finden, die in gleichhohem Grade mit dem Geiste der Liebe begabt sind, da ja schon in den andern Wissenschaften, in denen zur Erreichung des Erfolges der Künstler nur mit sich selber im klaren zu sein braucht, die Talente so dünn gesät sind?

Bis jetzt haben wir uns damit begnügt, die gewissermaßen physischen Schwierigkeiten ahnen zu lassen, die zwei Gatten zu überwinden haben, um glücklich zu sein. Wie nun erst, wenn wir das erschreckende Gemälde der sittlichen Verpflichtungen enthüllen müßten, die aus der Verschiedenheit der Charaktere entstehen! Schweigen wir darüber! Der Mann, der geschickt genug ist, sein Temperament zu lenken, wird ganz gewiß auch Herrscher seiner Seele sein.

Wir wollen annehmen, unser Mustergatte erfülle diese Hauptbedingungen, die erforderlich sind, um seine Frau erfolgreich gegen den Ansturm der Feinde zu verteidigen. Wir wollen annehmen, er gehöre zu keiner der zahlreichen Klassen von Prädestinierten, über die wir Musterung gehalten haben. Endlich wollen wir annehmen, daß er sich alle Grundsätze zu eigen gemacht habe; daß er die wunderbare Wissenschaft beherrsche, von deren Lehren wir dem Leser einige enthüllt haben; daß er bei der Auswahl seiner Frau sehr verständig zu Werke gegangen sei; daß er seine Frau kenne; daß er von ihr geliebt werde. Und nun wollen wir in der Aufzählung aller allgemeinen Ursachen fortfahren, die die kritische Lage noch verschlimmern können, in die wir ihn zur Belehrung des Menschengeschlechtes zu bringen gedenken.


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