Brigitte Augusti
Mädchenlose
Brigitte Augusti

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Achtes Kapitel

»Zu wohlthätigem Zwecke«

Den 25. Juli.

Alles ist vorüber! nach der Aufregung der letzten Woche, nach all der angestrengten Thätigkeit ist es heute wunderbar still. Wenn wir unsern klingenden Erfolg ansehen, der sich immer noch durch Zusendungen vermehrt, wenn wir an all die Lobsprüche denken, die uns zu teil geworden sind, so können wir nur dankbar sagen: es war gelungen! Laß Dir nun alles genau berichten, meine teure Mama, Du hast lange nichts Ausführliches von mir gehört, nur flüchtige Briefchen erhalten, und ich weiß doch, daß Du herzlichen Anteil an unserm Unternehmen nimmst.

Am Sonnabend verkündeten die Knaben mit großem Jubel, das Barometer steige von Stunde zu Stunde, der Himmel werde unserer Sache günstig sein. In der Nacht regnete es noch einmal tüchtig, der Sonntagmorgen aber war so wundervoll, wie man ihn sich nur wünschen konnte; alles prangte im funkelnden Geschmeide unzähliger Tröpfchen und sah köstlich frisch und duftig aus.

Gegen Abend versammelte sich die Gesellschaft, etwa 40 Personen, unter denen sich eine gewisse Spannung deutlich fühlbar machte. Wir hatten Herrn v. Rothenburg gebeten, sich der jungen Welt anzunehmen, damit unser Verschwinden nicht zu sehr auffiele; es war seine einzige Mitwirkung, mit der Sache selbst wurde er ebenso überrascht, wie die Gäste. Er soll seinen Auftrag mit seltener Liebenswürdigkeit erfüllt haben. – Als es endlich dunkel genug geworden war, wurden die unzähligen Lampions auf dem Platz um den Pavillon angezündet; sie glänzten wie Glühwürmchen im dunkeln Laube und verbreiteten ein magisches Halbdunkel, welches ganz geeignet war, unser Publikum in eine erwartungsvolle Stimmung zu versetzen. Nun erschien Hermann in der Tracht eines Heroldes, that kund, daß eine Künstlergesellschaft sich produzieren wolle, und lud die Gesellschaft ein, ihm zu folgen; Knaben mit bunten Laternen begleiteten den Zug zu dem Platze, auf dem Bänke und Stühle in Reihen aufgestellt waren. Als alles geordnet war, ging der Vorhang in die Höhe, und auf hellem Hintergrunde erschien ich in weißem Kleide, über dem ein dunkelroter Shawl malerisch drapiert war, einen grünen Kranz im Haar. Ich drängte alle Schüchternheit zurück und sprach mit lauter Stimme meine Verse;

Seid mir gegrüßt, vieledle Herrn und Damen,
Die huldreich unsre Bitte ihr erhört!
O zürnet dem nicht, was wir unternahmen;
Im voraus sei uns Nachsicht schon gewährt,
Es ist nicht eitler Ruhm, um den wir werben,
Was Mitgefühl nur gab uns kühnen Mut:
Wir sahen gähnen dräuendes Verderben,
Und rufen euch zu Hilfe – o seid gut!

Ihr alle wißt, wie jüngst entfesselt heulte,
Dämonen gleich, ein rasender Orkan;
Wie jeder angstvoll zu den Seinen eilte
Und rief den Himmel um Bewahrung an.
Euch allen hat er gnädig sie gewähret,
Schonend lenkt' seine Hand des Sturmes Wut.
Was schuldet ihr Ihm, daß Er euch erhöret?
Wie dankt ihr Ihm für seine treue Hut?

O schaut auf die, in deren dürft'ge Habe
Der Sturmesengel warf den Feuerbrand,
Und leget eures Dankes Opfergabe
Mit mildem Sinn in unsre offne Hand.
Ach, köstlich ist's, zu trocknen Kummerzähren,
Dem hart Betroffnen hilfreich beizustehn.
Dies stille Glück euch allen zu vermehren,
Laßt mich auch heute nicht vergebens flehn!

Nun hob sich eine zweite Gardine und ließ ein lebendes Bild sehen. Im Hintergründe ein brennendes Haus, das durch eine grellrote bengalische Flamme den Anschein der Wirklichkeit erhielt; zu beiden Seiten mit Retten beschäftigte Leute, vorn auf den Trümmern ihrer Habe kniete eine Bäuerin, an die ihr Kind sich angstvoll klammerte, während sie selbst die gefalteten Hände flehend zum Himmel emporhob. Das Kind war das wirkliche Lieschen, die Frau wurde durch Marie dargestellt, die sehr hübsch und ansprechend aussah. Dazu erklang hinter der Scene das Engelterzett, in welchem ein anderes junges Mädchen meine Stimme übernommen hatte. Lautlose Stille unter den Zuschauern – der Vorhang fiel, die letzten Töne verhallten, dann brach lebhafter Beifall aus, und da-capa-Ruf wurde laut. Hierauf betrat Dr. Kron eine kleine Estrade, die seitwärts aufgestellt war, und hielt seinen Vortrag, den er der Gelegenheit sehr hübsch und fein angepaßt hatte. Er knüpfte daran an, daß die Gegend hier noch zum großen Teil von Polen bewohnt sei, daß es also nicht uninteressant erscheinen dürfte, dieser Nation und ihrem Geistesleben einige Aufmerksamkeit zu schenken. Die von mir übertragenen Bruchstücke waren der lichtvollen Darstellung slavischer Kulturzustände eingefügt, und den Schluß bildeten einige kleinere Gedichte, denen sich, wie Illustrationen, mehrere lebende Bilder anschlössen. Besondern Beifall fand folgende Dichtung:

Die Berberitze. (Aus dem Polnischen)

Im Hain an des blauen Baches Rand
Eine schlanke Berberitze stand.
Der Tau ihre Speise, der Regen ihr Brunn,
Sie badet ihr Laub in der Maiensonn',

Und als der Sommer gekommen war,
Da flocht sie sich rote Korallen ins Haar
Und schmückte sich hold, wie ein Mägdelein,
Und schaut' in des Wassers Spiegel hinein.

Es kämmt ihr der Wind das lange Haar,
Es wascht ihr der Tau die Äuglein klar.
Und Hans am Rande des Baches sitzt
Und sich eine Flöte aus Weiden schnitzt.

Drauf bläst er lange wundersam,
Gelehnt an der Berberitze Stamm,
Er sang ein Lied so schwermutsvoll,
Das leis durch den tauigen Morgen scholl.

Die Berberitze im grünen Gewand
Gleich einem Mädchen lauschend stand.
Doch im Herbst, da senkte im dunklen Schrein
Mit schwarzem Kreuz den Hans man ein.

Wie hat ihn die Berberitze geliebt!
All' ihre Blätter ins Grab sie ihm giebt,
Ins Wasser warf sie voll Leid die Korallen –
Sie wollte nun keinem mehr gefallen!

Das Bild stellte einen Wald dar; in seinem Schatten saß, in Träumerei versunken, ein hübscher Bauerbursche und blies die Flöte. Hinter ihm ragte aus dem grünen Dickicht ein liebliches Köpfchen hervor, die Dryade des Busches verkörpernd; die blonden Locken mit einem vollen Kranz hochroter Berberitzen geschmückt, um die Schultern eine grüne Guirlande. Der Finger war lauschend auf die Lippen gedrückt, der Kopf ein wenig vorgeneigt, wie um keinen Ton zu verlieren. Ein grünliches Licht wob einen märchenhaften Schleier um die reizende Gruppe, die lebhaft applaudiert wurde. Zuletzt wurde die Feuerscene noch einmal gewünscht, sie bildete mit dem schönen Terzett wirklich einen hübschen, harmonischen Abschluß. Als das Publikum seine Sitze verließ, stellten Rose und ich uns mit Tellern an den Eingang des Platzes und nahmen die Spenden in Empfang, die reichlich flossen. Nach dem Abendessen wandelte man im Garten auf und nieder und genoß den wunderbar schönen Abend, als plötzlich eine neue Überraschung sich aufthat, nämlich ein reizendes Feuerwerk, das Herr v. Rothenburg heimlich besorgt hatte und durch einen Sachverständigen abbrennen ließ, während ein paar Spielleute ihre Weisen dazu hören ließen. Zuletzt zog man noch einmal ins Zimmer, und es begann ein munterer Tanz, der bis Mitternacht dauerte. Alle versicherten, es sei ein reizender Abend gewesen.

Heute erhielten wir mehrere freundliche Briefchen, die mit Gold und Silber beschwert waren; unser Schatz beträgt gegen 80 Mark; das ist eine hübsche Summe, und sollte sie zur Anschaffung der Kuh noch nicht ganz ausreichen, so wird für den Rest wohl noch Rat werden.

Den 26. Juli.

Der Juli geht mit starken Schritten seinem Ende entgegen und mein hiesiger Aufenthalt auch; täglich erwarte ich Nachricht von Dir, wann Du zu Hause einzutreffen gedenkst. O geliebte Mama, wie unaussprechlich süß wird es sein, Dich wieder zu haben; mich überfällt oft eine heiße Sehnsucht danach, besonders an ruhigen Tagen, wo nichts Besonderes Herz und Gedanken in Anspruch nimmt. Hat unsere kleine Engels-Nora mich auch nicht vergessen? Papa versprach mir, mich von hier abzuholen; welch eine Freude wird es sein, ihn wiederzusehen, welch ein Glück, wenn wir alle wieder daheim beisammen sein werden!

Heute nach dem ersten Frühstück wanderte ich mit meinem Zeichenbuch hinaus; es war mir lieb, daß niemand mit mir kam, denn nach der bewegten Zeit, die wir verlebt, fühlte ich ein Bedürfnis nach Stille und Einsamkeit. Der schattige Pfad lockte mich weiter und weiter, bis ich an seinem Ende ankam, wo der Hügel steil nach einer tiefen Schlucht abfällt, auf deren Grunde ein reißender Bach dahinbraust, während gegenüber der Berg, den oben dichtes Gesträuch krönt, eben so steil in die Höhe steigt. Es ist ein romantischer Punkt, den ich besonders liebe; ich setzte mich am Fuß einer Birke nieder und versuchte die Aussicht zu zeichnen, was mir einige Schwierigkeiten bereitete. Als ich einmal aufsah, belebte eine hübsche Staffage die andere Seite; Herr v. Rothenburg, die Flinte über der Schulter, den großen Hühnerhund neben sich, erschien auf dem Kamme des Berges und grüßte mit geschwenktem Hut herüber. Dann sprang er mit elastischen Sätzen die steile Wand herunter und kletterte auf meiner Seite in die Höhe. Ich sah ihm mit Spannung zu und war froh, als er glücklich oben ankam.

»Das war ein tollkühnes Wagnis, Herr v. Rothenburg«, sagte ich, »warum gingen Sie nicht bis an das Ende der Schlucht, wo man ganz bequem herüber kann?«

»Weil ich fürchtete, die holde Nymphe dieser einsamen Stätte möchte inzwischen entflohen sein, und weil ich gern einen Augenblick mit ihr sprechen wollte.«

»Das könnten Sie im Hause leichter haben – freilich fehlt da der nymphenhafte Nimbus.«

Er setzte sich in meiner Nähe auf das Gras,

»Wollen Sie mir erlauben, Fräulein Erna, Ihnen einen Beitrag zu Ihrer Sammlung einzuhändigen, oder sind die Listen schon geschlossen?«

»Keineswegs, der Wohlthätigkeit werden keine Schranken gesetzt.«

»Ihr Appell an die Opferfreudigkeit der Zuschauer hat auch mein hartes Herz gerührt – ich möchte Ihre Verse gern zum Andenken besitzen.« »Wenn Ihr Herz weich geworden ist, haben sie ihren Zweck ja schon erfüllt, und es bedarf dieser Erinnerung nicht mehr.«

»Soll ich sie erkaufen? oder wollen Sie sie mir freiwillig geben?«

Ich zauderte, die rechte Antwort war nicht leicht zu finden.

»Ihre Gabe hat nur rechten Wert, wenn sie von Herzen gegeben wird; schmälern Sie ihr denselben doch nicht durch Bedingungen.«

Er zog ein Päckchen, das in weißes Papier gewickelt war, aus der Tasche und reichte es mir, es wog schwer in meiner Hand.

»O, Herr v. Rothenburg«, rief ich ganz entzückt, »haben Sie tausend Dank! Dies reiche Geschenk giebt uns weit mehr, als wir noch bedürfen. Wie wird sich Rose freuen – und Frau Neßler – es ist prächtig!« Ich reichte ihm in meiner Herzensfreude beide Hände, die er an seine Lippen zog. »Nun sollen Sie auch die Verse haben, ganz freiwillig, ich will sie Ihnen aufs schönste aufschreiben.«

Er nahm seine Brieftasche heraus und reichte sie mir.

»Wollen Sie sie hier hineinschreiben? dann sind sie mir eine bleibende Erinnerung an diese Stunde.«

Ich konnte doch nicht anders, als seinen Wunsch erfüllen, nicht wahr, Mama? Als ich ihm die Brieftasche zurückgab, küßte er mir wieder die Hand.

»Darf ich einen Blick auf Ihre Zeichnung werfen?« frug er, »ich bin auch ein wenig bewandert in diesen Künsten.« Ich sagte ihm, welche Schwierigkeiten ich gefunden habe; er nahm den Bleistift und hatte mit einigen Strichen dem Dinge ein ganz anderes Ansehen gegeben.

»Darf ich auch ein Erinnerungszeichen hinzufügen?«

Ich nickte, und er zeichnete mit sicherer Hand einige kleine Figuren hinein, die ihn selbst mit seinem Hunde darstellten.

»Wenn Sie später einmal dies Blättchen ansehen, so werden Sie hoffentlich auch einen flüchtigen Gedanken für den Jäger haben,« meinte er. »Ich fürchte, Sie werden uns in kurzem verlassen, Fräulein Erna?«

»Ich hoffe, mein Vater kommt in den ersten Tagen des August, um mich abzuholen.«

»Ihr Scheiden wird ein Verlust für dieses Haus sein, den jedes Glied schmerzlich fühlen wird.«

»Doch nur für wenige Tage, dann schließt sich die unbedeutende Lücke, als wäre sie gar nicht gewesen.«

»Und Ihnen ist es auch nach wenigen Tagen, als wären Sie nie hier gewesen.«

»O nicht doch!« rief ich, »ich habe hier zu viel Gutes gelernt und zu viel Freundlichkeit empfangen, um jemals dieses Haus zu vergessen, samt all den lieben Menschen, die darin wohnen.«

»Von dieser gütigen Versicherung nehme ich einen bescheidenen Anteil auch für mich in Anspruch. Darf ich mir erlauben, Ihren Eltern meine Aufwartung zu machen, wenn ich nach M. komme?«

»Sie werden sich sicher sehr freuen, Sie zu sehen,« erwiderte ich; »meiner Mutter werden Sie kaum noch ein Fremder sein, sie hat durch meine Briefe schon viel von Ihnen gehört.«

»Wirklich?« sagte er und machte ein so vergnügtes Gesicht, daß ich fast erschrak; hatte ich zu viel gesagt? Ich fragte schnell, wie lange er noch hier zu bleiben gedenke?

Im Herbst geht meine Lehrzeit hier zu Ende, dann will ich noch einige größere Reisen nach England und Frankreich machen, um die dortige Landwirtschaft praktisch zu studieren. Ein Jahr später soll ich nach dem Wunsche meines Vaters einen Teil seiner Güter übernehmen und mich an die Scholle binden. Früher erschien mir diese Aussicht wenig lockend, jetzt denke ich anders.«

Mich überkam allmählich ein Gefühl, daß dieses lange tête-á-tête nicht ganz passend sein könnte, daher stand ich auf und sagte, ich müsse nach Hause. Er seufzte und meinte, die schönen Augenblicke im Leben wären immer so kurz und flüchtig, doch machte er zu meiner Beruhigung keinen Versuch, mich zu begleiten. Ich eilte, so schnell ich konnte, um Rose die Bereicherung unseres Schatzes zu zeigen; als wir das Papier öffneten, fielen zehn Goldstücke heraus.

»Hundert Mark!« rief sie staunend und schlug die Hände zusammen; »nun können wir außer der Kuh noch den ganzen Hausrat kaufen! Rothenburg ist doch ein herrlicher Mensch, und dies zeigt ihn wieder in seiner ganzen Glorie! o, ich will ihn verehren und lieben nach Herzenslust, wenn er mich auch gar nicht leiden kann, er kann es mir doch nicht wehren!«

Morgen ist Jahrmarkt im nächsten Städtchen, da sollen die Einkäufe gemacht werden. Der Inspektor will uns die Kuh aussuchen, Fräulein Lietzner, die ohnehin Besorgungen zu machen hat, will für den Rest des Geldes das Nötigste zur Einrichtung des Hauses kaufen; Rose begleitet sie, ich bleibe hier.

Den 27. Juli.

Reich mit Schätzen beladen kamen unsere Damen gestern nach Hause. Tische, Stühle, ein Schränkchen, dann Schüsseln, Töpfe, ein Butterfaß und manches andere noch hatten sie für Neßlers gekauft, es war eine ganze Ausstattung. Alles wurde in einer Stube aufgestellt, Frau Klingemann fügte ein Bett hinzu, auch kleine Vorräte von Speck, Mehl und Grütze. Heute vormittag kam der Mann, um Frau und Kind abzuholen; er hat sein Häuschen einigermaßen hergestellt, gute Nachbarn haben ihm dabei geholfen. Frau Neßler ist gesund zu nennen, die gute Pflege hat ihre Kräfte wunderbar gestärkt; sie fand selbst, daß sie den gütigen Herrschaften nicht länger zur Last fallen dürfe. Der Mann sprach seinen Dank in hübscher Weise aus und wollte sein Lebewohl daran knüpfen, als ihn Rose plötzlich beim Arme ergriff und ihm sagte, hier sei noch einiges für ihn mitzunehmen. Fräulein Lietzner folgte mit der Frau, ich mit Lieschen; die Kinder liefen daneben, und so führten wir die Familie vor die aufgebauten Schätze. Es dauerte lange, bis sie begriffen, daß dies alles wirklich für sie sein sollte; dann hatte das Entzücken keine Grenzen, und Frau Neßlers Thränen flossen so reichlich, daß mir bange wurde. Nun brachten wir sie vor die Thür, die Knaben führten die Kuh vor, die einen Kranz auf den Hörnern und eine Glocke am Halse trug. Laut jubelnd sprang Lieschen auf sie zu und klopfte sie voller Freude; dem Manne traten die Thränen in die Augen, die Frau aber war ganz überwältigt, sie ließ sich auf die Bank sinken, schlug die Hände vors Gesicht und sagte nur immer vor sich hin: »es ist zu viel, es ist zu viel.« Fräulein Lietzner setzte sich neben sie und redete ihr freundlich, aber bestimmt zu, sich zu fassen, die Freude dürfe sie doch nicht krank machen.

»O, liebes Fräulein«, sagte sie, »wie soll ich nur jemals genug für all das Gute danken?«

»Danken Sie allein dem lieben Gott dafür«, versetzte Tante Emma in ihrer energischen Weise, »aber thun Sie es mit frohem Herzen und nicht mit lauter Thränen. Die Herrschaften, die neulich hier waren, haben zusammengelegt, um Ihnen Ihre Wirtschaft neu einzurichten, sie begehren keinen Dank dafür. Nun zieht mit Gott, lieben Leute, dient ihm treu und rechtschaffen, das ist der beste Dank.«

Herr Klingemann ließ einen Wagen anspannen, die beglückte Familie lud ihre Schätze auf und nahm einen zärtlichen Abschied. Ich sah ihnen mit bewegtem Herzen nach; zum erstenmal ist es mir vergönnt gewesen, an einem guten Werke mitzuwirken, Not und Sorge lindern zu helfen. Was ich selbst dabei gethan habe, ist ja nur wenig, aber ich durfte doch mit Hand anlegen zum fröhlichen Gelingen und empfinde eine tiefe, dankbare Freude darüber. Nie will ich gefühllos an fremder Not vorübergehen, nie vergessen, wie selig es ist, wohlzuthun und mitzuteilen.


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