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»Ich bin trotz alledem
in Österreich verliebt!«

(Grillparzer, Selbstbiographie)

 

siehe Bildunterschrift

Franz Grillparzer. Ölgemälde von Heinrich Hollpein. 1836.
Wien, Städtische Sammlungen. Bildarchiv der österreichischen Nationalbibliothek.

Vorwort

Dieses Buch ist entstanden aus zwei Anregungen und fünfzig Jahren, die dazwischen liegen. Der eine Ansporn, weit entfernt davon, als solcher empfunden zu werden, war ein Konfirmationsgeschenk: acht schmucke Doppelbände von Grillparzers damals »Sämtlichen Werken«, die mir auf Anstiften meiner österreichischen Mutter von meinen reichsdeutschen Verwandten zugingen und später zum Eckstein meiner Wiener Bibliothek wurden. Die andere entscheidende Ermunterung ergab sich ein halbes Jahrhundert später im antipodischen Hollywood. Im immer sommerlichen Maskentreiben der von himmelhohen Palmwipfeln überfächelten Theaterstadt gibt es, auf dem Hollywooder Boulevard, wo es alles gibt und nichts auffällt im Gewühl – es wäre denn vielleicht eine Frau in Röcken –, auch einige lauschig beschattete Bücherstände. An einem solchen stehenbleibend, fühlte ich mich von der Lust angewandelt, in der dort aufgeschütteten Ramschware zu stöbern. Dabei fiel mir ein trotz seiner Vergilbtheit völlig unversehrtes Almanachbändchen mit der Jahreszahl 1822 in die Hand, das zwei damals eben erst zur Aufführung gelangte Tragödien des jungen Grillparzer enthielt: »Die Ahnfrau« und »Sappho«. Ein österreichischer Flüchtling mochte es mit anderen Bücherschätzen seiner verlorenen Heimat nach Hollywood gebracht und dort schweren Herzens verklopft haben. Der Erlös konnte nicht bedeutend gewesen sein, denn der Einheitspreis, der auch für die anderen Friedhofreste dieser literarischen Schädelstätte galt, war mit zehn Cent angemerkt, um welchen Betrag ich die kleine bibliophile Kostbarkeit erstand. Ich betrachtete ihren unvermuteten Besitz als einen Fingerwink des Schicksals, ein lang im Archivschatten rückgestauter Pläne dunkelndes Vorhaben auszuführen und das Leben des großen Dichters seiner nicht nur deutsch sprechenden Nachwelt zu erzählen. Bei dem eingestandenermaßen kühnen Vorhaben, seinen ungeschmeidigen Namen in höherem Maße als bisher weltbekannt zu machen, darf sich der Verfasser auf Grillparzers gleich großen Zeitgenossen Byron berufen, der, nachdem er »Sappho« in italienischer Übersetzung gelesen hatte, seherisch behauptete, die »Welt werde lernen müssen, diesen unaussprechlichen Namen auszusprechen«.


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