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Neuntes Kapitel. Im grünen Klee.

In der ersten Morgenfrühe ging Malva mit dem Grastuche unterm Arme und der Sense auf der Schulter nach dem Kleefeld am Berge. Sie dachte, wie Reinhard die erste Nacht im Dorfe verbracht haben mochte, sie schritt aber dabei rüstig vorwärts, denn die Kühe daheim warteten auf ihr Futter. Die Sense mähte den tauglänzenden Klee nieder, da rief der Waldhüter Maurus: »Schneidet's gut?«

Malva hielt still und erwiderte:

»So? Du bist's? Hast du heut' noch keine alte Frau gesehen?«

»Warum?«

»Weil ihr Jäger ja das für einen Aberglauben haltet,« lachte Malva und das gurrte so lange nach, wie die Waldtaube dort im Walde.

»Du bist lustig!«

»Warum nicht? Es ist ja wieder Tag. Ich hab' gestern viel Elend durchgemacht, aber wenn's wieder Morgen ist, da fang' ich allemal frisch zu leben an.«

»Was hast denn gestern gehabt?«

Malva erzählte, daß Reinhard bei ihr gewesen und daß sie ihm von der Toten berichtet habe.

»Was siehst mich so an? Warum sagst du kein Wort?« schloß sie.

Der Waldhüter entgegnete, daß er gestern dem Manne begegnet sei, von dem er nachher gehört habe, daß er der Reinhard selber sei. Er hütete sich indes wohl, zu berichten, was er dem Ungekannten erzählt hatte.

»Ich kann mir's jetzt denken,« begann Malva wieder, »daß dem ein Mädle folgt von allem weg und nach gar nichts fragt.«

»Wie es scheint, gefällt er dir arg.«

»Von Gefallen ist da kein Red'. Wenn der Herr Reinhard sagen thät', ich soll seine Magd sein, mit Freude ging' ich zu ihm, und wenn er sagen thät', geh' mit mir in die weite Welt, ich ging' mit ihm wie dein Hund mit dir geht.«

»So? Und mich könntest du so für nichts und wieder nichts aufgeben?«

»Das ist anders. Wenn das Lorle noch lebte und es thät' sagen, pfleg' meinen Reinhard und sei ihm unterthan, ich müßt's thun; aber davon ist keine Red'. So ein Herr braucht mich nicht.«

Sie schien nicht weiter reden zu können, sie nahm ihren Wetzstein und wetzte die Sense, daß es hell klang. Plötzlich aber sagte sie: »Ich hab' genug geschnitten,« und den Klee in das Tuch sammelnd und zusammenschnürend sagte sie: »Hilf mir auf.«

Der Waldhüter hob den Kleebündel auf und wollte ihn eben dem Mädchen auf den Kopf legen. da hörten sie einen grellen Pfiff und von ferne her den Ruf: »Malva! Maurus! Wartet! Ich komm'.«

»Was will der Schütz?« fragte Malva den Kleebündel wieder abwerfend, denn Martin war es, der ihnen gerufen hatte. Er kam atemlos herbei und sagte: »Gut, daß ich euch bei einander treffe, es geht euch beide an.«

Heftig fuhr er den Waldhüter an, der dem Reinhard gesagt habe, das ganze Dorf wolle ihn steinigen.

»Ja, sie haben's ja alle gesagt,« erwiderte der Waldschütz, »wenn sie gelogen haben und jetzt feig sind, was geht's mich an?«

»Und du hast auch gesagt,« nahm der Schütz wieder auf, »die Malva weiß von seinen grausamen Thaten.«

»Jawohl, das hab' ich auch gesagt. Ist's nicht wahr?«

»Nein. Du mit deinem halben Verstand hast das nicht verstanden,« rief Malva, »und wenn ich was gesagt hätte, wie darfst du so ungetreu an mir sein?«

»Freilich, das darfst nur du. Du darfst allein ungetreu sein, die Rothaarigen dürfen das allein.«

»So ist's recht. Ich dank' dir, daß du das gesagt hast. Gottlob, jetzt ist es aus. Du bist der Kamerad von meinem Bruder gewesen und da hab' ich was auf dich gehalten. Da der Anhenker,« sagte sie, und deutete auf eine silberne Kapsel, die um ihren Hals hing, »den hast du mir machen lassen, er hat drei Gulden gekostet, ich zahle sie, kannst sie beim Martin da holen. Mit uns zwei ist's aus, auf immer und ewig. So gewiß der abgemähte Klee da nimmer wieder auf die Stoppel wächst, ebenso auf immer auseinander ist's mit uns. Gott Lob und Dank, du kannst dich nicht berühmen, einen Kuß von mir zu haben.«

»Das wär' auch was.«

Malva stürzte mit geballten Fäusten auf den Spötter zu, ihr Auge flammte und ihre Lippen bebten, aber vor ihm stehend, sagte sie sich selbst bezwingend: »Halt. Nicht so. Ich dank' dir für jedes von deinen Worten tausendmal.« Sie wendete sich zum Schütz und sagte:

»Martin, hilf mir auf.«

Das geschah, und mit dem Kleebündel aus dem Kopfe ging Malva nach dem Dorfe zurück. Sonst hörte man sie immer singen, heute sang sie nicht. Martin, der sie bald wieder einholte, sagte: »Schau, dort geht der Herr Reinhard, er geht gewiß nach der Hohlmühle zum alten Müller.«

»Wenn er nur dem nicht verratet, daß das Lorle gestorben ist,« sagte Malva, »der alte Müller weiß es noch nicht und er war ihr bester Freund.«


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