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(1852.)
Wie Geigen- und Klarinettenton klingt es in der ganzen Umgegend von Haldenbrunn, wenn man diese Namen nennt, und allerorten heißt es: So gibt es keine Menschen mehr, so lustig und so gut und so glücklich.
Es ist eine Freude, solche Menschen gekannt zu haben, und eine höhere Freude, sie andern bekannt zu machen und ihnen damit eine reine Erquickung zu schenken. Aber freilich, das geht schwer. Wer nicht ein Auge mitbringt, in dem die Menschenliebe leuchtet, und wer nicht seine Lust hat an unverwüstlichem Lebensmut – der wird am Ende weiter nichts sehen als zwei alte knochendürre Gestalten.
Wir gehen ab der Landstraße einen ziemlich schroffen Berg hinan, der Weg ist mehr mit Schlitten als mit Wagen befahren, und hüben und drüben stehen dunkle Tannenwälder, drin der Kuckuck ruft und die Holzaxt schallt. In Klaftern aufgeschichtetes Brennholz verbreitet in der Mittagssonne einen eigentümlichen Harzduft, jetzt haben wir das Dorf erreicht und sehen, daß wir nur einen Vorhügel erstiegen, denn hinter ihm dehnen sich fast unübersehbar weit hinaus hohe Waldberge. O wie erquicklich ist es, wenn man im heißen Mittag über den Berg kommt und aus dem Wald heraustretend ein Dorf in grünen Obstbäumen vor sich sieht; da lernt man verstehen, was es heißt, sich nach dem kühlen Wein sehnen. Es ist niemand auf der Straße, den wir nach dem besten Wirtshaus fragen können, ist aber auch nicht nötig; dort gegenüber dem Röhrbrunnen jenes helle Haus mit dem Ziegeldache hat seinen Wegweiser, der blecherne Auerhahn mit ausgespreiztem Schweif, den es im Schilde trägt, schaut vergnüglich auf euch nieder. Er ist Alleinherrscher und kein andrer neben ihm. Es ist ganz am Platze, daß man dem einzigen Wirtshaus im Walddorfe den Auerhahn zum Schilde gegeben, der hier noch lebendig nistet; und noch dazu gehört jetzt das Wirtshaus dem Revierförster, der es erheiratet hat, seitdem die Beamtung aufgab und sich dem einträglicheren Holzhandel widmet. Wir treten in die geräumige getäfelte Stube, an deren oberem Ende ein Stück Brett in die Decke neu eingesetzt ist. Wir werden schon später erfahren, warum. Es ist niemand daheim als das wohl kaum fünfzehnjährige Wirtstöchterlein, das emsig aus einem Buche abschreibt. Flink eilt es auf unser Geheiß in den Keller.
Die Welt ist doch schön eingerichtet für den, der Geld im Sack hat. Hier oben, wo kaum die Holzäpfel reif werden, beherbergen die guten Menschen kräftigen Unterländer Wein, der nur auf den Ruf aus lechzender Kehle wartet.
Wollt ihr wissen, was das junge Wirtstöchterlein im heißen Mittag einsam schreibt? Lächelt nur, es sind französische Vokabeln. Der Herr Revierförster (denn ein Titel stirbt nicht aus) lassen jede Woche zweimal den geschickten Lehrer von Endringen kommen, der muß das Töchterlein vorbereiten, bis er es nach dem nahen Straßburg auf ein Jahr in ein Pensionat thut.
Die geschminkte Vornehmigkeit und der deutsche Bedientengeist finden ihren Weg in die entlegensten Walddörfer.
Es hat aber damit doch noch keine Gefahr. Fragt den Mann, der jetzt mit seinem schindelnbeladenen Gefährte vor dem Wirtshaus hält und, die Peitsche im Schoß, einen Schoppen Most trinkt, fragt ihn nach dem Brosi, und er wird euch sagen: »Das war ein alter Deutscher,« und darunter versteht man doch noch immer einen schlichten, gerechten Mann von Treu und Glauben.
Hier in der Wirtsstube hat der Brosi viele schöne Stunden verbracht, die gerippten Gläser, die dort auf dem Brette auf den Kopf gestellt sind, hingen gewiß alle schon an seinen Lippen.
Es ist hier gerade der rechte Platz, seine Lebensgeschichte zu erzählen.