Bettine von Arnim
Goethes Briefwechsel mit einem Kinde
Bettine von Arnim

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Heute war ich früh draußen, ich ging den ersten Feldweg, die Feldhühner schreckten vor mir auf, so früh war's noch; die Wiesen lagen da im Morgenglanz, übersponnen mit Fäden, an denen die Tauperlen aufgereiht waren.

Manchmal hält die Natur Dir die Wage, und ich empfinde die Wahrheit der Worte: »Weg du Traum, so gold' du bist, hier auch Lieb und Leben ist.« So ein Gang, wenn ich wieder unter die Menschen komme, macht mich einsam.

Ach, die zahmen Menschen, ich verstehe ihren Geist nicht. Geist lenkt, er deutet, er fliegt voran auf immer neuen Wegen oder er kommt entgegen wie die Leidenschaft und senkt sich in die Brust und regt sich da. Geist ist flüchtig wie Äther, drum sucht ihn die Liebe, und wenn sie ihn erfaßt, dann geht sie in ihm auf. Das ist meine List, daß die Liebe dem Geist nachgeht.

Dir geh' ich nach auf einsamen Wegen, wenn's still und ruhig ist, dann lispelt jedes Blatt von Dir, das vom Wind gehoben wird, da lasse ich meine Gedanken still stehen und lausche, da breiten sich die Sinne aus wie ein Netz, um Dich zu fangen, es ist nicht der große Dichter, nicht Dein weltgepriesener Ruhm! In Deinen Augen liegt's, in dem nachlässigen und feierlichen Bewegen Deiner Glieder, in den Schwingungen Deiner Stimme, in diesem Schweigen und Harren, bis die Sprache aus der Tiefe Deines Herzens sich zum Wort entfaltet; wie Du gehst und kommst und Deinen Blick über alles schweifen läßt, dies ist es und nichts anders, was mich erfreut, und keine glänzende Eigenschaft kann diese Leidenschaft erregenden Zeichen überwiegen.

Da streif' ich hin zwischen Hecken, ich dräng' mich durch's Gebüsch, die Sonne brennt, ich leg' mich ins Gras, ich bin nicht müde, aber weil meine Welt eine Traumwelt ist. Es zieht mich hinüber nur Augenblicke, es hebt mich zu Dir, den ich nicht mit Menschen vergleiche. – Mit den Streiflichtern und ihren blauen Schatten, mit den Nebelwolken, die am Berg hinziehen, mit dem Vögelgeräusch im Wald, mit den Wassern, die zwischen Gestein plätschern, mit dem Wind, der dem Sonnenlicht die belaubten Äste zuwiegt; mit diesem vergleich' ich Dich gern, da ist's, als wenn Deine Laune hervorbräche. – Das Summen der Bienen, das Schwärmen der Käfer trägt mir Deine Nähe zu, ja selbst das ferne Gebell der Hunde im Nachtwind weckt mir Ahnungen von Dir; wenn die Wolken mit dem Mond spielen, wenn sie im Licht schwimmen, verklärt: da ist alles Geist, und er ist deutlich aus Deiner Brust gehaucht; da ist's, als wendest Du Geist Dich mir entgegen und wärst zufrieden, von dem Atem der Liebe wie auf Wellen getragen zu sein.

Sieh! So lieb ich die Natur, weil ich Dich liebe, so ruh' ich gern in ihr aus und versenk' mich in sie, weil ich gern in Dein Andenken mich versenke.

Ach, da Du nirgends bist und doch da bist, weil ich Dich mehr empfinde als alles andere, so bist Du gewiß in diesem tausendfachen Echo meines Gefühls.

*

Ich weiß einen! Wie mit Kindeslächeln hat er sich mit der Weisheit, mit der Wissenschaft befreundet. Das Leben der Natur ist ihm Tempel und Religion; alles in ihr ist ihm Geisterblick, Weissagung, ein jeder Gegenstand in ihr ward ihm zum eigentümlichen Du, in seinen Liedern klingt die göttliche Lust, sich in allem zu empfinden, alle Geheimnisse in sich aufzunehmen, sich in ihnen verständlich zu werden.

*

Wenn der Same in die Erde kommt, wird er lebendig, und dies Leben strebt in ein neues Reich, in die Luft. Wenn der Same nicht schon Leben in sich hätte, könnte es nicht in ihm erweckt werden, es ist Leben, was ins Leben übergeht. – Wenn der Mensch nicht schon Seligkeit in sich hätte, könnte er nicht selig werden. Der Keim zum Himmel liegt in der Brust wie der Keim zur Blüte im verschloßnen Samen liegt. – Die Seligkeit ist so gut ein Erblühen in einem höheren Element wie jene Pflanze, die aus dem Samen durch die Erde in ein höheres Element, in die Luft geboren wird. Alles Leben wird durch ein höheres Element genährt, und wo es ihm entzogen ist, da stirbt es ab.

Erkenntnis, Offenbarung ist Samen eines höheren Lebens, das irdische Leben ist der Boden, in dem er eingestreut ist, im Sterben bricht die ganze Saat ans Licht. Wachsen, blühen, Früchte tragen von dem Samen, den der Geist hier in uns gelegt hat, das ist das Leben nach dem Tod.

Du bist der Äther meiner Gedanken, sie schweben durch Dich hin und werden von Dir im Flug getragen wie die Vögel in der Luft.

An Dich denken, im Bewußtsein von Dir verweilen, das ist ein Ausruhen vom Flug, wie der Vogel ausruht im Nest.

Geist im Geist ist unendlich, aber Geist in den Sinnen, im Gefühl ist Unendliches im Endlichen erfaßt.

Meine Gedanken umschwärmen Dich wie die Bienen den blühenden Baum. Sie berühren tausend Blüten und verlassen eine, um die andre zu besuchen, jede ist ihnen neu;. so wiederholt sich auch die Liebe, und Wiederholung ist ihr neu.

*

Liebe ist immerdar erstgeboren, sie ist ewig, ein einziger Moment Zeit ist ihr nichts, sie ist nicht in der Zeit, da sie ewig ist; sie ist, kurz, die Liebe. Ewigkeit ist eine himmlische Kürze.

Nichts Himmlisches geht vorüber, aber das Zeitliche geht vorüber am Himmlischen.

*

Hier auf dem Tisch liegen Trauben im Duft und Pfirsich im Pelz und buntgemalte Nelken; die Rose liegt vorne und fängt den einzigen Sonnenstrahl auf, der durch die verschlossenen Fensterladen dringt. Wie glüht die Rose! Psyche nenne ich sie; – wie lockt das glühende Rot den Strahl in den innersten Kelch! Wie duftet sie; – hier lobt das Werk den Meister. Rose, wie lobst du das Licht! – Wie Psyche den Eros lobt. – Unendlich schön ist Eros, und seine Schönheit durchleuchtet Psyche wie das Licht die Rose. – Und ich, die da wähnt, von Deiner Schönheit ebenso durchleuchtet zu sein, trete vor den Spiegel, ob es mich auch wie sie verschönt.

Der Strahl ist dem Abend gewichen, die Rose liegt im Schatten, ich durchstreife Wald und Flur, und auf einsamen Wegen denk' ich an Dich, daß Du auch wie Licht mich durchdringst.

*

Sehnsucht und Ahnung liegen ineinander, eins treibt das andre hervor.

Der Geist will sich vermählen mit dem Begriff: ich will geliebt oder ich will begriffen sein, das ist eins.

Darum tut der Geist wohl, weil wir fühlen, wie aus dem irdischen Leben das geistige ins himmlische übergeht und unsterblich wird.

Die Liebe ist das geistige Auge, sie erkennt das Himmlische, es sind Ahnungen höherer Wahrheiten, die uns der Liebe begehren machen.

In Dir seh' ich tausend Keime, die der Unsterblichkeit aufblühen, ich mein', ich müsse sie alle anhauchen. – Wenn Geister einander berühren, das ist göttliche Elektrizität.

Alles ist Offenbarung; sie gibt den Geist, und dann den Geist des Geistes. Wir haben den Geist der Liebe, und dessen Geist ist der Liebe Kunst.

Alles ist nichtig, nur der Wille reicht drüber hinaus, nur der Wille kann göttlich sein.

*

Wie begierig ist die Seele nach Wahrheit, wie durstet sie, wie trinkt sie! – Wie die lechzende Erde, die tausend Pflanzen zu nähren hat, den fruchtbaren Gewitterregen trinkt; die Wahrheit ist auch elektrisch Feuer wie der Blitz. – Ich fühl' den weiten wolkendurchjagten Himmel in meiner Brust; ich fühl' den feuchten Sturmwind in meinem Kopf; das weiche Heranrollen der Donner, wie sie steigen, mächtig, und das elektrische Feuer des Geistes begleiten. – Das Leben: eine Laufbahn, die mit dem Tod abschließt durch die Liebe, durch den Geist; ein geheim verborgen Feuer, das sich bei diesem Abschluß ins Licht ergießt.

Ja, elektrisch Feuer! Das glüht, das braust, die Funken, die Gedanken, die fahren zum Schornstein heraus.

Wer mich berührt im Gefühl meiner Geistigkeit, mit dem zusammen erbraust der Geist gewitterhaft und spielt im Pulsschlag der Stürme, im elektrischen Zittern der Luft. Das hab' ich gedacht, wie wir miteinander sprachen und Du meine Hand berührtest.

Geschrieben nach dem Gewitter, wie sich's nach dem Sturm noch einmal erhellen wollte und die Nacht dem nachträglichen Tag das Regiment abnahm.

*

Schon manch Vorurteil hab' ich gelöst, so jung wie ich bin, wenn ich auch das eine lösen könnte, daß die Zeit nichts verjährt, Hunger und Durst werden auch nicht älter; so ist's auch mit dem Geist, in der Gegenwart bedingt er schon die Zukunft. Wer Ansprüche an die Zukunft macht, wer der Zeit voraneilt, wie kann der der Zeit unterworfen sein?

Ich habe bemerkt an den Bäumen, immer ist hinter dem abwelkenden Blatt schon der Keim einer zukünftigen Blüte verborgen; so ist auch das Leben im jungen, frischen, kräftigen Leib die nährende Hülle der Geistesblume; und wie sie welkt und abfällt in der irdischen Zeit, so drängt sich aus ihr hervor der Geist als ewige himmlische Blüte.

Wenn ich im späten Herbst im Vorübergehen das tote Laub von den Hecken streifte, da sammelte ich mir diese Weisheit ein; ich öffnete die Knospen, ich grub die Wurzeln aus, überall drängte sich das Zukünftige aus der gesamten Kraft des Gegenwärtigen hervor; so ist denn kein Alter, kein Absterben, sondern ewiges Opfern der Zeit an das neue junge Frühlingsleben, und wer sich der Zukunft nicht opferte, wie unglücklich wär' der! –

*

Zum Tempeldienst bin ich geboren, wo mir nicht die Luft des Heiligtums heimatlich entgegenweht, da fühl' ich mich unsicher, als hab' ich mich verirrt.

Du bist mein Tempel, wenn ich mit Dir sein will, reinige ich mich von der alltäglichen Bedrängnis wie einer, der Feierkleider anlegt; so bist Du der Eingang zu meiner Religion.

Ich nenne Religion das, was den Geist auf der Lebensstufe des Augenblicks ergreift und im Gedeihen weiter bildet wie die Sonne Blüten und Früchte. Du siehst mich an wie die Sonne und fächelst mich an wie der Westwind, unter solchen Reizungen blühen meine Gedanken.

Diese Lebensepoche mit Dir zieht eine Grenze, die das Ewige umfaßt, weil alles, was sich innerhalb ihrer bildet, das Überirdische ausspricht, sie zieht einen Kreis um ein inneres Leben; nenne es Religion, Offenbarung, über alles, was der Geist Unermeßliches zu fassen vermag!

Was wacht, das weckt! Gewiß, in Dir wacht, was mich weckt. Es geht eine Stimme von Dir aus, die mir in die Seele ruft. – Was durch diese Stimme geweckt wird, ist Geheimnis; erwachtes Geheimnis ist Erleuchtung.

Manches sehe und fühl' ich, was schwer ist auszusprechen. Wer liebt, lernt wissen, das Wissen lehrt lieben, so wachse ich vielleicht in der Offenbarung, die jetzt noch Ahnung ist. Ich habe das Gefühl von dem Zeitpunkt an, wo mir's so freudig in die Sinne kam, meine Gedanken, mein geistiges Leben in Deinen Busen zu ergießen, als habe ich mich aus tiefem Schattental erhoben in die sonnigen Lüfte.

*

In dem Garten, wo ich noch als Kind spazierte, da wuchs die Jungfrauenrebe hoch empor an plattem Gestein. Damals hab' ich oft ihre kleinen Samtrüssel betrachtet, mit denen sie sich anzusaugen strebt, ich bewunderte dies unzertrennliche Anklammern in jede Fuge, und wenn der Frühling erschöpft war und die Sommergluten dem jungen weichen Keimleben dieser zarten Pflanze einfeuerten, da fielen allmählich ihre zierlichen rotgefärbten Blätter zum Schmuck des Herbstes ins Gras. Ach, ich auch! Absterbend, aber feurig werd' ich von Dir Abschied nehmen; und diese Blätter werden wie jenes rote Laub auf dem grünen Rasen spielen, der diese Zeiten deckt.

*

Ich bin nicht falsch gegen Dich; – Du sagst: »Wenn Du falsch bist, Du hättest keine Ehre davon, ich bin leicht zu betrügen.«

Ich will nicht falsch sein, ich frage nicht, ob Du falsch bist, sondern wie Du bist, will ich Dir dienen.

Den Stern, der dem Einsamen jeden Abend leuchtet, den wird er nicht verraten.

Was hast Du mir getan, was mich zur Falschheit bewegen könnte, alles, was ich an Dir verstehe, das beglückt mich; Du kannst weder Auge noch Geist beleidigen, und es hat mich weit über jede kleinliche Bedingung erhoben, daß ich Dir vertrauen darf; und aus dem tiefsten Herzen kann ich Dir immer nur den reinen Wein einschenken, in dem Dein Bild sich spiegelt.

Nicht wahr, Du glaubst nicht, daß ich falsch bin? –

Es gibt böse Fehler, die an uns hervorbrechen wie das Fieber; es hat seinen Verlauf, und wir empfinden in der Genesung, daß wir schmerzlich krank waren; aber Falschheit ist ein Gift, das sich in des Herzens Mitte erzeugt, könnte ich Dich nicht mehr in dieser Mitte herbergen, was sollte ich anfangen?

In meinen Briefen wollte ich Dir nichts sagen, aber hier im Buch, da lasse ich Dir die Hand in meine Wunde legen, und es tut weh, daß Du an mir zweifeln kannst; ich will Dir erzählen aus meinen Kindertagen, aus der Zeit, eh' ich Dich gesehen hatte. Wie mein ganzes Leben ein Vorbereiten war auf Dich; wie lange kenne ich Dich schon, wie oft hab' ich Dich gesehen mit geschlossenen Augen, und wie wunderbar war's, wie endlich die wirkliche Welt sich in Deiner Gegenwart an die lang gehegte Erwartung anschloß.

*

In den hängenden Gärten der Semiramis bin ich erzogen, ich glattes, braunes, feingegliedertes Rehchen, zahm und freundlich zu jedem Liebkosenden, aber unbändig in eigentümlichen Neigungen. Wer konnte mich vom glühenden Fels losreißen in der Mittagssonne? – Wer hätte mich gehemmt die steilsten Höhen zu erklettern und die Gipfel der Bäume? Wer hätte mich aus träumender Vergessenheit geweckt mitten unter den Lebenden oder meine begeisterten Nachtwanderungen gestört auf nebelerfülltem Pfad! – Sie ließen mich gewähren, die Parzen, Musen und Grazien, die da alle eingeklemmt waren im engen Tal, das vom Geklapper der Mühlen dreifaches Echo in den umgrenzenden Wald rief, vom Goldsandfluß durchschnitten, dessen Ufer jenseits eine Bande Zigeuner in Pacht hatte, die nachts im Wald lagerten und am Tag das Gold fischten, diesseits aber durch die Bleicher benutzt war und durch die wiehernden Pferde und Esel, die zu den Mühlen gehörten. Da waren die Sommernächte, mit Gesang der einsamen Wächter und Nachtigallen durchtönt, und der Morgen, mit Geschrei der Gänse und Esel begonnen; da machte die Nüchternheit des Tags einen rechten Abschnitt von dem Hymnus der Nacht.

Manche Nächte hab' ich da im Freien zugebracht, ich kleines Ding von acht Jahren; meinst Du, das war nichts? – Mein Heldentum war's, denn ich war kühn und wußte nichts davon. Die ganze Gegend, soweit ich sie ermessen konnte, war mein Bett; ob ich am Ufersrand von Wellen umspült oder auf steilem Fels vom fallenden Tau durchnäßt schlief, das war mir einerlei. Aber Freund! Wenn die Dämmerung wich, der Morgen seinen Purpur über mir ausbreitete und mich, nachdem ich dem Gesang der steigenden Lerche schon im Traum gelauscht hatte, unter tausendfachem Jubel aller befiederten Kehlen weckte, was meinst Du, wie ich mich fühlte? – Nichts geringer als göttlicher Natur fühlt' ich mich, und ich sah herab auf die ganze Menschheit. Solcher Nächte zwei erinnere ich mich, die schwül waren, wo ich aus den beklommenen Schlafsälen zwischen den Reihen von Tiefschlafenden mich schlich und hinaus ins Freie eilte und mich die Gewitter überraschten und die breite blühende Linde mich unter Dach nahm; die Blitze feuerten durch ihre tiefhängenden Zweige; dies urplötzliche Erleuchten des fernen Waldes und der einzelnen Felszacken erregte mir Schauer, ich fürchtete mich und umklammerte den Baum, der kein Herz hatte, was dem meinen entgegenschlug.

O lieber Freund! Hätte ich nun den lebendigen Pulsschlag gefühlt unter dieses Baumes Rinde, dann hätte ich mich nicht gefürchtet; dies kleine Bewegen, dies Schlagen in der Brust kann Vertrauen erregen und kann den Feigen zum Helden umwandeln; denn wahrlich! fühlt' ich Dein Herz an meinem schlagen und führtest Du mich in den Tod, ich eilte triumphierend mit Dir!

Aber damals in der Gewitternacht unter dem Baum, da fürchtete ich mich, mein Herz schlug heftig, das schöne Lied: »Wie ist Natur so hold und gut, die mich am Busen hält«, das konnte ich damals noch nicht singen, ich empfand mich allein mitten im Gebraus der Stürme, doch war mir so wohl, mein Herz ward feurig. Da läuteten die Sturmglocken des Klosterturms, die Parzen und Musen eilten im Nachtgewand mit ihren geweihten Kerzen in das gewölbte Chor, ich sah unter meinem sturmzerzausten Baum die eilenden Lichter durch die langen Gänge schwirren; bald tönte ihr »ora pro nobis« herüber im Wind, so oft es blitzte, zogen sie die geweihte Glocke an, so weit ihr Schall trug, so weit schlug das Gewitter nicht ein.

Ich allein jenseits der Klausur, unter dem Baum in der schreckenvollen Nacht! Und jene alle, die Pflegerinnen meiner Kindheit, wie eine verzagte verschüchterte Herde, zusammengerottet in dem innersten feuerfesten Gewölb' ihres Tempels, Litaneien singend um Abwendung der Gefahr. Das kam mir so lustig vor unter meinem Laubdach, in dem der Wind raste und der Donner wie ein brüllender Löwe die Litanei samt dem Geläut verschlang; an diesem Ort hätte keins von jenen mit mir ausgehalten, das machte mich stark gegen das einzige Schreckenvolle, gegen die Angst, ich fühlte mich nicht verlassen in der allumfassenden Natur. Der herabströmende Regen verdarb ja nicht die Blumen auf ihrem feinen Stengel, was sollte er mir schaden, ich hätte mich schämen müssen, vor dem Vertrauen der kleinen Vögel hätt' ich mich gefürchtet.

*


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