Bettine von Arnim
Goethes Briefwechsel mit einem Kinde
Bettine von Arnim

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Vorrede

Dies Buch ist für die Guten und nicht für die Bösen.

Während ich beschäftigt war, diese Papiere für den Druck zu ordnen, hat man mich vielfältig bereden wollen, manches auszulassen oder anders zu wenden, weil es Anlaß geben könne zu Mißdeutungen. Ich merkte aber bald, man mag nur da guten Rat annehmen, wo er der eignen Neigung nicht widerspricht. Unter den vielen Ratgebern war nur einer, dessen Rat mir gefiel; er sagte: »Dies Buch ist für die Guten und nicht für die Bösen; nur böse Menschen können es übel ausdeuten, lassen Sie alles stehen, wie es ist, das gibt dem Buch seinen Wert, und Ihnen kann man auch nur Dank wissen, daß Sie das Zutrauen haben, man werde nicht mißdeuten, was der gute Mensch nie mißverstehen kann.« – Dieser Rat leuchtete mir ein, er kam von dem Faktor der Buchdruckerei von Trowitzsch und Sohn, Herrn Klein, derselbe, der mir Druck und Papier besorgte, Orthographiefehler korrigierte, Komma und Punkt zurechtrückte und bei meinem wenigen Verstand in diesen Sachen viel Geduld bewies. Diese seine ausgesprochne Meinung bestärkte mich darin, daß ich den bösen Propheten und den ängstlichen Ansichten der Ratgebenden nicht nachgab. Wie auch der Erfolg dieses Rates ausfallen mag, ich freue mich seiner, da er unbezweifelt von den Guten als der edelste anerkannt wird, die es nicht zugeben werden, daß die Wahrheit eines freudigen Gewissens sich vor den Auslegungen der Bösen flüchte. –

Auch dem Herrn Kanzler von Müller in Weimar sage ich Dank, daß er auf meine Bitte sich bemühte, trotz dem Drang seiner Geschäfte, meine Briefe aus Goethes umfassendem Nachlaß hervorzusuchen, es sind jetzt achtzehn Monate, daß ich sie in Händen habe; er schrieb mir damals: »So kehre denn dieser unberührte Schatz von Liebe und Treue zu der reichen Quelle zurück, von der er ausgeströmt! Aber eins möchte ich mir zum Lohn meiner gemessenen Vollziehung Ihres Wunsches und Willens wie meiner Enthaltsamkeit doch von Ihrer Freundschaft ausbitten. – Schenken Sie mir irgendein Blatt aus dieser ohne Zweifel lebenswärmsten Korrespondenz; ich werde es heilig aufbewahren, nicht zeigen noch kopieren lassen, aber mich zuweilen dabei still erfreuen, erbauen oder betrüben, je nachdem der Inhalt sein wird; immerhin werde ich ein zweifach liebes Andenken, einen Tropfen gleichsam Ihres Herzbluts, das dem größten und herrlichsten Menschen zuströmte, daran besitzen.« Ich habe diese Bitte nicht befriedigt, denn ich war zu eifersüchtig auf diese Blätter, denen Goethe eine ausgezeichnete Teilnahme geschenkt hatte, sie sind meistens von seiner Hand korrigiert, sowohl Orthographie als auch hie und da Wortstellung, manches ist mit Rötel unterstrichen, anderes wieder mit Bleistift, manches ist eingeklammert, anderes ist durchstrichen. Da ich ihn nach längerer Zeit wiedersah, öffnete er ein Schubfach, worin meine Briefe lagen, und sagte: »Ich lese alle Tage darin.« Damals erregten mir diese Worte einen leisen Schauer. Als ich jetzt diese Briefe wieder las, mit diesen Spuren seiner Hand, da empfand ich denselben Schauer, und ich hätte mich nicht leichtlich von einem der geringsten Blätter trennen mögen. Ich habe also die Bitte des Kanzler von Müller mit Schweigen übergangen, aber nicht undankbar vergessen; möge ihm der Gebrauch, den ich davon gemacht habe, beides, meinen Dank und meine Rechtfertigung, beweisen.


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