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Hermonides erzählt dem Zerbin die furchtbare Geschichte Gabrina's (1–72).
1 | Die weiße Tracht der Treue kömmt bei Horaz vor: Te albo rara fides colit velata panno. | Kein Nagel, glaub' ich, hält das Holz so dicht, Kein Seil die Last so fest, die es umwindet, Wie edle Herzen die gelobte Pflicht Mit ihrer Fessel unauflöslich bindet; Daher man auch die Treue anders nicht Bei alten Malern abgebildet findet Als mit schneeweißem Schleier ganz bedeckt, Den schon ein Punkt, ein Stäubchen schon befleckt. |
2 | Die Treue soll ganz unverbrüchlich sein, Ob wir sie Tausenden, ob einem schwuren; Und ebenso in einer Höhl', im Hain, Fernab von Städten und bewohnten Fluren, Wie vor der Richterbank und dem Verein Der Zeugen und Register und Scripturen Sei, ohne Schwören und Besiegelung, Das Wort, das man gegeben hat, genung. 265 |
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3 | Die Treue hielt, wie man sie halten sollte, In jedem Werk der edle Prinz Zerbin; Hier zeigt' er, wie er ihr Verehrung zollte, Daß er, anstatt des eignen Wegs zu ziehn, Bei jener blieb, der er so bitter grollte, Daß ihre Nähe wie die Pest ihm schien, Ja wie der Tod. Denn mächtiger war eben Als die Begier das Wort, das er gegeben. |
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4 | Ich hab' erzählt, wie schwer die Schand' und Schmach Solches Geleits auf seinem Herzen wogen, Wie er von Schmerz ergrimmt kein Wörtchen sprach Und beide stumm desselben Weges zogen; Ich sagte dann, ihr Schweigen unterbrach, Als schon bergab die Sonnenräder bogen, Ein fahr'nder Ritter, der dem finstern Paar Inmitten ihres Wegs begegnet war. |
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5 | Die Alte hatt' ihn augenblicks erkannt: Hermonides von Holland hieß der Reiter. Im schwarzen Felde quer ein rotes Band Führt' er als Wappen, sonst kein Zeichen weiter. Der Stolz und Trotz in ihrem Antlitz schwand, Kleinlaut empfahl sie jetzt sich dem Begleiter Und mahnt' ihn an das Wort, das er vorhin Gegeben habe jener Kriegerin. 266 |
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6 | Der Todfeind ihres Hauses sei der Mann, Der ihnen auf der Straß' entgegenreite, Der ihren frommen Vater schlug und dann Den einz'gen Bruder riß von ihrer Seite Und der nun ihr, die ihm bisher entrann, Ein Schicksal wie den übrigen bereite. »Solang' ich da bin, Weib, für dich zu sorgen, (Antwortete Zerbin) bist du geborgen.« |
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7 | Als nun der Rittersmann nach kurzer Zeit Still hielt vor dem verhaßten Angesichte, Rief er mit zorn'gem Ton: »Mach' dich bereit Mit mir zu kämpfen oder sonst verzichte Auf die Verteidigung und dein Geleit, Damit mein Schwert sie nach Verdienste richte. Wenn du für sie Partei nimmst, wirst du sterben, Denn wer das Unrecht schützt, rennt ins Verderben.« |
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8 | Sehr höflich wandte drauf Zerbin ihm ein, Es sei ein böses, niedriges Beginnen Und würd' unritterlich und schimpflich sein, Auf die Ermordung einer Frau zu sinnen. Zum Kampfe selber sag' er zwar nicht nein, Erst aber möge jener sich besinnen, Was es bedeute, wenn ein edler Recke Mit eines Weibes Blut die Hand beflecke. 267 |
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9 | So bat er ihn, doch war's umsonst gebeten, Und nichts blieb übrig als ein scharfer Strauß. Nachdem sie reichlich Feld genommen, drehten Die beiden um und legten mächtig aus. So schnell nicht steigen in die Luft Raketen Bei eines Festes lust'gem Saus und Braus, So schnell nicht wie die beiden Hengste jagen, Um zu einander ihre Herrn zu tragen. |
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10 | Hermonides von Holland zielte tief; Rechts in die Seite hätt' er gern gestochen; Doch ohne Schaden für Zerbin verlief Der Stoß: die schwache Lanze war zerbrochen. Der andre Stoß ging weder fehl noch schief, Denn der zerbrach den Schild und traf den Knochen Der linken Schulter und durchbohrte diese Und warf Hermonides ins Gras der Wiese. |
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11 | Zerbin hielt ihn für todt und rasch gewann Mitleid die Oberhand; er sprang vom Pferde Und lüftet' ihm den Helm. Der bleiche Mann, Als ob er aus dem Schlaf gerüttelt werde, Sah, ohn' ein Wort zu reden, starr ihn an Und sprach zuletzt: »Ich führe nicht Beschwerde, Von dir besiegt zu sein; denn deutlich ist, Daß du ein Schmuck des Ritterstandes bist. 268 |
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12 | »Wohl aber schmerzt mich, daß es so gekommen Um solch ein Weib, so falsch und abgefeimt, Die du, ich weiß nicht wie, in Schutz genommen, Was doch mit deinem Werte schlecht sich reimt. Und hättest du den Grund von mir vernommen, Daraus mein Ingrimm wider sie gekeimt, Zeit deines Lebens würdest du beklagen, Daß du, um sie zu retten mich erschlagen. |
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13 | »Und hab' ich Atem noch genug in mir, (Ich hoff' es kaum) um dies zu offenbaren, So sollst du sehn, wie grenzenlos in ihr Die Lasterhaftigkeit und Bosheit waren. Ich hatt' in Holland (dorther stammen wir) Einst einen Bruder, der in jungen Jahren In Griechenland, wohin er reisend kam, Am Hofe des Heraclius Dienste nahm. |
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14 | »Dort ward mein Bruder im Verlauf der Tage Mit einem artigen Baron vertraut; Der hatt' in Serbien an schöner Lage Ein Schloß mit festen Mauern sich gebaut. Argeus ward der genannt, von dem ich sage, Und diese böse war ihm angetraut. Er liebte sie so sehr, daß er das Maß, Das solchem würd'gen Manne ziemt, vergaß. 269 |
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15 | »Sie aber, flüchtiger als Blätter sind Im Herbste, wann die Feuchtigkeit dem Blatte Vertrocknet ist und nun der kalte Wind Das Laub dahinfegt über Feld und Matte, Veränderte die Neigung sehr geschwind, Die anfangs sie für ihren Gatten hatte, Und all ihr Trachten war und all ihr Sinnen Zum Buhlen meinen Bruder zu gewinnen. |
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16 | Der Acroceraunus ist ein schon im Alterthum wegen seiner Stürme übelberufenes Vorgebirge in Epirus, den Italienern als Capo della Chimera bekannt. | »Nicht fester aber steht im Wogenschaum Acroceraun, vor dem die Schiffer zagen, Nicht härter trotzt dem Sturm der Tannenbaum, Der hundertmal schon neues Haar getragen Und, wie er hoch hinaufragt in den Raum, So tief im Erdreich Wurzeln hat geschlagen, Als ihrem Flehn mein Bruder Stand hielt, – ihr, Dem Brutnest jeder Sünd' und schnöden Gier. |
17 | »Wie nun ein kampfbegier'ger Mann nicht lange Zu suchen braucht nach ritterlichem Strauß, So ward mein Bruder dort bei einem Gange Verwundet, nahe bei des Freundes Haus. Mit oder ohne Argeus, frei von Zwange, Ging er im Schlosse häufig ein und aus, Und blieb auch diesmal dort, um eine Weile Zu ruhen, bis die Wunde wieder heile. 270 |
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18 | »Als er dort lag, wollt' es des Zufalls Spiel, Daß ein Geschäft Argeus vom Haus' entführte. Alsbald verfolgt das Weib ihr böses Ziel, Den Gast versuchend, wie sich's nicht gebürte. Dem treuen aber war's der Qual zuviel, Daß täglich er im Fleisch den Stachel spürte. Er wählt', um nicht den falschen Freund zu spielen; Was ihm das kleinre Übel schien von vielen. |
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19 | »Von vielen Übeln zog er dieses vor: Die alte Traulichkeit daran zu geben, So weit zu wandern, daß des Weibes Ohr Nie seinen Namen wiederhör' im Leben. Hart, aber ehrenvoller kam's ihm vor, Als dem Gelüst der falschen nachzugeben Oder sie zu verklagen bei dem Herrn, Der mehr sie liebt' als seinen Augenstern. |
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20 | »Und krank noch von den Wunden kleidet er In Harnisch sich und kehrt dem Schloß den Rücken Und reitet fort, entschlossen nie hierher Zurückzukommen mehr aus freien Stücken. Was hilft es ihm? jedwede Schanz' und Wehr Zerstört der Zufall ihm durch neue Tücken. Sieh da, nach Hause kömmt der Ehemann Und trifft die Frau in Thränen schwimmend an, 271 |
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21 | »Mit wirrem Haar und glühendem Gesicht. Er fragt sie, was sie hat und was erlitten? Sie aber läßt, eh sie ihr Schweigen bricht, Sich mehr als einmal von dem Manne bitten, Und mittlerweile sinnt sie nach, erpicht Auf Rache wider ihn, der fortgeritten. Natürlich war's bei ihrem Wankelmut, Daß ihre Lieb' umschlug in jähe Wut. |
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22 | »Ach, sprach sie endlich, warum noch verdecken, Wie schwer ich, Herr, in dieser Zeit gefehlt? Könnt' ich es auch vor aller Welt verstecken, Doch blieb' es dem Gewissen unverhehlt. Die Seele, die den bösen, schmutz'gen Flecken Empfindet, wird von Reue so gequält, Daß jede Leibesmarter leicht erschiene, Die ich als Strafe meiner Schuld verdiene; |
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23 | »Wenn Schuld mich trifft, wo ich Gewalt erleide. Doch was es sei, ich will, daß du es weißt. Dann mit dem Schwert von dem befleckten Kleide Erlöse du den fleckenlosen Geist Und lösch' auf ewig diese Lichter beide, Damit es nicht, nach solcher Schande, heißt, Ich müsse stets gesenkten Blickes gehen Und rot vor Scham, wenn mich die Leute sehen. 272 |
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24 | »Dein Freund hat meine Ehre mir entrissen Und diesen Leib geschändet mit Gewalt, Und weil er sorgt, du werdest bald es wissen, So ist er fort und flüchtet durch den Wald. – Verhaßt zu machen war sie so beflissen Den Mann, der erst ihr über alles galt. Und Argeus glaubt' ihr; ohn' ein Wort zu sprechen, Waffnet' er sich und eilte sich zu rächen. |
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25 | »Von Weg und Steg hatt' er genaue Kunde, Und schleunig also überholt' er ihn. Mein Bruder, krank und schwach von seiner Wunde, Ritt langsam, ohne Absicht zu entfliehn. Kurzum, in einem abgelegnen Grunde Griff er ihn an, die Rache zu vollziehn. Mein Bruder fand kein Wort, den Zorn zu dämpfen, Und Argeus drang darauf mit ihm zu kämpfen. |
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26 | »Der eine war gesund, voll neuer Wut, Der andre krank, ein Freund von ächtem Schlage; So widerstand mein Bruder nicht zu gut Dem Freunde, der ein Feind ward an dem Tage. Philander, der sich nie mit Schuld belud, (Der unglücksel'ge ist's, von dem ich sage, So hieß er,) da er nicht die Kräfte fand Für solchen Zweikampf, fiel in Argeus' Hand. 273 |
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27 | »Fern sei es, daß ich mich verleiten ließe Durch den gerechten Zorn und dein Vergehn (Sprach Argeus) und den Freund zu Boden stieße Der mich geliebt hat einst, ich will's gestehn, Obwohl ich bittre Frucht davon genieße. Wohl aber soll die ganze Welt jetzt sehn, Daß, wie im Lieben einst, so auch im Hasse Philander sich von mir beschämen lasse. |
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28 | »Ich fordere kein Blut mehr, ich beschloß Auf andre Art Vollstreckung meiner Rache. – Darauf befahl er, daß man auf dem Roß Aus grünen Zweigen eine Bahre mache, Und so zurück ward er gebracht ins Schloß, Halbtodt, und eingesperrt im Thurmgemache, Um dort unschuldig zwischen Kerkerwänden Das Leben hinzubringen und zu enden, |
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29 | »Obwohl man ihm daselbst nichts vorenthielt Als nur die erste Freiheit, fortzugehen; Sonst konnt' er, wie ein freier Mann befiehlt, Befehlen, und es mußte dann geschehen. Das Weib jedoch, das ihm den Streich gespielt, Wollt' auch ihr böses Spiel gewonnen sehen, Und sucht' ihn täglich fast im Kerker auf, (Den Schlüssel hatte sie und schloß sich auf,) 274 |
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30 | »Und drang in ihn aufs neue wie zuvor, Nur daß sie dreister jetzt den Kampf erneute. Was (sprach sie) hilft dir deine Treue, Thor, Da du für treulos giltst im Mund der Leute? O herrlicher Triumph und Siegeschor! O herrliche Trophäe, stolze Beute! O reicher Lohn, womit man dir vergilt, Daß Erzverräter alle Welt dich schilt! |
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31 | »Was hättest du für Ehr' und für Gewinn, Wenn du mir, was ich bat, gegeben hättest! Jetzt nimm für deinen Trotz und Eigensinn Den reichen Dank und lieg, wie du dir bettest. Im Kerker bist du, und du bleibst darin, Wofern du nicht die spröde Rauheit glättest. Willfahrst du aber mir, so geb' ich Glück Und Freiheit dir und guten Ruf zurück. – |
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32 | »Nein, rief Philander, nein, dem Wahn entsage, Daß je aus dieser Brust die Treue flieht, Obwohl ich einen Lohn von hinnen trage, Durch den mir unverdientes Leid geschieht, Und dulden muß, daß mich die Welt verklage. Mir ist's genug, wenn er, der alles sieht Und mich entschäd'gen kann mit ew'ger Gnade, Erkennt, daß keine Schuld mein Haupt belade. 275 |
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33 | »Wenn mein Gefängniß seinen Zorn nicht stillt, So tödte Argeus mich; ich bin's zufrieden. Vielleicht daß man im Himmel mir vergilt Die gute That, die wenig galt hienieden. Vielleicht daß ihm, der mich Verräter schilt, Dereinst, wann diese Seele hingeschieden, Was er mir anthat, ungerecht erscheint, Und er den todten treuen Freund beweint. – |
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34 | »So kam sie oft, das freche Weib, und lief Sturm wider ihn; doch sollt' es nie ihr glücken. Weil aber nie die blinde Gier entschlief, Der lästerlichen Liebe Frucht zu pflücken, So suchte sie in ihrer Brust und rief Die alten Laster auf, ins Feld zu rücken, Und machte hundert Pläne voller Trug, Eh sie in einen dann den Nagel schlug. |
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35 | »Sechs Monde lang betrat sie das Gefängniß Mit keinem Fuß, und schon hielt für befreit Philander sich von weiterer Bedrängniß Und für erloschen ihre Zärtlichkeit. Da gab das unheilfördernde Verhängniß Der lasterhaften die Gelegenheit, Durch unerhörten Frevel ihrer blinden, Sinnlosen Gier Befriedigung zu finden. 276 |
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36 | »Ihr Gatte lebt' in Streit mit einem Herrn, Den alle Welt Morand den schönen nannte Und der bei seinen kecken Ritten gern Ins Schloß kam, wenn ihr Mann den Rücken wandte. Wenn Argeus da war, blieb der andre fern, Als ob ein Bann auf Meilen ihn verbannte. Ihn herzulocken, schützte Argeus vor, Ins heil'ge Land zu pilgern hab' er vor. |
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37 | »Dies sagt' er und ritt fort, daß jedermann Es sehen mög' und es im Land verlaute, Und keiner wußt' um das, was er ersann, Als seine Frau, der er es anvertraute. Bei Dunkelwerden kehrt' er heim, und dann Blieb er im Schlosse, bis der Morgen graute, Und mit vertauschten Zeichen ritt er immer Verstohlen wieder fort beim ersten Schimmer, |
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38 | »Und streifte dann bald hier, bald dort durchs Land Und ritt um seine Burg im weiten Kreise, Bloß um zu sehn, ob gläubig wohl Morand Vorsprechen werd' in der gewohnten Weise. Den ganzen Tag blieb er im Wald, und schwand Die Sonne dann im Meer, so kam er leise Ans Haus und ließ sich durch verborgne Thüren Von seiner falschen Frau ins Innre führen. 277 |
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39 | »Ein jeder glaubt, die falsche ausgenommen, Den Argeus in der Fremde meilenweit. Das nimmt sie wahr und nähert sich dem frommen Philander jetzt mit neuer Schändlichkeit. Von Thränen, die ihr nach Belieben kommen, Rauscht ihr ein Strom vom Antlitz auf das Kleid. Wo, ruft sie, find' ich Hilf' auf dieser Erde, Daß meine Ehre nicht geschändet werde? |
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40 | »Und auch die Ehre meines Herrn, auch sie! Wär' er nur hier, so wär' ich ruhig heute. Du kennst Morand, du weißt auch, daß er nie, Wenn Argeus fort ist, Gott noch Menschen scheute. Sein Drängen aber und sein Drohn gedieh Aufs äußerste; schon hat er meine Leute Bestochen, um mich sichrer zu gewinnen Für seine Lust; wie soll ich ihm entrinnen? |
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41 | »Jetzt, da er weiß, daß mein Gemal verreiste Und nicht so bald heimkehrt, Gott sei's geklagt, Kömmt er in unsern Hof, der überdreiste, Ohn' allen Vorwand, ohne daß er fragt. Dächt' er, daß Argeus mir Gesellschaft leiste, So hätt' er nicht nur solches nie gewagt, Er hätt' es auch, bei Gott, nie unternommen Dem Haus' auf eine Meile nah zu kommen. 278 |
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42 | »Und sagt' er sonst durch Boten sein Verlangen, So sagt er's heute selbst mir in Gesicht, Und ich bin außer mir vor Angst und Bangen Um meine Ehre, wie er tobt und spricht. Hätt' ich ihn nicht mit sanfter Red' empfangen, Mich nicht verstellt, als widerstreb' ich nicht, So hätt' er schon sich mit Gewalt geraubt, Was friedlich nun er zu erlangen glaubt. |
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43 | »Ich gab mein Wort, nicht um es einzulösen; Was Furcht gelobt, kann nicht zu Recht bestehn; Ich wollte nichts als der Gewalt des bösen (Denn sonst hätt' er Gewalt geübt) entgehn. So liegt der Fall; nur du kannst mich erlösen; Um meine Ehre wär' es sonst geschehn Und meines Herrn, von der du einst mir sagtest, Daß du nach ihr mehr als nach deiner fragtest. |
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44 | »Und weigerst du mir dies, so ist es klar, Daß dir die Treue fehlt, auf die du pochtest, Und daß es Grausamkeit, nichts andres, war, Wenn du mein heißes Flehn nicht hören mochtest, Nicht Rücksicht auf den Freund; die offenbar War dann ein Schild nur, hinter dem du fochtest. Das Spiel wär unter uns geheim geblieben, Jetzt aber wird's zu offner Schmach getrieben. – 279 |
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45 | »Das Vorwort, sprach Philander, magst du sparen. Für meinen Argeus bin ich stets bereit. Sprich, was ich thun soll. Wie sie stets es waren, So sind ihm noch mein Herz und Arm geweiht, Und hab' ich übles schon von ihm erfahren, Doch rechn' ich's ihm nicht an, das schwere Leid; Trotz Welt und Schicksal ging' ich seinetwegen Noch immer gern und froh dem Tod' entgegen. – |
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46 | »Die arge sprach: ich will daß du den Mann Ermorden sollst, der sucht uns zu entehren. Und fürchte nichts, was draus entstehen kann, Denn einen sichren Weg will ich dich lehren. Er wird sich wieder hier einfinden, wann Die Stunden tiefsten Dunkels wiederkehren, Und dann auf ein Signal, das ich ihm riet, Soll ich ihm öffnen, wo ihn keiner sieht. |
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47 | »Du während deß gedulde dich und bleibe In meiner dunklen Kammer, unerkannt, Damit ich ihn sich zu entwaffnen treibe Und liefer' ihn halbnackt in deine Hand. – So, würd' ich sagen, ward vom eignen Weibe Der Ehemann zum Todesschlund gesandt, Wenn sie mit Recht noch Weib zu nennen wäre, Die schwarze, blut'ge, höllische Megäre. 280 |
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48 | »Als dann die Blutnacht kam mit ihren Schatten, Ließ sie mit scharfen Waffen ihn versehn Und bis zur Rückkehr des unsel'gen Gatten Im dunklen Zimmer auf der Lauer stehn. Wie es beredet war, ging es von statten; Denn böser Rat pflegt selten fehl zu gehn. Den guten Argeus traf Philanders Hand; Er schlug ihn todt und glaubt', es sei Morand. |
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49 | »Er trennte Kopf und Hals mit einem Schlage, Denn weder Helm noch Schutz war am Genick. Ans bittre Ende jammervoller Tage Kam Argeus ohne Kampf im Augenblick, Und ihn erschlug, der, daß er ihn erschlage, Niemals geahnt. O seltnes Misgeschick! Den Freund zu treffen, dem er nützen möchte, Als ob er wider seinen Todfeind föchte! |
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50 | »Mein Bruder ließ den unerkannten liegen, Und als er wieder zu Gabrina trat, (Gabrina heißt das Weib, der Höll' entstiegen, Um jeden zu verraten, der ihr naht,) Da führte sie, die bis dahin geschwiegen, Zurück ihn auf den Schauplatz seiner That Und leuchtete dem Blut, das er vergossen, Und zeigt' ihm Argeus, seinen Kampfgenossen, 281 |
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51 | »Und drohte, wenn er sein gewährend Wort Noch länger ihrer Liebesglut misgönne, Es allen kundzuthun von Ort zu Ort, Was er gethan und nimmer leugnen könne, So daß er für Verrat und Meuchelmord Der Schande schwerlich und dem Tod' entrönne. Und hielt ihm vor, die Ehre preiszugeben Steh' ihm nicht frei, wär' er schon satt zu leben. |
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52 | »Voll Furcht und Schmerz stand nun Philander da, Als sie ihm seinen Irrtum deutlich machte. In seiner ersten Wut hätt' er beinah Auch sie getödtet, die den Plan erdachte, Nur daß er hilflos sich und ratlos sah In Feindeshaus (denn die Vernunft erwachte). Zwar hatte sie das Schwert zurückgeheischt, Doch hätt' er mit den Zähnen sie zerfleischt. |
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53 | »Wie wir auf hoher See ein Fahrzeug sehen, Wann Nord und Südwind wechselnd es besiegt, – Bald treibt der eine Wind es vorzugehen, Bald drängt der andre, daß es rückwärts fliegt, Und hin und her im Kreis muß es sich drehen, Bis endlich doch der stärkre überwiegt: So folgt Philander nach vielfachem Schwanken Dem minder schrecklichen von zwei Gedanken. 282 |
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54 | »Vernunft beweist ihm, daß ihn mehr als Tod, Wenn er die Blutthat ruchbar werden ließe, Daß ihn ein End' in Schimpf und Schmach bedroht, Und hohe Zeit ist's, daß er sich entschließe. Drum, ob er will, ob nicht, ihn zwingt die Not, Daß er den bittren Kelch hinuntergieße. So stark in dem gebeugten Herzen noch Der Trotz sich regt, die Furcht ist stärker doch. |
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55 | »Furcht vor dem Henkertod' und garst'ger Schmach Bracht' ihn dahin, daß er mit heil'gem Eide Gabrinen, was sie nur begehrt, versprach, Wenn er gerettet werd' aus solchem Leide. So zwang ihn das verruchte Weib und brach Die heißersehnte Frucht. Dann flohn sie beide. Philander kam zurück in unsre Lande Und hinterließ in Serbien Haß und Schande, |
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56 | »Und trug den Freund im Herzen allezeit, Nach dessen Haupt er so verblendet zielte Und schändlichen Gewinn durch eignes Leid Einer Medea in die Hände spielte. Und wenn nicht das Gelöbniß und der Eid (Ein starker Zügel) ihn gefesselt hielte, So hätt er keinen Tag sie leben lassen. Nun konnt' er nur von Herzensgrund sie hassen. 283 |
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57 | »Nie sahn wir lachen ihn seit diesen Tagen, Und Seufzer nur, dem Herzen abgepreßt, Vernahmen wir von ihm und stille Klagen. Er ging umher, als wär' er ein Orest, Der seine Mutter und Aegisth erschlagen, Und den der Furien Zorn nicht ruhen läßt. Und unaufhörlich beugt' ihn solcher Jammer, Daß er zuletzt krank lag in seiner Kammer. |
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58 | »Die freche Vettel nun, die wohl erkannte, Philander sei ihr keinesweges gut, Erstickte bald die Liebesflamm' und wandte Ihr Herz zum Haß und gift'ger, glüh'nder Wut. Von Feindschaft wider meinen Bruder brannte, Wie gegen Argeus einst, die Höllenbrut, Und sie begann den Tod vorzubereiten, Wie ihres ersten Gatten, so des zweiten. |
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59 | »Bald fand sie einen Arzt, der voller Ränke Und kundig war derart'ger Büberei, Der besser es verstand durch gift'ge Tränke Zu tödten als zu heilen durch Arznei. Und dem versprach sie reichere Geschenke, Als er verlangte, sei es was es sei, Wenn seine Kunst mit mörderischem Safte Den Gatten ihr aus dem Gesichte schaffte. 284 |
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60 | »In meiner Gegenwart und andrer mehr Kam der verruchte Greis mit seinem Tranke Und sagt', es sei Arznei, heilkräftig sehr, Für die mein Bruder bald gewiß ihm danke. Jedoch Gabrina kam ihm in die Quer: Eh noch den Becher kostete der Kranke, (Sei's um sich von Mitwissern zu befrein, Sei's um der Pflicht des Zahlens quitt zu sein,) |
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61 | »Ergreift sie bei der Hand ihn, als er eben Sich mit dem Giftkrug an das Bett begiebt, Und spricht: Du mußt mir diese Furcht vergeben Für einen Mann, den ich so heiß geliebt. Ich will gewiß sein, daß man nichts dem Leben Verderbliches, kein böses Gift ihm giebt, Und möchte nicht, daß du ihn trinken ließest, Eh du zur Probe von dem Saft genießest. |
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62 | »Du kannst dir denken, Herr, welch einen Schrecken Der unglücksel'ge Alte da empfand. In einer Klemme sah er jetzt sich stecken So plötzlich, daß er keinen Ausgang fand Und, um nicht größren Argwohn zu erwecken, Vom Kelch zu kosten wirklich sich verstand. Mein Bruder, den die Probe sicher machte, Verschlang sodann den Rest, den man ihm brachte. 285 |
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63 | »Dem Falken gleich, der in den scharfen Krallen Das Rebhuhn hält und sich zum Schmause setzt Und dann vom gier'gen Hund wird angefallen, Den er für seinen Jagdfreund hat geschätzt, Sieht der gedungne Arzt, daß die vor allen, Die helfen sollte, sich ihm widersetzt. Nun hör' von einer Frechheit sonder gleichen, Und solcher Lohn mög' allen Geiz erreichen. |
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64 | »Der Alte wollte nach dem Trunk sofort Von dannen und in seine Wohnung eilen, Um sich durch irgend welche Mittel dort Von der verschluckten Pestilenz zu heilen. Jedoch Gabrina ließ den Mann nicht fort Und zwang ihn länger noch bei uns zu weilen, Bis das Getränk vom Magen ganz verdaut sei Und zeig', ob es aus gutem Stoff gebraut sei. |
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65 | »Vergebens bat er, bot Geschenke gar, Damit sie ihn fortlasse von dem Bette. Als der verzweifelnde den Tod nun klar Vor Augen sah, und daß ihn nichts mehr rette, Macht' er die Wahrheit uns so offenbar, Daß jene selbst sie nicht verschleiert hätte. Und also, was er andern oft gethan, That jetzt der wackre Arzt sich selber an, 286 |
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66 | »Und seine Seele folgte schleunig ihr, Die eben meinem Bruder war entwichen. Die ganze Sache so erfuhren wir Von ihm, der schlimme Löhnung eingestrichen, Und griffen das verfluchte wilde Thier, Dem nie des Waldes Thier' an Bosheit glichen, Und sperrten sie in finstres Thurmgemäuer, Sie aufbewahrend fürs verdiente Feuer.« |
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67 | So sprach Hermonides und fuhr noch fort, Wie sie entkommen sei aus dem Verliese; Da raubt' ihm seiner Wunden Schmerz das Wort, Und bleich sank er zurück ins Gras der Wiese. Zwei Knappen hatt' er bei sich, die sofort Ihm eine Bahre flochten, und auf diese Ließ sich der Ritter von den beiden legen; Denn anders konnt' er sich nicht mehr bewegen. |
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68 | Da richtete Zerbin an ihn die Bitte, Ihm zu verzeihn; der Zweikampf thu' ihm leid, Indessen hab' er nur nach Rittersitte Ihr Schutz gewährt und sicheres Geleit, Damit nicht seine Ehr' Abbruch erlitte; Denn eben hab' er sich durch einen Eid Verpflichtet, überall sie zu verteid'gen, Wenn einer käm' und wolle sie beleid'gen. 287 |
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69 | Und wenn nicht hierin, woll' er gern ihm doch Gefällig sein in jedem andren Stücke. Darauf sprach jener, eins nur woll' er noch Ihm raten, eh Gabrina ihn berücke, Sie abzuschütteln, daß in ihrem Joch Zu späte Reue nicht ihn einst erdrücke. Gabrina stand gesenkten Blicks daneben, Denn schwer ist's, auf die Wahrheit Antwort geben. |
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70 | Mit seiner Alten nun begab Zerbin Sich auf die Reise, wie er sich verpflichtet, Ihr leise fluchend und betrübt um ihn, Den ihrethalb er übel zugerichtet. Und wenn sie schon vorher ihm garstig schien, So haßt' er sie, seitdem er unterrichtet Durch einen war, der ihre Frevel wußte, Und qualvoll war's, daß er sie sehen mußte. |
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71 | Sie merkte wohl Zerbins geheimes Grollen, Und um an Feindschaft ihm nicht nachzustehn, Bezahlte sie, was sie empfing, zum vollen Und ließ ihm auch die Zinsen nicht entgehn. Von Gift und Galle war ihr Herz geschwollen, Und ihrer Stirne war es anzusehn. So ritten sie, in so einträcht'gem Bunde, Des Wegs dahin im tiefen Waldesgrunde. 288 |
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72 | Schon stand die Sonne tief am Himmelssaume, Da plötzlich scholl Getümmel und Geschrei, Als tob' ein wilder Kampf im wald'gen Raume, Und nach dem Lärm zu schließen, nahebei. Zerbin sprengt eilends mit verhängtem Zaume Dem Schalle nach, zu sehen, was es sei. Gabrina eilt ihm nach und säumt nicht lange. Das weitre hört im folgenden Gesange. 289 |