Ludwig Anzengruber
Gedichte
Ludwig Anzengruber

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Der Neujahrstag.

Das Neujahr hat wie alle Tage
Sein bißchen Lust und sein' Beschwer,
Es gleicht sich gründlich auf der Wage,
Jedoch im Quantum macht es mehr.
Verwandte und Bekannte kommen
Und wünschen alles Glück der Welt
Und Fremde stehen da beklommen
Und wünschen stammelnd – unser Geld.
So wechseln froheste Besuche
Mit andern, die man grämlich nimmt;
Man merkt – nach Meister Goethes Spruche –
Die Absicht und man wird verstimmt.
Mag man nun gern der einen Bitte
Willfahren und der andern nicht,
Je nun, es ward einmal zur Sitte
Und die ist zwingend wie die Pflicht.
Erlaubet, daß ich 'ne Geschichte
Vom Gratulieren, heitrer Art,
Doch mit der Mahnung euch berichte,
Daß ihr sie klug bei euch bewahrt,
Denn machte dieser Spaß die Runde
Beim Gratulantencorps, ei, dann,
Dann höbe auch von selber Stunde
»Verschärftes Gratulieren« an. –
Hanns Claus ward oft in Kindertagen
Zum »Vetter in der Stadt« geführt,
Um dort sein Sprüchlein aufzusagen,
Der Vetter war auch stets gerührt;
Griff zögernd in die Westentasche
Und händigt Geld den Alten ein,
Die thun, als ob sie's überrasche:
»No, halt afs Wohl, a Glaserl Wein!«
Das ging paar Jahr', doch auf die Länge,
Da sank der Vetter sehr im Preis,
Ein Bauer sparet sich die Gänge
Da, wo er nichts zu holen weiß.
Doch als Hanns Claus von beiden Alten,
Obgleich er schon ein großer Jung',
In jedem Stück ward kurz gehalten,
Befiel ihn die Erinnerung
An jenen Vetter, den umworben
Er einst mit Kindes Schmeichelsprach',
Mit dem die Eltern es verdorben,
Doch trägt ihm das Hanns Claus nicht nach.
Er will mal für sich selber sorgen,
Entschließt er sich – und kurz, wir sehn
Ihn schon am nächsten Neujahrmorgen
Vor dem erstaunten Vetter stehn;
Und nun beginnt er anzuheben,
Wobei den Hut er langsam dreht:
»Von Xundheit und recht langem Leben
Und was mer selbst sich wünschen thät'!«
Und sieh, wie früher nach der Tasche
Der Vetter greift. »Für 'n Gläschen Wein!«
Hanns thut, als wenn's ihn überrasche,
Doch steckt er rasch die Gabe ein,
Dann bleibt er steif und ohn' Bewegen,
Als stäke er in einem Loch;
Der Vetter schmunzelt ganz verlegen:
»Nun, lieber Claus, was willst du noch?«
Der nickt mit pfiff'gem Augenblinken
Und sagt: »Ei mein, 's habts was vagess'n.
Dasselb' – dös da – dös is fürs Trinken,
Wo bleibt denn nachher dös fürs Essen?!«


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