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Nachdem Karl der Große die Avaren geschlagen und nach Osten zurückgeworfen hatte, setzte er deutsche Ansiedler in die öden, verwüsteten Gebiete zwischen der Enns und dem Wienerwald und betraute seinen Schwager Gerold mit der Herrschaft über dieses Grenzland seines Reiches, um neuerlichen Einfällen des wilden Reitervolkes vorzubeugen.
Markgraf Gerold hatte seinen Sitz in Lorch. Die Sage aber weiß es anders zu berichten. Etwa eine Gehstunde nordöstlich von Melk erhebt sich der düstere Prackersberg als einer der letzten Ausläufer eines weiten waldigen Gebietes. Auf der flachen Kuppe des Berges, von der sich ein herrlicher Blick in die Ebene, auf die ragenden Gipfel der Voralpen und das silberne Band der Donau bietet, erbaute sich der Markgraf ein prunkvolles Schloß. Dort schlug er seinen Wohnsitz auf und herrschte, umgeben von seinen drei Töchtern, mit großem Gefolge in unbeschreiblicher Pracht.
Bei einem Aufstand der Avaren kam Gerold ums Leben, das Schloß auf dem Berg versank, seine Töchter aber waren spurlos verschwunden. An der Stelle, wo einst das Schloß stand, liegt heute ein von Wasserpest übersponnener Weiher, im Volk »der See« genannt, im unheimlichen Dunkel des Fichtenwaldes.
Es ist nicht recht geheuer auf dem Prackersberg; die Töchter des Markgrafen, von denen eine Salome hieß, treiben sich noch immer im Wald umher und üben an einsamen Wanderern ihren Schabernack, wie es einst drei Handwerksburschen geschah, denen sie das herrliche Schloß vorspiegelten und als liebliche Prinzessinnen verführerisch die Ehe versprachen, bis die drei Gesellen im finsteren Wald nicht aus noch ein mehr wußten. Denn leicht mag sich einer, besonders zur Nachtzeit, verirren, wenn er einem lockenden Ruf oder betörenden Singsang nachgeht. Dann sieht er sich plötzlich in dicht wuchernden Ranken verstickt oder in rauhem Dornengestrüpp und findet als geschundener Mann mit Müh und Not aus dem Wald heraus, und höhnisch lacht und kichert es hinter ihm drein – das sind Markgraf Gerolds gespenstische Töchter.
Vom Grafen hat das nahe gelegene Dorf Gerolding seinen Namen erhalten, und eine Schlucht, die sich vom Berge gegen die uralte Siedlung Mauer hinabzieht, heißt heute noch der Salomegraben.