Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Im städtischen Museum von Wiener Neustadt hängt ein Gemälde, das eine junge Frau darstellt, die einen Fisch ausweidet und dabei nachdenklich einen Ring, der auf der Spitze des emporgehaltenen Messers steckt, betrachtet.
Der Gemeinderat Franz Pachner hinterließ seiner Frau ein großes Vermögen. Eines Tages ging die stolze Bürgerin in Gesellschaft anderer Frauen zum Neutor hinaus. Auf der Brücke des Stadtgrabens blieb sie stehen und wähnte sich in ihrem Übermute so reich, daß sie nicht verarmen könnte. Eine Frau aber meinte dazu, daß es keinem Menschen beschieden sei, zu wissen, welches Ende er haben werde; sie solle daher nicht ein so sündhaftes Gespräch führen. Die stolze Frau wies die Warnung höhnend zurück, zog einen goldenen Ring vom Finger und sagte, indem sie ihn in das Wasser des Stadtgrabens warf: »So wenig ich diesen Ring je wiedersehen werde, ebensowenig werde ich je verarmen.«
Einige Tage darauf brachte ein Fischer der reichen Bürgerin einen prächtigen Fisch. Als ihre Köchin ihn aufschnitt, spießte sich an das Messer ein goldener Ring, den sie voll Erstaunen ihrer Herrin zeigte. Frau Pachner erkannte ihren Ring und gedachte des übermütigen Geredes vom ewigen Reichtum. Es dauerte auch nicht lange, so erlitt die Frau einen Verlust nach dem andern und verarmte schließlich derart, daß sie in ihren alten Tagen genötigt war, um Aufnahme in das Bürgerspital zu bitten, wo sie als die ärmste Frau der Stadt verstarb.