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Liebeslieder
Selig durch die Liebe
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wurde in Marbach am 10. November 1759 geboren. Sein Vater war Feldscher, wurde sodann Werbeoffizier, wo er es bis zum Major brachte, und wurde später Leiter der Baumschule auf Schloß Solitude. Ursprünglich hatte der junge Schiller die Absicht Theologie zu studieren. Doch als ihn Herzog Karl Eugen 1773 in die neugegründete Militärakademie rief, mußte er seinen Plan ändern. Er wählte zunächst das juristische Studium, vertauschte es aber bald mit dem Studium der Medizin. Mit einem kleinen Gehalt wurde er als Regimentsmedikus angestellt. Die »Räuber«, welche er schon auf der Karlsschule begonnen, vollendete er nun, und ließ sie auf eigene Kosten drucken. Sie wurden 1782 mit großem Beifall in Mannheim aufgeführt. Als er der zweiten Vorstellung ohne Urlaub beiwohnte, strafte ihn der Herzog mit Arrest und verbot ihm das Dramenschreiben. Diesem Zwang entzog er sich durch die Flucht. Im Vertrauen auf den Intendanten Dalberg, brachte er ein neues Stück »Fiesko«, wurde aber hiermit abgewiesen. Durch diese Enttäuschung in Not geraten, rettete ihn die Mutter eines Freundes, Henriette von Wolzogen, welche ihm auf ihrem Gute Bauerbach bei Meiningen Unterkunft gewährte. Vollendete hier das Trauerspiel »Kabale und Liebe« und begann den »Don Carlos«. Siedelte später nach Leipzig über, wo ihn eine herzliche Freundschaft mit dem Vater des Dichters Theodor Körner fesselte und folgte solchem nach dessen Heirat nach Dresden und vollendete hier den »Don Carlos«. Auf einer Reise nach Bauerbach ward er in Rudolstadt in die Familie der Frau von Lengefeld eingeführt und fand Gefallen an den beiden Töchtern. Er verlegte seinen Wohnsitz in die Nähe von Volksstedt, heiratete Charlotte, die jüngere der Schwestern und wurde 1789 an die Universität Jena berufen. Er lebte in glücklicher Ehe, der zwei Söhne und zwei Töchter entsprossen. Mußte 1791 seine Lehrtätigkeit infolge einer heftigen Erkrankung aufgeben. Vollendete nach mehrjähriger Arbeit 1799 den »Wallenstein«, den Goethe in Weimar aufführen ließ. Im gleichen Jahre siedelte er nach Weimar über. Die Dramen »Maria Stuart«, »Die Jungfrau von Orleans«, »Die Braut von Messina« und »Wilhelm Teil« entstanden hier in schneller Reihenfolge. Er starb am 9. Mai 1805.
Hör' ich das Pförtchen nicht gehen?
Hat nicht der Riegel geklirrt?
Nein, es war des Windes Wehen,
Der durch diese Pappeln schwirrt.
O schmücke dich, du grün belaubtes Dach,
Du sollst die Anmutstrahlende empfangen!
Ihr Zweige, baut ein schattendes Gemach,
Mit holder Nacht sie heimlich zu empfangen!
Und all ihr Schmeichellüfte, werdet wach
Und scherzt und spielt um ihre Rosenwangen,
Wenn seine schöne Bürde, leicht bewegt,
Der zarte Fuß zum Sitz der Liebe trägt.
Stille! Was schlüpft durch die Hecken
Raschelnd mit eilendem Lauf?
Nein, es scheuchte nur der Schrecken
Aus dem Busch den Vogel auf.
O lösche deine Fackel, Tag! Hervor,
Du geist'ge Nacht, mit deinem holden Schweigen!
Breit' um uns her den purpurroten Flor,
Umspinn' uns mit geheimnisvollen Zweigen.
Der Liebe Wonne flieht des Lauschers Ohr,
Sie flieht des Strahles unbescheid'nen Zeugen;
Nur Hesper, der verschwiegene, allein
Darf still herblickend ihr Vertrauter sein.
Rief es von ferne nicht leise,
Flüsternden Stimmen gleich?
Nein, der Schwan ist's, der die Kreise
Ziehet durch den Silberteich.
Mein Ohr umtönt ein Harmonienfluß,
Der Springquell fällt mit angenehmem Rauschen,
Die Blume neigt sich bei des Westes Kuß,
Und alle Wesen seh' ich Wonne tauschen;
Die Traube winkt, die Pfirsiche zum Genuß,
Die üppig schwellend hinter Blättern lauschen;
Die Luft, getaucht in der Gewürze Flut,
Trinkt von der heißen Wange mir die Glut.
Hör' ich nicht Tritte erschallen?
Rauscht's nicht den Laubgang daher?
Nein, die Frucht ist dort gefallen,
Von der eignen Fülle schwer.
Des Tages Flammenauge selber bricht
In süßem Tod, und seine Farben blassen;
Kühn öffnen sich im holden Dämmerlicht
Die Kelche schon, die seine Gluten hassen.
Still hebt der Mond sein strahlend Angesicht,
Die Welt zerschmilzt in ruhig großen Massen,
Der Gürtel ist von jedem Reiz gelöst,
Und alles Schöne zeigt sich mir entblößt.
Seh' ich nichts Weißes dort schimmern?
Glänzt's nicht wie seidnes Gewand?
Nein, es ist der Säule Flimmern
An der dunkeln Taxuswand.
O sehnend Herz, ergötze dich nicht mehr,
Mit süßen Bildern wesenlos zu spielen!
Der Arm, der sie umfassen will, ist leer,
Kein Schattenglück kann diesen Busen kühlen.
O führe mir die Lebende daher,
Laß ihre Hand, die zärtliche mich fühlen,
Den Schatten nur von ihres Mantels Saum,
Und in das Leben tritt der hohle Traum.
Und leis' wie aus himmlischen Höhen
Die Stunde des Glückes erscheint,
So war sie genaht, ungesehen,
Und weckte mit Küssen den Freund.
Eine Hymne.
Selig durch die Liebe
Götter – durch die Liebe
Menschen Göttern gleich!
Liebe macht den Himmel
Himmlischer – die Erde
Zu dem Himmelreich.
Einstens hinter Pyrrhas Rücken,
Stimmen Dichter ein,
Sprang die Welt aus Felsenstücken,
Menschen aus dem Stein.
Stein und Felsen ihre Herzen,
Ihre Seelen Nacht,
Von des Himmels Flammenkerzen
Nie in Glut gefacht.
Noch mit sanften Rosenketten
Banden junge Amoretten
Ihre Seelen nie;
Noch mit Liedern ihren Busen
Huben nicht die weichen Musen,
Nie mit Saitenharmonie.
Ach! noch wanden keine Kränze
Liebende sich um!
Traurig flüchteten die Lenze
Nach Elysium.
Ungegrüßet stieg Aurora
Aus dem Schoß des Meers,
Ungegrüßet sank die Sonne
In den Schoß des Meers.
Wild umirrten sie die Haine
Unter Lunas Nebelscheine,
Trugen eisern Joch.
Sehnend an der Sternenbühne
Suchte die geheime Träne
Keine Götter noch.
Und sieh! der blauen Flut entquillt
Die Himmelstochter sanft und mild,
Getragen von Najaden
Zu trunkenen Gestaden.
Ein jugendlicher Maienschwung
Durchwebt wie Morgendämmerung
Auf das allmächt'ge »
Werde«
Luft, Himmel, Meer und Erde.
Des holden Tages Auge lacht
In düstrer Wälder Mitternacht;
Balsamische Narzissen
Blühn unter ihren Füßen.
Schon flötete die Nachtigall
Den ersten Sang der Liebe,
Schon murmelte der Quellen Fall
In weiche Busen Liebe.
Glückseliger Pygmalion!
Es schmilzt, es glüht dein Marmor schon!
Gott Amor, Überwinder,
Umarme deine Kinder!
Selig durch die Liebe
Götter – durch die Liebe
Menschen Göttern gleich!
Liebe macht den Himmel
Himmlischer – die Erde
Zu dem Himmelreich.
Unter goldnem Nektarschaum,
Ein wollüst'ger Morgentraum,
Ewig Lustgelage,
Fliehn der Götter Tage.
Thronend auf erhab'nem Sitz,
Schwingt Kronion seinen Blitz:
Der Olympus schwankt erschrocken,
Wallen zürnend seine Locken.
Göttern läßt er seine Throne,
Niedert sich zum Erdensohne,
Seufzt arkadisch durch den Hain;
Zahme Donner untern Füßen,
Schläft, gewiegt von Ledas Küssen,
Schläft der Riesentöter ein.
Majestät'sche Sonnenrosse
Durch des Lichtes weiten Raum
Leitet Phöbus' goldner Zaum;
Völker stürzt sein rasselndes Geschosse.
Seine weißen Sonnenrosse,
Seine rasselnden Geschosse,
Unter Lieb' und Harmonie –
Ha! wie gern vergaß er sie!
Vor der Gattin des Kroniden
Beugen sich die Uraniden.
Stolz vor ihrem Wagenthrone
Brüstet sich das Pfauenpaar;
Mit der goldnen Herrscherkrone
Schmückt sie ihr ambrosisch Haar.
Schöne Fürstin! Ach, die Liebe
Zittert, mit dem süßen Triebe
Deiner Majestät zu nahn;
Und von ihren stolzen Höhen
Muß die Götterkönigin
Um des Reizes Gürtel flehen
Bei der Herzenfeßlerin.
Selig durch die Liebe
Götter – durch die Liebe
Menschen Göttern gleich!
Liebe macht den Himmel
Himmlischer – die Erde
Zu dem Himmelreich.
Liebe sonnt das Reich der Nacht!
Amors süßer Zaubermacht
Ist der Orkus untertänig;
Freundlich blickt der schwarze König,
Wenn ihm Ceres' Tochter lacht.
Liebe sonnt das Reich der Nacht.
Himmlisch in die Hölle klangen
Und den wilden Hüter zwangen
Deine Lieder, Thracier –
Minos, Tränen im Gesichte,
Milderte die Qualgerichte,
Zärtlich um Megärens Wangen
Küßten sich die wilden Schlangen,
Keine Geißel klatschte mehr.
Aufgejagt von Orpheus' Leier
Flog von Tityon der Geier;
Leiser hin am Ufer rauschten
Lethe und Cocytus, lauschten
Deinen Liedern, Thracier!
Liebe sangst du, Thracier!
Selig durch die Liebe
Götter – durch die Liebe
Menschen Göttern gleich!
Liebe macht den Himmel
Himmlischer – die Erde
Zu dem Himmelreich.
Durch die ewige Natur
Duftet ihre Blumenspur,
Weht ihr goldner Flügel.
Winkte mir vom Mondenlicht
Aphroditens Auge nicht,
Nicht vom Sonnenhügel,
Lächelte vom Sternenmeer
Nicht die Göttin zu mir her,
Stern' und Sonn' und Mondenlicht
Regten mir die Seele nicht.
Liebe, Liebe lächelt nur
Aus dem Auge der Natur
Wie aus einem Spiegel!
Liebe rauscht der Silberbach,
Liebe lehrt ihn sanfter wallen;
Seele haucht sie in das Ach
Klagereicher Nachtigallen.
Liebe, Liebe lispelt nur
Auf der Laute der Natur.
Weisheit mit dem Sonnenblick,
Große Göttin, tritt zurück,
Weiche vor der Liebe!
Nie Erob'rern, Fürsten nie
Beugtest du ein Sklavenknie,
Beug' es itzt der Liebe!
Wer die steile Sternenbahn
Ging dir heldenkühn voran
Zu der Gottheit Sitze?
Wer zerriß das Heiligtum,
Zeigte dir Elysium
Durch des Grabes Ritze?
Lockte
sie uns nicht hinein,
Möchten wir
unsterblich sein?
Suchten auch die Geister
Ohne sie den Meister?
Liebe, Liebe leitet nur
Zu dem Vater der Natur,
Liebe nur, die Geister.
Selig durch die Liebe
Götter – durch die Liebe
Menschen Göttern gleich!
Liebe macht den Himmel
Himmlischer – die Erde
Zu dem Himmelreich.
Ehret die Frauen! Sie flechten und weben
Himmlische Rosen ins irdische Leben,
Flechten der Liebe beglückendes Band,
Und in der Grazie züchtigem Schleier
Nähren sie wachsam das ewige Feuer
Schöner Gefühle mit heiliger Hand.
Ewig aus der Wahrheit Schranken
Schweift des Mannes wilde Kraft;
Unstet treiben die Gedanken
Auf dem Meer der Leidenschaft;
Gierig greift er in die Ferne,
Nimmer wird sein Herz gestillt;
Rastlos durch entleg'ne Sterne
Jagt er seines Traumes Bild.
Aber mit zaubrisch fesselndem Blicke
Winken die Frauen den Flüchtling zurücke,
Warnend zurück in der Gegenwart Spur.
In der Mutter bescheidener Hütte
Sind sie geblieben mit schamhafter Sitte,
Treue Töchter der frommen Natur.
Feindlich ist des Mannes Streben,
Mit zermalmender Gewalt
Geht der Wilde durch das Leben,
Ohne Rast und Aufenthalt.
Was er schuf, zerstört er wieder,
Nimmer ruht der Wünsche Streit,
Nimmer, wie das Haupt der Hyder
Ewig fällt und sich erneut.
Aber, zufrieden mit stillerem Ruhme,
Brechen die Frauen des Augenblicks Blume,
Nähren sie sorgsam mit liebendem Fleiß,
Freier in ihrem gebundenen Wirken,
Reicher als er in des Wissens Bezirken
Und in der Dichtung unendlichem Kreis.
Streng und stolz, sich selbst genügend,
Kennt des Mannes kalte Brust,
Herzlich an ein Herz sich schmiegend,
Nicht der Liebe Götterlust,
Kennet nicht den Tausch der Seelen,
Nicht in Tränen schmilzt er hin;
Selbst des Lebens Kämpfe stählen
Härter seinen harten Sinn.
Aber, wie leise vom Zephyr erschüttert,
Schnell die äolische Harfe erzittert,
Also die fühlende Seele der Frau.
Zärtlich geängstigt vom Bilde der Qualen,
Wallet der liebende Busen, es strahlen
Perlend die Augen von himmlischem Tau.
In der Männer Herrschgebiete
Gilt der Stärke trotzig Recht;
Mit dem Schwert beweist der Scythe,
Und der Perser wird zum Knecht.
Es befehden sich im Grimme
Die Begierden wild und roh,
Und der Eris rauhe Stimme
Waltet, wo die Charis floh.
Aber mit sanft überredender Bitte
Führen die Frauen den Zepter der Sitte,
Löschen die Zwietracht, die tobend entglüht,
Lehren die Kräfte, die feindlich sich hassen,
Sich in der lieblichen Form zu umfassen,
Und vereinen, was ewig sich flieht.
In einem Tal bei armen Hirten
Erschien mit jedem jungen Jahr,
Sobald die ersten Lerchen schwirrten,
Ein Mädchen schön und wunderbar.
Sie war nicht in dem Tal geboren,
Man wußte nicht, woher sie kam,
Und schnell war ihre Spur verloren,
Sobald das Mädchen Abschied nahm.
Beseligend war ihre Nähe,
Und alle Herzen wurden weit,
Doch eine Würde, eine Höhe
Entfernte die Vertraulichkeit.
Sie brachte Blumen mit und Früchte,
Gereift auf einer andern Flur,
In einem andern Sonnenlichte,
In einer glücklichern Natur.
Und teilte jedem eine Gabe,
Dem Früchte, jenem Blumen aus;
Der Jüngling und der Greis am Stabe,
Ein jeder ging beschenkt nach Haus.
Willkommen waren alle Gäste,
Doch nahte sich ein liebend Paar,
Dem reichte sie der Gaben beste,
Der Blumen allerschönste dar.
Noch seh' ich sie, umringt von ihren Frauen,
Die herrlichste von allen, stand sie da;
Wie eine Sonne war sie anzuschauen,
Ich stand von fern und wagte mich nicht nah'.
Es faßte mich mit wollustvollem Grauen,
Als ich den Glanz vor mir verbreitet sah;
Doch schnell, als hätten Flügel mich getragen,
Ergriff es mich, die Saiten anzuschlagen.
Was ich in jenem Augenblick empfunden,
Und was ich sang, vergebens sinn' ich nach.
Ein neu' Organ hatt' ich in mir gefunden,
Das meines Herzens heil'ge Regung sprach;
Die Seele war's, die, jahrelang gebunden,
Durch alle Fesseln jetzt auf einmal brach
Und Töne fand in ihren tiefsten Tiefen,
Die ungeahnt und göttlich schliefen.
Und als die Saiten lange schon geschwiegen,
Die Seele endlich mir zurücke kam,
Da sah ich in den engelgleichen Zügen
Die Liebe ringen mit der holden Scham,
Und alle Himmel glaubt' ich zu erfliegen,
Als ich das leise, süße Wort vernahm –
O droben nur in sel'ger Geister Chören
Werd' ich des Tones Wohllaut wieder hören!
»Das treue Herz, das trostlos sich verzehrt
Und still bescheiden nie gewagt zu sprechen,
Ich kenne den ihm selbst verborg'nen Wert,
Am rohen Glück will ich das edle rächen.
Dem Armen sei das schönste Los beschert,
Nur Liebe darf der Liebe Blumen brechen.
Der schönste Schatz gehört dem Herzen an,
Das ihn erwidern und empfinden kann.«
Weit in nebelgrauer Ferne
Liegt mir das vergang'ne Glück,
Nur an einem schönen Sterne
Weilt mit Liebe noch der Blick;
Aber wie des Sternes Pracht
Ist es nur ein Schein der Nacht.
Deckte dir der lange Schlummer,
Dir der Tod die Augen zu,
Dich besäße doch mein Kummer,
Meinem Herzen lebtest du.
Aber ach! du lebst im Licht,
Meiner Liebe lebst du nicht.
Kann der Liebe süß Verlangen,
Emma, kann's vergänglich sein?
Was dahin ist und vergangen,
Emma, kann's die Liebe sein?
Ihrer Flamme Himmelsglut,
Stirbt sie wie ein irdisch Gut?
Der Eichwald brauset,
Die Wolken ziehn,
Das Mägdlein sitzet
An Ufers Grün,
Es bricht sich die Welle mit Macht, mit Macht,
Und sie seufzt hinaus in die finstre Nacht,
Das Auge vom Weinen getrübet:
»Das Herz ist gestorben,
Die Welt ist leer,
Und weiter gibt sie
Dem Wunsche nichts mehr.
Du Heilige, rufe dein Kind zurück,
Ich habe genossen das irdische Glück,
Ich habe gelebt und geliebet!« –
»Es rinnet der Tränen
Vergeblicher Lauf,
Die Klage, sie wecket
Die Toten nicht auf;
Doch nenne, was tröstet und heilet die Brust
Nach der süßen Liebe verschwundener Lust,
Ich, die Himmlische, will's nicht versagen.« –
»Laß rinnen der Tränen
Vergeblichen Lauf,
Es wecke die Klage
Den Toten nicht auf!
Das süßeste Glück für die trauernde Brust
Nach der schönen Liebe verschwundener Lust
Sind der Liebe Schmerzen und Klagen.«
An der Quelle saß der Knabe,
Blumen wand er sich zum Kranz,
Und er sah sie, fortgerissen,
Treiben in der Wellen Tanz.
»Und so fliehen meine Tage
Wie die Quelle rastlos hin!
Und so bleichet meine Jugend,
Wie die Kränze schnell verblühn!
»Fraget nicht, warum ich traure
In des Lebens Blütenzeit!
Alles freuet sich und hoffet,
Wenn der Frühling sich erneut.
Aber diese tausend Stimmen
Der erwachenden Natur
Wecken in dem tiefen Busen
Mir den schweren Kummer nur.
»Was soll mir die Freude frommen,
Die der schöne Lenz mir beut?
Eine nur ist's, die ich suche,
Sie ist nah und ewig weit.
Sehnend breit' ich meine Arme
Nach dem teuren Schattenbild,
Ach, ich kann es nicht erreichen,
Und das Herz bleibt ungestillt!
»Komm herab, du schöne Holde,
Und verlaß dein stolzes Schloß!
Blumen, die der Lenz geboren,
Streu' ich dir in deinen Schoß.
Horch, der Hain erschallt von Liedern,
Und die Quelle rieselt klar!
Raum ist in der kleinsten Hütte
Für ein glücklich liebend Paar.«