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Liebeslieder
Möchte jedem gern die Stelle zeigen,
Wo mein Herz so schwer verwundet worden;
Aber dir möcht' ich mein Leid verschweigen,
Doch nur dir; denn du allein
Hast den Dolch, der mich vermag zu morden.
Möchte keinem meine Leiden klagen,
Aber dir enthüllen alle Wunden,
Die gar tief mein Herz sich hat geschlagen;
Doch nur dir; denn du allein
Hast den Balsam, der mich macht gesunden.
mit richtigem Namen Anton Alexander Graf Auersperg, wurde geboren am 11. April 1806 zu Laibach in Krain. Besuchte die Universitäten Wien und Graz. Ließ seine ersten Gedichte in Stuttgart bei Franckh erscheinen und lebte auf seinem Gute Thurn am Hart. Den Winter verbrachte er zumeist in Wien und lernte daselbst Lenau kennen, mit welchem er herzlichste Freundschaft schloß. Gab 1835, nach einer Reise nach Italien, die Gedichtsammlung »Schutt« heraus, welche ihm großen Erfolg brachte. Verheiratete sich 1839 mit Marie Gräfin Attems, mit welcher er in glücklicher Ehe lebte. Wurde 1861 vom Kaiser als Mitglied des Herrenhauses auf Lebenszeit berufen. Die Nachlese seiner Gedichte »In der Veranda« gab er 1876 heraus, doch noch in demselben Jahre traf ihn in Graz ein Schlaganfall, an dessen Folgen er am 12. September erlag.
Der Pfarrer Jost hat ein süßes Lieb,
Das hält er verborgen fein,
Wie Perlen im stillen Muschelschrein,
Wie Rehlein in dunkler Waldesnacht,
Wie Körnlein Goldes in tiefem Schacht,
Daß es kein Laienaug' ersehe,
Daß es kein Späher je erspähe.
Einst schlich er heim vom süßen Lieb,
Da sang im Teich ein Schwan:
»Ei seht, Herr Jost auf Amors Bahn!
Manch süßen Blick hat er erhascht,
Manch Küßchen von rotem Mund genascht!
Was sonst ihm Süßes ward zu eigen?
Wißt, daß ich auch gelernt zu schweigen!«
Im Dorfe sang eine Schwalb' am Dach:
»Wo wohnt Herr Jostens Schatz?
Im Wald ist ein Häuschen auf grünem Platz,
Zwei hohe Linden rauschen am Tor,
Ein Brünnlein springt dazwischen empor,
Am Fenster wehn grünseidne Gardinen,
Vier Röslein nicken wohl hinter ihnen.«
Im Pfarrhof sang die Nachtigall:
»Was küßt Herr Jost im Brevier?
Ihr Bild und ein Löckchen von ihr!
Er birgt sie wie Rehlein in Waldesnacht,
Wie Körnlein Goldes in tiefem Schacht;
Doch singen von ihr die Schwan' im Bache,
Doch zwitschern von ihr die Schwalben am Dache!«
Und weiter sang die Nachtigall:
»Sei guten Muts, Herr Jost!
Und minn' und küsse fort getrost!
Wie dir's erging, gehts noch zurzeit
Manch bravem Mann in der Christenheit;
Auch sind, die ihm solch Liedlein gesungen,
Nicht immer Nachtigallenzungen.«
Möchte jedem gern die Stelle zeigen,
Wo mein Herz so schwer verwundet worden;
Aber dir möcht' ich mein Leid verschweigen,
Doch nur dir! denn du allein
Hast den Dolch, der mich vermag zu morden.
Möchte keinem meine Leiden klagen,
Aber dir enthüllen alle Wunden,
Die gar tief mein Herz sich hat geschlagen;
Doch nur dir! denn du allein
Hast den Balsam, der mich macht gesunden.
Sinnend saß ich einst im Stübchen,
Kam zu mir ein lieber Freund,
Freude glänzt' auf seinen Wangen,
Doch das Auge hat geweint.
»Sprich, o Freund, kennst du die Liebe,
Kennst du ihre Gluten nicht?
Ist ihr Strahl des Unglücks Fackel
Oder segnend Friedenslicht?«
Doch ich wußt' ihm's nicht zu sagen,
Ob sie Unglück oder Glück?
Glück! rief seiner Wange Lächeln,
Unglück! rief sein Tränenblick.
Und als Tag' und Monde schwanden,
Glomm auch mein Herz hell und loh;
»Liebe ist's«, rief's mir im Busen,
»Nur die Liebe zündet so!«
Und ihr meint, käm' er jetzt wieder,
Könnt' ich ihm's enträtseln auch:
Ob die Liebe Segensodem,
Oder ob Vernichtungshauch?
Traun! noch könnt' ich's ihm nicht künden,
Ob sie Unglück oder Glück?
Glück! sagt meiner Wange Lächeln,
Unglück sagt mein Tränenblick.
Als der Herr die Ros' erschaffen,
Sprach er: du sollst blühn und duften!
Als er hieß die Sonne werden,
Sprach er: du sollst glühn und wärmen!
Als der Herr die Lerch' erschaffen,
Sprach er: flieg empor und singe!
Als geformt des Mondes Scheibe,
Sprach er: rolle hin und leuchte!
Als der Herr das Weib erschaffen,
Sprach er: sei geliebt und liebe!
Aber als er dich erschaffen,
Hat er wohl dies Wort vergessen.
Denn wie könntest du sonst sehen
Mond und Sonne glüh'n und leuchten,
Rosen blühen, Lerchen steigen,
Und geliebt sein und – nicht lieben?
Wenn nachts der freundliche Schlummer
Die silbernen Fäden webt,
Da trägt es mich flugs in ein Gärtchen,
Wo Liebe nur schafft und lebt.
Drin grünet manch seliges Plätzchen,
Drin blühet manch lieblicher Strauß;
Da pfleg' ich mein friedliches Gärtchen
Und schmück' es gar sorglich aus:
Mit Freuden und Leiden der Liebe,
Bis der purpurne Morgen kam,
Doch nicht mit all meinen Freuden
Und nicht mit all meinem Gram!
Denn würde zur farbigen Blume
Jedweder selige Traum,
Für all die Blüten und Blumen
Wär' in dem Gärtchen nicht Raum.
Und fiele gar jegliche Träne
Als Tau auf die Fluren schwer,
Bald sähe man statt des Gärtchens
Ein blitzendes Perlenmeer.
Und lächelten Blicke der Liebe
Als Sonnen von Himmelshöhn,
Bald glänzten aufs Gärtchen mehr Sonnen,
Als Halme auf Wiesen stehn.
Und flatterte jegliches Küßchen
Als farbiger Schmetterling,
Bald blühten zu wenig der Blumen
Den Faltern im Gartenring.
Doch trübte jeglicher Zwiespalt
Als Wolke der Sonne Schein,
Traun, oben am Himmel blieb es
Wohl ewig heiter und rein.
Und wüchse jegliche Untreu'
Des Liebchens als Schierlingskraut,
Ich hätte die Schierlingsstaude
Im Gärtchen noch nie erschaut.
So träum' ich mir nachts mein Gärtchen
Aus der Liebe Freuden und Gram;
Wie anders doch ist es zu schauen,
Wenn wieder der Morgen kam!
Die Falter sind all entflogen,
Die Sonnen sind alle verglüht,
Die seligen Plätzchen verschwunden,
Die Blumen versengt und verblüht.
Der einzige Tau sind die Tränen,
Der Schierling das einzige Grün,
Und über erstorbenen Keimen
Ziehn düstere Wolken dahin.
I.
Neue Liebe.
»Wie soll ich liebend dich umfassen
Und glauben, was dein Mund verspricht,
Da treulos du selbst die verlassen,
Die einst dein Leben, Lied und Licht?«
Wohl hieß mein Lied sie Licht und Leben,
Wie damals lüg' ich jetzt auch nicht;
Drum ruf ich kühn: du bist mir werter
Als all mein Leben, Lied und Licht!
»Dem Tag hast du ihr Aug' verglichen,
Ihr Haar den Sonnenstrahlen mild;
Ei, ist's schon deinem Sinn entwichen,
Daß Sonn' und Tag der Treue Bild?«
Der Nacht vergleich ich deine Locken,
Dein Aug' dem Mond in nächt'ger Luft;
Ei, sollt ich's dir wohl erst noch sagen,
Daß Nacht und Mond zur Liebe ruft?
»Und schwurst du nicht, eh' zu erbleichen,
Als dich zu wenden je von ihr?
Drum gingst du mir längst zu den Leichen,
Drum, toter Mann, hinweg von mir!«
Wohl schien ich selbst mir ein Begrabner,
Der längst schon unterm Rasen schlief,
Du wecktest mich, ein milder Engel,
Der mich ins schönre Leben rief.
II.
Ein Pilger zog nach Jerusalem,
Da sah er ein großes Dorf;
Er glaubte, dies sei Jerusalem,
Und zog in das große Dorf.
Er blieb, denn ihm gefiel es gar wohl,
Er wähnt' sich am rechten Ort;
Doch als sein Irrtum ihm wurde kund,
Da zog er gleich wieder fort.
Der Pilger, der lebt noch heutzutag,
Du siehst, ich meine mich;
Doch, wo mein Jerusalem ich fand?
Das weißt du so gut als ich.
III.
Es wird, wer heuer nicht recht klug,
Aufs Jahr vielleicht gescheiter;
Gefällt's dir nicht in diesem Land,
Ei, wandere nur weiter!
Zum zweitenmal senkt nicht umsonst
Sein Netz der Fischer nieder;
Und fällt die Axt nicht gleich den Stamm,
Frisch auf und schwing sie nieder!
Es sprengt der erste Lenzblick nicht
Der Wasser eis'ge Brücke,
Es schmilzt das weichste Herzchen nicht
Beim ersten Liebesblicke;
Trifft Amors erster Pfeil nicht recht,
Dann folgt ihm bald der zweite,
Und ob er trifft, und wie er trifft?
Fragt alt' und junge Leute!
IV.
(Zweite Liebe.)
Warum auch zweite Liebe
Noch stets mit bangem Mut,
Mit Angst uns füllt und Zweifeln,
Wie's kaum die erste tut?
Seht, ein ergrauter Bergmann
Fährt in der Grube Nacht,
Und alle Weg' und Tritte
Kennt er im dunkeln Schacht.
Er, dem wie seine Hütte
Bekannt der Stollen ward,
Bekreuzt sich doch und betet,
Bevor er wagt die Fahrt.
V.
Schönste, darf mit stillen Wünschen
Sich dir nahen meine Liebe?
»Hoffen magst du, Freund, denn Hoffnung
Ist die Sonne dieser Welt.«
Wahr verglichen! meine Holde;
Hoffnung, traun, ist eine Sonne;
Denn wer stets zur Sonne blicket,
Schaut sich noch am Ende – blind.
VI.
(Fragen.)
Wenn die Stern' am Himmel blinken,
Wenn ihr Reigen nächtlich webt, –
Künde treu mir, wo der erste,
Wo der Sterne letzter schwebt?
Wenn im regen Wogentanze
Welle mit der Welle tauscht,
O so zeig' mir, wo die erste,
Wo der Wellen letzte rauscht?
Und vermagst du's, so gib Kunde,
Löse mir das Schwerste frei:
Wann im Herzen wohl die Stunde
Erster, – letzter Liebe sei?
VII.
(Zwei Harfen.)
Durch der Seele Tiefen klingend
Weht in mir ein Harfenpaar,
Brausend tönt das Spiel der einen,
Das der andern sanft und klar;
Zwei der Kräfte, die sich hassen,
Geben ihnen Klang und Laut,
In den Saiten wettert diese,
Jene küßt sie leis und traut.
Wie von Fels auf Felsbett stürzend
Wild der Katarakt erdröhnt,
Wie, wenn Donnerkeile rasen,
Dumpf es durch die Bergschlucht stöhnt,
Wie der Sturz der fessellosen
Schneelawin' im Tal verhallt,
Also auch die eine Harfe
Mir im Busen dröhnend schallt.
Doch wie über Rosenhaine
Zephir haucht den Morgenkuß,
Wie aus fernen, fernen Welten
Der Geliebten leiser Gruß,
Wie bei Nacht sich's still harmonisch
In Zypressenwipfeln regt,
Tönt der andern Harfe Lispeln,
Zart von milder Kraft bewegt.
Hätte doch die beiden Kräfte
Gleiches Streben hold vereint!
Unbesiegbar, unversöhnbar
Bleiben sie sich ewig feind;
Bis die letzte Sait' in Trümmer,
Jede Harf in Staub zerbricht,
Dann befeinden sie sich nimmer,
Aber, ach – sie tönen nicht!
VIII.
Ich wollt' ja gern die Eure werden,
Ihr Herrn mit Froschesblut,
Mit euch am glühen Herd erstarren,
Und frier'n an loher Glut,
Mit Eis den Busen überpanzern,
Das Herz erstarrt zu Eis,
Und Frost das Hirn und Frost der Busen,
Erst noch so glühend heiß.
Doch sagt, ihr trägen Eisgestalten,
O nennt mir eu'r Geschick,
Wenn euch im Frühlingsglanz belächelt
Der Sonne warmer Blick?
Das Eis zerrinnt zu trübem Wasser,
Auch ihr zerfließet so
Zu Wasser, dem Geschmack und Leben,
Dem Farb' und Geist entfloh.
Drum schmäht die Glut nicht, die im Busen
Mir flammend eingekehrt;
Selbst Perl' und Diamant erborgen
Von innrer Glut den Wert.
Sink' ich auch in mich selbst zusammen,
Ein glühender Vulkan,
Mag sein! wenn nur der Lieben einer
An mir sich wärmen kann.
IX.
(Das Blatt im Buche.)
Ich hab' eine alte Muhme,
Die ein altes Büchlein hatt',
Es liegt in dem alten Buche
Ein altes, dürres Blatt.
So dürr sind wohl auch die Hände,
Die einst im Lenz ihr's gepflückt.
Was mag doch die Alte haben?
Sie weint, so oft sie's erblickt.
X.
Gesät hab' ich meine Freude
Tief in die Erde hinein,
Doch weil sie zu tief, drum wollte
Nur spärlich die Ernte gedeihn.
Hinauf an den höchsten der Sterne
Geheftet hab' ich meinen Schmerz,
Doch weil er so hoch, drum fiel er
Mir doppelt schwer nun aufs Herz.
XI.
(Mannesträne.)
Mädchen, sahst du jüngst mich weinen? –
Sieh des Weibes Träne fließt
Wie der klare Tau vom Himmel,
Den er auf die Blumen gießt.
Ob die trübe Nacht ihn weinet,
Lächelnd ihn der Morgen bringt,
Stets nur labt der Tau die Blume,
Und sie hebt ihr Haupt verjüngt.
Doch es gleicht des Mannes Träne
Edlem Harz aus Ostens Flur,
Tief ins Herz des Baums verschlossen,
Quillt's freiwillig selten nur.
Schneiden mußt du in die Rinde,
Bis zum Kern des Marks hinein,
Und das edle Naß entträufelt
Dann so golden, hell und rein.
Bald zwar mag der Born versiegen,
Und der Baum grünt fort und treibt,
Und er grüßt noch manchen Frühling,
Doch der Schnitt, die Wunde – bleibt.
Denke, Mädchen, jenes Baumes
Auf des Ostens fernen Höhn;
Denke, Mädchen, auch des Mannes,
Den du weinen einst gesehn.
XII.
Von den alten Heimatbergen,
Ihren Triften, Seen und Bächen,
Träumt ein armer Schweizersöldling
Fern auf Flanderns Nebelflächen.
Von des Segens goldnen Burgen,
Drauf der Freiheit Banner schwirren,
Träumt auf faulem Stroh der Sklave,
Bis ihn weckt der Kette Klirren.
Sitzend tief in kalter Felskluft,
Drein nie fiel ein Strahl der Liebe,
Einsam stets, träum' ich und singe,
Mädchen, stets von deiner Liebe.
XIII.
Ei, welch wundervoller Strauß
Dir am Busen nicket!
Der Geliebten treue Hand
Hat als süßes Liebespfand
Dir ihn wohl gepflücket?
»Ja, sie pflückt' ihn, sie hieß mich,
Ihn am Herzen tragen;
Doch als Liebespfand? – o nein!
Daß versteckt die Wunden sein,
Die sie dort geschlagen.«
XIV.
Die Freude regt ihr Lenzgefieder,
Das Bächlein springt, das Veilchen blüht,
Es jubeln froh wohl tausend Lieder,
Doch traurig tönt ein einzig Lied:
Wenn andre Kehlen freudig schlagen,
Wenn rings erwacht der Jubelschall,
Stimmt bange Töne, süße Klagen
Die liebeskranke Nachtigall.
So, ob mich Liebe gleich durchglühte,
Ob auch Erfüllung mich nicht floh,
Ob Lust und Freude mich umblühte,
Ward mein Gesang doch nimmer froh;
Selbst wenn mit holdem Lilienarme
Mich Liebchen traut und warm umschlang,
Sang ich von süßem Liebesharme
Zur Harfe manchen Trauersang.
XV.
Es segelt sanft auf Silberwogen
Im Schneegewand der hehre Schwan,
Gesanglos ist er lang gezogen
In stummer Lust auf seiner Bahn;
Jetzt, da der Pfeil sein Herz durchdrungen,
Da ihm der Tod im Busen glüht,
Was in der
Freud' er nie gesungen,
Er singt's im
Schmerz: sein erstes Lied! –
Und so, ob auch ein Kranz von Leiden
Die Dornenarm' um's Herz mir schlang;
Singt doch mein Lied der Liebe Freuden,
Der Liebe Lust bleibt mein Gesang;
Ob den Vernichtungskeim ich fühle,
Ob todeswund auch meine Brust,
Ob mir der Pfeil im Herzen wühle,
Im
Schmerz sing' ich der Liebe
Lust!
Einsam liegt ein Häuschen abgelegen,
Hart am Meer, das an die Wände braust,
Daß sie ewig zitternd sich bewegen,
Wie so manches Herz, das drinnen haust.
Dieses niedre Pförtlein, will's nicht deuten,
Daß nur Niedres ungehemmt hier zieht,
Doch der Reinheit Kranz, beim Drüberschreiten,
Leicht vom Haupt sich abstreift und verblüht?
Denn ein Tempel ist's, der Sünd' erschlossen! –
Und doch seht, wie glänzt das Frührot drauf.
Daß er, wie aus reinem Gold gegossen,
Ragt als heil'ger Sonnentempel auf!
Horch, des schmalen Fensters Flügel klingen!
Und es blickt mit welkem Busenstrauß,
Fahlem Kranz und schlaffen Lockenringen
Eine Priestrin dieses Doms heraus.
Blaß sind ihrer Wangen kalte Flächen,
Wie des Richters weißes Pergament,
Das des Schuldigen geheimst' Verbrechen
Und zugleich sein strenges Urteil nennt.
Wie so matt die trüben Augen schimmern,
Fast wie Kerzen, über Nacht gebrannt,
Die nun kärglich fahl und müde flimmern,
Seit der goldgelockte Tag erstand.
Blumen prangen dort in bunten Farben,
Die begießt sie jetzt, daß fort sie blühn;
Wenn im Herzen schon die Blumen starben,
Läßt man gern sie vor den Fenstern glühn.
Zwischen Rosen, Ampeln, Engelchören
Steht ein Bild der Himmelskönigin;
Dort der ew'gen Lampe Glut zu nähren,
Bringt sie Öl, wie Vestas Priesterin!
Neue Blumen geht sie jetzt zu pflücken,
Zwei Gewinde fügt sie tändelnd draus,
Einen Kranz, Mariens Haupt zu schmücken,
Für sich selbst dann einen Blumenstrauß.
Scheint's nicht reinstes Hochgefühl des Weibes,
Das so arglos hier mit Kränzen spielt,
Weil es selbst den Schoß des eignen Leibes
Einen Heiland wert zu tragen fühlt?!
Künstlich schminkt sie nun die blassen Wangen,
Und doch nenn' ich Schamrot dieses Rot,
Denn sie läßt es auf dem Antlitz prangen,
Ach, aus Scham, daß es so blaß und tot!
Nun das ros'ge Haupt sie laß und lose
In die weißen Hände niederbeugt,
Scheint's nicht eine müde Purpurrose,
Auf zwei Nachbarlilien hingeneigt?!
Und so starrt sie schweigend in die Welle,
Unter ihr schlägt wild die Brandung an,
Aber fern ist Frieden, Tageshelle,
Heitre Ruhe, ebne Spiegelbahn.
Und so späht sie starr durch Luft und Wogen
Nach dem längst erloschnen Morgenstern,
Fernhin, wo die weißen Segel zogen,
Ihrer Unschuld Bild, so weiß – so fern!
Weint sie nicht? – Kind, wein' ins Meer nur nieder!
Dieser Perlenschrein wird doch nie leer,
Deine Augen füllen bald sich wieder,
Und an Perlen reicher wird das Meer.
Schimmre fort, du ros'ge Morgenröte,
O verklär' ihr fort das Angesicht! –
Ha, inmitten ihrer Blumenbeete
Wie verklärt sie steht, wie rein, wie licht!
Und sie ist nur eine welke Blume
Von der Paradiesesrose: Weib,
Trümmer nur vom schönsten Heiligtume,
Ach, ein tief gefallen sündig Weib!
Und doch könnt' ich knien hier und beten,
Wie vor Heil'gen beten, weinen hier!
Eine Rose liegt am Weg zertreten
Und ein ganzer Himmel wohl mit ihr.