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Nikolaus Lenau

Liebeslieder

Liebesfeier

An ihren bunten Liedern klettert
Die Lerche selig in die Luft;
Ein Jubelchor von Sängern schmettert
Im Walde voller Blüt und Duft.

Da sind, so weit die Blicke gleiten,
Altäre festlich aufgebaut,
Und all die tausend Herzen läuten
Zur Liebesfeier, dringend laut.

Der Lenz hat Rosen angezündet
An Leuchtern von Smaragd im Dom;
Und jede Seele schwillt und mündet
Hinüber in den Opferstrom.

Nikolaus Lenau

mit vollem Namen Nikolaus Niembsch von Strehlenau, wurde am 13. August 1802 zu Csarad in Ungarn von deutschen Eltern geboren. Nach dem Tode seines Vaters kam er zur Vollendung seiner Erziehung zu seinen Großeltern nach Wien, wo er auch seine Universitätsjahre verlebte. Der Tod seiner Großmutter setzte ihn in die Lage, da er das ihm zufallende Erbe erhielt, ohne Beruf zu leben, wodurch er sich nur noch literarischen Studien zuwandte. Seine Dichtungen, wovon die ersten im Jahre 1823 erschienen, verrieten von Anfang einen gewissen Weltschmerz, der sich in den weiteren Dichtungen noch steigerte, als er 1827 merkte, daß das Mädchen, mit welchem er schon mehrere Jahre ein Liebesverhältnis hatte, ihm untreu war. Diese Enttäuschung konnte er nie vergessen und blieb ihm in seinem späteren Leben stets in Erinnerung, was auch seine Dichtungen sehr beeinflußte. Er siedelte 1831 nach Stuttgart über, wo er mit Schwab, Körner und Uhland in ein freundschaftliches Verhältnis trat. Seine erste Gedichtsammlung erschien bei Cotta. Kehrte 1833 von einer Reise aus Amerika enttäuscht zurück, und lebte in den folgenden Jahren zumeist in Wien und Stuttgart. Unter dem Einfluß des dänischen Theologen Martensen näherte er sich einer mystischen Gottgläubigkeit, die er auch in der Dichtung »Savonarola« zum Ausdruck brachte. Die hierauf folgende Zeit war durch Krankheit, so auch Geldnot sehr verbittert. 1839 schien eine Neigung zu der gefeierten Sängerin Caroline Unger seine Verbindung mit Sophie Löwenthal zu trennen, doch fand dieselbe Wege ihn zurückzuhalten. Noch einmal glaubte er das richtige Mädchen für die Ruhe seines Lebens gefunden zu haben und verlobte sich mit Maria Behrens. Doch brach plötzlich in diesem Jahre am 15. Oktober 1844 der Wahnsinn aus. In einer Anstalt starb er am 22. August 1850.

An ein schönes Mädchen

     Wie die Ros' in deinem Haare,
Mädchen, bist du bald verblüht;
Schönes Mädchen, o bewahre
Vor dem Welken dein Gemüt!

     Mädchen, wenn dein Herbst gekommen
Und das ganze Paradies
Deiner Blüte dir genommen
Und dich aus dir selbst verwies;

     Wenn du in des Welkens Tagen
Nicht den frohen Mut mehr hast,
Rosen in dem Haar zu tragen,
Weil den Wangen sie verblaßt:

     O dann zaubert dein Gemüte,
Wenn du's vor dem Frost bewacht,
Auf dein Antlitz eine Blüte,
Leuchtend durch die Todesnacht.

Das Rosenmädchen

1.

Ein Mädchen zart und engelrein
Erzog mit liebenden Sorgen
Sich Rosen, doch nur sich allein,
Denn tief im Haine verborgen,
Wo in der Quelle rauschenden Fall
Sich mengen die Lieder der Nachtigall,
     Lag sanft erhöht
     Das Rosenbeet.

2.

Da stand das Mädchen unschuldsvoll
Und schaut mit Wonne die Blüten:
Und höher ihr der Busen schwoll,
Die Augen heller ihr glühten.
So sah ich das liebliche Mädchen dort,
Doch ewig blühen die Rosen nicht fort.
     Des Mädchens Freud'
     Währt kurze Zeit.

3.

Und als die Rosen nicht mehr blühn
Und nimmer flötet die Nachtigall,
War auch des Mädchens Lust dahin –
Sie stand am murmelnden Wasserfall,
Sie stand – von säuselnden Lüften umweht,
Und dachte mit Wehmut, daß alles vergeht.
     Das Auge nass,
     Die Wange blaß.

4.

Da naht' ich freundlich ihr und sprach:
»Die Rose sinket wohl nieder,
Doch weine nicht der welken nach,
Es kehrt der Frühling ja wieder;
Und wie im Frühling das Leben erwacht,
So folgt auf des Grames düstere Nacht
     Mit Sonnenblick
     Das bessre Glück.«

An meine Rose

Frohlocke, schöne junge Rose;
Dein Bild wird nicht verschwinden,
Wenn auch die Glut, die dauerlose,
Verweht in Abendwinden.

So süßer Duft, so helle Flamme
Kann nicht für irdisch gelten;
Du prangst am stolzen Rosenstamme,
Verpflanzt aus andern Welten,

Aus Büschen, wo die Götter gerne
Sich in die Schatten senken,
Wenn sie in heilig stiller Ferne
Der Menschen Glück bedenken.

Darum mich ein Hinübersehnen
Stets inniger umschmieget,
Je länger sich in meinen Tränen
Dein holdes Antlitz wieget.

O weilten wir in jenen Lüften,
Wo keine Schranke wehrte,
Daß ich mit deinen Zauberdüften
Die Ewigkeiten nährte! –

Hier nahn die Augenblicke, – schwinden
An dir vorüber immer,
Ein jeder eilt, dich noch zu finden
In deinem Jugendschimmer;

Und ich, wie sie, muß immer eilen
Mit allem meinem Lieben
An dir vorbei, darf nie verweilen,
Von Stürmen fortgetrieben.

Doch hat, du holde Wunderblume,
Mein Herz voll süßen Bebens
Dich mir gemalt zum Eigentume
Ins Tiefste meines Lebens,

Wohin der Tod, der Ruhebringer,
Sich scheuen wird zu greifen,
Wenn endlich seine sanften Finger
Mein Welkes niederstreifen.

Bitte

     Weil' auf mir, du dunkles Auge,
Übe deine ganze Macht,
Ernste, milde, träumerische,
Unergründlich süße Nacht!

     Nimm mit deinem Zauberdunkel
Diese Welt von hinnen mir,
Daß du über meinem Leben
Einsam schwebest für und für.

Meine Braut

     An der duftverlornen Grenze
Jener Berge tanzen hold
Abendwolken ihre Tänze,
Leichtgeschürzt im Strahlengold.

     Wenn ich nach den lichten Räumen
Jener Berg' hinüberseh',
Überschleicht es mich wie Träumen,
Faßt mein Herz ein dunkles Weh.

     Und mir ist, als wohne drüben
Meine Braut und harr' in Schmerz,
Daß ich komme, sie zu lieben,
Eh' verblüht ist Wang und Herz.

     Plötzlich treibt ein wildes Sehnen
Nach den Bergen mich, zu ihr;
Fluchtverstreute Wonnetränen
Stürzen aus den Augen mir.

     Doch die Berge sich verdunkeln,
Und die Wolken werden Nacht;
Nicht ein Sternlein seh' ich funkeln,
Und der Sturm ist aufgewacht;

     Scheltend ruft er mir entgegen:
Heißer Narr, wohin? verzeuch!
Deine Braut heißt Qual – den Segen
Spricht das Unglück über euch!

Schilflieder

I.

Drüben geht die Sonne scheiden,
Und der müde Tag entschlief.
Niederhangen hier die Weiden
In den Teich, so still, so tief.

Und ich muß mein Liebstes meiden:
Quill, o Träne, quill hervor!
Traurig säuseln hier die Weiden,
Und im Winde bebt das Rohr.

In mein stilles, tiefes Leiden
Strahlst du, Ferne, hell und mild,
Wie durch Binsen hier und Weiden
Strahlt des Abendsternes Bild.

II.

Trübe wird's, die Wolken jagen,
Und der Regen niederbricht,
Und die lauten Winde klagen:
Teich, wo ist dein Sternenlicht?

Suchen den erloschnen Schimmer
Tief im aufgewühlten See.
Deine Liebe lächelt nimmer
Nieder in mein tiefes Weh!

III.

Auf geheimem Waldespfade
Schleich' ich gern im Abendschein
An das öde Schilfgestade,
Mädchen, und gedenke dein!

Wenn sich dann der Busch verdüstert,
Rauscht das Rohr geheimnisvoll,
Und es klaget und es flüstert,
Daß ich weinen, weinen soll.

Und ich mein', ich höre wehen
Leise deiner Stimme Klang
Und im Weiher untergehen
Deinen lieblichen Gesang.

IV.

Sonnenuntergang;
Schwarze Wolken ziehn,
O wie schwül und bang
Alle Winde fliehn!

Durch den Himmel wild
Jagen Blitze, bleich;
Ihr vergänglich Bild
Wandelt durch den Teich.

Wie gewitterklar
Mein' ich dich zu sehn
Und dein langes Haar
Frei im Sturme wehn!

V.

Auf dem Teich, dem regungslosen,
Weilt des Mondes holder Glanz,
Flechtend seine bleichen Rosen
In des Schilfes grünen Kranz.

Hirsche wandeln dort am Hügel,
Blicken in die Nacht empor;
Manchmal regt sich das Geflügel
Träumerisch im tiefen Rohr.

Weinend muß mein Blick sich senken;
Durch die tiefste Seele geht
Mir ein tiefes Deingedenken
Wie ein stilles Nachtgebet!

Stumme Liebe

Ließe doch ein hold Geschick
Mich in deinen Zaubernähen,
Mich in deinem Wonneblick
Still verglühen und vergehen;

Wie das fromme Lampenlicht
Sterbend glüht in stummer Wonne
Vor dem schönen Angesicht
Dieser himmlischen Madonne! –

Liebesfeier

An ihren bunten Liedern klettert
Die Lerche selig in die Luft;
Ein Jubelchor von Sängern schmettert
Im Walde voller Blüt' und Duft.

Da sind, so weit die Blicke gleiten,
Altäre festlich aufgebaut,
Und all die tausend Herzen läuten
Zur Liebesfeier dringend laut.

Der Lenz hat Rosen angezündet
An Leuchtern von Smaragd im Dom;
Und jede Seele schwillt und mündet
Hinüber in den Opferstrom.

Die schöne Sennin

I.

Du Alpenkind, wie mild und klar
Strahlt mir dein blaues Augenpaar!
Wohl ist in diesen Himmelsnähen
Ein stilles Wunder einst geschehen.
In deiner Lämmer frohem Kreise
Hin knietest du, zu beten leise,
In heller Frühlingsmorgenstunde;
Mit Kindesblicken, innigfrommen,
War all dein Herz zu Gott geklommen:
Da sandte, freundlich dir begegnend
Und deine fromme Seele segnend,
Ins holde Auge dir zurück
Der Himmel einen warmen Blick,
Der sich vertieft in seinem Schimmer,
Geblieben ist und scheidet nimmer.
O Sennin, sterblich, scheidet nimmer? –

II.

     Als du warst, ein holdes Kind,
Wonniglich geschlafen ein,
Trug die Mutter leis und lind
Dich in jenen Blütenhain.

     Dort auf ihrem Schlummerbaum
Sangen Vöglein Abendsang,
Der in deinen Kindestraum
Sanft und lieblich schläfernd klang.

     Und der Frühling nahte sich,
Grüßte dich mit lindem Hauch,
Freundlich segnend küßt' er dich,
Neigend seinen Rosenstrauch.

     Seinen goldnen Abendschein
Goß er dir aufs weiche Haar;
Auf die Lilienwangen dein
Legt' er leis ein Rosenpaar.

     Und der Mutter Augenlicht
Froh an deinem Schlummer hing,
Sah, wie dir am Angesicht
Still das Rosenpaar zerging.

     Und des Frühlings Abendglanz
Wuchs am Haupt dir lang und voll,
Der im goldnen Lockentanz
Auf den Busen niederquoll.

     Sennin, o wie reizend blüht
Deine Wange rosenrot,
Drauf noch immer freudig glüht
Jener süße Rosentod!

Die Sennin

     Schöne Sennin, noch einmal
Singe deinen Ruf ins Tal,
Daß die frohe Felsensprache
Deinem hellen Ruf erwache.

     Horch, o Mädchen, wie dein Sang
In die Brust den Bergen drang,
Wie dein Wort die Felsenseelen
Freudig fort und fort erzählen!

     Aber einst, wie alles flieht,
Scheidest du mit deinem Lied,
Wenn dich Liebe fortbewogen
Oder dich der Tod entzogen.

     Und verlassen werden stehn,
Traurig stumm herübersehn
Dort die grauen Felsenzinnen
Und auf deine Lieder sinnen.

An N.

     Ach wärst du mein, es wär' ein schönes Leben!
So aber ist's Entsagen nur und Trauern,
Nur ein verlornes Grollen und Bedauern;
Ich kann es meinem Schicksal nicht vergeben.

     Undank tut wohl und jedes Leid der Erde;
Ja! meine Freund' in Särgen, Leich' an Leiche,
Sind ein gelinder Gram, wenn ich's vergleiche
Dem Schmerz, daß ich dich nie besitzen werde.

Der schwere Abend

Die dunklen Wolken hingen
Herab so bang und schwer,
Wir beide traurig gingen
Im Garten hin und her.

So heiß und stumm, so trübe
Und sternlos war die Nacht,
So ganz wie unsre Liebe
Zu Tränen nur gemacht.

Und als ich mußte scheiden
Und gute Nacht dir bot,
Wünscht' ich bekümmert beiden
Im Herzen uns den Tod.

An die Entfernte

I.

Diese Rose pflück' ich hier,
In der fremden Ferne;
Liebes Mädchen, dir, ach dir
Brächt' ich sie so gerne!

Doch bis ich zu dir mag ziehn
Viele weite Meilen,
Ist die Rose längst dahin,
Denn die Rosen eilen.

Nie soll weiter sich ins Land
Lieb' von Liebe wagen,
Als sich blühend in der Hand
Läßt die Rose tragen;

Oder als die Nachtigall
Halme bringt zum Neste,
Oder als ihr süßer Schall
Wandert mit dem Weste.

II.

Rosen fliehen nicht allein
Und die Lenzgesänge,
Auch dein Wangenrosenschein,
Deine süßen Klänge.

O, daß ich, ein Tor, ein Tor,
Meinen Himmel räumte!
Daß ich einen Blick verlor,
Einen Hauch versäumte!

Rosen wecken Sehnsucht hier,
Dort die Nachtigallen,
Mädchen, und ich möchte dir
In die Arme fallen!

Meine Rose

Dem holden Lenzgeschmeide,
Der Rose, meiner Freude,
Die schon gebeugt und blasser
Vom heißen Strahl der Sonnen,
Reich ich den Becher Wasser
Aus tiefem Bronnen.

Du Rose meines Herzens!
Vom stillen Strahl des Schmerzens
Bist du gebeugt und blasser;
Ich möchte dir zu Füßen,
Wie dieser Blume Wasser,
Still meine Seele gießen!
Könnt' ich dann auch nicht sehen
Dich auferstehen.

An –

O wag es nicht, mit mir zu scherzen,
Zum Scherze schloß ich keinen Bund;
O spiele nicht mit meinem Herzen,
Weißt du noch nicht, wie sehr es wund?

Weil ich so tief für dich entbrannte,
Weil ich mich dir gezeigt so weich,
Dein Herz die süße Heimat nannte
Und deinen Blick mein Himmelreich:

O rüttle nicht den Stolz vom Schlummer,
Der süßer Heimat sich entreißt,
Dem Himmel mit verschwiegnem Kummer
Auf immerdar den Rücken weist.

Kommen und Scheiden

So oft sie kam, erschien mir die Gestalt
So lieblich wie das erste Grün im Wald.

Und was sie sprach, drang mir zum Herzen ein,
Süß wie des Frühlings erstes Lied im Hain.

Und als Lebwohl sie winkte mit der Hand,
War's, ob der letzte Jugendtraum mir schwand.

Liebesfrühling

Ich sah den Lenz einmal
Erwacht im schönsten Tal;
Ich sah der Liebe Licht
Im schönsten Angesicht.

Und wandl' ich nun allein
Im Frühling durch den Hain,
Erscheint aus jedem Strauch
Ihr Angesicht mir auch.

Und seh' ich sie am Ort,
Wo längst der Frühling fort,
So sprießt ein Lenz und schallt
Um ihre süße Gestalt.

Frage nicht

Wie sehr ich dein, soll ich dir sagen?
Ich weiß es nicht und will nicht fragen;
Mein Herz behalte seine Kunde,
Wie tief es dein im Grunde.

O still! ich möchte sonst erschrecken,
Könnt' ich die Stelle nicht entdecken,
Die unzerstört für Gott verbliebe
Beim Tode deiner Liebe.

Stille Sicherheit

Horch', wie still es wird im dunkeln Hain,
Mädchen, wir sind sicher und allein.

Still versäuselt hier am Wiesenhang
Schon der Abendglocke müder Klang.

Auf den Blumen, die sich dir verneigt,
Schlief das letzte Lüftchen ein und schweigt.

Sagen darf ich dir, – wir sind allein –
Daß mein Herz ist ewig, ewig dein!


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