Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Franz Freiherr Gaudy

1800-1840

Franz Freiherr Gaudy

wurde am 19. April 1800 zu Frankfurt a. d. Oder geboren. Erhielt 1819 das Leutnantspatent und wurde infolge seines leichten Lebenswandels und toller Streiche von Potsdam nach Breslau versetzt. Verkehrte hier mit Holtei, Schall und anderen Dichtern. Durch den plötzlichen Tod seines Vaters, des Generalleutnants Freiherrn von Gaudy, traten Verhältnisse ein, welche ihn auf die kärgliche Leutnantsgage anwiesen, welches ihn der Verzweiflung nahe brachte. Sein erstes Werk erschien 1829 unter dem Titel »Die Erato«. Nahm 1833 den Abschied und lebte in Berlin, um sich ganz der Muse zu widmen. Er starb am 5. Februar 1840.

Denkst du daran?

     Denkst du daran, an jene schöne Stunde,
Wo ich zum ersten Male dich erblickt?
Mein sehnend Auge gab dir schnelle Kunde,
Daß deiner Reize Zauber mich umstrickt.
Ich fühlt' es an des Herzens lautem Pochen –
Daß ich dich liebte, dich nur lieben kann;
Und dennoch schwieg ich scheu durch bange Wochen –
O holdes Mädchen, denkst du noch daran?

     Denkst du daran, wie ich mit bangem Zagen,
Mit schüchternem Erröten vor dir stand?
»Geliebte, sprich, darf ich zu hoffen wagen?
Mein Glück, mein Unglück ruht in deiner Hand.«
Das Wort erstarb in deinem ros'gen Munde,
Ein blöder Druck der Hand nur zeigt' es an,
Daß du mich liebtest. Ach, an jene Stunde,
Mein liebes Liebchen, denkst du noch daran?

     Denkst du daran, als sich zum ersten Male
Dein Mund mir gab im liebeglühn'den Kuß
Und schmachtend sog ich aus der Nektarschale
Erhörter Liebe zaub'rischen Genuß?
Als deine Liebe an der meinen glühte,
Als ich des Lebens reinsten Dank gewann,
An meines Daseins ew'ge Silberblüte,
Sprich, du Geliebte, denkst du noch daran?

     Denkst du daran, wie ich an deinem Herzen
Dir scheidend Treue, ew'ge Treue schwur?
Doch dann verstummten wir. Der Trennung Schmerzen
Verrieten halbe Worte, Seufzer nur.
Noch einen Kuß, bat ich, nur noch den letzten!
Wir sehn uns wieder! Doch, Geliebte, wann! –
Als Tränen deine holden Wangen netzten,
Du ewig Teure, denkst du noch daran?

     Wohl denk' ich dran. Mich trennen weite Räume
Von dir, die Sehnsucht überfliegt sie schnell.
Des Lebens Mißgunst täuschen farb'ge Träume,
In ihren Spiegel blick' ich klar und hell;
Und lächelnd freu' ich mich der flücht'gen Wonne,
Wenn gleich sie mit dem Morgenstrahl zerrann.
Und taucht ins Meer die abendliche Sonne,
In stiller Dämm'rung, denkst du meiner dann?

Erhörung

Du saßest mir schrägüber
     Im Schatten vom Apfelbaum.
Die Blicke hinüber, herüber
     Durchkreuzten den trennenden Raum.
In meinen Blicken lagen
     Viel Bitten dringend heiß:
Darf ich zu hoffen wagen?
     Die deinen glänzten: Wer weiß.
Und schüchtern hob ich auf's neue
     Den Blick. Du schienst erweicht,
In deiner Augen Bläue,
     Da schimmerte: Vielleicht.
Doch als du zum dritten Male
     Den Blick auf den Flehenden warfst,
Da leuchtet' im Hoffnungsstrahle
     Das sonnige Wort: Du darfst.

Das Mädchen

Es schlug. Er muß sogleich erscheinen –
     Doch keinen Blick bekommt er mehr –
Er könnte gar am Ende meinen,
     Daß ich für ihn am Fenster wär'.
Nun sagt ich's nicht? Dort naht er wieder –
     Ich geh' – ich bleibe – abgewandt –
Ich lasse die Gardine nieder –
     Zu spät – er hat mich schon erkannt.

Er schaut mich an, so ernst, so fragend –
     Mir dringt sein Blick tief in das Herz –
Er schüttelt – richtet, wie verklagend,
     Die trüben Augen himmelwärts.
Sieht es die Mutter, wird sie zanken –
     Als trüge ich die Schuld allein.
Kaum merklich grüßt er – ich muß danken –
     Unhöflich darf man doch nicht sein.

Mein Gott! Ein Briefchen fliegt ins Zimmer!
     Der freche Mensch! Was fällt ihm ein?
Glaubt er – den Brief, den les' ich nimmer –
     Ich trag' ihn zu der Mutter – Nein –
Ich werf ihn unbesehn ins Feuer –
     Gleich – ach! Das Siegel sprang schon ab –
Wer wird mit Oblat – »ewig teuer« –
     Auch siegeln – »treu bis an das Grab« –

Daß bloß das Oblat schuld gewesen,
     Wer glaubt es mir! Fataler Streich!
Ob ich nun ganz den Brief gelesen,
     Ob nur den Schluß, jetzt bleibt sich's gleich.
»Um zehn Uhr – morgen – in der Nähe« – –
     Recht ärgerlich trifft es sich doch,
Daß ich just dann zur Tante gehe –
     Ich hoffe – er verfehlt mich noch.


 << zurück weiter >>