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2. Abenteuer
Nachdem das Friedensbündnis geschlossen worden, wanderten Fuchs, Wolf und Bär weiter und kamen bis an die Ilmola-Feldmark, wo sie sich nach einer Wohnung umschauten. Der Bär mußte ein Gehöft für sich allein haben, da er sich mit den andern doch nicht so recht vertrug; aber Fuchs und Wolf gingen gemeinschaftlich daran, ein Feld für sich urbar zu machen. Zuerst mußten sie dazu einen Sumpf ausbrennen und die Bäume aushauen; sie gingen frisch ans Werk und jeder nahm ein Töpfchen Butter zur Mittagskost mit. Dem Fuchs kam das Baumfällen doch recht beschwerlich vor; er war ein Weilchen an der Arbeit, dann schlüpfte er in den Wald hinein, kam aber bald wieder, und sagte zum Wolf: »Höre, ich muß nach Ilmola gehen; im Walde begegnete mir einer, der mich zur Taufe dorthin einlud.« Mit diesen Worten ging er davon, aber weiter kam er nicht als bis zum Buttertopf des Wolfes, den er erst verließ, als er sich schön satt fühlte; dann kehrte er an die Arbeit zurück.
»Nun, wie heißt denn das Kind?« fragte ihn der Wolf. – »Erstes Mal«, antwortete der Fuchs, indem er die Axt ergriff.
Aber auch diesmal ging die Arbeit nicht recht vonstatten; er lief wieder in den Wald und kam zu seinem Gefährten mit der Botschaft zurück: »Denk einmal, ich bin schon wieder nach Ilmola zur Taufe gebeten worden! Die Tochter des Hauses hat Kinder bekommen.« – »Aber was treibst du dich denn immer herum«, schalt der Wolf; »bleib doch von dem Gelage weg, Bruder, laß uns ehrlich unsere Arbeit tun« – »Ach nein doch, Bruderherz, das geht nicht, daß ich wegbleibe, da man mich eingeladen hat«, erwiderte der Fuchs. »Mit den Nachbarn muß man in Frieden leben, und besonders ziemt es den neuen Ankömmlingen sich mit den andern gutzustellen.« – »Nun, so geh in Gottes Namen!« sagte der Wolf, »aber bleib nicht so lange fort. Unsere Arbeit kommt nie zum Schluß, wenn ich die Bäume allein fällen muß!«
Der Fuchs ging, aber kam wieder nur bis zum Buttertopf des Wolfes und kehrte sehr bald zurück. »Nun, welchen Namen hat man dem Kinde gegeben?« fragte der Wolf den Taufgast. – »Zweites Mal«, antwortete der Fuchs, und die beiden arbeiteten weiter. Bald mußte der Fuchs wieder einen Gang in den Wald machen, und aufs neue brachte er eine Einladung mit: »Schon wieder hat man mich nach Ilmola zur Taufe gebeten; jetzt hat die Schwiegertochter Kinder bekommen!« – »Mein Gott, wie oft lassen sie denn in diesem gesegneten Ilmola taufen!« rief der Wolf ärgerlich aus; »aber diesmal Brüderchen, bleibst du hier, immer kannst du doch nicht Feste besuchen!« – »Ich hörte so was, daß man mich zum Gevatter braucht«, erwiderte der Fuchs; »da kann ich doch nicht gut wegbleiben!« – »Nun so geh denn in Teufels Namen noch dieses Mal«, meinte der Wolf; »aber sage den Hauswirten, daß sie dich nicht mehr zu Gevatter bitten sollen, da wir eine gemeinschaftliche Arbeit und rechte Sommereile damit haben.«
Der Fuchs ging wieder zum Buttertopf und kam nicht eher zurück, als bis er die Butter völlig aufgegessen hatte. – »Nun, wie heißt denn dieses Kind?« fragte ihn der Wolf bei seiner Rückkehr. –»Drittes Mal«, antwortete der Fuchs, bereits bei der Arbeit, und die beiden hieben und fällten fleißig zusammen. Lange währte es jedoch nicht, da fühlte der Wolf einen argen Hunger; er hatte aber auch ohne Aufhören gearbeitet. Sie gingen also zum Frühstück. Als der Wolf seinen Buttertopf öffnete, siehe, da fand er ihn ganz leer! Darüber ergrimmte er über die Maßen und schneuzte den Fuchs an: »Du Lump, du hast meine Butter genascht!« – »Beileibe nicht!« beteuerte der Fuchs, »ich weiß nichts von deiner Butter. Aber da du, Bösewicht, mir nicht glauben willst, wollen wir eine Probe anstellen, wer von uns beiden schuldig sei. Wir wollen uns auf jenen Felsen, mitten in die Sonne, schlafen legen; da wird dem Schuldigen wohl die Butter aus dem Maule laufen.«
So taten sie es auch, da die Sache nicht anders herauszubringen war. Der Wolf, der ein gutes Gewissen hatte, schlief im warmen Sonnenschein tief und fest ein; aber der Fuchs hütete sich wohl dasselbe zu tun. Er blieb wach, holte Butter aus seinem eigenen Topfe und schmierte damit dem schlafenden Wolfe die Schnauze ein. Dann weckte er ihn auf und schrie: »Steh mal auf, Gevatter, und sieh wie dir das Fett aus dem Rachen auf den Felsen fließt!« Der Wolf erwachte, und als er den Felsen an der Stelle, so seine Schnauze gelegen hatte, voll Butter sah, stritt er nicht mehr über die Sache und sagte nur kleinlaut: »Ja, Gevatter, du bist unschuldig; ich werde wohl selber der Schuldige sein!«
Der Streit war nun in Gutem beigelegt, da der Wolf alle Schuld auf sich nahm, und sie fingen wieder tüchtig an zu arbeiten. Die Bäume waren gefällt, nun sollte der Sumpf ausgebrannt werden; aber der Fuchs kümmerte sich nicht viel darum; er lag müßig im Schatten der Bäume. »Hilf mir das Moor ausbrennen!« rief ihm der Wolf zu, »was schläfst du, du Faulpelz?« – »Zünde es nur an, Gevatter«, erwiderte der Fuchs ruhig, »ich wache hier, daß das Feuer nicht in den Wald dringe.« Der Wolf glaubte, der Fuchs habe vollauf zu tun, und verrichtete die ganze Arbeit allein; er brannte das Moor aus, nun wollte er die Aussaat besorgen. Der Fuchs ließ ihn auch dabei im Stiche und genoß seine schöne Ruhe im Walde. Darüber ärgerte sich der Wolf und rief dem Faulenzer zu: »Steh doch auf und hilf mir aussäen; unsere Arbeit sollte doch eine gemeinschaftliche sein, aber du, Gevatter, tust ja nichts dabei!« –»Ich darf nicht fort von hier«, versicherte der Fuchs; »ich sitze hier als Vogelscheuche, damit die Vögel nicht unsern Samen fressen.« – »So? – Dann bleibe nur wo du bist, da du auch dort Nutzen schaffst; ich dachte nur, du wälztest dich müßig herum«, antwortete der Wolf und bestellte allein das ganze Feld.