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Es war einmal, ich weiß nicht wo, da war ein armer Mann. Dieser arme Mann machte sich eines Morgens mit seinen zwei Kühen auf, um zu ackern. Wie er an den Wald kommt, hört er plötzlich ein Brüllen und Quäken. Er geht in den Wald, nachzuschauen, was das wohl sein möge? Und da sieht er, daß ein großer Bär mit einem kleinen Hasen rauft.
»Na, so was habe ich mein Lebtag noch nicht gesehen«, sagte der arme Mann und lachte darüber so aus vollem Halse, daß er fast platzte.
»Warte, du gottverlassener Kerl, wie kannst du es wagen, mich auszulachen?« brüllte ihn der Bär an. »Nun, dafür sollst du büßen; ich fresse dich mitsamt den Kühen.«
Traun, jetzt lachte der arme Mann nicht mehr und bat den Bären sehr, daß er sie nicht fresse; oder, wenn es dennoch wirklich sein müßte, so möge er sie nicht vor dem Abend fressen; bis dahin würde er sein Feld beackern, damit seine arme Familie nicht ohne Brot zurückbliebe.
»Bis zum Abend werde ich dich in Frieden lassen; dann fresse ich dich.«
Damit ging der Bär seiner Wege. Der arme Mann aber pflügte traurig fort, und wieviel er auch nachsann, er konnte nichts ersinnen, womit er den Bären wohl versöhnen könnte.
Gegen Mittag kam ein Fuchs daher; er merkte, daß der arme Mann traurig war, und fragte ihn, was ihm fehle, vielleicht könnte er ihm helfen.
Der arme Mann erzählte ihm, wie es ihm mit dem Bären ergangen sei.
»Wenn's das nur ist, da kann ich leicht helfen. Es wird dir kein Leid geschehen; du selbst wirst leben bleiben, deine Kühe auch, und auch noch die Haut des Bären wird dein sein. Doch was zahlst du, wenn ich dir helfe?«
Der arme Mann wußte nicht, was er versprechen sollte, denn er hatte nichts dafür übrig, und der Fuchs verlangte gar viel. Schließlich einigten sie sich auf neun Hennen und einen Hahn. Der arme Mann versprach es schweren Herzens, denn er wußte nicht, woher er es schaffen sollte; aber schließlich versprach er es,
»Nun, und jetzt, armer Mann, höre auf mich! Wenn der Bär zur Abendzeit kommt, verstecke ich mich im Gebüsch und blase, wie es die Jäger tun. Dann wird der Bär fragen: 'Was ist das?' Du sprichst: 'Jäger kommen.' Da erschrickt der Bär und bittet, daß du ihn versteckst. Du steckst ihn in diesen schmutzigen Sack und sagst ihm, daß er sich nicht rühre. Ich komme dann aus dem Gebüsch hervor und frage: 'Was ist in diesem Sack?' Du sagst: 'Holzklötze.' Ich will es nicht glauben und sage: 'Schlage mit deiner Axt hier in diesen Zipfel.' Du nimmst die Axt und schlägst ihm die Axt so in den Kopf, daß der Bär auf der Stelle schrecklich stirbt.«
Der arme Mann freute sich des guten Rates und befolgte ihn auch. Alles geschah so, wie es der Fuchs gesagt hatte: Der Bär kam zu Fall, und der arme Mann samt den Kühen war erlöst.
»Sagte ich es nicht, daß es so sein wird?« sagte der Fuchs. »Lerne daraus, armer Mann, daß man mit Witz weiter kommt als mit Gewalt! Aber ich habe jetzt zu tun, ich gehe nach Hause; doch morgen komme ich zu dir wegen der neun Hennen und des einen Hahns. Daß sie schön fett sind! Sei zu Hause, denn sonst wirst du's bereuen!«
Der arme Mann lud den Bären auf seinen Wagen, bereitete zu Hause ein Abendbrot, schlief darauf ein und fürchtete nicht viel vom Fuchs; denn er hatte von ihm gelernt: Man kommt weiter mit Witz als mit Gewalt.
Frühmorgens hatte er kaum die Augen geöffnet, da klopfte der Fuchs schon an der Tür und begehrte die neun Hennen und den einen Hahn.
»Gleich, Gevatter, gleich, ich ziehe mich nur an«, sagte der arme Mann. Geschwind zog er sich an; aber er öffnete nicht die Tür, sondern stellte sich mitten ins Haus und begann mit seinem Mund zu bellen.
»Du armer Mann, was ist das? Doch nicht etwa ein Jagdhund?«
»Wirklich, Gevatter, das ist ein Jagdhund, und zwar sind's zwei Jagdhunde. Sie schliefen hier unter dem Bett; weiß der Teufel, wie sie hierher geraten sind! Sie haben deinen Geruch gewittert und wollen losstürzen.«
»Halte sie nur so lange, bis ich fortgelaufen bin. Es macht nichts, die Hennen und auch den Hahn kannst du lieber behalten.«
Als der arme Mann die Tür öffnete, war der Fuchs schon über alle Berge. Da lachte er ihn tüchtig aus, und vielleicht lacht er auch jetzt noch.