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»Herr,« sagte sie, an den Sultan das Wort richtend, »unter der Herrschaft des Kalifen Harun Arreschid lebte zu Bagdad ein Lastträger, welcher ungeachtet seines niedrigen und mühsamen Gewerbes ein Mann von Geist und heiterer Laune war.
Eines Morgens, als er wie gewöhnlich mit einem großen Flechtkorbe auf einem Platze stand und wartete, ob jemand seiner Dienste bedürfte, trat eine junge Frau von schönem Wuchse, mit einem Schleier von Musselin, zu ihm heran und sprach zu ihm auf freundliche Weise:
»Höre, Träger, nimm deinen Korb und folge mir.«
Der Träger, hocherfreut über diese wenigen so anmutig ausgesprochenen Worte, nahm sogleich seinen Korb, setzte ihn auf den Kopf und folgte der Frau, indem er ausrief: »O glücklicher Tag! O Tag der guten Begegnis!«
Bald stand die Frau vor einer verschlossenen Türe still und klopfte an. Ein durch seinen langen weißen Bart ehrwürdiger Christ öffnete, und sie gab ihm Geld in die Hand, ohne ihm ein einziges Wort zu sagen. Aber der Christ, der wohl wußte, was sie verlangte, ging wieder hinein, und bald darauf brachte er einen großen Krug voll trefflichen Weines. »Nimm diesen Krug,« sagte die Frau zu dem Träger, »und setze ihn in deinen Korb.«
Als dieses geschehen war, hielt sie bei der Bude einer Frucht- und Blumenhändlerin an und wählte hier verschiedene Arten von Äpfeln, Aprikosen, Pfirsichen, Quitten, Limonen, Zitronen, Orangen, Myrten, Basilien, Lilien, Jasmin und einige andere Arten von Blumen und wohlriechenden Kräutern. Sie befahl dem Träger, auch dies alles in seinen Korb zu legen und ihr zu folgen.
Als sie hierauf an einen Fleischkarren kam, ließ sie sich fünfundzwanzig Pfund des schönsten Fleisches, das dort zu finden war, abwägen, welches der Träger ebenfalls in seinen Korb legen mußte.
An einem andern Laden kaufte sie Kapern, Estragon, kleine Gurken, Meerfenchel und andere Kräuter, alle in Weinessig eingemacht; an einem andern Pistazien, Walnüsse, Haselnüsse, Pinien, Mandeln und andere ähnliche Früchte; und noch an einem andern alle Arten von Mandelgebäck.
Indem der Träger alle diese Sachen in seinen Korb legte und bemerkte, daß er sich füllte, sagte er zu der Frau: »Meine gute Frau, Ihr hättet mir vorhersagen sollen, daß Ihr solche Vorräte einkaufen wolltet, so hätte ich ein Pferd oder vielmehr ein Kamel genommen, sie zu tragen. Ich werde bald viel über meine volle Ladung haben, wenn Ihr noch mehr kaufet.« Die Frau lachte über diesen Scherz und befahl abermals dem Träger, ihr zu folgen.
Sie sprach bei einem Gewürzhändler ein und versah sich hier mit allen Arten von wohlriechenden Wassern, Nägelein, Muskat, Pfeffer, Ingwer, einem großen Stück grauen Ambra und mehreren andern indischen Gewürzen.
Hierauf gingen beide fort, bis sie an ein prächtiges Haus kamen, dessen Vorderseite mit schönen Säulen geschmückt und dessen Türe von Elfenbein war. Hier hielten sie an, und die Frau klopfte leise ...«
Bei dieser Stelle bemerkte Scheherasade, daß es Tag war, und hielt inne.
»Im Ernste, meine Schwester,« sagte Dinarsade, »das ist ein Anfang, der die Neugier höchlich erregt. Ich glaube nicht, daß der Sultan sich des Vergnügens wird berauben wollen, den Verfolg zu hören.«
In der Tat erwartete Schachriar, weit entfernt, den Tod der Sultanin zu befehlen, mit Ungeduld die folgende Nacht, um zu vernehmen, was sich in dem Hause zutragen würde, von welchem sie erzählt hatte.
Dinarsade erwachte vor Tage und sprach also zu der Sultanin:
»Meine Schwester, ich bitte dich, die gestern angefangene Geschichte fortzusetzen.«
Scheherasade erzählte sogleich folgendermaßen weiter:
»Während die junge Frau und der Lastträger warteten, daß die Türe des Hauses geöffnet würde, stellte dieser mancherlei Betrachtungen an. Er war verwundert, daß eine so wohlgebildete Frau als diese da das Geschäft des Einkaufs besorgte; denn er erkannte wohl, daß sie keine Sklavin war: ihr Wesen schien ihm zu edel, als daß er sie nicht für eine Freigeborene, ja selbst für eine vornehme Frau halten sollte. Er hätte ihr gern einige Fragen getan, um ihren Stand zu erfahren; aber indem er sich anschickte, sie anzureden, erschien eine andere Frau, welche die Türe zu öffnen kam, so schön, daß er ganz erstaunt darüber war, oder vielmehr, er wurde von dem Glanz ihrer Reize so geblendet, daß er beinahe seinen Korb samt allem, was darin war, hätte fallen lassen, so brachte dieser Anblick ihn außer sich. Er hatte niemals eine Schönheit gesehen, welche mit derjenigen zu vergleichen war, die hier vor seinen Augen stand.
Wie sich der Dichter hierüber ausdrückt:
»Wenn sie lacht, so werden eingereihte Perlen sichtbar oder Hagelkörner oder Ackant.
Ihr Haar verbreitet sich gleich einer finstern Nacht über eine Stirn, welche den Glanz des hellen Tages beschämt.«
Die Frau, welche den Träger mitgebracht hatte, bemerkte die Verwirrung, welche in seiner Seele vorging, und auch die Ursache derselben. Diese Entdeckung belustigte sie, und es machte ihr so viel Vergnügen, die Haltung des Trägers zu beobachten, daß sie ganz vergaß, daß die Türe offen war. »Tritt doch ein, meine Schwester,« sagte ihr die schöne Pförtnerin, »was wartest du? Siehst du nicht, daß dieser arme Mensch so belastet ist, daß er nicht mehr kann?«
Als sie mit dem Träger eingetreten war, schloß die Frau, welche die Türe geöffnet hatte, sie wieder zu; und alle drei gingen durch eine schöne Vorhalle in einen geräumigen Hof, der von einer offenen Galerie umgeben war, welche unmittelbar in mehrere Zimmer von der äußersten Pracht führte. Im Hintergrunde dieses Hofes stand ein reich verziertes Sofa, in dessen Mitte ein Thron von Ambra, gestützt von vier Säulen von Ebenholz, geschmückt mit Diamanten und Perlen von außerordentlicher Größe und bedeckt mit rotem goldgestickten Atlas aus Indien von bewundernswürdiger Arbeit. In der Mitte des Hofes war ein großes, von weißem Marmor eingefaßtes Becken voll des klarsten Wassers, welches in Fülle dem Maule eines Löwen von vergoldetem Erze entströmte.
So beladen der Träger war, so konnte er sich doch nicht enthalten, die Pracht dieses Hauses und die Reinlichkeit, welche überall darin herrschte, zu bewundern. Aber was am meisten seine Aufmerksamkeit auf sich zog, war eine dritte Frau, die ihm noch schöner erschien als die zweite, und die auf dem Throne saß, von welchem ich erzählt habe. Sie stieg herab, sobald sie die beiden andern Frauen erblickte, und kam ihnen entgegen.
Aus der Ehrerbietung, welche die andern beiden dieser hier bezeigten, schloß der Träger, daß sie die vornehmste wäre; und er täuschte sich nicht. Diese Frau nannte sich Sobeïde; die die Türe geöffnet hatte, hieß Safie, und Amine war der Name derjenigen, die die Vorräte eingekauft hatte.
Sobeïde sagte zu den beiden andern, indem sie zu ihnen kam: »Meine Schwestern, sehet ihr nicht, daß dieser ehrliche Mann fast unter der Last erliegt, welche er trägt? Was zaudert ihr, ihn derselben zu entledigen?«
Hierauf faßten Amine und Safie den Korb, die eine vorn, die andere hinten, und Sobeïde legte auch Hand an, und alle drei setzten ihn auf die Erde. Sie machten sich nun daran, ihn auszuleeren; und als dies geschehen war, zog die holdselige Amine Geld hervor und bezahlte den Lastträger sehr freigebig ...«
Der anbrechende Tag legte Scheherasaden bei dieser Stelle Stillschweigen auf und ließ Schachriar in großem Verlangen, die Fortsetzung zu hören, was dieser Fürst bis zur folgenden Nacht verschob.
In der folgenden Nacht wurde Dinarsade von der Ungeduld aufgeweckt, den Verfolg der angefangenen Geschichte zu hören, und sprach zu der Sultanin:
»Meine Schwester, ich bitte dich um Gottes willen, erzähle uns, was die drei schönen Frauen mit allen den Vorräten machten, welche Amine gekauft hatte.«
»Du sollst es erfahren,« antwortete Scheherasade, »wenn du mir aufmerksam zuhören willst.« Zugleich nahm sie diese Erzählung folgendermaßen wieder auf:
»Der Träger war sehr zufrieden mit dem Gelde, das er empfangen hatte, und sollte nun seinen Korb nehmen und heimgehen; aber er konnte sich nicht dazu entschließen: er fühlte sich unwillkürlich festgehalten durch das Vergnügen, drei so seltene Schönheiten zu sehen, die ihm alle gleich reizend erschienen: denn Amine hatte nun auch ihren Schleier abgelegt, und er fand sie nicht minder schön als die beiden andern. Was er aber nicht begreifen konnte, war, daß er keinen Mann in diesem Hause sah. Gleichwohl waren die meisten Sachen, welche er hergetragen hatte, wie die trocknen Früchte und die verschiedenen Arten von Kuchen und Eingemachtem, nur für Leute passend, welche trinken und sich erlustigen wollten.
Sobeïde glaubte anfangs, daß der Träger stehenbliebe, um sich zu verschnaufen; als sie ihn aber zu lange verweilen sah, sagte sie zu ihm: »Was wartet Ihr? Seid Ihr nicht hinreichend bezahlt? – Meine Schwester,« fügte sie hinzu, indem sie sich zu Aminen wandte, »gib ihm noch etwas, damit er zufrieden von hinnen gehe.« – »Gnädige Frau,« antwortete der Träger, »das ist es nicht, was mich zurückhält; ich bin mehr als zu reichlich für meine Mühe bezahlt. Ich sehe wohl, daß ich eine Unhöflichkeit begangen habe, indem ich hier länger blieb, als ich sollte; aber ich hoffe, Ihr werdet die Güte haben und sie meiner Verwunderung verzeihen, daß ich hier keinen Mann sehe bei drei Frauen von so ungemeiner Schönheit. Eine Gesellschaft von Frauen ohne Männer ist gleichwohl ein ebenso trauriges Ding als eine Gesellschaft von Männern ohne Frauen.« Er begleitete diese Rede noch mit mehreren sehr ergötzlichen Wendungen, um seine Behauptung zu beweisen. Er vergaß auch nicht, sich auf das Sprichwort in Bagdad zu berufen, daß man nicht gut tafelt, wenn man nicht zu vieren ist; und er beschloß damit, weil sie nur ihrer drei wären, daß ihnen noch der vierte Mann fehlte. Zugleich bekräftigte er dies durch folgende Verse:
»Vier ist die Zahl, die zur Fröhlichkeit stimmt: eine Geige, eine Laute, eine Zither und eine Harfe.
Vier Wohlgerüche treten ihnen bei: Rosen, Myrten, Levkojen und Lilien.
Vier gesellen sich zu diesen am besten: Wein, junges Blut, Liebe und Geld.«
Die Frauen lachten über die Rede des Trägers. Hierauf sagte aber Sobeïde ernsthaft zu ihm. »Mein Freund, Ihr treibt Eure Unbescheidenheit ein wenig zu weit; aber obschon Ihr nicht verdient, daß ich mich auf Erklärungen gegen Euch einlasse, so will ich Euch gleichwohl sagen, daß wir drei Schwestern sind und ein so zurückgezogenes Leben führen, daß niemand etwas davon weiß. Wir haben einen zu wichtigen Grund, uns zu hüten, daß ein Unbescheidener darum wisse; und ein guter Schriftsteller, den wir gelesen haben, sagt:
»Bewahre dein Geheimnis und entdecke es niemand: wer es entdeckt, ist nicht mehr Herr davon.
Wenn dein eigener Busen dein Geheimnis nicht behalten kann, wie sollte der Busen desjenigen, dem du es vertraut hast, es behalten können?«
»Schöne Frauen,« fuhr der Träger fort, »nach eurem Ansehen allein habe ich euch gleich für sehr ausgezeichnete Personen erkannt; und ich sehe, daß ich mich nicht getäuscht habe. Obwohl das Glück mir nicht so viel Güter zugeteilt hat, um mich zu einem höhern Gewerbe, als das meinige, zu erheben, so habe ich doch nicht unterlassen, soviel ich konnte, meinen Geist zu bilden durch Lesen wissenschaftlicher und geschichtlicher Bücher; und ihr werdet mir erlauben, euch zu sagen, daß ich in einem andern Schriftsteller auch einen andern Spruch gelesen, den ich immer bewährt gefunden habe:
»Wir verbergen unser Geheimnis nur vor Leuten,« sagt er, »die aller Welt als Unbescheidene bekannt sind und unser Vertrauen mißbrauchen würden; aber wir haben kein Bedenken, es den Verständigen zu entdecken, weil wir überzeugt sind, daß sie es bewahren werden.«
Ein Geheimnis ist bei mir in ebenso großer Sicherheit, als wenn es in einer Kammer wäre, deren Schlüssel verloren und deren Türe wohlversiegelt ist.«
Sobeïde erkannte wohl, daß es dem Träger nicht an Geist fehlte; aber in der Meinung, daß er Lust hätte, an dem Mahle teilzunehmen, womit sie sich bewirten wollten, erwiderte sie ihm lächelnd: »Ihr wißt, daß wir uns ein Mahl bereiten; Ihr wißt aber auch, daß wir eine ansehnliche Ausgabe gemacht haben: es wäre also unbillig, wenn Ihr daran teilnehmen wolltet, ohne dazu beigesteuert zu haben.«
Die schöne Safie bekräftigte den Ausspruch ihrer Schwester und sagte zu dem Träger: »Mein Freund, habt Ihr nie gehört, was man insgemein sagt:
»Bringst du was mit, so giltst du was bei uns; bringst du nichts, so geh' weiter mit nichts.«
Der Träger wäre trotz seiner Beredsamkeit vielleicht doch gezwungen gewesen, mit Beschämung abzuziehen, wenn Amine sich nicht eifrig seiner angenommen und zu Sobeïden und Safien gesagt hätte: »Meine lieben Schwestern, ich beschwöre euch, zu erlauben, daß er bei uns bleibe: ich brauche euch nicht zu sagen, daß er uns belustigen wird; ihr sehet wohl, daß er dessen fähig ist. Ich versichere euch, ohne seinen guten Willen, seine Leichtigkeit und seinen guten Mut, mir zu folgen, wäre es mir nicht möglich gewesen, so viel in so kurzer Zeit einzukaufen. Übrigens, wenn ich euch alle die Artigkeiten wiederholen wollte, welche er mir unterwegs gesagt hat, so würdet ihr keineswegs verwundert sein über den Schutz, den ich ihm angedeihen lasse.«
Bei diesen Worten Aminens fiel der Träger, entzückt vor Freuden, vor ihr auf die Kniee, küßte die Erde zu den Füßen dieser reizenden Person, und indem er aufstand, sagte er zu ihr: »Meine liebenswürdige Herrin, Ihr habt heute mein Glück begonnen, Ihr vollendet es jetzt durch eine so großmütige Handlung: ich kann nicht genug Euch meine Erkenntlichkeit bezeigen. – Übrigens, gnädige Frauen,« fügte er hinzu, indem er sich an die drei Schwestern zusammen wandte, »wenn ihr mir eine so große Ehre erweiset, so fürchtet nicht, daß ich sie mißbrauche und es so ansehe, als wenn ich sie verdiene: nein, ich werde mich immer als euren demütigen Sklaven betrachten.«
Indem er so sprach, wollte er das Geld zurückgeben, das er empfangen hatte; aber die ernste Sobeïde befahl ihm, es zu behalten. »Was einmal aus unsern Händen gekommen ist,« sagte sie, »zur Belohnung derjenigen, die uns Dienste geleistet haben, das kehrt nie wieder darin zurück.«
Die aufsteigende Morgenröte gebot an dieser Stelle Scheherasaden Stillschweigen.
Dinarsade, die mit großer Aufmerksamkeit zuhörte, war sehr verdrießlich darüber; doch konnte sie sich trösten, weil der Sultan, neugierig zu wissen, was zwischen den drei schönen Frauen und dem Lastträger vorgehen würde, die Fortsetzung dieser Geschichte auf die folgende Nacht verschob und aufstand, um seine gewöhnlichen Geschäfte zu besorgen.
Dinarsade unterließ in der folgenden Nacht nicht, ihre Schwester aufzufordern, die wundersame Geschichte fortzusetzen, die sie angefangen hatte.
Scheherasade nahm darauf das Wort, und sich zu dem Sultan wendend, sprach sie: »Herr, mit Eurer Erlaubnis will ich die Neugier meiner Schwester befriedigen.«
Zugleich nahm sie die Geschichte der drei Kalender wieder auf:
»Sobeïde wollte also das Geld von dem Träger nicht wiedernehmen. »Aber, mein Freund,« sagte sie zu ihm, »wenn wir bewilligen, daß Ihr bei uns bleibet, so kündige ich Euch an, daß es nicht bloß unter der Bedingung geschieht, verschwiegen zu sein, wie wir von Euch gefordert haben, wir bedingen auch noch, daß Ihr genau die Regeln der Wohlanständigkeit und Ehrerbietigkeit beobachtet.«
Während sie also sprach, legte die reizende Amine ihr Staatskleid ab, schürzte ihren Rock mit dem Gürtel, um sich freier bewegen zu können, und bereitete den Tisch; sie trug mehrere Gerichte auf und besetzte einen Schenktisch mit Weinflaschen und goldnen Schalen. Darnach setzten sich die Frauen und ließen den Träger neben sich sitzen, der über alle Beschreibung glücklich war, sich mit drei Personen von so außerordentlicher Schönheit am Tische zu sehen.
Nach dem ersten Bissen nahm Amine, die sich zu dem Schenktische gesetzt hatte, eine Flasche und eine Schale, schenkte sich ein und trank zuerst, nach Gewohnheit der Araber. Alsdann schenkte sie ihren Schwestern ein, welche eine nach der andern tranken: hierauf füllte sie zum vierten Male die Schale und bot sie dem Träger, welcher, indem er sie annahm, Aminen die Hand küßte und, bevor er trank, ein Lied sang, dessen Inhalt war: daß, wie der Wind die Wohlgerüche der duftenden Gegenden, die er durchstreicht, mit sich führt, ebenso der Wein, den er aus ihrer Hand empfing, dadurch einen köstlicheren Geschmack erhielte, als er von Natur hätte.
Dieser Anfang erfreute die Frauen, welche hierauf auch sangen. Kurz, die Gesellschaft war sehr aufgeräumt während des Mahles, welches sehr lange dauerte und von allem begleitet war, was es angenehm machen konnte.
Der Tag war beinahe zu Ende, als Safie im Namen der drei Frauen das Wort nahm und zu dem Träger sagte: »Stehet auf und geht; es ist Zeit, Euch zu entfernen.«
Der Träger konnte sich nicht entschließen, sie zu verlassen, und antwortete: »Ei, schöne Frauen, wo soll ich hingehen in dem Zustande, worin ich mich befinde? Ich bin durch euren Anblick und den Trunk meiner nicht mehr mächtig: ich werde nimmer den Weg nach meinem Hause finden, vergönnet mir die Nacht, wieder zu mir zu kommen: ich will sie zubringen, wo es euch beliebt. In kürzerer Zeit vermag ich mich nicht wieder in den Zustand herzustellen, in welchem ich war, als ich bei euch eintrat: und dann noch bin ich ungewiß, ob ich nicht den bessern Teil von mir hier zurücklasse.«
Amine redete abermals dem Träger das Wort und sagte: »Meine Schwestern, er hat recht; ich bin mit seiner Forderung wohl zufrieden. Er hat uns gut genug unterhalten; wenn ihr mir folgen wollt, oder vielmehr, wenn ihr mich so liebt, wie ich davon überzeugt bin, so behalten wir ihn hier und lassen ihn den Abend mit uns zubringen.« – –
»Meine Schwester,« antwortete Sobeïde, »wir können Eurer Bitte nichts versagen. – Träger,« fuhr sie fort, indem sie sich zu ihm wandte, »wir wollen Euch gern auch noch diese Gunst erzeigen; wir machen aber dabei eine neue Bedingung. Was wir auch in Eurer Gegenwart vornehmen mögen, uns selber oder etwas anderes betreffend, hütet Euch wohl, nur den Mund zu öffnen, um uns über den Grund davon zu befragen, denn wenn Ihr über Dinge, die Euch keineswegs angehen, Fragen an uns tätet, so möchtet Ihr etwas hören, was Euch nicht gefiele. Drum nehmt Euch in acht und seid nicht zu neugierig, die Beweggründe unserer Handlungen erforschen zu wollen.«
»Herrin,« antwortete der Träger, »ich verspreche Euch, diese Bedingung mit solcher Gewissenhaftigkeit zu beobachten, daß Ihr nicht Ursache haben sollt, Euch über eine Verletzung derselben und noch weniger über meine Unbescheidenheit zu beschweren. Meine Zunge soll bei dieser Gelegenheit unbeweglich sein, und meine Augen sollen wie ein Spiegel sein, welcher nichts von den Gegenständen behält, die er empfängt.«
»Um Euch zu überzeugen,« fuhr Sobeïde mit sehr ernsthafter Miene fort, »daß das, was wir von Euch verlangen, nicht eine neue Einrichtung bei uns ist, so stehet auf und leset, was über unserer Tür hier innerhalb geschrieben steht.«
Der Träger ging und las folgende Worte, die in großen goldenen Buchstaben geschrieben waren:
»Wer von Dingen redet, die ihn nichts angehen, hört, was ihm nicht gefällt.«
Er kam hierauf zurück zu den drei Schwestern und sagte zu ihnen: »Schöne Frauen, ich schwöre euch, daß ihr mich von keiner Sache sollt reden hören, welche mich nichts angeht, und wobei euer Vorteil im Spiele sein könnte.«
Nachdem dieser Vertrag gemacht war, brachte Amine das Abendessen, und als sie den Saal mit einer großen Anzahl von Kerzen erleuchtet hatte, welche, mit Aloeholz und grauem Ambra zubereitet, einen angenehmen Geruch verbreiteten und eine schöne Erleuchtung machten, setzte sie sich mit ihren Schwestern und dem Träger zu Tische. Sie fingen an zu essen, zu trinken, zu singen und Verse herzusagen. Die Frauen hatten ihr Vergnügen daran, den Träger zu berauschen unter dem Vorwande, ihn auf ihre Gesundheit trinken zu lassen. Scherzreden wurden nicht gespart; kurz, sie waren alle bei der heitersten Laune von der Welt, als sie an der Türe klopfen hörten –«
Bei dieser Stelle war Scheherasade genötigt, ihre Erzählung abzubrechen, weil sie den Tag anbrechen sah.
Der Sultan zweifelte nicht, daß die Fortsetzung dieser Geschichte auch gehört zu werden verdiente, verschob sie bis auf die folgende Nacht und stand auf.
Gegen das Ende der folgenden Nacht sprach Dinarsade zu der Sultanin:
»Meine Schwester, ich habe die größte Ungeduld, die Geschichte dieser schönen Mädchen zu hören, und wer an ihre Türe klopfte.«
»Du sollst es erfahren,« antwortete Scheherasade; »ich versichere dich, daß, was ich dir jetzt erzählen werde, der Aufmerksamkeit des Sultans, meines Herrn, nicht unwürdig ist. Sobald die Frauen,« fuhr sie fort, »an die Türe klopfen hörten, standen alle drei zugleich auf, um hinzugehen und zu öffnen; aber Safie, der dieses Geschäft eigentlich zustand, war die hurtigste. Die beiden andern Frauen, als sie sich zuvorgekommen sahen, blieben stehen und warteten, bis sie zurückkäme, ihnen zu melden, wer noch so spät etwas bei ihnen zu tun haben könnte.
Safie kam wieder. »Meine Schwestern,« sagte sie, »es bietet sich eine schöne Gelegenheit dar, einen guten Teil der Nacht recht angenehm zuzubringen, und wenn ihr nun derselben Meinung seid, so lassen wir sie nicht entschlüpfen. Es stehen vor unserer Türe drei Kalender; wenigstens erscheinen sie mir so nach ihrer Kleidung: aber was euch ohne Zweifel verwundern wird, sie sind alle drei blind auf dem rechten Auge und haben den Kopf, den Bart und die Augenbrauen abgeschoren. Sie kommen, wie sie sagen, augenblicklich erst in Bagdad an, wo sie nie zuvor gewesen sind; und weil es Nacht ist und sie kein Unterkommen wissen, so haben sie zufällig an unsere Türe geklopft und bitten uns, um Gottes willen die Barmherzigkeit zu haben und sie aufzunehmen. Es ist ihnen ganz gleichgültig, welchen Ort wir ihnen einräumen wollen, wenn sie nur unter Dach und Fach sind, sie wollen sich mit einem Stalle begnügen. Sie sind jung und ziemlich wohlgebildet, sie scheinen sogar viel Geist zu haben: aber ich kann nicht ohne zu lachen an ihre närrische und gleichförmige Gestalt denken.«
An dieser Stelle unterbrach Safie sich selber und fing so herzlich an zu lachen, daß die beiden andern Schwestern und der Träger sich nicht enthalten konnten, mitzulachen.
»Meine lieben Schwestern,« fuhr sie fort, »wollt ihr auch, daß wir sie eintreten lassen? Es ist unmöglich, daß wir mit solchen Leuten, wie ich sie euch geschildert habe, nicht den Tag noch besser beschließen sollten, als wir ihn angefangen haben. Sie werden uns sehr belustigen und uns nicht zur Last sein, weil sie von uns nur ein Obdach für diese Nacht verlangen und ihre Absicht ist, uns zu verlassen, sobald es Tag wird.«
Sobeïde und Amine machten Schwierigkeiten, Safien zu bewilligen, was sie verlangte, und diese wußte selber auch den Grund davon; sie bezeigte ihnen aber so große Lust, von ihnen diese Gunst zu erlangen, daß sie es ihr nicht versagen konnten.
»Geh denn,« sagte Sobeïde zu ihr, »und laß sie eintreten; aber vergiß nicht, sie zu warnen, daß sie über nichts reden, was sie nicht angeht, und sie die Inschrift über der Türe lesen zu lassen.«
Auf diese Worte lief Safie freudig hin, zu öffnen; und bald darnach kam sie in Begleitung der drei Fremden zurück.
Die Kalender machten beim Eintreten eine tiefe Verbeugung vor den Frauen, die aufgestanden waren, sie zu empfangen, sie freundlich willkommen hießen und sagten, daß sie sich freuten, Gelegenheit gefunden zu haben, ihnen zu dienen und dazu beizutragen, daß sie sich von der Ermüdung ihrer Reise erholten; und endlich luden sie sie ein, sich zu ihnen zu setzen.
Die Pracht des Ortes und der Anstand der Frauen brachten den Kalendern eine hohe Vorstellung von ihren schönen Wirtinnen bei. Aber als sie, bevor sie Platz nahmen, von ungefähr die Augen auf den Träger warfen und ihn beinahe wie andere Kalender gekleidet sahen, mit welchen sie über mehrere Lehrsätze in Streit waren, und die sich nicht den Bart und die Augenbrauen abschoren, nahm einer von ihnen das Wort und sagte: »Ah, da ist wahrscheinlich einer von unsern abtrünnigen Brüdern aus Arabien.«
Der Träger, der halb eingeschlafen und dem der Kopf von dem genossenen Weine erhitzt war, fand sich durch diese Worte beleidigt, und ohne sich von seinem Platze zu erheben, antwortete er den Kalendern, indem er sie stolz ansah: »Setzt euch und bekümmert euch nicht um das, was euch nichts angeht. Habt ihr nicht die Inschrift über der Türe gelesen? Verlanget nicht, daß die Welt nach eurer Weise leben soll; lebet vielmehr nach der unsern.«
»Guter Freund,« fuhr der Kalender fort, der zuerst gesprochen hatte, »geratet nicht in Zorn: es würde uns sehr leid tun, Euch den geringsten Anlaß dazu gegeben zu haben; wir sind im Gegenteil bereit, Eure Befehle zu empfangen.«
Dieser Wortwechsel hätte noch Folgen haben können, aber die drei Frauen legten sich ins Mittel und stifteten Frieden.
Als die Kalender sich zu Tische gesetzt hatten, legten die Frauen ihnen zu essen vor, und die muntere Safie trug besonders Sorge, ihnen zu trinken einzuschenken.«
Scheherasade hielt hier inne, weil sie bemerkte, daß es Tag war.
Der Sultan stand auf, um an seine Geschäfte zu gehen, mit dem Vorsatze, den Verfolg der Geschichte in der nächsten Nacht zu hören; denn er hatte große Begier, zu erfahren, warum die drei Kalender einäugig waren, und zwar alle drei auf demselben Auge.
Eine Stunde vor Tage erzählte Scheherasade folgendermaßen weiter, was sich zwischen den Frauen und den Kalendern begab.
»Nachdem die Kalender zur Genüge gegessen und getrunken hatten, bezeigten sie den Frauen, daß sie sich ein großes Vergnügen daraus machen würden, ihnen ein kleines Konzert zu geben, wenn sie Instrumente bei der Hand hätten und sie ihnen wollten bringen lassen. Jene nahmen dieses Erbieten mit Freuden an.
Die schöne Safie stand auf, um die Instrumente zu holen; und sie kam bald darauf wieder und brachte eine Flöte des Landes, eine persische Flöte und ein Tamburin. Jeder der drei Kalender empfing aus ihrer Hand das Instrument, das er wählte; und sie fingen alle drei an, eine Weise zu spielen. Die Frauen wußten die Worte zu dieser Weise, welche eine der fröhlichsten war, und begleiteten sie mit ihren Stimmen; aber sie unterbrachen sich von Zeit zu Zeit durch lautes Lachen, welches ihnen die Worte erregten.
In der höchsten Lust dieser Unterhaltung klopfte es an die Türe. Safie hörte auf zu singen und ging hin, zu sehen, was es wäre.
Aber, Herr,« sagte Scheherasade bei dieser Stelle zum Sultan, »es ist nötig, daß Euer Majestät wisse, warum man so spät noch an die Türe der Frauen klopfte, höret die Ursache davon:
Der Kalif Harun Arreschid hatte die Gewohnheit, oft des Nachts verkleidet umherzuwandern, um sich selber zu überzeugen, ob alles in der Stadt ruhig wäre und keine Unordnung vorginge.
Diese Nacht nun war der Kalif zeitig ausgegangen, begleitet von Giafar, seinem Großwesir, und von Mesrur, dem Oberhaupte der Verschnittenen seines Palastes, alle drei als Kaufleute verkleidet. Indem sie durch die Straße der drei Frauen kamen und dieser Fürst den Ton der Instrumente und Stimmen und dazwischen die Ausbrüche des Lachens hörte, sagte er zu dem Wesir: »Geh und klopf an die Tür dieses Hauses, wo man so viel Lärmen macht; ich will hineingehen und die Ursache davon wissen.«
Der Wesir stellte ihm zwar vor, daß es Frauen wären, die sich diesen Abend lustig machten; daß der Wein vermutlich ihre Köpfe erhitzt hätte und er sich nicht aussetzen sollte, von ihnen beschimpft zu werden; daß es noch nicht zur ungebührlichen Stunde wäre und man ihre Lustbarkeit nicht stören dürfte; der Kalif aber erwiderte: »Es tut nichts; klopfe, ich befehle es dir.«
Es war also der Großwesir Giafar, der an die Türe der Frauen klopfte auf den Befehl des Kalifen, der unbekannt bleiben wollte. Safie öffnete; und der Wesir bemerkte bei dem Schein einer Kerze, welche sie trug, daß es eine Frau von großer Schönheit wäre, und spielte seine Rolle vollkommen gut. Er machte ihr eine tiefe Verbeugung und sagte auf ehrerbietige Weise zu ihr: »Gnädige Frau, wir sind drei Kaufleute aus Mossul, vor etwa zehn Tagen mit reichen Waren hier angekommen, welche wir in einen Chan niedergelegt, wo wir unsre Herberge haben. Wir waren heute bei einem Kaufmanne in dieser Stadt, der uns zu einem Besuche eingeladen hatte. Er bewirtete uns mit einem Mahle, und als der Wein uns in gute Laune versetzt hatte, ließ er eine Truppe von Tänzerinnen kommen. Es war schon Nacht; und während auf allerlei Instrumenten gespielt und getanzt wurde und die Gesellschaft großen Lärm machte, kam die Wache vorbei und ließ sich öffnen. Einige von der Gesellschaft sind in Verhaft genommen; was uns betrifft, wir sind glücklich genug gewesen, über eine Mauer zu entfliehen: aber,« fügte der Wesir hinzu, »weil wir Fremde sind und ein wenig vom Wein übernommen, so fürchten wir einer andern Schar der Wache oder nochmals derselben zu begegnen, bevor wir unsern Chan erreichen; deshalb, gnädige Frau, als wir im Vorbeigehen hier Instrumente und Stimmen hörten und daraus schlossen, daß man bei Euch noch nicht zur Ruhe gegangen wäre, so haben wir uns die Freiheit genommen, anzuklopfen, um Euch zu bitten, uns bis zum Tage eine Zuflucht zu gewähren. Wenn wir Euch würdig scheinen, an eurer Unterhaltung teilzunehmen, so werden wir uns bemühen, so viel uns möglich, dazu beizutragen, um die Unterbrechung derselben, die wir verursacht haben, wieder gut zu machen; wo nicht, so erzeigt uns wenigstens die Gnade, daß wir die Nacht unter Obdach in eurer Vorhalle zubringen.«
Während dieser Anrede Giafars hatte die schöne Safie Zeit, den Wesir und seine beiden Gefährten, die sich mit ihm für Kaufleute ausgaben, genauer zu betrachten; und als sie an ihrem Aussehen erkannte, daß sie nicht gemeine Leute wären, sagte sie zu ihnen, daß sie nicht die Herrin des Hauses wäre, wenn sie sich aber einen Augenblick gedulden wollten, sie ihnen Antwort bringen würde.
Safie ging hin und berichtete es ihren Schwestern, welche einige Zeit schwankten, wozu sie sich entschließen sollten; sie waren aber von Natur wohltätig und hatten dieselbe Gnade schon den drei Kalendern erwiesen: also beschlossen sie, auch die Kaufleute eintreten zu lassen ...«
Scheherasade war im Begriff, ihre Erzählung fortzusetzen; aber indem bemerkte sie, daß es schon Tag war, und brach ab.
Der Rang der neuen Personen, welche die Sultanin auftreten ließ, reizte die Neugier des Sultans und ließ ihn in der Erwartung irgend eines sonderbaren Ereignisses, so daß er mit Ungeduld die folgende Nacht erwartete.
Dinarsade, die ebenso neugierig war als der Sultan, zu vernehmen, was die Ankunft des Kalifen bei den Frauen für Folgen haben würde, vergaß nicht, Scheherasaden aufzufordern, mit Erlaubnis des Sultans die Geschichte der Kalender weiter zu erzählen.
»Der Kalif, sein Großwesir und das Oberhaupt seiner Verschnittenen,« erzählte die Sultanin, »als sie von der schönen Safie eingeführt wurden, grüßten die Frauen und die Kalender mit großer Höflichkeit. Die Frauen empfingen ebenso die vermeintlichen Kaufleute; und Sobeïde, als die vornehmste, sagte zu ihnen mit ernstem und würdigem Anstande: »Seid willkommen; aber vor allen Dingen, nehmet es nicht übel, daß wir euch um eine Gefälligkeit bitten.« – »Und welche Gefälligkeit, gnädige Frau?« antwortete der Wesir. »Kann man so schönen Frauen irgend etwas versagen?« – »Sie besteht darin,« fuhr Sobeïde fort, »nur Augen und keine Zunge zu haben; was ihr auch immer hier sehn möget, keine Fragen an uns zu tun, um den Grund davon zu erfahren; und nicht von Dingen zu reden, die euch nichts angehen, damit ihr nicht höret, was euch nicht angenehm sein würde.« – »Wir werden Euch gehorchen, gnädige Frau,« antwortete der Wesir. »Wir sind weder Sittenrichter noch fürwitzige Neugierige; wir haben genug auf das zu achten, was uns angeht, ohne uns in das zu mischen, was uns nichts angeht.«
Nach diesen Worten setzten sich alle, die Unterhaltung knüpfte sich an, und man begann von neuem zu Ehren der Neuangekommenen zu trinken.
Während der Wesir Giafar die Frauen unterhielt, konnte der Kalif nicht aushören, ihre außerordentliche Schönheit, ihren außerordentlichen Anstand, ihre heitere Laune und ihren Geist zu bewundern. Auf der andern Seite erschien ihm nichts auffallender als die Kalender, die alle drei auf dem rechten Auge blind waren. Er hätte sich gern nach dieser Sonderbarkeit erkundigt; aber die Bedingung, welche man ihm und seinen Gefährten auferlegt hatte, hinderte ihn, darnach zu fragen. Wenn er dabei den Reichtum des Hausgeräts, die Einrichtung und Nettigkeit dieses Hauses betrachtete, so konnte er sich nicht überreden, daß keine Zauberei dabei im Spiele sein sollte.
Als die Unterhaltung auf die Vergnügungen und die verschiedenen Arten sich zu ergötzen gefallen war, standen die Kalender auf und tanzten auf ihre Weise einen Tanz, der die gute Meinung noch vermehrte, welche sie schon von ihnen hegten und ihnen die Achtung des Kalifen und seiner Gefährten erwarb.
Als die drei Kalender ihren Tanz vollendet hatten, erhob sich Sobeïde, faßte Aminen bei der Hand und sagte zu ihr: »Meine Schwester, steh auf; die Gesellschaft wird es nicht übel deuten, daß wir uns keinen Zwang auferlegen, und ihre Gegenwart soll uns nicht hindern, das zu tun, was wir gewohnt sind zu tun.«
Amine, die wohl verstand, was ihre Schwester meinte, stand auf und räumte die Schüsseln, den Tisch, die Flaschen, die Schalen und die Instrumente, auf welchen die Kalender gespielt hatten, beiseite.
Safie blieb auch nicht müßig, sie kehrte den Saal, stellte alles Verschobene an seinen Ort, putzte die Wachskerzen und tat von neuem Aloeholz und grauen Ambra daran.
Als dies geschehen war, bat sie die drei Kalender, sich auf das Sofa an der einen Seite zu setzen, und den Kalifen und seinen Gefährten, die andere Seite einzunehmen, zu dem Träger aber sagte sie: »Steht auf und seid bereit, uns die Hand zu reichen bei demjenigen, was wir tun wollen; ein Mensch wie Ihr, der wie zum Hause gehört, darf nicht untätig bleiben.«
Der Träger hatte seinen Rausch schon ein wenig ausgeschlafen; er stand hurtig auf, und nachdem er seinen Rock mit dem Gürtel geschürzt hatte, sagte er: »Da bin ich, was gibt es zu tun?« – »So ist's gut,« antwortete Safie, »wartet, bis man Euch ruft: Ihr sollt nicht lange mit gekreuzten Armen dastehen.«
Bald darauf erschien Amine mit einem Stuhle, welchen sie mitten in den Saal stellte. Sie ging alsdann zu der Tür eines Seitengemaches, öffnete sie und winkte dem Träger, sich zu nähern. »Kommt,« sagte sie zu ihm, »und helft mir.« Er gehorchte, trat mit ihr hinein und kam bald wieder heraus mit zwei schwarzen Hündinnen, deren jede ein Halsband an einer Kette trug, woran er sie festhielt, und die von Peitschenhieben sehr gemißhandelt schienen. Er schritt mit ihnen bis in die Mitte des Saales.
Sobeïde, die sich zwischen den Kalendern und dem Kalifen niedergesetzt hatte, stand nun auf und trat ernsthaft bis zu dem Träger hin. »Auf!« sagte sie, indem sie einen tiefen Seufzer ausstieß, »laßt uns unsre Pflicht tun.« Sie streifte sich die Ärmel bis zum Ellenbogen auf, und nachdem sie die Geißel, die Safie ihr reichte, genommen hatte, sagte sie: »Träger, übergebt eine dieser beiden Hündinnen meiner Schwester Amine und bringt mir die andere her.«
Der Träger tat, was man ihm befahl; und als er sich Sobeïden nahte, so fing die Hündin, welche er führte, an zu heulen und drehte sich nach Sobeïden, indem sie auf flehende Weise den Kopf emporhob. Aber Sobeïde, ohne Rücksicht auf die traurige und Mitleid erregende Gebärde der Hündin, noch auf ihr Geheul, welches das ganze Haus erfüllte, peitschte sie mit der Geißel, bis ihr der Atem versagte; und als sie keine Kraft mehr hatte, sie zu peitschen, warf sie die Geißel auf den Boden; darauf nahm sie dem Träger die Kette aus der Hand, hob die Hündin bei den Vorderpfoten empor, und indem beide auf traurige und rührende Weise sich anblickten, weinten sie, eins wie das andere. Endlich zog Sobeïde ihr Schnupftuch hervor, trocknete der Hündin die Tränen ab und küßte sie; und indem sie sie wieder dem Träger übergab, sagte sie: »Geht und führt sie wieder hin, wo Ihr sie hergeholt habt, und bringt mir die andere.«
Der Träger führte die gepeitschte Hündin in das Gemach zurück, nahm die andere aus Aminens Händen und brachte sie zu Sobeïden, die sie erwartete. »Haltet sie wie die vorige,« sagte sie zu ihm. Dann nahm sie die Geißel wieder auf und mißhandelte diese Hündin auf dieselbe Weise. Darnach weinte sie mit ihr und trocknete ihre Tränen, küßte sie und übergab sie wieder dem Träger, welchem die schöne Amine die Mühe ersparte, sie in die Kammer zurückzuführen; denn sie tat es selber.
Unterdessen waren die drei Kalender, der Kalif und seine Gefährten außerordentlich erstaunt über dieses Strafgericht. Sie konnten nicht begreifen, wie Sobeïde, nachdem sie die beiden Hündinnen, diese (nach dem Glauben der Muselmänner) unreinen Tiere mit solcher Anstrengung gepeitscht hatte, hierauf mit ihnen weinen, ihnen die Tränen abtrocknen und sie küssen konnte. Sie murmelten darüber bei sich selber. Der Kalif vor allen, ungeduldiger als die übrigen, starb fast vor Neugier, den Grund einer so auffallenden Handlung zu wissen, und hörte nicht auf, dem Wesir zu winken, daß er sich darnach erkundigen sollte. Aber der Wesir drehte den Kopf nach der andern Seite, bis er auf die so oft wiederholten Zeichen durch andere Zeichen antwortete, daß es jetzt nicht Zeit wäre, seine Neugier zu befriedigen.
Sobeïde blieb einige Zeit auf derselben Stelle in der Mitte des Saales, als wenn sie sich von der Anstrengung erholen wollte, welche sie bei der Geißelung der Hündinnen gemacht hatte. »Meine liebe Schwester,« sprach Safie zu ihr, »wollt Ihr nicht auf Euern Platz zurückkehren, damit ich nun auch meine Rolle spiele?«
»Ja,« antwortete Sobeïde; und indem sie dies sagte, ging sie hin und setzte sich wieder auf das Sofa, wo sie zur Rechten den Kalifen, Giafar und Mesrur hatte, zur Linken die drei Kalender und den Träger ...
Herr!« sprach Scheherasade bei dieser Stelle, »was Euer Majestät bisher gehört hat, muß ihr schon wunderbar vorkommen: aber das übrige der Erzählung ist es wohl noch weit mehr; ich bin überzeugt, daß Ihr die nächste Nacht dieses selber gestehen werdet, wenn Ihr mir zu erlauben geruht, Euch diese Geschichte zu Ende zu erzählen.«
Der Sultan willigte drein und stand auf, weil es Tag war.
Die Sultanin war nicht sobald aufgewacht, als sie sich der Stelle erinnerte, wo sie in der gestrigen Geschichte stehen geblieben war, und sogleich mit folgenden Worten weiter erzählte, indem sie den Sultan anredete:
»Herr, nachdem Sobeïde ihren Sitz wieder eingenommen hatte, schwieg die ganze Gesellschaft eine Zeitlang. Endlich sagte Safie, die sich auf den Stuhl mitten im Saale niedergesetzt hatte, zu ihrer Schwester Amine: »Meine liebe Schwester, steh auf, ich bitte dich; du verstehst wohl, was ich sagen will.«
Amine stand auf und ging in die andere Kammer als die, aus welcher die beiden schwarzen Hündinnen geholt waren. Sie kam zurück und trug ein Kästchen, das mit gelbem Atlas überzogen und reich mit Gold und grüner Seide gestickt war. Sie näherte sich Safien und öffnete das Kästchen, aus welchem sie eine Laute hervorzog, die sie ihr überreichte. Safie nahm sie, und nachdem sie gehörig gestimmt hatte, fing sie an, darauf zu spielen: und sie begleitete sie mit ihrer Stimme und sang ein Lied von den Qualen der Trennung mit so viel Anmut, daß der Kalif und die übrigen alle davon bezaubert wurden. Es lautete also:
»Du bist allein mein Streben, du allein das Ziel meiner Wünsche; in deiner Nähe wünschte ich zu sein, mein Geliebter!
In deiner Gegenwart ist für mich stete Wonne, und fern von dir sein ist Höllenqual!
Nach dir geht mein Verlangen, nach dir mein Sehnen Tag und Nacht.
Und wahrlich! von dir entbrannt sein ist keine Schande.
Ja, ich habe das Kleid der Wehmut angelegt; doch wer dich sieht, wird mich entschuldigen. –
Tränenfluten sind über meine Wangen geflossen und haben mein Geheimnis offenbaret.
O heile die Unfälle meiner Krankheit! Leider bist du selber die Ursache meiner Schmerzen; wohl aber bist du auch der Arzt.«
Als Safie das Lied vollendet, welches sie mit so viel Empfindung und Ausdruck gesungen hatte, sagte sie zu der freundlichen Amine: »Nimm, meine Schwester, ich kann nicht mehr, und die Stimme versagt mir; unterhalte an meiner Statt die Gesellschaft mit Gesang und Spiel.« – »Sehr gern,« antwortete Amine, indem sie sich Safien näherte, welche die Laute ihren Händen übergab und ihr ihren Sitz einräumte.
Nach einem kurzen Vorspiele, um zu hören, ob die Laute noch gestimmt wäre, spielte und sang Amine über denselben Gegenstand folgendes Lied:
»Wie lange wird diese Brust noch Schmerzen empfinden? Wie lange werden diese Augen noch Tränen vergießen? Sind deren denn nicht schon genug vergossen?
Wie lange noch wird deine Abwesenheit mich quälen! Ist das der Wunsch meiner Feinde, so ist er erfüllt.
Säume nicht länger; denn mein Leib vermag nicht mehr diese Pein zu tragen!
Schone eines Liebessiechen, den Nachtwachen, Ungeduld und Sehnsucht schon halb verzehrt haben.
Ist es erlaubt nach den Gesetzen der Liebe, daß ich einsam stehe, während andere sich des Glücks erfreun, mit ihren Lieben vereinigt zu sein?«
Sie trug diesen Gesang mit solcher Leidenschaft vor und war so gerührt oder vielmehr so durchdrungen von dem Sinne der Worte, die sie sang, daß sie ganz erschöpft aufhörte.
Sobeïde wollte ihr ihre Zufriedenheit bezeigen und sagte zu ihr: »Meine Schwester, du hast Wunder getan: man sieht wohl, daß du das Leid empfindest, welches du so lebhaft ausdrückst.«
Amine vermochte nicht, auf diesen Lobspruch zu antworten; sie fühlte ihr Herz in diesem Augenblick so beklommen, daß sie nur daran dachte, sich Luft zu machen, und die ganze Gesellschaft einen Hals und einen Busen sehen ließ, der nicht so weiß war, als eine Frau wie Amine ihn haben sollte, sondern mit Narben bedeckt: ein Anblick, der bei allen eine Art von Entsetzen hervorbrachte. Gleichwohl gab ihr dies keine Linderung und verhinderte nicht, daß sie in Ohnmacht fiel ...
Aber, Herr,« sagte hier Scheherasade, »ich übersehe, daß es schon Tag ist.«
Mit diesen Worten hörte sie auf zu erzählen, und der Sultan stand auf.
Wenn dieser Fürst auch nicht beschlossen hätte, den Tod der Sultanin aufzuschieben, so hätte er sich dennoch nicht entschließen können, ihr das Leben zu nehmen. Seine Neugier war zu sehr darauf gespannt, eine mit so unerhörten Begebenheiten erfüllte Erzählung bis zu Ende zu hören.
Dinarsade bat nach ihrer Gewohnheit ihre Schwester, die Geschichte der Frauen und der Kalender fortzusetzen.
Scheherasade nahm sie also wieder auf:
»Während Sobeïde und Safie ihrer Schwester zu Hilfe eilten, konnte sich einer der Kalender nicht enthalten zu sagen: »Wir hätten lieber unter freiem Himmel geschlafen, als hier einzutreten, wenn wir gewußt hätten, daß wir hier ein solches Schauspiel sehen sollten.« Der Kalif, der dieses hörte, nahte sich ihm und den andern Kalendern, redete sie an und fragte: »Was bedeutet dies hier?« Der Kalender, der zuerst gesprochen hatte, antwortete: »Mein Herr, wir wissen nicht mehr davon als Ihr.« – »Wie,« fuhr der Kalif fort, »ihr gehört nicht zum Hause und könnt uns nichts berichten von diesen beiden schwarzen Hündinnen, von dieser in Ohnmacht gesunkenen und so unwürdig gemißhandelten Frau?« – »Nein, Herr,« erwiderte der Kalender, »in unserm ganzen Leben sind wir nicht in dies Haus gekommen, und wir haben es nur einige Augenblicke vor Euch betreten.«
Dies vermehrte die Verwunderung des Kalifen. »Vielleicht,« erwiderte er, »weiß dieser Mensch, der hier bei euch ist, etwas von diesen Dingen.«
Einer der Kalender winkte dem Träger, sich zu nähern, und fragte ihn, ob er nicht wüßte, warum die beiden schwarzen Hündinnen gepeitscht worden, und warum Aminens Busen so benarbt erschien. »Herr,« antwortete der Träger, »ich schwöre bei dem großen lebendigen Gotte, wenn Ihr von allen dem nichts wisset, so wissen wir allzumal nichts davon. Es ist wohl war, daß ich aus dieser Stadt bin, aber ich bin außer heute niemals in dieses Haus gekommen; und wenn Ihr verwundert seid, mich hier zu sehen, so bin ich es nicht minder, mich in Eurer Gesellschaft zu befinden. Was meine Verwunderung noch verdoppelt,« setzte er hinzu, »ist, daß ich hier keinen Mann bei diesen Frauen sehe.«
Der Kalif und seine Gefährten und die Kalender hatten geglaubt, daß der Träger zum Hause gehörte, und daß er ihnen berichten könnte, was er zu wissen wünschte. Entschlossen, seine Neugier zu befriedigen, um welchen Preis es auch wäre, sagte der Kalif zu den übrigen: »Höret, da wir hier sieben Männer sind und nur mit drei Frauen zu tun haben, so wollen wir sie ersuchen, uns die gewünschten Aufklärungen zu geben. Wenn sie sich weigern, sie uns gutwillig zu geben, so sind wir imstande, sie dazu zu zwingen.«
Der Großwesir Giafar widersetzte sich diesem Rate und stellte dem Kalifen die Folgen davon vor, ohne jedoch diesen Fürsten den Kalendern zu erkennen zu geben; und indem er sich zu ihm wandte wie zu einem Kaufmanne, sagte er: »Bedenket, Herr, ich bitte Euch, daß wir die gute Meinung von uns zu bewahren haben. Ihr wißt, unter welchen Bedingungen nur die Frauen uns bei sich aufnehmen wollten; wir haben sie angenommen. Was würde man nun von uns sagen, wenn wir dem zuwider handelten? Wir würden noch viel tadelnswürdiger sein, wenn uns irgend ein Unglück begegnete. Es hat nicht den Anschein, daß sie uns dieses Versprechen abgefordert hätten, wenn sie nicht imstande wären, es uns bereuen zu lassen, im Falle wir es nicht halten.«
Mit diesen Worten zog der Wesir den Kalifen beiseite, und leise zu ihm redend, fuhr er fort: »Herr, die Nacht wird nicht lange mehr dauern; geruhe Euer Majestät, sich noch ein wenig zu gedulden. Ich werde morgen früh diese Frauen gefangennehmen und sie vor Euren Thron führen, und Ihr werdet von ihnen alles hören, was Ihr wissen wollt.«
Obwohl dieser Rat sehr vernünftig war, der Kalif verwarf ihn dennoch und legte dem Wesir Stillschweigen auf, indem er sagte, daß er nicht so lange warten könnte, sondern auf der Stelle die gewünschte Aufklärung haben wollte.
Es kam jetzt nur noch darauf an, wer das Wort führen sollte. Der Kalif suchte die Kalender zu bereden, zuerst zu sprechen; aber sie lehnten es ab. Endlich kamen alle darin überein, daß es der Träger tun sollte.
Dieser schickte sich an zu der bedenklichen Frage, als Sobeïde, nachdem sie Aminen beigesprungen, die aus ihrer Ohnmacht wieder zu sich gekommen war, sich ihnen näherte. Da sie sie laut und mit Eifer reden gehört hatte, sagte sie zu ihnen: »Ihr Herren, wovon redet ihr? Was betrifft euer Wortwechsel?«
Der Träger nahm darauf das Wort und sprach zu ihr: »Gnädige Frau, diese Herren bitten Euch sehr, ihnen doch zu erklären, warum Ihr, nachdem Ihr Eure beiden Hündinnen so gemißhandelt, mit ihnen geweint habt, und woher es kommt, daß die in Ohnmacht gesunkene Frau den Busen so mit Narben bedeckt hat? Das ist es, gnädige Frau, was sie mir aufgetragen haben, in ihrem Namen von Euch zu bitten.«
Sobeïde nahm auf diese Worte eine stolze Haltung an, wandte sich zu dem Kalifen, seinen Gefährten und den Kalendern und sagte zu ihnen: »Ist es wahr, ihr Herren, daß ihr ihm aufgetragen habt, mir diese Frage zu tun?« Sie antworteten mit Ja, ausgenommen Giafar, der kein Wort sagte. Auf dieses Geständnis sprach sie zu ihnen in einem Tone, der genugsam ausdrückte, wie sehr sie sich beleidigt fände:
»Bevor wir euch eure Bitte, euch bei uns aufzunehmen, gewährten, haben wir, weil wir allein sind, um allem Anlasse der Unzufriedenheit mit euch zuvorzukommen, euch die Bedingung auferlegt, nicht von Dingen zu sprechen, die euch nicht angehen, damit ihr nicht höret, was euch nicht gefiele. Nachdem wir euch nun aufgenommen und bewirtet haben, so gut es uns möglich war, so unterlaßt ihr gleichwohl nicht, euer Wort zu brechen. Es ist wahr, daß dies die Folge von unserer Willfährigkeit ist: aber das entschuldigt euch nicht, und euer Benehmen ist nicht anständig.«
Indem sie diese Worte aussprach, stampfte sie stark mit den Füßen und klatschte dreimal in die Hände und rief: »Eilet herbei!«
Sogleich öffnete sich eine Türe, und sieben schwarze Sklaven, stark und gewaltig, traten mit dem Säbel in der Faust herein, bemächtigten sich jeder eines der sieben Männer von der Gesellschaft, warfen sie zu Boden, schleppten sie mitten in den Saal und schickten sich an, ihnen die Köpfe abzuhauen.
Man kann sich leicht vorstellen, wie groß der Schreck des Kalifen war. Es gereute ihn nun, aber zu spät, nicht den Rat des Großwesirs befolgt zu haben. Indes war dieser unglückliche Fürst sowie Giafar, Mesrur, der Träger und die Kalender bereit, ihre fürwitzige Neugier mit dem Leben zu bezahlen; aber bevor sie den Todesstreich empfingen, sagte einer der Sklaven zu Sobeïden und ihren Schwestern: »Erhabene, mächtige und verehrte Gebieterinnen, befehlet ihr uns, ihnen den Hals abzuhauen?« – »Haltet an,« antwortete ihnen Sobeïde, »ich muß sie zuvor noch befragen.«
»Gnädige Frau,« unterbrach sie der erschrockene Träger, »um Gottes willen, laßt mich nicht für das Verbrechen eines andern hinrichten. Ich bin unschuldig: jene sind die Schuldigen. Ach,« fuhr er weinend fort, »wir brachten die Zeit so angenehm zu! Diese einäugigen Kalender sind die Ursache dieses Unglücks. Es gibt keine Stadt, der nicht der Umsturz droht von diesen Leuten von so übler Vorbedeutung. Gnädige Frau, ich flehe Euch an, nicht den Unschuldigen mit dem Schuldigen zu vermengen; bedenket, daß es schöner ist, einem Elenden, Hilflosen, wie ich bin, zu verzeihen, als ihn durch Eure Macht niederzuschmettern und ihn Eurem Unmute zu opfern.«
Sobeïde konnte sich trotz ihrem Zorn nicht enthalten, bei sich selber über die Wehklagen des Trägers zu lachen. Aber ohne sich bei ihm aufzuhalten, wandte sie sich zum zweiten Male an die übrigen und sprach: »Antwortet mir und sagt mir, wer ihr seid: sonst habt ihr nur noch einen Augenblick zu leben. Ich kann nicht glauben, daß ihr anständige Leute, noch vornehme Männer von Ansehen in eurem Lande seid, wo ihr auch her sein möget. Wäre dies, so würdet ihr mehr Zurückhaltung und mehr Achtung vor uns gehabt haben.«
Der von Natur ungeduldige Kalif litt unendlich viel mehr als die übrigen, sein Leben von dem Befehle eines beleidigten und mit Recht erzürnten Weibes abhangen zu sehen; aber er fing an, wieder Hoffnung zu schöpfen, als er sah, daß sie wissen wollte, wer sie wären; denn er bildete sich ein, daß sie ihm nicht würde das Leben nehmen lassen, wenn sie seinen Rang erführe. Deshalb befahl er ganz leise dem Wesir, der nahe bei ihm war, schleunig kund zu tun, wer er wäre; aber der vorsichtige und kluge Wesir, welcher die Ehre seines Herrn zu retten wünschte und die große Beschimpfung, welche er sich selber zugezogen hatte, nicht offenkundig machen wollte, antwortete ihm bloß: »Wir haben nur, was wir verdienen.« Aber wenn er auch, dem Kalifen zu gehorchen, hätte reden wollen, so hätte Sobeïde ihm dazu nicht Zeit gelassen.
Sie hatte sich schon zu den Kalendern gewandt, und da sie sie alle drei einäugig sah, fragte sie, ob sie Brüder wären. Einer von ihnen antwortete für die übrigen:
»Nein, gnädige Frau, wir sind nicht Brüder von Geburt, wir sind es nur durch den Stand als Kalender, das heißt, durch Beobachtung derselben Lebensart.« –
»Ihr,« fuhr sie fort, indem sie den einen besonders anredete, »seid Ihr einäugig von Natur?« »Nein, gnädige Frau,« antwortete er, »ich bin es durch ein so seltsames Abenteuer, daß es jedem lehrreich sein würde, wenn es aufgeschrieben wäre. Nach diesem Unglücke ließ ich mir den Bart und die Augenbrauen abscheren und ward Kalender, indem ich dieses Kleid annahm, das ich hier trage.«
Sobeïde tat dieselbe Frage den beiden andern Kalendern, welche ihr dieselbe Antwort gaben wie der erste; der zuletzt sprach, fügte aber hinzu: »Um Euch zu überzeugen, gnädige Frau, daß wir keine gemeinen Leute sind, und damit Ihr einige Rücksicht auf uns nehmet, so wisset, daß wir alle drei Königssöhne sind. Obwohl wir uns nie gesehen vor diesem Abend, so haben wir doch Zeit genug gehabt, uns gegenseitig zu erkennen zu geben, wer wir sind.«
Auf diese Rede mäßigte Sobeïde ihren Zorn und sagte zu den Sklaven: »Gebet ihnen etwas Freiheit, jedoch bleibet hier; denjenigen, die uns ihre Geschichte und den Anlaß erzählen, der sie in dieses Haus geführt, tut nichts zuleide, sondern laßt sie gehen, wohin es ihnen beliebt: aber schonet derer nicht, die es versagen, uns diese Genugtuung zu geben ...«
Mit diesen Worten schwieg Scheherasade; und ihr Stillschweigen sowohl als der anbrechende Tag machten dem Sultan bemerklich, daß es Zeit war, aufzustehen: was er denn auch tat mit dem Vorsatze, in der folgenden Nacht Scheherasaden weiter zu hören, weil er zu wissen wünschte, wer die drei einäugigen Kalender wären.
Da die Sultanin sah, daß ihre Schwester stets das größte Vergnügen an ihren Erzählungen fand, so verfolgte sie die anmutige Geschichte der Kalender, nachdem sie den Sultan um Erlaubnis dazu gebeten und diese erhalten hatte.
»Herr,« erzählte sie weiter, »die drei Kalender, der Kalis, der Großwesir Giafar, das Oberhaupt der Verschnittenen, Mesrur, und der Träger saßen alle in der Mitte des Saales auf einem Fußteppiche, den drei Frauen gegenüber, welche auf dem Sofa saßen, und die Sklaven standen bereit, die Befehle zu vollziehen, welche sie ihnen geben würden.
Als der Träger verstanden hatte, daß es nur darauf ankäme, seine Geschichte zu erzählen, um sich aus einer so großen Gefahr zu befreien, nahm er zuerst das Wort und sagte:
»Gnädige Frau, Ihr wißt schon die Ursache, welche mich zu Euch geführt hat. Also wird das, was ich Euch zu erzählen habe, sehr bald abgetan sein. Eure Frau Schwester, die hier sitzt, hat mich diesen Morgen auf dem Platze als Träger gedungen; ich wartete dort, daß jemand sich meiner bediente, um meinen Unterhalt zu gewinnen. Ich folgte ihr zu einem Weinhändler, einem Kräuterhändler, einem Verkäufer von Orangen, Limonen und Zitronen; dann zu einem Verkäufer von Mandeln, Walnüssen, Haselnüssen und andern Früchten; weiter zu einem Kuchenbäcker und einem Gewürzhändler: von dem Gewürzhändler kam ich mit einem Korbe auf dem Kopf und so schwer beladen als möglich hierher zu Euch, wo Ihr die Güte hattet, mich bis jetzt zu dulden. Dies ist eine Gnade, deren ich mich ewig erinnern werde. Da habt Ihr meine Geschichte.«
Als der Träger geendigt hatte, sagte Sobeïde befriedigt zu ihm: »Du bist begnadigt, mach dich fort und laß dich nie wieder sehen.« – »Gnädige Frau,« fuhr der Träger fort, »ich bitte Euch, mir zu erlauben, daß ich hier bleibe. Es würde ungerecht sein, daß ich, nachdem ich den übrigen das Vergnügen gewährt habe, meine Geschichte zu hören, nicht auch das Vergnügen haben sollte, die ihrige zu hören.«
Indem er dies sagte, setzte er sich an das Ende des Sofas, sehr erfreut, sich aus der Gefahr befreit zu sehen, die ihn so sehr beunruhigt hatte.
Nach ihm nahm einer der drei Kalender das Wort, wandte sich zu Sobeïden, als der vornehmsten der drei Frauen und als derjenigen, die ihnen befohlen hatte zu reden, und begann also: