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»Der Sultan von Ägypten versammelte eines Tages alle Gelehrten seines Reichs in seinem Palaste; da erhob sich unter ihnen ein Streit. Man sagt, daß der Engel Gabriel den Mohammed aus seinem Bette entrückte und ihm alles zeigte, was in den sieben Himmeln, im Paradies und in der Hölle ist, und daß der große Prophet, nachdem er achtzigtausend Unterredungen mit Gott gehabt, von demselben Engel in sein Bett zurückgebracht wurde. Dabei behauptet man, daß alle diese Dinge in so kurzer Zeit vorgegangen wären, daß Mohammed bei seiner Rückkunft sein Bette noch ganz warm gefunden; ja sogar, daß er einen Topf wieder aufgehoben, dessen Wasser noch nicht ausgeflossen war, obwohl derselbe in eben dem Augenblick umgefallen war, als der Engel Gabriel den Propheten entrückt hatte.
Der Sultan, welcher in dieser Versammlung den Vorsitz hatte, behauptete, daß solches unmöglich wäre. »Ihr versichert,« sprach er, »daß es sieben Himmel gibt, je fünfhundert Jahrreisen voneinander entfernt, und daß jeder Himmel ebenso tief als von dem andern entfernt ist. Wie ist es nun möglich, daß Mohammed, nachdem er alle diese Himmel durchfahren und mit Gott achtzigtausend Unterredungen gehabt, bei der Rückkehr sein Bette noch warm und seinen umgeworfenen Topf noch nicht vom Wasser ausgeleert gefunden habe? Wer könnte leichtgläubig genug sein, um einer so lächerlichen Fabel Glauben beizumessen? Wisset ihr denn nicht, daß, wenn ihr einen Topf voll Wasser umwerfet und ihn auf der Stelle aufhebt, ihr doch nichts mehr darin findet?«
Die Gelehrten antworteten, daß solches freilich nicht natürlich zuginge; daß aber der Allmacht Gottes alles möglich wäre. Der Sultan von Ägypten, welcher zu den Freigeistern gehörte und sich zum Grundsatze gemacht hatte, nichts zu glauben, was die Vernunft beleidigte, wollte von diesem Wunder nichts wissen, und die Gelehrten gingen auseinander.
Dieser Streit machte Aufsehen in Ägypten. Die Nachricht davon kam auch zu dem gelehrten Scheich Schahabeddin, welcher aus gewissen Ursachen, auf welche es hier nicht ankommt, bei der Versammlung nicht zugegen sein konnte. Er begab sich sogleich nach dem Palaste des Sultans, in der größten Hitze des Tages.
Sobald der Sultan von der Ankunft des Scheichs an seinem Hofe benachrichtigt war, ging er ihm entgegen, führte ihn in ein prächtiges Zimmer, ließ ihn hier niedersitzen und sprach zu ihm: »Scheich, es war nicht nötig, daß du dir die Mühe gabst, hierher zu kommen: du durftest nur einen deiner Diener senden, und wir hätten ihm gern alles gewährt, was er von uns für dich verlangt hätte.« – »Herr,« antwortete der Gelehrte, »ich komme gerade deshalb, um die Ehre zu haben, mit Euer Majestät zu reden.« Der Sultan, welcher wußte, daß der Scheich in dem Rufe stand, vor Fürsten stolz zu sein, erzeigte sich sehr freundlich und höflich gegen ihn.
Nun hatte das Zimmer, in welchem sie sich befanden, vier Fenster, nach den vier Weltgegenden. Der Scheich bat den König, sie verschließen zu lassen. Nachdem dies getan war, setzten sie noch einige Zeit ihre Unterredung fort, worauf der Scheich das eine Fenster wieder öffnen ließ, welches die Aussicht auf einen Berg namens Kiseldagi, das heißt der rote Berg, hatte, und bat den König, hinauszuschauen. Der Sultan stellte sich ans Fenster und sah auf dem Berge und in der Ebene bewaffnete Krieger mit Schilden und Panzerhemden. Sie saßen alle zu Pferde mit bloßem Schwerte und sprengten mit verhängten Zügeln und zahllos wie das Heer der Sterne gegen den Palast an.
Bei diesem Schauspiele verwandelte der Fürst seine Farbe und rief ganz erschrocken aus: »O Himmel, was ist das für ein furchtbares Kriegsheer, welches sich meinem Palaste nähert!« – »Seid ohne Furcht, Herr,« sagte der Scheich, »es ist nichts.« Indem er dies sagte, schloß er selber das Fenster und öffnete es dann sogleich wieder: da sah der König niemand, weder auf dem Berge, noch in der Ebene.
Das andere Fenster war der Stadt zugekehrt. Der Scheich ließ es öffnen, und der Sultan sah die Stadt Kairo ganz in Flammen, welche hoch in die Luft emporstiegen. »Welche Feuersbrunst!« rief der erstaunte König aus, »da liegt meine Stadt, meine schöne Stadt Kairo in der Asche!« – »Seid ohne Furcht, Herr,« sagte der Scheich, »es ist nichts.« Zu gleicher Zeit schloß er das Fenster, und als er es wieder öffnete, sah der König nichts von den Flammen, welche ihn so sehr erschreckt hatten.
Der Scheich ließ nun das dritte Fenster öffnen, durch welches der Sultan den Nil erblickte, wie er seine Ufer überstieg und seine Wogen wütend gegen den Palast heranstürzten. Obschon der König, nachdem er das Kriegsheer und die Flammen wieder verschwinden gesehen, über dieses neue Wunder nicht erschrecken durfte, so konnte er sich jedoch der Furcht nicht erwehren. »Ach, es ist um uns geschehen,« rief er dennoch aus, »alles ist verloren; diese furchtbare Überschwemmung wird meinen Palast fortreißen und mich mit meinem ganzen Volke ersäufen!« »Fürchtet Euch nicht, Herr,« sagte der Scheich, »es ist nichts.« In der Tat, als der Scheich das Fenster geschlossen und wieder geöffnet hatte, da floß der Nil wie gewöhnlich in seinen Ufern dahin.
Er ließ endlich das vierte Fenster öffnen, welches die Aussicht auf eine dürre Wüste hatte. So sehr der König über die vorigen Erscheinungen erschrocken war, so viel Vergnügen machte ihm dieser Anblick. Seine Augen, gewohnt, durch dieses Fenster nur eine unfruchtbare Gegend zu sehen, wurden angenehm überrascht, hier nun Weinberge zu schauen und Gärten voll der schönsten Früchte von der Welt und Bäche, welche mit süßem Gemurmel dahinrieselten, und deren Ufer, mit Rosen, Basiliken, Balsamstauden und Narzissen geschmückt, dem Auge einen lachenden Anblick und dem Geruch eine Mischung von süßen Düften darboten. Zwischen diesen Blumen sah man eine zahllose Menge von Turteltauben und Nachtigallen, von welchen einige schon erschöpft waren von ihrem lauten Gezwitscher, während die andern noch mit ihren zärtlichen und klagenden Tönen die Luft erschütterten.
Der König, entzückt von allen den wunderbaren Gegenständen, welche seinem Blicke sich darboten, glaubte den Garten von Eram zu sehen. »Ah, welche Veränderung!« rief er im Übermaße seiner Bewunderung aus; »der schöne Garten; welch ein reizender Aufenthalt! Welche Lust werde ich haben, täglich darin zu wandeln!« – »Freuet Euch nicht so sehr, Herr,« sagte der Scheich, »was Ihr da sehet, ist nichts.« Mit diesen Worten schloß der Scheich das Fenster und öffnete es sogleich wieder: und der Sultan sah anstatt jener reizenden Gebilde wieder nur die Wüste.
»Herr,« sagte hierauf der Scheich, »ich habe Euch hier wohl Wunderdinge genug gezeigt: aber alles dieses ist nichts in Vergleich mit dem großen Wunder, welches ich Euer Majestät noch sehen lassen will. Befehlet, daß man eine Kufe mit Wasser hierher bringe.«
Der König gab einem seiner Leute den Befehl; und als die Kufe im Zimmer stand, sprach der Scheich zum Sultan: »Habet die Güte und laßt Euch ganz nackt ins Wasser heben und ein Tuch um Eure Hüften gürten.« Der König hatte die Gefälligkeit, sich ganz zu entkleiden und ein Tuch umgürten zu lassen. Da sprach der Scheich zu ihm: »Herr, tauchet den Kopf ins Wasser und ziehet ihn wieder zurück.«
Der König tauchte den Kopf in die Kufe, und im Augenblick befand er sich auf einem Berge am Ufer des Meeres. Dies unerhörte Wunder erstaunte ihn noch weit mehr als die vorigen. »Ha, Scheich!« rief er aus, außer sich vor Zorn, »treuloser Scheich, der du mich so grausam betrogen hast! du hast mir meinen Thron rauben wollen; wenn ich aber je wieder nach Ägypten komme, von wo deine verfluchte Schwarzkunst mich entrückt hat, so schwöre ich, mich an dir zu rächen!«
Er fuhr noch in seinen Verwünschungen gegen den Scheich fort; aber bedenkend, daß alle seine Drohungen und Klagen unnütz wären, faßte er einen herzhaften Entschluß und ging zu einigen Leuten, welche im Walde Holz fällten, beschloß aber, ihnen nicht seinen Stand zu entdecken. »Denn wenn ich auch,« sprach er bei sich selber, »ihnen sage, daß ich ein König bin, so werden sie mir doch nicht glauben und mich für einen Narren oder Betrüger halten.«
Die Holzhauer fragten ihn, wer er wäre. »Gute Leute,« antwortete er, »ich bin ein Kaufmann, ich habe Schiffbruch gelitten und auf einem Brette mich gerettet: ich bemerkte euch und komme zu euch. Die Lage, worin ihr mich sehet, muß euer Mitleid erregen.«
Sie waren gerührt von seinem Unglück; aber sie waren selber in zu tiefem Elende, um das seinige erleichtern zu können. Dennoch unterließen sie nicht, ihm, der eine einen alten Rock, der andere ein Paar alte Schuhe zu geben; und als sie ihn soeben in den Stand gesetzt hatten, mit Anstand in ihrer Stadt zu erscheinen, welche hinter dem Berge lag, so führten sie ihn dahin.
Sobald sie dort angelangt waren, nahmen alle Abschied von ihm, gingen heim zu den Ihrigen und überließen ihn der Vorsehung.
Der Sultan blieb also allein, welches Vergnügen sonst auch neue Gegenstände gewähren, so war er jedoch zu sehr mit seinem Abenteuer beschäftigt, um auf die Dinge zu achten, welche sich seinem Blicke darboten. Er ging die Straßen auf und ab, ohne zu wissen, was aus ihm werden sollte. Schon war er müde und suchte mit den Augen einen Ort, um sich auszuruhen.
Er stand still vor dem Hause eines alten Hufschmieds, welcher ihm ansah, daß er müde war, und ihn einzutreten bat. Der König ging hinein und setzte sich auf eine Bank an der Türe. »Junger Mann,« sagte der Greis zu ihm, »darf ich Euch fragen, welches Euer Gewerbe ist, und wie Ihr hierher gekommen seid?« Der Sultan gab ihm dieselbe Antwort, welche er den Holzhauern gegeben hatte. »Ich begegnete,« fügte er hinzu, »guten Leuten, welche auf dem Berge Holz fällten, ich erzählte ihnen mein Unglück, und sie waren großmütig genug, mir diesen alten Rock und diese alten Schuhe zu schenken.« – »Es freut mich,« sagte darauf der Schmied, »daß Ihr dem Schiffbruch entronnen seid. Tröstet Tuch über den Verlust Eurer Güter; Ihr seid noch jung und werdet vielleicht nicht unglücklich sein in dieser Stadt, deren Gewohnheiten den Fremden sehr vorteilhaft sind, welche sich niederlassen wollen. Habt Ihr nicht diese Absicht?« – »Gewiß,« antwortete der Sultan, »ich verlange nichts anderes, als hier zu bleiben, vorausgesetzt, daß mein Gewerbe hier gut geht.« – »Wohlan,« fuhr der Greis fort, »so befolgt den Rat, welchen ich Euch geben will: Gehet sogleich zu den öffentlichen Bädern der Frauen, setzet Euch dort an die Türe und fraget jede Frau, welche herauskommt, ob sie einen Mann habe: diejenige, welche es verneint, wird Eure Frau nach dem Brauche des Landes.«
Der Sultan, entschlossen, diesem Rate zu folgen, stand auf, nahm von dem Greise Abschied und begab sich an die Tür der Bäder.
Es währte nicht lange, so sah er eine Frau von bezaubernder Schönheit herauskommen. »Ah, wie glücklich wäre ich,« sprach er bei sich selber, »wenn diese liebenswürdige Frau noch unverheiratet wäre! Ich würde mich über all mein Unglück trösten, wenn ich sie besitzen könnte.« Er hielt sie an und fragte: »Schöne Frau, habt Ihr schon einen Mann?« – »Ja, ich habe einen,« antwortete sie. »Desto schlimmer,« versetzte darauf der König, »Ihr wäret sonst wohl meine Sache.«
Die Frau ging ihres Weges, und bald darauf trat eine andere heraus von einer schrecklichen Häßlichkeit. Der Sultan entsetzte sich bei ihrem Anblick. »Ha, welch ein scheußlicher Gegenstand,« sprach er bei sich selber; »ich will lieber Hungers sterben, als mit einem solchen Geschöpfe leben. Mag sie gehen, ohne daß ich sie frage, ob sie verheiratet ist; ich fürchte, sie möchte Nein sagen. Aber der Schmied hat mir gesagt, daß ich allen Frauen diese Frage tun soll; ohne Zweifel ist das die Regel: ich muß mich ihr also wohl unterwerfen. Was weiß ich. ob sie nicht einen Mann hat? Irgend ein unglücklicher Fremdling, welchen sein Mißgeschick hierher geführt hat wie mich, kann sie geheiratet haben.«
Kurz, der König entschloß sich, sie zu fragen, ob sie verheiratet wäre. Sie antwortete mit Ja; und diese Antwort machte ihm ebensoviel Vergnügen, als die vorige ihm Verdruß gemacht hatte.
Es kam eine dritte Frau heraus, ebenso häßlich als die letzte. »O Himmel!« sagte der König, sobald er sie erblickte, »da ist eine noch scheußlicher als die andere. Was hilft's: da ich einmal begonnen habe, so will ich auch durch, wenn diese hier einen Mann hat, so muß ich bekennen, daß es Männer gibt, die noch mehr zu beklagen sind als ich.«
Als sie an ihm vorüberging, redete er sie an und sprach zitternd: »Schöne Frau, seid Ihr schon verheiratet?« – »Ja, junger Mann,« antwortete sie, ohne sich aufzuhalten. »Ich bin sehr froh darüber,« erwiderte der Sultan, »welches Glück,« fuhr er fort, »diesen beiden Weibern entronnen zu sein! Aber es ist noch nicht Zeit, mich zu freuen; alle Frauen sind noch nicht aus dem Bade gekommen. Ich habe sie noch nicht gesehen, die mir bestimmt ist: ich werde bei dem Tausche vielleicht nichts gewinnen.«
Er erwartete, noch eine so häßliche zu erblicken als die beiden letzten: da erschien eine vierte, deren Schönheit noch die erste übertraf, die er schön gefunden hatte. »Welcher Abstand!« rief er aus, »Tag und Nacht sind nicht so entgegengesetzt als diese schöne Frau und die beiden vorhergehenden Weiber. Kann man an demselben Orte Engel und Dämonen finden?«
Er nahte sich ihr mit großem Eifer und fragte sie: »Liebenswürdige Frau, seid Ihr schon verheiratet?« Sie antwortete Nein, indem sie ihn mit ebensoviel Stolz als Aufmerksamkeit betrachtete. Darauf ging sie weiter und ließ den König in äußerster Überraschung zurück.
»Was soll ich hiervon denken?« sagte er. »Der alte Schmied muß mir was aufgeheftet haben. Wenn ich nach den Gesetzen des Landes diese Frau heiraten soll, warum ist sie so grob fortgegangen? Und warum hat sie ein so stolzes und hochmütiges Wesen angenommen? Sie maß mich vom Haupte bis zu den Füßen, und ich sah in ihren Blicken Zeichen der Verachtung. Es ist wahr, sie hat nicht groß unrecht: ich muß mir selber Gerechtigkeit widerfahren lassen: dieser abgenutzte Rock voll Löcher erhebt eben nicht mein gutes Aussehen und ist keinesweges geeignet, eine Frau für mich einzunehmen. Ich verzeihe ihr den Wunsch, daß sie es besser hätte treffen mögen.«
Während er diese Betrachtungen anstellte, nahte sich ihm ein Sklave und sprach zu ihm: »Herr, ich suche einen ganz zerlumpten Fremden, und nach Eurem Aussehen zu urteilen, seid Ihr es. Bemühet Euch, wenn es Euch gefällt, mir zu folgen. Ich werde Euch an einen Ort führen, wo Ihr mit großer Ungeduld erwartet werdet.«
Der König folgte dem Sklaven, welcher ihn zu einem großen Hause führte und ihn in ein sehr sauberes Gemach eintreten und dort einen Augenblick verziehen hieß. Der Sultan blieb hier zwei Stunden, ohne jemand zu sehen, ausgenommen den Sklaven, welcher von Zeit zu Zeit kam, ihm zu sagen, daß er nicht ungeduldig werden möchte.
Endlich erschienen vier reichgekleidete Frauen und begleiteten eine andere, welche ganz von Edelsteinen strahlte, aber noch mehr durch ihre unvergleichliche Schönheit hervorglänzte. Der Sultan hatte nicht sobald die Augen aus sie geworfen, als er sie für die letzte Frau erkannte, welche er aus dem Bade gehen sah. Sie näherte sich ihm freundlich und sprach lächelnd zu ihm: »Verzeihet, wenn ich Euch ein wenig habe warten lassen. Ich wollte mich vor meinem Herrn und Meister nicht im nachlässigen Anzuge zeigen. Ihr seid in Euerm Hause. Alles, was Ihr hier sehet, gehört Euch. Ihr dürft nur befehlen, was Ihr wünschet, ich bin bereit, Euch zu gehorchen.« –
»Schöne Frau,« antwortete der Sultan, »vor einem Augenblick beklagte ich mein Schicksal, und jetzt bin ich der glücklichste der Menschen. Aber da ich Euer Mann bin, warum habt Ihr mich vorhin so stolz angesehen? Ich glaubte, daß mein Anblick Euch stutzig machte, und, aufrichtig zu gestehen, ich konnte es Euch nicht übelnehmen.« – »Herr,« antwortete die Frau, »ich hütete mich wohl, anders zu tun. Die Frauen dieser Stadt sind genötigt, öffentlich stolz zu erscheinen. Das ist der Brauch. Zur Vergeltung dafür sind sie sehr freundlich daheim.« – »Desto besser,« erwiderte der König, »das ist umso erfreulicher. Wenn ich denn Herr hier bin, so befehle ich. daß man mir einen Schneider und Schuster kommen lasse. Ich schäme mich hier vor Euch in diesem schlechten Rock und diesen alten Schuhen, welche keineswegs dem Range entsprechen, welchen ich bisher in der Welt behauptet habe.« – »Ich bin diesem Befehle schon zuvorgekommen,« sagte die Frau, »und habe einen Sklaven zu einem jüdischen Handelsmann geschickt, welcher ganz fertige Kleider verkauft und Euch auf der Stelle alle Sachen verschaffen wird, deren Ihr nötig habt. Unterdessen kommt, Euch zu erfrischen.«
Indem sie dieses sagte, faßte sie ihn bei der Hand und führte ihn in einen Saal, wo eine Tafel, bedeckt mit allen Arten von Früchten und eingemachten Sachen, stand. Sie setzten sich beide an die Tafel, und während sie aßen, sangen die vier Frauen, welche hinter ihnen standen, mehrere Lieder des Dichters Bada Saudai. Sie spielten zugleich auf verschiedenen Instrumenten, und zuletzt nahm noch ihre Herrin eine Laute, begleitete sie mit ihrer Stimme und bezauberte den Sultan durch ihren Gesang und ihr Spiel.
Dieses Konzert wurde durch die Ankunft des jüdischen Kaufmanns unterbrochen, welcher mit einigen Bedienten in den Saal trat, die Pakete hereintrugen und öffneten: drinnen waren Kleider von verschiedenen Farben. Man beschaute alle, eins nach dem andern, und wählte eine Weste von weißer Seide mit goldenen Blumen und einen Rock von veilchenfarbigem Tuche. Der Jude besorgte das übrige der Kleidung und ging mit seinen Leuten weg.
Jetzt bewunderte die Frau das gute Aussehen des Königs und war sehr zufrieden, einen solchen Mann zu haben, so wie er sehr vergnügt war, eine so schöne Frau zu besitzen.
Er lebte hierauf sieben Jahre mit dieser Frau, von welcher er sieben Töchter und sieben Söhne hatte. Weil aber beide den Aufwand liebten und nur daran dachten, sich gütlich zu tun und sich zu erfreuen, so kam es dahin, daß endlich alle Güter der Frau verschwendet waren. Man mußte sich der dienenden Frauen und Sklaven entledigen und das Hausgeräte verkaufen, um zu bestehen.
Als die Frau des Sultans sich so in das äußerste Elend versetzt sah, sprach sie zu ihrem Manne: »Solange ich etwas besaß, hast du es nicht gespart. Du hast im Müßiggange gelebt. Es ist gegenwärtig an dir, auf Mittel zu denken, deine Familie zu ernähren.«
Diese Worte betrübten den König. Er ging wieder zu dem alten Schmied, ihn um Rat zu fragen. »O mein Vater,« sprach er zu ihm, »du siehst mich unglücklicher wieder, als ich bei meiner Ankunft in diese Stadt war. Ich habe eine Frau mit vierzehn Kindern und habe nichts, sie zu ernähren.« – »Junger Mann,« fragte ihn der Greis, »kannst du kein Handwerk?« Der Sultan antwortete mit Nein. Da zog der Schmied zwei Aktschas aus seiner Tasche, gab sie dem Sultan in die Hand und sagte zu ihm: »Geh sogleich hin und kauf' dir Tragestricke und stelle dich auf den Platz, wo die Lastträger sich versammeln.«
Der König ging hin, kaufte sich die Stricke und stellte sich unter die Lastträger. Kaum stand er dort eine Weile, da Kam ein Mann und fragte ihn: »Willst du eine Last tragen?« – »Ich bin nur deshalb hier,« antwortete der Sultan. Darauf belud ihn der Mann mit einem schweren Sacke. Der König konnte ihn nur mit Mühe tragen, und die Stricke am Sacke zerschnitten ihm die Schultern. Er empfing seinen Lohn, welcher in einem Aktscha bestand, den er nach Hause trug.
Als die Frau sah, daß er nur einen Aktscha brachte, sagte sie zu ihm, wenn er nicht alle Tage zehnmal so viel gewänne, so würde seine Familie bald Hungers sterben.
Am folgenden Morgen ging der König, von Traurigkeit überwältigt, anstatt auf den öffentlichen Platz am Ufer des Meeres auf und nieder und bedachte sein Elend. Er betrachtete mit Aufmerksamkeit den Ort, wohin er unversehens durch die Kunst des Scheichs Schahabeddin versetzt worden war. Er rief dieses seltsame und trübselige Abenteuer in sein Gedächtnis zurück und konnte sich nicht enthalten, darüber zu weinen.
Da er noch die Abwaschung vor dem Gebete tun mußte, so tauchte er sich ins Wasser: aber als er den Kopf wieder herauszog, war er höchst erstaunt, sich in seinem Palaste zu befinden, mitten in der Kufe und umgeben von seinen Beamten.
»O grausamer Scheich!« rief er aus, indem er ihn in derselben Stellung erblickte, in welcher er ihn verlassen hatte; »fürchtest du nicht die Strafe Gottes, daß du deinen Sultan und Herrn also behandelt hast?« – »Herr,« antwortete der Scheich, »woher kommt dieser Zorn Euer Majestät gegen mich? Ihr habt soeben den Kopf in dieses Becken getaucht und ihn sogleich wieder zurückgezogen: wollt Ihr mir nicht glauben, so fragt Eure Beamten, welche Zeugen davon sind.«
Der König beruhigte sich noch nicht bei ihrem Zeugnisse. »Ihr seid Betrüger,« sprach er zu ihnen, »es sind sieben Jahre, daß dieser verwünschte Scheich durch die Gewalt seiner Bezauberungen mich in einem fremden Lande zurückhielt. Ich habe mich verheiratet und sieben Söhne und sieben Töchter erzeugt: darüber beklage ich mich jedoch nicht so sehr, als daß ich ein Lastträger gewesen bin. Ha, boshafter Scheich, wie hast du dich unterfangen können, mich Laststricke tragen zu lassen?« – »Wohlan, Herr,« antwortete der Scheich, »weil Ihr meinen Worten nicht Glauben beimessen wollt, so will ich Euch durch die Tat überzeugen.«
Bei diesen Worten zog er sich aus, umgürtete sich mit einem Tuche, stieg in die Kufe und tauchte den Kopf ins Wasser.
Der Sultan, noch immer erzürnt gegen ihn und eingedenk seines Eides, ihn zu strafen, wenn er je wieder nach Ägypten heimkäme, ergriff einen Säbel und wollte dem Scheich den Kopf abhauen, sobald er ihn wieder aus dem Wasser emporhöbe. Aber der Scheich kannte durch die Wissenschaft, welche man Mekaschefa nennt, die Absicht des Königs, und durch die Wissenschaft AlgaÏb an alas bar verschwand er plötzlich und wurde nach der Stadt Damaskus entrückt, von wo er an den Sultan von Ägypten einen Brief folgenden Inhalts schrieb:
»O König, wisse, daß wir, du und ich, nichts anderes sind als arme Knechte Gottes. Während du den Kopf ins Wasser tauchtest, den du sogleich wieder zurückzogest, hast du eine Reise von sieben Jahren gemacht, eine Frau geheiratet, sieben Töchter und sieben Söhne erzeugt und viel ausgestanden, und doch willst du nicht glauben, daß Mohammed, unser großer Prophet, sein Bette noch ganz warm und seinen Wassertopf noch nicht ausgeleert gefunden habe? Erkenne, daß nichts unmöglich ist für denjenigen, welcher aus nichts Himmel und Erde geschaffen hat durch das bloße Wort Kun!«
Nachdem der Sultan von Ägypten diesen Brief gelesen hatte, fing er an, gläubig zu werden. Gleichwohl konnte er seinen Zorn gegen den Scheich nicht besänftigen. Er schrieb an den König von Damaskus und bat ihn, den Scheich gefangen zu nehmen, ihn hinrichten zu lassen und ihm seinen Kopf zu senden.
Der König von Damaskus ging auf das Verlangen des Königs von Ägypten ein und beeilte sich, ihm zu genügen. Er vernahm, daß der Scheich sich in einer Höhle ziemlich fern von der Stadt aufhielt, und befahl seinen Kapidschis, sich dahin zu begeben, den Scheich zu ergreifen und ihm denselben zu bringen.
Die Kapidschis eilten dahin und wähnten, diesen Befehl leicht auszuführen: aber sie waren nicht wenig überrascht, den Eingang der Höhle von einer zahllosen Schar von Kriegern verteidigt zu finden, welche alle wohlberitten und mit Schwert und Panzerhemde bewaffnet waren. Sie kehrten zu ihrem König zurück und berichteten ihm, was sie gesehen hatten. Der Sultan, erzürnt über diesen Widerstand, versammelte seine Truppen und zog selber hin, den Scheich zu belagern, welcher ihm aber ein so überlegenes Kriegsheer entgegenstellte, daß der Fürst erschrocken sich zurückzog.
Voll Verdruß über diesen übeln Erfolg und entschlossen, sich nicht bloßzugeben, berief er seine Wesire und befragte sie, was unter diesen Umständen zu tun wäre. Die Wesire antworteten ihm, ein wie mächtiger König er auch wäre, so dürfte er doch nicht hoffen, einen Mann zu besiegen, welchem die göttliche Macht beistände. »Jedoch, Herr,« sprach der älteste Wesir, »wenn du dich des Scheichs bemächtigen willst, so sende hin zu ihm und laß ihm sagen, daß du Frieden mit ihm zu machen wünschest. Erwähle die schönsten Sklavinnen deines Harems und mache ihm ein Geschenk damit. Befiehl aber zuvor diesen Mädchen, von dem Scheich zu erforschen, ob es eine Zeit gibt, in welcher er keine Macht hat, seine Wunder zu tun.«
Der König gab diesem Rate Beifall, verstellte sich und ließ dem Scheich seine Freundschaft anbieten, indem er ihm Sklavinnen von seltener Schönheit übersandte. Der Scheich glaubte wirklich, daß der König von Damaskus es bereute, ihn so ungerecht verfolgt zu haben. Er ging in die Schlinge und nahm die Sklavinnen an, unter welchen eine war, in die er sterblich verliebt wurde.
Sobald dieses Mädchen den Scheich von einer so heftigen Leidenschaft ergriffen sah, sprach sie zu ihm: »Lieber Scheich, ich bin neugierig, zu wissen, ob es eine Zeit gibt, in welcher du keine Wunder tun kannst?« – »Schönes Fräulein,« antwortete er ihr, »ich bitte dich, mir diese Frage nicht mehr zu tun: denken wir nur daran, ein fröhliches Leben zu führen; es kann dir sehr gleichgültig sein, zu wissen, was du fragst.« Die Sklavin stellte sich sehr gekränkt über diese Antwort; sie bezeigte eine tiefe Schwermut darüber, und als der Scheich ihr Liebkosungen machte, fing sie an zu weinen und sprach zu ihm: »Alle Beweise der Liebe, welche du mir gibst, sind nicht wahrhaft; wenn du mich liebtest, so würdest du kein Geheimnis vor mir haben.« Kurz, sie setzte ihm so zu, daß er schwach genug war, ihr zu gestehen, daß er, nachdem er eine Frau erkannt, ohne Macht wäre, bis er die Abwaschung getan hätte.
Als die Sklavin diesen Umstand erfahren hatte, ließ sie es den König von Damaskus wissen, welcher seinen Kapidschis befahl, sich heimlich in der Nacht an die Türe des Scheichs zu stellen und ihn zu ergreifen, sobald die Sklavin ihnen die Tür öffnen würde.
Der Scheich hatte die Gewohnheit, jede Nacht zu seinem Haupte einen großen Krug voll Wasser hinzustellen, um sich dessen zu bedienen, wenn er die Abwaschung nötig hatte. Die Sklavin hatte beim Niederlegen das Wasser ausgegossen, ohne daß er es bemerkt hatte, so daß, als er sich waschen wollte, er den Krug leer fand. Die Treulose machte die Geschäftige, sie nahm den Krug, und unter dem Vorwände, Wasser zu holen, öffnete sie die Türe den Kapidschis, welche ungestüm in die Höhle drangen.
Der Scheich erkannte nun die Verräterei der Sklavin, ergriff zwei Kerzen, welche auf den Leuchtern brannten, und drehte sich mit den Lichtern im Zimmer umher, seltsame Worte murmelnd, welche die Kapidschis nicht verstanden. Erschrocken über die Gebärden und Worte des Scheichs und voll Furcht, daß er irgend ein Wunderwerk gegen sie hervorrufen wollte, flohen sie aus der Höhle.
Der Scheich verschloß sogleich die Türe hinter sich und verrichtete die Abwaschung. Hierauf, um sich an der treulosen Sklavin zu rächen, nahm er ihre Gestalt an und gab ihr die seine; so verließ er die Höhle und lief den Kapidschis nach. »Ha, ihr Feigen!« rief er ihnen zu, »befolgt ihr so die Befehle des Königs, eures Herrn? Er wird euch alle hinrichten lassen, wenn ihr nach Damaskus zurückkommt ohne den Scheich, seinen Feind. Warum seid ihr entflohen? Habt ihr Ungeheuer oder Soldaten zu seiner Verteidigung erscheinen sehen? Kehret um, gehet in die Höhle zurück und fürchtet nichts. Mutiger als ihr werde ich mich ihm nahen, ihn ergreifen und selber ihn euch überliefern.«
Die Kapidschis standen auf diese Anrede still und ermutigten sich; sie kehrten sogleich um und folgten dem Scheich unter der Gestalt der Sklavin, traten mit ihm in die Höhle und ergriffen die Sklavin, den Scheich zu fangen wähnend; sie banden ihr die Füße und die Hände, ohne daß sie ein einziges Wort sprach, weil der Scheich ihr die Sprache genommen hatte.
So führten sie sie vor den König von Damaskus, welcher ihr sogleich den Kopf abhauen ließ. Aber sobald der Kopf vom Rumpfe getrennt war, gab der Scheich dem Leichname seine vorige Gestalt wieder und ließ den König und alle seine Beamten sehen, daß es die Sklavin wäre, welche eben enthauptet worden; und er selber, der unter der Gestalt der Sklavin gegenwärtig war, nahm seine eigene Gestalt wieder an und sprach zum König von Damaskus:
»O König, der du, dem Sultan von Ägypten zu gefallen, alles angewendet hast, mich zu verderben, wisse, daß man nie ungerechten Verfolgungen die Hand bieten muß, und danke Gott, daß ich meine Rache auf die Bestrafung dieses elenden Weibes beschränke, welches mich verraten hat.«
Indem er dieses sagte, verschwand der Scheich und ließ den König von Damaskus und alle Zeugen dieser wunderbaren Begebenheit im größten Erstaunen zurück.
Dieses ist, Herr, die Geschichte des Scheichs Schahabeddin,« fuhr der erste Wesir des Kaisers von Persien fort; »Euer Majestät ersieht daraus, daß die Männer nicht genug auf ihrer Hut sein können gegen die Frauen. Bevor du den Prinzen Nurgehan hinrichten lässest, erlaube uns, ihn zu befragen. Vielleicht wird er uns seine Unschuld zu erkennen geben.« – »Wohlan, es sei,« sagte der König, »ich willige ein, den Tod meines Sohnes bis morgen aufzuschieben.«
Während die Wesire den Prinzen besuchten, der im Gefängnisse war, stieg der Kaiser zu Pferde und ritt aus der Stadt, um sich auf der Jagd zu zerstreuen.
Am Abend, bei seiner Heimkehr, speiste er mit der Sultanin Chansade zusammen. Nach der Mahlzeit sprach sie zu ihm: »Ich fürchte, Herr, daß es dich gereuen wird, die Bestrafung des Prinzen aufgeschoben zu haben. »Der Mensch,« sagt der Koran, »hat zwei Arten von Feinden, die er liebt, seine Kinder und seine Güter.« Ja, Euer Sohn ist Euer Feind, weil er den Gedanken des abscheulichen Verbrechens fassen konnte, welches er begehen wollte. Säumet nicht, ihn zu bestrafen, höret nicht mehr auf die Zärtlichkeit und das Mitleid, welche bei Euch für ihn sprechen. Sein böser Hang muß die Stimme des Blutes in Euch ersticken; seid nicht so schwach, Euch an die Weisungen aller Leute zu kehren; denn es ist eine Torheit, auf jeden Rat zu hören, wie dies die Fabel von dem Gärtner und seinem Sohne so gut beweiset, vielleicht ist sie Euch unbekannt. Euer Majestät erlaube mir, sie zu erzählen: