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Lied von Thrym oder Hammers Heimkunft

Für die Deutung dieses Liedes verweise ich auf Uhlands geniale Meisterschrift: »Die Sage von Thôrr« und meinen Zehnten epischen Brief.

Þrymsquiđa eđr Hamarsheimt

1

Wütend war Wingthôrr, als er erwachend
Seinen Hammer vermißt' und ihn nirgend bemerkte.
Den buschigen Bart und das Scheitelhaar schüttelnd,
Sucht ihn umsonst der Sohn der Erde.

2

Das war der Ausruf, mit welchem er anhub:
»Nun lausche mir, Loki, und laß dir sagen,
Was nirgend auf Erden vernommen wurde,
Noch im hohen Himmel: man stahl mir den Hammer.«

3

Sie liefen nach Freyas leuchtender Wohnung,
Und das war der Ausruf, mit welchem er anhub:
»Willst du mir, Freya, dein Federhemd leihen,
Mir meinen Hammer zurückzuholen?«

Freya.

4

»Ich gäb' es dir gern, und wär's auch von Golde,
Ich versagt' es dir nicht, und wär' es von Silber.«
Da flog nun Loki; das Flügelhemd rauschte,
Bis er hinter sich hatte der Asen Gehege
Und rasch erreichte der Riesen Gebiet.

5

Auf hohem Hügel saß Thrym, ihr Herrscher.
Er flocht seinen Hunden goldenen Halsschmuck
Und strählte den Mähren die struppigen Mähnen.

Thrym.

6

»Was gibt's bei den Göttern, wie geht es den Alfen,
Daß zum Reiche der Riesen du einsam gereist kommst?«

Loki.

7

»Den Asen geht's schlecht und schlimm den Alfen.
Hältst du nicht verheimlicht den Hammer des Blitzers?«

Thrym.

8

»Ich halte verheimlicht den Hammer des Blitzers;
Acht Rasten tief ruht er im Innern der Erde,
Und wiederbekommen wird ihn keiner,
Der nicht Freya'n herbringt und mir zur Frau gibt.«

9

Loki flog; das Flügelhemd rauschte,
Bis er hinter sich hatte die Heimat der Thursen
Und eiligs ankam im Asengebiet.
Im Hof seines Hauses stand Thôrr schon harrend,
Und das war der Ausruf, mit welchem er anhub:

10

»Ist die Reise vollzogen, und kamst du zum Ziele?
Herab aus der Luft gib den langen Bericht;
Nicht selten versagt auf dem Sitz das Gedächtnis,
Und leichter mit Lug im Liegen prahlt man.«

Loki.

11

»Getan ist die Reise, der Auftrag verrichtet.
Deinen Hammer hat Thrym, der Herrscher der Thursen,
Und wiederbekommen wird ihn keiner,
Der nicht Freya'n hinbringt und ihm zur Frau gibt.«

12

Da liefen sie hin zur leuchtenden Freya,
Und das war der Ausruf, mit welchem er anhub:
»Hülle dich, Freya, in Hochzeitsleinen;
Wir zwei wollen reisen ins Riesengebiet.«

13

Da entbrannte Freya zu brausendem Zorne;
Es bebte der Saal zur Asenversammlung;
Ihr fiel von der Brust der funkelnde Brising.
»Du müßtest meinen, mannstoll sei ich,
Wenn ich reiste mit dir ins Reich der Riesen.«

14

Bald saßen versammelt die sämtlichen Asen,
Auch die Asinnen alle, vereinigt zum Rat,
Und weislich erwogen die waltenden Götter,
Wie man den Hammer wiederhole.

15

Da redete Heimdall, der hellste der Asen,
Der weiser war als die Wanen alle:
»Hüllen wir Thôrr in Hochzeitsleinen,
Ihm schmücke die Brust das Geschmeide Brising;

16

Ihn mögen umklingen klirrende Schlüssel,
Ihm Weibergewande umwallen das Knie.
Mit stattlichen Steinen besteckt ihm den Busen,
Um die Schläfen schlingt ihm den Schleier geschickt.«

17

Da sträubte sich Thôrr, der strenge Ase:
»Ein zagender Zärtling in Zukunft hieß' ich,
Ließ' ich mich hüllen in Hochzeitsleinen.«

18

Doch Loki sprach, der Laufeya Sprößling:
» Die Rede laß ruhn; den Riesen würde
Gar bald zur Beute die Burg der Asen,
Holtest du dir deinen Hammer nicht heim.«

19

So hüllten sie Thôrr in Hochzeitsleinen,
Legten ihm an den leuchtenden Brising,
Ließen ihn klingeln mit klirrenden Schlüsseln,
Ein Weibergewand seine Knie umwallen,
Besteckten ihm stattlich die Brust mit Steinen
Und schlangen geschickt um die Schläfen den Schleier.

20

Und Loki, der Sohn der Laufeya, sagte:
»Ich ziehe mit dir als deine Zofe;
Wir reisen zusammen gen Riesenheim.«

21

Nun wurden alsbald geholt die Böcke,
An die Schwengel gespannt zu geschwindestem Lauf.
Die Felsen zerfielen, die Erde gab Funken,
Als Odins Sprößling nach Riesenland sprengte.

22

Da redete Thrym, der Riesen Thronherr:
»Rühret euch, Riesen, errichtet Bänke,
Und bringet mir Freya'n als meine Braut her,
Die Tochter Niörds, des Noatuners.

23

Hier gehn mir und kommen goldgehörnte Kühe
Und rabenschwarze Rinder, der Stolz der Riesen;
Hab' auch Kostbarkeiten, Spangen und Kettlein –
Was ich entbehrt, war nur Freya zur Buhle.«

24

Sie kamen gezogen zeitig am Abend;
Man füllte mit Bier den Riesen die Becher.
Einer der Gäste aß einen ganzen
Ochsen auf nebst acht von den Lachsen,
Auch die süßen Sachen für Frauen sämtlich;
Drei Mulden Metes trank Sifs Gemahl.

25

Da redete Thrym, der Riesen Thronherr:
»Sah man junge Frau wohl je so gefräßig
Und Neuvermählte so nimmersatt? Niemals
Trank eine Maid so massenhaft Met!

26

Die zierlich zur Seite sitzende Zofe
Erklärt' es dem Riesen mit kluger Rede:
»Acht Nächte nichts genossen hat Freya
Vor unsäglicher Sehnsucht, Euch zu besuchen.«

27

Thrym lüftete, lüstern nach Küssen, das Leintuch,
Doch entsetzt fuhr er auf bis zum Ende des Saales.
»Wie funkeln so furchtbar die Augen Freyas!
Ich glaube, sie glänzen von lodernder Glut!«

28

Die zierlich zur Seite sitzende Zofe
Erklärt' es dem Riesen mit kluger Rede:
»Acht Nächte war ihr benommen der Schlummer
Vor unsäglicher Sehnsucht, Euch zu besuchen.«

29

Da trat Frau Trübsal, die traurige Schwester
Des Riesen, herein und richtete Bitten
Um ein Brautgeschenk an des Bruders Verlobte:
»Streife vom Finger strahlende Ringe,
Wenn dich verlangt nach meiner Liebe.«

30

Dann redete Thrym, der Riesen Thronherr:
»Bringet den Hammer, die Braut zu weihen;
Leget der Maid in den Schoß den Zermalmer
Und weihet uns beide zum wahrhaften Bund.«

31

Wie lachte vor Wonne der Wetterleuchter,
Als er heißen Herzens den Hammer erkannte!
Erst traf er tödlich Thrym, den Thursen,
Und erschlug dann das ganze Riesengeschlecht.

32

Die betagte Frau Trübsal auch traf er zum Tode,
Die sogar nach Gaben von ihm begehret.
Statt der Schillinge schenkt er ihr schallende Schläge,
Statt Handgeschmeides zerschmetternde Hiebe.
So holte sich Thôrr seinen Hammer zurück.


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