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Bild: Hans Tegner

Liebesleute

Ein Kreisel und ein Ball lagen zwischen andern Spielsachen nebeneinander in einer Schieblade und da sagte der Kreisel zu dem Bällchen: »Wollen wir nicht Brautleute sein, da wir doch in einer Schieblade nebeneinander liegen?« Aber das Bällchen, das aus Saffianleder genäht war und sich ebensoviel einbildete als ein feines Fräulein, gab auf so etwas gar keine Antwort.

Am nächsten Tag kam der kleine Knabe, dem das Spielzeug gehörte. Er nahm den Kreisel aus der Schieblade und bemalte ihn rot und gelb. Dann schlug er einen Messingnagel mitten hinein, und das sah ganz prächtig aus, wenn der Kreisel herumtanzte.

»Sehen Sie mich nun an!« sagte der Kreisel zu dem Bällchen. »Wie gefalle ich Ihnen? Wollen wir jetzt nicht Liebesleute sein? Wir passen gerade gut zueinander. Sie springen und ich tanze. So ein glückliches Paar gäbe es gar nicht wieder!«

»So, meinen Sie wirklich?« fragte das Bällchen. »Sie wissen wohl gar nicht, daß mein Vater und meine Mutter Saffianpantoffel gewesen sind und daß ich einen spanischen Kork im Leibe habe!«

»Aber ich bin aus Mahagoniholz«, sagte der Kreisel, »und der Bürgermeister selbst hat mich gedreht. Er hat eine eigene Drehbank, und es hat ihm viel Vergnügen gemacht.«

Bild: Hans Tegner

»Kann ich mich darauf verlassen?« fragte das Bällchen.

»Ich will niemals wieder die Peitsche bekommen, wenn ich lüge!« beteuerte der Kreisel.

»Sie verstehen ja sehr gut, für sich zu sprechen«, sagte das Bällchen. »Aber ich kann trotzdem nicht ›Ja‹ sagen, denn ich bin schon halb und halb mit einer Schwalbe versprochen. So oft ich in die Luft fliege, steckt sie den Kopf zu ihrem Nest heraus und fragt mich: ›Wollen Sie, wollen Sie?‹ Innerlich habe ich nun schon eingewilligt, und das ist so gut wie eine halbe Verlobung. Aber ich werde Sie nie vergessen, das verspreche ich Ihnen.« »Das wird mir viel helfen!« sagte der Kreisel, und von da an sprachen die beiden nicht mehr miteinander.

Am nächsten Tag wurde das Bällchen hervorgeholt. Der Kreisel sah, wie es einem Vogel gleich hoch in die Luft flog, daß man es gar nicht mehr wahrnehmen konnte, aber immer kam es wieder zurück und machte dann, sobald es die Erde berührte, einen hohen Sprung, entweder aus Sehnsucht oder weil es einen Kork im Leibe hatte. Beim neunten Mal aber blieb das Bällchen fort und kam nicht wieder.

»Ich weiß wohl, wo es ist!« seufzte der Kreisel. »Es ist im Schwalbennest und hat sich mit der Schwalbe verheiratet.«

Bild: Hans Tegner

Je länger der Kreisel darüber nachdachte, desto mehr sehnte er sich nach dem Bällchen. Weil er es nicht bekommen konnte, deshalb nahm seine Liebe zu; daß es einen andern genommen hatte, gerade das reizte ihn. Und der Kreisel tanzte und schnurrte herum wie zuvor, aber dabei dachte er immer an das Bällchen, das in seinen Gedanken schöner und immer schöner wurde. Darüber verstrich manches Jahr – nun war es eine alte Liebe.

Bild: Hans Tegner

Der Kreisel war jetzt auch nicht mehr jung. Aber da wurde er eines Tages über und über vergoldet. Noch nie hatte er so prächtig ausgesehen; jetzt war er ein Goldkreisel und tanzte und sprang, daß es nur so schnurrte. Das gefiel dem Kreisel, aber auf einmal sprang er zu hoch und – fort war er. Man suchte und suchte, sogar unten im Keller, aber er war nirgends zu finden.

Wo war er nur? Ja, wo war er? In den Kehrichteimer war er gesprungen, wo allerlei Abfälle durcheinander lagen: Kohlstrünke, Kehricht sowie Moos und Schutt, die von der Dachrinne heruntergefallen waren.

»Na, das ist mir ein schönes Lager, da wird die Vergoldung bald dahin sein! Da bin ich ja unter ein ordentliches Lumpengesindel geraten!« Dabei schielte er zu einem ganz abgeblätterten, zerschundenen Kohlstrunk hinüber und einem sonderbaren runden Ding, das wie ein eingeschnurrter alter Apfel aussah – aber es war kein Apfel: es war ein alter Ball, der jahrelang in der Dachrinne gelegen hatte und von dem Wasser ganz durchweicht und verdorben war.

»Gott sei Dank! da kommt einer von meinesgleichen, mit dem man vernünftig reden kann!« sagte das Bällchen und betrachtete den vergoldeten Kreisel. »Ich bin eigentlich aus Saffianleder, von zarten Jungfrauenhänden genäht und habe einen spanischen Kork im Leibe; aber das wird mir jetzt wohl niemand mehr ansehen. Ich war eben im Begriff, mich mit einer Schwalbe zu verheiraten. Aber da fiel ich in die Dachrinne, wo ich fünf Jahre lang gelegen habe und nun vom Wasser ganz aufgequollen bin. Ach, das ist eine lange Zeit für ein junges Mädchen!«

Der Kreisel gab keine Antwort; aber er gedachte seiner alten Flamme, und je länger er zuhörte, desto klarer wurde es ihm, daß sie es war.

Da kam das Dienstmädchen und wollte den Kehrichteimer umwenden. »Heisa, da ist der goldene Kreisel!« rief sie. Nun kam der Kreisel wieder in die Stube und wurde dort mit Jubelrufen empfangen, aber von dem Bällchen hörte und sah man nichts weiter. Von seiner alten Liebe jedoch sprach der Kreisel nie wieder. Die geht vorüber, wenn die Geliebte fünf Jahre lang in der Dachrinne liegt und ganz aufgequollen ist; ja, man erkennt sie nicht einmal mehr, wenn man ihr im Kehrichteimer begegnet.

Bild: Hans Tegner


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