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Der kleine und der große Klaus

In einem Dorfe lebten einmal zwei Männer, die beide denselben Namen hatten: beide hießen Klaus; aber der eine besaß vier Pferde und der andere nur ein einziges Pferd. Um sie nun voneinander zu unterscheiden, nannte man den mit den vier Pferden den großen Klaus, und den, der nur ein Pferd besaß, den kleinen Klaus. – Nun wollen wir hören, wie es den beiden erging; es ist nämlich eine wahre Geschichte.

Bild: Hans Tegner

Die ganze Woche hindurch mußte der kleine Klaus für den großen Klaus pflügen und ihm dazu sein einziges Pferd leihen; dafür half ihm der große Klaus wieder mit all seinen vieren, jedoch nur einmal in der Woche, und das war des Sonntags. Hussa! wie knallte der kleine Klaus über alle fünf Pferde hin; an diesem Tage waren sie ja so gut wie sein Eigentum. Die Sonne schien herrlich; die Glocken läuteten zur Kirche, und die Leute gingen in den Sonntagskleidern zum Gottesdienst. Da sahen sie den kleinen Klaus, wie er mit fünf Pferden pflügte, und er war so vergnügt darüber, daß er mit der Peitsche knallte und rief: »Hü! alle meine Pferde!«

»So darfst du nicht sagen«, befahl der große Klaus, »es gehört dir ja nur eins von den Pferden.«

Aber als wieder jemand nach der Kirche vorbeiging, vergaß der kleine Klaus, daß er es nicht sagen durfte, und rief wieder: »Hü! alle meine Pferde!«

»Nun möchte ich aber doch recht bitten, das bleiben zu lassen«, sagte der große Klaus.

»Wenn du es noch einmal sagst, schlage ich dein Pferd vor den Kopf, daß es auf der Stelle tot ist; dann ist es vorbei damit.«

»Ich will es gewiß nicht mehr sagen«, versprach der kleine Klaus. Als aber dann Leute vorbeikamen und ihm zunickten, freute er sich und dachte, es sehe doch recht schön aus, daß er fünf Pferde habe, um sein Feld zu pflügen, und er knallte mit der Peitsche und rief: »Hü! Hü! alle meine Pferde!«

Bild: Hans Tegner

»Ja, hü, alle meine Pferde! Ich werde dir dafür tun!« sagte der große Klaus, nahm einen Prügel und schlug das einzige Pferd des kleinen Klaus damit auf die Stirne, daß es umfiel und maustot war.

»Ach, nun habe ich gar kein Pferd mehr!« jammerte der kleine Klaus und begann zu weinen. Darauf zog er dem toten Pferde die Haut ab, trocknete sie im Winde, steckte sie dann in einen Sack, den er auf den Rücken nahm, und machte sich auf den Weg nach der Stadt, um seine Pferdehaut zu verkaufen.

Er hatte einen sehr weiten Weg vor sich und mußte durch einen großen, dunklen Wald, und nun wurde es entsetzlich schlechtes Wetter. Er verirrte sich gänzlich, und ehe er wieder auf den rechten Weg kam, war es Abend und er allzuweit von der Stadt entfernt, um sie vor Einbruch der Nacht zu erreichen oder wieder nach Hause zu kommen.

Bild: Hans Tegner

Dicht am Wege lag ein alter Bauernhof, dessen Fenster von außen mit Läden verschlossen waren, durch die aber doch das Licht hervorschimmerte. »Hier werde ich wohl ein Obdach für die Nacht finden«, dachte der kleine Klaus, ging hin und klopfte an.

Die Bäuerin öffnete; als sie aber hörte, was er wollte, sagte sie, er solle seiner Wege weitergehen; ihr Mann sei nicht daheim und sie nehme keinen Fremden auf.

»Nun, dann muß ich eben hier draußen übernachten«, sagte der kleine Klaus; und die Bäuerin schlug ihm die Tür vor der Nase zu.

Ganz in der Nähe des Wohnhauses stand ein kleiner Heuschober, und zwischen diesem und dem Hause war ein kleiner Schuppen mit einem flachen Strohdach.

»Da oben werde ich übernachten«, sagte der kleine Klaus, als er das Dach erblickte. »Das ist ja eine ausgezeichnete Lagerstatt, und der Storch wird wohl nicht herunterfliegen und mich in das Bein zwicken.« Denn ein lebendiger Storch stand oben auf dem Dache, wo er sein Nest hatte.

Nun kletterte der kleine Klaus auf den Schuppen hinauf, wo er sich niederlegte und sich hin und her drehte, um recht gut zu liegen. Die hölzernen Läden vor den Fenstern schlossen oben nicht ganz, und so konnte er gerade in die Stube hineinsehen.

Da war ein großer Tisch gedeckt mit Wein und Braten und einem herrlichen Fisch. Die Bäuerin und der Küster saßen am Tisch und sonst niemand mehr. Sie schenkte ihm ein, und er machte sich über den Fisch her; denn das war sein Leibgericht.

»Wer doch da auch mithalten dürfte!« dachte der kleine Klaus und streckte den Kopf gerade gegen das Fenster. Ei der Tausend! Dort drüben stand ja auch noch ein prachtvoller Kuchen, das war ein wahres Festmahl!

Plötzlich hörte er, wie jemand von der Landstraße her auf das Haus zugeritten kam; es war der Bauer, der nach Hause zurückkehrte.

Der Bauer war sonst ein ganz guter Mann, aber er hatte die merkwürdige Schwachheit, daß er den Anblick eines Küsters nicht ertragen konnte. Daher hatte auch der Küster die Frau an diesem Abend besucht, weil er wußte, daß ihr Mann nicht zu Hause war; und die gute Frau hatte ihm dafür das Beste, was sie hatte, vorgesetzt. Als sie nun den Mann nach Hause kommen hörten, erschraken sie sehr, und die Frau bat den Küster, in eine große, leere Truhe, die in der Ecke stand, hineinzukriechen. Das tat er auch; denn er wußte ja, daß der arme Mann den Anblick eines Küsters nicht ertragen konnte. Die Frau versteckte hurtig all das herrliche Essen und den Wein in ihrem Backofen; denn wenn es der Mann zu sehen bekommen hätte, so hätte er gewiß gefragt, was das zu bedeuten habe.

»O weh!« seufzte der kleine Klaus oben auf dem Schuppen, als er das schöne Essen verschwinden sah.

»Ist jemand da oben?« fragte der Bauer und sah zu dem kleinen Klaus hinauf. »Weshalb liegst du da oben? Komm lieber mit in die Stube hinein.«

Da erzählte der kleine Klaus, wie er sich verirrt habe, und bat dann um ein Obdach für die Nacht.

»Ja freilich«, sagte der Bauer, »aber nun müssen wir zuerst etwas zwischen die Zähne bekommen.«

Die Bäuerin empfing beide sehr freundlich, deckte auch gleich einen Tisch und gab ihnen eine große Schüssel voll Grütze. Der Bauer war hungrig und aß mit großem Appetit, der kleine Klaus aber mußte unaufhörlich an den herrlichen Braten, Fisch und Kuchen denken, die, wie er wußte, im Backofen standen.

Unter den Tisch zu seinen Füßen hatte er den Sack mit der Pferdehaut hingelegt; denn wir wissen ja, daß er sich auf den Weg gemacht hatte, um sie in der Stadt zu verkaufen. Die Grütze wollte ihm eben gar nicht munden. Da trat er auf seinen Sack, daß die Haut darin laut knarrte.

»Bst!« sagte der kleine Klaus zu seinem Sack, trat jedoch sogleich wieder darauf, daß er noch lauter als zuvor knarrte.

»Ei, was hast du denn in deinem Sack?« fragte der Bauer.

»O, das ist ein Zauberer«, sagte der kleine Klaus. »Er sagt, wir sollen doch keine Grütze essen, denn er hätte den ganzen Backofen voll Braten, Fisch und Kuchen gehext.

»Ist's möglich?« rief der Bauer und öffnete schnell den Ofen. Da sah er all die herrlichen Speisen, die seine Frau darin versteckt hatte, die aber seiner Meinung nach der Zauberer für sie hineingehext hatte. Die Frau durfte nichts sagen. Sie setzte die Speisen sogleich auf den Tisch, und die beiden ließen sich nun den Fisch, Braten und Kuchen recht wohl schmecken. Rasch trat der kleine Klaus wieder auf den Sack, daß die Haut darin knarrte.

»Was sagt er nun?« fragte der Bauer.

»Er sagt«, antwortete der kleine Klaus, »er habe auch drei Flaschen Wein für uns hergehext, und sie stünden ebenfalls im Ofen.« Nun mußte die Frau den Wein, den sie versteckt hatte, hervorholen, und der Bauer trank und wurde ganz ausgelassen; einen solchen Zauberer, wie der kleine Klaus einen im Sack hatte, hätte er gar zu gerne auch gehabt.

»Wer doch da auch mithalten dürfte!« dachte der kleine Klaus und streckte den Kopf gerade gegen das Fenster. Ei der Tausend! Dort drüben stand ja auch noch ein prachtvoller Kuchen, das war ein wahres Festmahl!

Plötzlich hörte er, wie jemand von der Landstraße her auf das Haus zugeritten kam; es war der Bauer, der nach Hause zurückkehrte.

Der Bauer war sonst ein ganz guter Mann, aber er hatte die merkwürdige Schwachheit, daß er den Anblick eines Küsters nicht ertragen konnte. Daher hatte auch der Küster die Frau an diesem Abend besucht, weil er wußte, daß ihr Mann nicht zu Hause war; und die gute Frau hatte ihm dafür das Beste, was sie hatte, vorgesetzt. Als sie nun den Mann nach Hause kommen hörten, erschraken sie sehr, und die Frau bat den Küster, in eine große, leere Truhe, die in der Ecke stand, hineinzukriechen. Das tat er auch; denn er wußte ja, daß der arme Mann den Anblick eines Küsters nicht ertragen konnte. Die Frau versteckte hurtig all das herrliche Essen und den Wein in ihrem Backofen; denn wenn es der Mann zu sehen bekommen hätte, so hätte er gewiß gefragt, was das zu bedeuten habe.

»O weh!« seufzte der kleine Klaus oben auf dem Schuppen, als er das schöne Essen verschwinden sah.

»Ist jemand da oben?« fragte der Bauer und sah zu dem kleinen Klaus hinauf. »Weshalb liegst du da oben? Komm lieber mit in die Stube hinein.«

Da erzählte der kleine Klaus, wie er sich verirrt habe, und bat dann um ein Obdach für die Nacht.

»Ja freilich«, sagte der Bauer, »aber nun müssen wir zuerst etwas zwischen die Zähne bekommen.«

Die Bäuerin empfing beide sehr freundlich, deckte auch gleich einen Tisch und gab ihnen eine große Schüssel voll Grütze. Der Bauer war hungrig und aß mit großem Appetit, der kleine Klaus aber mußte unaufhörlich an den herrlichen Braten, Fisch und Kuchen denken, die, wie er wußte, im Backofen standen.

Unter den Tisch zu seinen Füßen hatte er den Sack mit der Pferdehaut hingelegt; denn wir wissen ja, daß er sich auf den Weg gemacht hatte, um sie in der Stadt zu verkaufen. Die Grütze wollte ihm eben gar nicht munden. Da trat er auf seinen Sack, daß die Haut darin laut knarrte.

»Bst!« sagte der kleine Klaus zu seinem Sack, trat jedoch sogleich wieder darauf, daß er noch lauter als zuvor knarrte.

»Ei, was hast du denn in deinem Sack?« fragte der Bauer.

»O, das ist ein Zauberer«, sagte der kleine Klaus. »Er sagt, wir sollen doch keine Grütze essen, denn er hätte den ganzen Backofen voll Braten, Fisch und Kuchen gehext.

»Ist's möglich?« rief der Bauer und öffnete schnell den Ofen. Da sah er all die herrlichen Speisen, die seine Frau darin versteckt hatte, die aber seiner Meinung nach der Zauberer für sie hineingehext hatte. Die Frau durfte nichts sagen. Sie setzte die Speisen sogleich auf den Tisch, und die beiden ließen sich nun den Fisch, Braten und Kuchen recht wohl schmecken. Rasch trat der kleine Klaus wieder auf den Sack, daß die Haut darin knarrte.

»Was sagt er nun?« fragte der Bauer.

»Er sagt«, antwortete der kleine Klaus, »er habe auch drei Flaschen Wein für uns hergehext, und sie stünden ebenfalls im Ofen.« Nun mußte die Frau den Wein, den sie versteckt hatte, hervorholen, und der Bauer trank und wurde ganz ausgelassen; einen solchen Zauberer, wie der kleine Klaus einen im Sack hatte, hätte er gar zu gerne auch gehabt.

»Kann er wohl auch den Teufel herhexen!« fragte der Bauer. »Ich möchte ihn gerne sehen, denn jetzt bin ich gerade dazu aufgelegt.«

»Ja«, sagte der kleine Klaus, »mein Zauberer kann alles, was ich verlange. Nicht wahr, du?« fragte er und trat dabei auf den Sack, daß es knarrte. »Hörst du, er sagt ja! Aber der Teufel sieht häßlich aus, und wir wollen ihn lieber nicht sehen.«

»O, ich fürchte mich gar nicht! Wie mag er nur aussehen?«

»Er sagt, er wolle sich als leibhaftiger Küster zeigen.«

»Hu! Das wäre freilich gräßlich!« sagte der Bauer. »Ihr müßt nämlich wissen, daß ich den Anblick eines Küsters nicht ertragen kann. Aber das tut jetzt nichts; ich weiß ja, daß es der Teufel ist, da werde ich mich am Ende besser darein finden. Nun, ich bin mutig; er darf mir nur nicht zu nahe kommen.«

»Nun, ich will einmal meinen Zauberer fragen«, sagte der kleine Klaus, indem er auf seinen Sack trat und das Ohr hinhielt.

»Was sagt er?«

»Er sagt, Ihr sollet die Truhe, die dort in der Ecke steht, aufschlagen; dann würdet Ihr den Teufel darin hocken sehen; aber Ihr müsset den Deckel festhalten, damit er Euch nicht entwischt.«

»Wollt Ihr mir helfen?« sagte der Bauer und ging zu der Truhe hin, in der die Bäuerin den wirklichen Küster, der bebend und zähneklappernd darin saß, versteckt hatte.

Der Bauer hob den Deckel ein wenig empor und guckte hinein. »Hu!« schrie er und sprang zurück, »ja, nun habe ich ihn gesehen! Er sah ganz wie unser Küster aus! Es war schrecklich!«

Darauf mußten sie wieder trinken, und so tranken sie bis tief in die Nacht hinein.

»Den Zauberer mußt du mir verkaufen«, sagte der Bauer, »verlange dafür, was du willst! Ja, ich gebe dir gleich einen ganzen Scheffel voll Geld dafür.«

»Nein, das kann ich nicht«, sagte der kleine Klaus, »bedenke doch, welch großen Nutzen ich von diesem Zauberer habe.«

»Aber ich möchte ihn eben gar zu gerne haben!« sagte der Bauer und hörte nicht auf, den kleinen Klaus darum zu bitten.

»Nun«, sagte dieser endlich, »da du so gut gewesen bist, mir heute nacht ein Obdach zu gewähren, so mag es denn sein. Ich will dir also den Zauberer für einen Scheffel Geld überlassen, aber der Scheffel muß gehäuft voll sein.«

»Das sollst du bekommen«, sagte der Bauer, »aber die Truhe dort mußt du auch mitnehmen. Ich will sie nicht eine Stunde länger im Hause haben; denn man kann nicht wissen, ob der Böse nicht noch darin sitzt.«

Der kleine Klaus gab also dem Bauern seinen Sack mit der trockenen Haut und bekam einen gehäuften Scheffel Geld dafür. Der Bauer verehrte ihm sogar noch einen großen Schubkarren, um die Truhe und das Geld darauf fortzufahren.

»Lebe wohl!« sagte der kleine Klaus, und dann fuhr er mit seinem Geld und der großen Truhe, worin der Küster noch immer saß, seiner Wege.

Auf der andern Seite des Waldes war ein tiefer Bach; das Wasser schoß so rauschend dahin, daß man kaum gegen den Strom schwimmen konnte. Über diesen Bach führte eine neue Brücke, und mitten darauf hielt der kleine Klaus an und sagte recht laut, damit es der Küster in der Truhe hören sollte:

Bild: Hans Tegner

»Was soll ich nur mit der dummen Truhe anfangen? Sie ist so schwer, als ob Steine darin seien! Ich werde nur müde, wenn ich sie noch weiter fahre. Ich will sie daher lieber in den Bach werfen. Schwimmt sie zu mir nach Hause, dann ist es gut, wenn nicht, nun, dann hat es auch nicht viel zu sagen.«

Er faßte die Truhe mit der einen Hand an und hob sie ein wenig auf, gerade als ob er sie in das Wasser stürzen wollte.

»Nein! Laß sein!« rief der Küster in der Truhe. »Laß mich zuerst hinaus!«

»Hu!« machte der kleine Klaus und tat, als ob er erschrocken wäre. »Er sitzt noch immer drin! Schnell in den Bach mit ihm, damit er ertrinkt!«

»O nein! O nein!« rief der Küster, »wenn du mich gehen läßt, will ich dir einen ganzen Scheffel Geld geben!«

»Ja, das ist etwas anderes!« sagte der kleine Klaus und öffnete die Truhe. Der Küster kroch schnell heraus, stieß die Truhe ins Wasser und ging dann nach Hause, wo der kleine Klaus einen ganzen Scheffel voll Geld erhielt. Einen hatte er ja schon von dem Bauern bekommen; nun hatte er den ganzen Schubkarren voll Geld.

»Sieh, das Pferd hat sich ja recht gut bezahlt!« sagte er zu sich selbst, als er zu Hause angekommen war und alles Geld auf einen Haufen mitten in der Stube aufschüttete. »Das wird den großen Klaus ärgern, wenn er erfährt, wie reich ich durch mein einziges Pferd geworden bin. Aber ich will es ihm doch nicht geradeheraus sagen.«

Darauf schickte er einen Jungen zu Klaus hin und ließ ihn um ein Scheffelmaß bitten.

»Was er wohl damit will?« dachte der große Klaus und bestrich den Boden desselben unten mit Teer, damit von dem, was gemessen wurde, etwas daran hängen bleiben solle. Und so geschah es auch: als er den Scheffel zurückerhielt, klebten drei große neue Silbermünzen daran.

»Was ist denn das?« sagte der große Klaus und lief sofort zu dem kleinen hinüber.

»O, das bekam ich für meine Pferdehaut, die ich gestern verkaufte.«

»Ei der Tausend, das war einmal gut bezahlt!« sagte der große Klaus, nahm seine Axt und schlug alle seine vier Pferde tot. Darauf zog er ihnen die Haut ab und fuhr mit ihnen nach der Stadt.

»Häute! Häute! Wer kauft Häute!« rief er durch die Straßen.

Alle Schuhmacher und Gerber liefen herbei und fragten, was die Häute kosteten.

»Einen Scheffel Geld für jede!« sagte der große Klaus.

»Bist du verrückt?« sagten alle, »meinst du denn, wir hätten das Geld scheffelweise!«

»Häute! Häute!« rief er wieder, aber allen, die nach dem Preise fragten, gab er zur Antwort: »Einen Scheffel Geld!«

»Er will uns zu Narren haben!« riefen die Handwerker, und nun ergriffen die Schuhmacher ihre Spannriemen und die Gerber ihre Schurzfelle und begannen auf den großen Klaus loszuhauen.

»Häute! Häute!« spotteten sie, »ja, wir wollen dir die Haut gerben und die Schuhe versohlen! Hinaus aus der Stadt mit dir!« schrien sie, und der große Klaus mußte aus Leibeskräften davonlaufen. So gründlich war er noch nie durchgeprügelt worden.

»Na, warte!« sagte er, als er nach Hause kam, »dafür sollst du mir büßen, kleiner Klaus ich schlage dich tot!«

Aber zu Hause beim kleinen Klaus war indessen die alte Großmutter gestorben. Sie war zwar stets bös und heftig gegen ihn gewesen, aber er war doch recht betrübt, nahm die tote Frau und legte sie in sein warmes Bett, um zu sehen, ob sie nicht wieder erwache. Da sollte sie die ganze Nacht liegen; er selbst aber wollte sich in den Ofenwinkel setzen und auf einem Stuhle schlafen, was er schon öfter getan hatte.

Bild: Hans Tegner

Als er nun nachts so dasaß, ging die Türe auf, und der große Klaus trat mit seiner Axt herein. Er wußte, wo des kleinen Klaus Bett stand, ging geradewegs darauf zu und schlug die tote Großmutter auf den Kopf, weil er glaubte, daß es der kleine Klaus sei.

»So, nun wirst du mich nicht mehr zum Narren haben!« sagte er und ging wieder nach Hause.

»Das ist doch ein recht böser Mann«, sagte der kleine Klaus, »er wollte mich totschlagen. Es war nur gut, daß die alte Mutter schon tot war, sonst hätte er ihr das Leben genommen.«

Nun zog er der alten Großmutter ihre Sonntagskleider an, entlehnte von seinem Nachbar ein Pferd, spannte es vor den Wagen und setzte die Großmutter auf den hintersten Sitz, daß sie beim Fahren nicht herausfallen konnte, und so fuhren sie durch den Wald von dannen. Als die Sonne aufging, befanden sie sich vor einem großen Kruge; hier hielt der kleine Klaus an, um zu frühstücken.

Der Wirt hatte viel, viel Geld; er war auch sonst ein recht guter Mann, aber so jähzornig, daß man seines Lebens nicht sicher bei ihm war.

»Guten Morgen!« sagte er zum kleinen Klaus, »du hast dich ja schon in aller Frühe in den Sonntagsstaat geworfen!«

»Ja«, sagte der kleine Klaus, »ich will mit meiner Großmutter nach der Stadt. Sie sitzt draußen auf dem Wagen und will nicht hereinkommen. Wollt Ihr so gut sein und ihr ein Glas Met hinausbringen? Ihr müßt aber recht laut schreien, denn sie hört nicht gut.«

»Gerne«, sagte der Wirt und schenkte ein großes Glas Met ein, mit dem er zu der Großmutter, die aufrecht auf dem Wagen saß, hinausging.

»Hier ist ein Glas Met von Ihrem Sohne«, sagte der Wirt; aber die tote Frau rührte sich nicht und sagte kein Wort.

»Hört Ihr wohl!« rief der Wirt, so laut er nur konnte, »hier ist ein Glas Met von Ihrem Sohne!«

Noch einmal rief er dasselbe und dann noch einmal; da sie sich aber gar nicht von der Stelle rührte, warf er ihr das Glas gerade ins Gesicht, so daß ihr der Met über die Nase hinunterlief und sie im Wagen hintenüberfiel; denn sie war nur aufrecht hingesetzt und nicht festgebunden gewesen.

»Holla!« rief der kleine Klaus, sprang zur Türe hinaus und packte den Wirt an der Brust, »du hast meine Großmutter umgebracht! Sieh nur, da hat sie ein großes Loch in der Stirn!«

»Wie entsetzlich!« rief der Wirt und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Das kommt alles von meinem Jähzorn! Lieber kleiner Klaus, ich will dir einen ganzen Scheffel voll Geld geben und auch noch deine Großmutter begraben lassen, wie wenn sie meine eigene wäre, wenn du nur darüber schweigen willst; sonst schlägt man mir den Kopf ab, und das wäre ja schrecklich!«

So erhielt der kleine Klaus einen ganzen Scheffel voll Geld, und der Wirt begrub auch noch die Großmutter, als ob sie seine eigene gewesen wäre.

Als nun der kleine Klaus mit dem vielen Gelde wieder nach Hause kam, schickte er gleich seinen Jungen zum großen Klaus hinüber, um ihn zu bitten, ihm ein Scheffelmaß zu leihen.

»Was ist denn das«, sagte der große Klaus, »habe ich ihn denn nicht totgeschlagen? Da muß ich doch gleich selbst einmal nachsehen!« Und so ging er selbst mit dem Scheffelmaß zum kleinen Klaus hinüber.

»Nein, wo hast du nur all das Geld herbekommen?« fragte er und riß beim Anblick des neuen Geldhaufens die Augen gewaltig auf.

»Nicht mich, sondern meine Großmutter hast du erschlagen«, sagte der kleine Klaus, »ich habe sie nun verkauft und einen Scheffel Geld dafür bekommen.«

»Ei, das ist wahrhaftig gut bezahlt!« rief der große Klaus, lief eilig nach Hause, ergriff seine Axt und schlug seine Großmutter tot, legte sie auf den Wagen, fuhr mit ihr nach der Stadt, wo der Apotheker wohnte, und fragte, ob er einen toten Menschen kaufen wolle?

»Wer ist es denn, und wo habt Ihr ihn herbekommen?« fragte der Apotheker.

»Es ist meine Großmutter«, sagte der große Klaus, »ich habe sie totgeschlagen, um sie für einen Scheffel Geld zu verkaufen.«

»Gott steh' uns bei!« sagte der Apotheker. »Ihr redet irre. Sprecht doch kein solches Zeug, es könnte Euch sonst den Kopf kosten!« Und nun las er ihm gründlich den Text und setzte ihm auseinander, welch gräßliche Schandtat er begangen habe, und daß er dafür ins Gefängnis käme. Da erschrak der große Klaus so sehr, daß er eilig aus der Apotheke hinausstürzte, auf seinen Wagen sprang, auf die Pferde einhieb und spornstreichs nach Hause fuhr.

»Das sollst du mir bezahlen!« sagte der große Klaus, als er draußen auf der Landstraße war. »Ja, das sollst du mir bezahlen!« Sobald er zu Hause angekommen war, nahm er den größten Sack, den er finden konnte, ging damit zum kleinen Klaus hinüber und sagte: »Nun hast du mich abermal zum Narren gehabt. Erst schlug ich meine Pferde tot, dann meine alte Großmutter. Das ist ganz allein deine Schuld; aber nun sollst du mich nicht wieder zum besten haben!« Mit diesen Worten packte er den kleinen Klaus um den Leib und steckte ihn in seinen Sack, nahm diesen auf den Rücken und rief ihm zu: »Jetzt gehe ich an den Bach und ertränke dich!«

Der Weg bis zum Bache war weit, und der kleine Klaus war nicht so leicht zu tragen. Der Weg führte dicht an der Kirche vorüber, die Orgel ertönte, und die Leute sangen schön darin. Da setzte der große Klaus seinen Sack mit dem kleinen Klaus dicht neben der Kirchentüre nieder und dachte, es könne doch gut sein, wenn er erst hereinträte und ein Lied mitsänge, ehe er weiterginge; der kleine Klaus könne ihm ja nicht entwischen, und alle Leute seien in der Kirche. Er ging also hinein.

»O weh, o weh!« seufzte der kleine Klaus in seinem Sacke; er drehte und wandte sich, aber es war ihm unmöglich, das Band zu lösen. Da kam ein Kuhhirt mit schneeweißem Haar und einem Stocke in der Hand vorüber. Er trieb eine Herde Kühe und Ochsen vor sich her, sie liefen gegen den Sack, in dem der kleine Klaus saß, so daß er umfiel.

»Ach weh!« seufzte der kleine Klaus, »ich bin noch so jung und soll schon ins Himmelreich!«

»Und ich Armer«, sagte der Kuhhirt, »bin schon so alt und kann immer noch nicht hineinkommen.«

»Binde den Sack auf.« rief der kleine Klaus, »laß mich heraus und krieche statt meiner hinein, dann kommst du sogleich ins Himmelreich!«

»Ja, das will ich von Herzen gerne«, sagte der Kuhhirt und band den Sack auf, aus dem der kleine Klaus sogleich heraussprang.

»Willst du nun auf das Vieh aufpassen?« sagte der alte Mann, indem er in den Sack hineinkroch. Der kleine Klaus band nun diesen fest zu und zog mit allen Ochsen und Kühen seines Weges.

Gleich darauf kam der große Klaus wieder aus der Kirche und nahm seinen Sack wieder auf den Rücken. Es schien ihm allerdings, als ob dieser nun leichter geworden sei; denn der alte Kuhhirt war kaum halb so schwer als der kleine Klaus. Da dachte er: »Wie leicht der Sack doch jetzt zu tragen ist! Das ist der Lohn dafür, daß ich einen Choral mit angehört habe.« So ging er zum Bach, der tief und groß war, warf den Sack mit dem alten Kuhhirten ins Wasser und rief ihm nach – denn er glaubte ja, es sei der kleine Klaus: »So, nun wirst du mich nicht mehr zum Narren haben!«

Darauf ging er heimwärts; als er aber an die Stelle kam, wo der Weg sich kreuzte, begegnete er dem kleinen Klaus, der all sein Vieh vor sich hertrieb.

»Was ist das«, rief der große Klaus, »habe ich dich denn nicht ertränkt?«

»Doch«, sagte der kleine Klaus, »du warfst mich ja vor kaum einer halben Stunde in den Bach.«

»Aber wo hast du denn all das schöne Vieh her?« fragte der große Klaus.

Bild: Hans Tegner

»Das ist Seevieh!« erwiderte der kleine Klaus. »Ich will dir die ganze Geschichte erzählen und mich auch bestens bei dir dafür bedankt haben, daß du mich ertränkt hast. Denn nun bin ich ein gemachter Mann, das kannst du mir glauben. Mir war recht bange, als ich im Sacke steckte, und der Wind pfiff mir um die Ohren, als du mich von der Brücke hinunter in das kalte Wasser warfst. Ich sank sogleich bis auf den Grund, stieß mich aber nicht. Da unten wächst nämlich das feinste, weichste Gras. Auf dieses fiel ich, und sogleich wurde der Sack geöffnet und die schönste Jungfrau, in schneeweißen Kleidern und mit einem grünen Kranz um ihr nasses Haar, nahm mich bei der Hand und sagte: ›Bist du da, kleiner Klaus? Hier ist einiges Vieh für dich, und eine Meile weiter auf dem Wege steht noch eine ganze Herde, die ich dir ebenfalls verehren will.‹ Nun sah ich, daß der Bach eine große Landstraße für das Meervolk war. Unten auf dem Grunde gingen und fuhren diese Leute, gerade von der See her, mitten in das Land hinein bis zur Quelle des Baches. Wie reizend war es doch da unten, Blumen und frisches Gras wuchsen überall in Hülle und Fülle! Die Fische, die im Meer schwammen, schossen blitzschnell an mir vorüber, wie hier die Vögel in der Luft. Was waren doch da für hübsche Leute, und nun erst das Vieh, das an Hecken und Gräben weidete!«

»Aber warum bist du denn gleich wieder zu uns heraufgekommen?« fragte der große Klaus. »Das hätte ich nicht getan, wenn es da unten wirklich so schön ist.«

»Das ist im Gegenteil gerade recht schlau von mir«, antwortete der kleine Klaus, »ich habe dir doch gesagt, daß die Seejungfrau mir mitteilte, eine Meile weiter auf dem Wege – unter dem Weg verstand sie natürlich den Bach, denn sie kann ja nirgends anders hinkommen – stehe noch eine ganze Viehherde für mich. Aber ich weiß, der Bach macht bald hier, bald dort große Krümmungen, und das verursacht große Umwege; da kürzt man doch sehr viel ab, wenn man hier ans Land steigt und querfeldein wieder auf den Bach zusteuert. Dabei spare ich fast eine halbe Meile und komme um so schneller zu meinem Seevieh.«

»Du bist ein glücklicher Mann!« sagte der große Klaus. »Meinst du, ich würde auch Seevieh bekommen, wenn ich auf den Grund des Baches hinunterkäme?«

»Ja, das glaube ich schon«, sagte der kleine Klaus, »allein ich kann dich nicht im Sack bis an den Bach hintragen, dazu bist du mir zu schwer. Willst du aber selbst bis dahin gehen und dann in den Sack hineinschlüpfen, so will ich dich mit dem größten Vergnügen hineinwerfen.«

»Ich danke dir sehr«, sagte der große Klaus, »erhalte ich jedoch kein Seevieh, wenn ich hinunterkomme, dann prügle ich dich tüchtig durch. Darauf kannst du dich verlassen!«

»Ach, mach' es nur nicht gar zu schlimm!« Nun gingen sie zum Bache hin, und als das Vieh, das recht durstig war, das Wasser sah, lief es, so schnell es konnte, zur Tränke hinunter.

»Siehst du, wie es sich beeilt!« sagte der kleine Klaus, »es sehnt sich darnach, wieder auf den Grund hinunterzukommen.«

»Ja, hilf mir nur zuerst«, sagte der große Klaus, »sonst bekommst du Schläge.« Dann kroch er in einen großen Sack, der quer über dem Rücken eines der Ochsen gelegen hatte. »Tue auch einen Stein hinein, sonst sinke ich am Ende nicht unter!« sagte der große Klaus.

»Es wird schon gehen«, erwiderte der kleine Klaus, legte aber doch einen großen Stein in den Sack, band ihn fest zu und stemmte sich dann dagegen. Plumps! da lag der große Klaus im Bach und sank sogleich hinunter auf den Grund.

»Ich fürchte, er findet am Ende das Vieh doch nicht!« sagte der kleine Klaus und zog dann mit dem, was er hatte, heimwärts.

Bild: Hans Tegner

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