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Nach den Forderungen, welche das in Armuth geborene Kind oft lange behält, führte Peter jetzt ein wohlhabendes, angenehmes Leben; er war so wohlhabend, daß er, wie Felix einmal sagte, wohl seine Freunde zu einem ordentlichen lustigen Abend einladen könne. Er dachte daran, aber erst dachte er an die beiden frühesten der Freunde, die Mutter und die Großmutter; ihnen und sich selbst bereitete er einen Festtag.
Es war prächtiges Frühlingswetter; die beiden Alten sollten mit ihm außerhalb der Stadt fahren und ein kleines Landhaus besuchen, welches der Singemeister kürzlich angekauft habe. Indem er in den Wagen steigen wollte, trat eine Frau, ärmlich gekleidet, etwa in den Dreißigern, an ihn heran; sie übergab ihm ein Promemoria, welches von Madame Hof empfehlend bescheinigt war.
»Kennen Sie mich nicht?« sagte die Frau. »Das kleine Lockenköpfchen« hieß man mich! Die Locken sind hin, vieles Andere ist hin, aber es giebt noch gute Menschen! Wir Beide haben im Ballet zusammen gewirkt. Sie sind besser gestellt worden, als ich, sind ein mächtiger Mann geworden! Ich bin nun von zwei Männern geschieden und nicht mehr beim Theater.«
Ihr Promemoria lautete dahin, daß sie gern in Besitz einer Nähmaschine kommen möchte.
»In welchem Ballet haben wir Beide zusammengewirkt?« fragte Peter.
»Im Tyrann von Padua,« antwortete sie; »wir waren da Beide Pagen in blauem Sammet und Barret; entsinnen Sie sich nicht der kleinen Amalie Knallerup! Ich ging gerade hinter Ihnen in dem Aufzug!«
»Und traten mich an den Beinen hinauf!« sagte Peter lachend.
»That ich das?« sagte sie, »dann habe ich zu lange Schritte gemacht. Sie sind aber doch weit schneller vorgeschritten! Sie haben es verstanden, nicht allein die Beine sondern auch den Kopf zu gebrauchen!« Und sie blickte ihn mit ihrem betrübten Gesicht kokett schmeichelnd an in dem Bewußtsein, ein geistreiches Compliment gesagt zu haben. Peter war freigebig: sie solle die Nähmaschine haben, versprach er. »Das kleine Lockenköpfchen« sei ja auch Eins derjenigen gewesen, die ihn vom Ballet auf eine glücklichere Bahn hineingestoßen hatten.
Bald hielt er vor dem Hause des Handelsherrn und stieg hinauf zur Mutter und Großmutter; sie waren in ihren besten Kleidern und hatten gerade zufällig Besuch von Madame Hof, die sofort zum Mitfahren eingeladen wurde, was einen schweren Kampf bei ihr hervorrief, der damit endigte, daß sie Herrn Hof einen Laufzettel mit der Meldung sandte, daß sie die Einladung angenommen habe.
»Aber all' die feinen Grüße, die Peter bekommt!« sagte sie.
»Wie herrschaftlich man fährt!« sagte die Mutter, »und in einem prächtigen gemächlichen Wagen!« sagte die Großmutter.
In kurzer Entfernung von der Stadt, dicht an dem königlichen Parke, lag ein kleines freundliches Haus, umgeben von Weinlaub und Rosen, Nußbüschen und Obstbäumen. Hier hielt der Wagen, hier war das Landhaus. Sie wurden von einem alten Mädchen empfangen, einer guten Bekannten von Mutter und Großmutter; sehr oft hatte die Alte diesen beim Waschen und Plätten geholfen.
Der Garten wurde besehen, das Haus wurde besehen. Ach, hier sei namentlich ein reizendes Ding, ein Glashäuschen mit prächtigen Blumen; es stand in Verbindung mit der Wohnstube. Die Thüre, die hineinführte, ließ sich bei Seite ganz in die Wand einschieben. »Das ist grade wie eine Coulisse,« sagte Madame Hof. »Sie geht durch Handkraft und so sitzt man hier grad' wie in einem Vogelbauer mit Vogelkraut belegt. Das heißt ein Wintergarten!«
Das Schlafzimmer war in seiner Art ebenso schön. Lange, dichte Vorhänge an den Fenstern, weicher Fußteppich und zwei Lehnstühle, ausnehmend gemächlich; Mutter und Großmutter mußten darin zu sitzen versuchen.
»Man wird ganz faul, wenn man drin sitzt!« sagte die Mutter.
»Man verliert ganz seine Schwere,« sagte Madame Hof. »Ja hier könnt Ihr beiden Musikmenschen in Gemächlichkeit schwimmen nach den Theateranstrengungen. Die habe ich auch gekannt! Ja, denkt Euch, mir träumt manchmal noch, ich mache Battements, und Hof macht Battements neben mir! ist das nicht reizend! »zwei Seelen und ein Gedanke!«« –
»Hier ist frischere Luft und mehr Platz, als in den zwei kleinen Stuben oben in der Dachwohnung!« sagte Peter strahlenden Blickes.
»Das ist hier!« sagte die Mutter. »Aber dort zu Hause ist auch gut sein! Dort habe ich dich geboren, mein süßer Junge, und mit deinem Vater gelebt!«
»Hier ist besser!« sagte Großmutter. »Hier ist es eine ganz herrschaftliche Wohnung! Ich gönne dir und dem prächtigen Menschen, dem Singemeister, diese friedliche Heimath.«
»Und ich gönne sie dir, Großmutter! und dir, liebe, herzliebe Mutter! Ihr Beide sollt immer hier wohnen und nicht, wie drin in der Stadt, so viele Treppen steigen und es so enge und so klein haben! Ihr sollt eine helfende Hand hier draußen haben, und mich eben so oft sehen wie in der Stadt. Freut Ihr Euch dabei? Seid Ihr's zufrieden?«
»Was ist denn doch das Alles, was der Junge da steht und sagt?« sagte die Mutter.
»Das Haus, der Garten, das Ganze gehört dir, Mütterchen, dir, Großmutter! Dahin habe ich gestrebt, daß ich Euch das geben könnte; mein Freund, der Singemeister, hat mir treulich geholfen, es in Ordnung zu bringen.«
»Was ist denn das Alles, was du sagst, Kind?« rief die Mutter. »Du willst uns ein Landhaus, einen Herrensitz schenken! Du lieber guter Junge, ja du thätest es gern, wenn du es könntest!«
»Es ist Ernst!« sagte er. »Das Haus gehört dir und der Großmutter!« Und er küßte sie Beide und brach in Thränen aus. Madame Hof weinte gleichfalls.
»Das ist der glücklichste Augenblick meines Lebens!« rief Peter und umarmte sie alle Drei.
Jetzt mußten sie aber Alles nochmals besehen, es sei ja ihr eigenes. Für das Blumenbeet zu fünf, sechs Töpfen auf dem Dache hatten sie nun das kleine niedliche Glashäuschen; für den Eßschrank war hier eine luftige Speisekammer und die Küche war gar ein ganzes Wärmestübchen für sich. Der Schornstein hatte Ofen- und Kocheinrichtungen; der sehe aus wie ein großes, blankes Plätteisen, sagte die Mutter.
»Jetzt habt Ihr denn auch, wie ich, einen Ofenwinkel!« sagte Madame Hof. »Hier ist es königlich! Ihr habt Alles erreicht, was Menschen auf dieser Erde erreichen können, und du auch, mein eigen fetirter Freund!«
»Nicht Alles!« sagte Peter.
»Nun, das Frauchen, das kommt schon!« sagte Madame Hof. »Ich habe sie schon, die Frau für dich! Ich habe sie am Gefühl! Aber ich werde schon den Mund halten! Du prächtiger Mensch! Ist es nicht gerade wie ein Ballet, das Ganze!« Sie lächelte mit Thränen in den Augen, und das thaten auch die Mutter und die Großmutter.