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II.

Der Sohn des Handelsherrn bekam einen Hauslehrer, der ihn allein unterrichtete und mit ihm allein spazieren ging. Peter sollte sich auch Kenntnisse erwerben, und er wurde in die Schule geschickt mit vielen anderen Knaben zusammen; sie spielten auch zusammen, und das war viel vergnüglicher, als ganz allein mit dem Lehrer zu gehen. Peter hätte nicht mit Felix getauscht.

Er war ein Glücks-Peter, aber der Pathe war auch ein Glücks-Peter, wenn er auch nicht Peter hieß. Er gewann in der Lotterie zwei hundert Thaler auf ein Loos, welches er mit elf Anderen zusammen spielte. Er bekam sofort bessere Kleider und befand sich sehr wohl in ihnen.

Das Glück kommt nun aber niemals allein, es hat stets eine Anstellung im Gefolge, und es hatte auch hier eine solche. Der Pathe Peters verließ den Kehrichtkarren und ging zum Theater.

»Was?« sagte die Großmutter, »er ist zum Theater gegangen? Als was?«

»Als Maschinenknecht.«

Es war dies unleugbar eine Beförderung. Er wurde dabei ein ganz anderer Mensch und hatte viel Vergnügen an der Comödie, die er freilich stets von oben oder von der Seite sah. Am schönsten war das Ballet, aber es kostete auch die schwerste Arbeit und war sehr der Feuersbrunst ausgesetzt; hier tanzten sie sowohl im Himmel als auf Erden. Das war so 'was für den kleinen Peter, das müsse er sehen, und eines Abends, als grade Generalprobe, wie es hieß, von einem neuen Ballet sein sollte, in welchem Alle so gekleidet und ausgeputzt waren, wie an dem Abend, an welchem die Leute Geld zahlen mußten, um die Herrlichkeit zu sehen, versprach der Pathe das Peterchen mitzunehmen und ihn an einen Ort zu setzen, von wo aus er das Ganze sehen könne.

Es war ein biblisches Ballet: Simson; die Philister umtanzten den Simson, und er riß das ganze Haus ein, daß es über sie und ihn zusammenstürzte; aber es waren Spritzen und Spritzenleute da, für den Fall, daß ein Unglück geschehen sollte.

Peter hatte noch nie eine Comödie, geschweige denn ein Ballet gesehen; er bekam seine Sonntagskleider an und ging nun mit seinem Taufpathen ins Theater. Es war wie ein großer Trockenboden mit Vorhängen und losen Wänden, langen Spalten in dem Fußboden, Licht und Lampen. Es waren eine Menge von Winkeln und Windungen da oben und unten, und aus diesen kamen sie heraus, die Menschen, wie in einer großen Kirche mit Pulpituren. Unten zog sich der Fußboden ganz schräge, und hier wurde Peter hingesetzt und ihm bedeutet, daß er ruhig sitzen solle bis das Ganze vorbei sei und man ihn abhole. In der Tasche hatte er drei Butterbrode, hungern sollte er nicht.

Bald wurde es hier heller; vorn kamen, gleichsam aus der Erde, eine Menge Spielleute mit Flöten und Violinen; auf den Sitzplätzen, wo Peter saß, kamen Leute, grade so angekleidet, wie die Leute auf der Straße, aber es kamen auch Ritter mit goldenen Helmen, wunderschöne Jungfrauen in Flor und Blumen, ja es kamen weißgekleidete Engel mit Flügeln auf dem Rücken zum Vorschein; die setzten sich oben und unten, auf den Fußboden und in den Pulpituren, als wollten sie zuschauen. Es waren insgesammt Tanzmenschen im Ballet, aber das wußte Peter nicht; er glaubte, sie gehörten in die Märchen, welche die Großmutter erzählt hatte. Ja, es kam ein Weib, es war das allerschönste, mit goldenem Helm und Spieß; das Weib schaute über alle die Andern hinaus und setzte sich zwischen einen Engel und eine Hexe. Nein, war hier viel zu sehen! und doch war das Ballet noch nicht angegangen.

Plötzlich wurde es ganz still, ein schwarzgekleideter Mann schwang einen kleinen Zauberstab über alle die Musikanten, und die begannen zu spielen, daß es durch sie sauste und brauste, und die ganze Wand hob sich. Man schaute in einen Blumengarten, in welchem die Sonne schien und alle Menschen tanzten und sprangen. So 'was Schönes hatte Peter sich nimmer gedacht. Es marschirten Soldaten und es war Krieg, und es war große lustige Gesellschaft; da war der Riese Simson und seine Liebste. Aber sie war eben so bös als sie schön war; sie verrieth ihn; die Philister stachen ihm die Augen aus, er mußte den Mahlgang in der Mühle drehen und wurde zum Gespött in dem großen Tanzsaale hingestellt; aber dann umfaßte er die schweren steinernen Säulen, welche die Decke trugen, und rüttelte und schüttelte sie und mit ihnen das ganze Haus; es stürzte zusammen und strahlte in Roth und Grün von den wunderschönsten Feuerflammen.

Peter hätte sein Leben lang dasitzen und das anschauen können, selbst wenn die Butterbrode verzehrt wären; und die waren verzehrt.

Und er hatte zu erzählen, als er nach Hause kam. Er war gar nicht zu Bette zu bringen; er stand auf einem Bein und legte das andere Bein auf den Tisch, so hatten es Simsons Liebste und alle die Jungfrauen gethan. Er ging Tretmühle um den Stuhl der Großmutter herum und warf zwei Stühle und ein Kopfkissen um und über sich, um zu zeigen, wie der Tanzsaal zusammenstürzte. So zeigte er Alles, ja gab es mit voller Musik, denn die gehörte dazu, im Ballet wurde nicht gesprochen. Er sang hoch und tief, mit Worten und ohne Worte, es war kein Zusammenhang darin, es war wie eine ganze Oper. Das Merkwürdigste von Allem war indeß seine schöne glockenreine Stimme; aber von der sprach Niemand.

Peter hatte sonst Lehrling in einem Materialladen sein wollen, damit er im Backobst und Zucker wühlen könne, jetzt wußte er, daß es etwas weit Herrlicheres gäbe, und das war »in die Geschichte Simson's hineinzukommen und Ballet tanzen.« – Viele arme Kinder seien den Weg gegangen, sagte die Großmutter, und seien feine und sehr geehrte Leute geworden, aber einem Mädchen aus ihrer Familie würde sie nicht erlauben, den Weg zu gehen, einem Knaben, ja, der stände fester.

Peter hatte kein einziges der kleinen Mädchen fallen sehen ehe das ganze Haus fiel, aber dann fielen sie alle, sagte er.


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