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XXVIII.

Plimouth und Burry hatten Gromow sich erst austoben lassen, ehe sie an eine Verteidigung dachten. Sie kannten ihn: gab man ihm Gelegenheit, seinen Zorn zu entladen, so konnte man nachher ganz vernünftig mit ihm reden.

So geschah es auch heute: Als Gromows Wörterschatz ein einigermaßen abwechslungsreiches Schimpfen und Wettern nicht mehr zuließ, wurde der Gewaltige ganz plötzlich still und ruhig. Mit hochrotem Kopf saß er da, und seine Gesichtsmuskeln zuckten noch, aber sein Verstand war schon wieder aufnahmefähig für vernünftige Vorschläge.

»In unserer Rechnung steckt kein Fehler«, sagte jetzt Plymouth sehr vorsichtig und sehr leise. Er war bereit, seine Worte sofort – bis auf weiteres – zurückzunehmen, sollten sie auch jetzt noch auf Gromow verletzend wirken.

Da Gromow schwieg, ließ sich auch Burry vernehmen:

»Die Rechnung geht ohne Rest auf.«

Plimouth sah seinen Kollegen strafend an, dann fuhr er mutiger fort:

»Ich gestatte mir, Sie an die Lage zu erinnern, in der wir uns befanden, bevor wir uns mit diesem gewissenlosen Menschen, dem Hornung, einließen. Wir waren vollkommen fertig. Wir hatten Unsummen ausgegeben, um unsere Firma bekannt zu machen. Wir verkauften zum Teil ohne Verdienst, nur um Jordan zu bekämpfen. Nichts half: Die Käufer blieben den besseren Waren Jordans treu.«

»Den besseren?« schnaubte Gromow.

»Unter uns – wenn uns niemand hört – können wir uns doch erlauben, die Wahrheit zu sprechen«, meinte Plimouth und lächelte freundlich. »Weiter!« befahl Gromow zornig, und Burry verschluckte die äußerst treffende Bemerkung, die ihm auf der Zunge gelegen hatte.

»Wir wollen sogar noch mehr zugestehen – uns selbst eingestehen«, fuhr Plimouth fort. »Wir Direktoren und auch Sie, Mr. Gromow, wußten genau, daß unsere Firma fallieren müßte, es sei denn, ein Wunder trat ein. Dieses Wunder trat aber nicht ein. Da haben wir es geschaffen.«

»Künstlich«, ergänzte Burry.

»Wäre nun dieser Mensch, dieser ehemalige Untersuchungsrichter, ein anständiger Geschäftsmann«, berichtete Plimouth weiter, »so würde ich der letzte sein, der etwas gegen seine Teilhaberschaft einzuwenden hätte ...«

»Ich – der allerletzte!« rief Burry schnell.

»Schweigen Sie!« schrie Gromow. »Plimouth soll sprechen.«

»Dieser Preis für Hornungs Hilfe wäre nicht zu hoch«, meinte Plimouth ruhig. »Aber leider ist Hornung eben nicht ein anständiger Geschäftsmann; er ist ein überreizter Narr, ein eingebildeter Tropf, ein Mensch ohne Maß und ohne Ziel. Er ist schon als sogenannter Direktor eine Gefahr für uns; als Teilhaber würde er uns vernichten.«

»Und das ...«Gromow suchte nach Worten.

»... mußte werden vorausgesehen.«

»Das haben wir vorausgesehen«, erwiderte Plimouth sehr sanft. »Doch mußten wir diese Gefahr ganz bewußt auf uns nehmen, wollten wir das Unternehmen retten. Jetzt allerdings wird es Zeit, daran zu denken, wie wir dieser Gefahr am besten begegnen. Ich bin für R. G. 2.«

»R. G. 1«, sagte Burry schnell.

»Nein«, antwortete Plimouth, sichtlich erstaunt über diesen Widerspruch. »R. G. 2 ist besser.«Aber Burry gab nicht nach:

»Alle Sachverständigen sagen, R. G. 1 sei besser ...«

»Für den Krieg!« rief Plimouth. »Wir aber haben es hier mit der Vernichtung eines einzelnen Menschen zu tun.

»Erklären den Unterschied!« rief Gromow unzufrieden. »Warum ist, was gut für Krieg, nicht gut für einzelner Mensch?«

»R. G. 1 wirkt sofort«, sagte Plimouth vorwurfsvoll. »Im Krieg ist das gut. Ein Feind, von R. G. 1 überrascht, kann uns nicht mehr schaden. R. G. 2 wirkt genau so, aber langsamer. Es dauert etwa eine halbe Stunde, bis die Wirkung beginnt, und fast vierundzwanzig Stunden, bis sie voll einsetzt. Wenden wir nun einem einzelnen Menschen gegenüber R. G. 1 an, so werden die Aerzte die Zusammenhänge viel eher erkennen als bei R. G. 2.«

»Die Spuren beider Gase kann nicht nachgewiesen im Körper«, widersprach Gromow.

»Aber beide Gase sind nicht anders als in einem Glasbehälter dem ... Opfer beizubringen. Das Glas muß zerbrechen. Das Glas hinterläßt Spuren.«

Gromow dachte nach.

»Heute abend. R. G. 2«, entschied er. »Verdacht darf nicht fallen auf uns.«

»Nein«, antwortete Plimouth. »Der Verdacht müßte auf die Jordanwerke fallen. Aber ... leider stellen diese Werke das bewußte Gas nicht her.«

»Dann ein anderes«, sagte Gromow stirnrunzelnd. »Habe ich mir auch schon überlegt. Aber es geht nicht. Bei den Jordanwerken kann nur eine Vertrauensperson eine noch so geringe Menge Gas entwenden. Die Chemiker sind nicht käuflich – kein einziger. Also wie ...«

»Durch Meyring«, riet Gromow.

»Das wage ich nicht«, entschied Plimouth. »Abgesehen davon, daß Meyring nach dem Vorgefallenen sich dort kaum noch Zutritt verschaffen könnte, ist er für einen solchen Auftrag noch zu jung in unserem Unternehmen. Und – vergessen Sie nicht: ein Mensch, den wir kaufen konnten, ist auch durch unseren Gegner käuflich. Meyring lassen wir seine Artikel fertig schreiben, und dann muß er gehen. Es darf daraus für uns nicht ein zweiter Fall Hornung werden.«

»Es bleibt also dabei: heute abend R. G. 2«, sagte Gromow abschließend.

Plimouth und Burry verneigten sich. Alle beide waren in diesem Augenblick sehr ernst. Als rücksichtslose amerikanische Geschäftemacher waren sie es nur gewöhnt, Menschen in der Weise zu vernichten, daß sie sie in den freiwilligen Tod trieben.

»R. G. 2 ist noch nie an einem Menschen versucht worden«, sagte Plimouth leise. »Nur an Tieren.«

»Man könnte sagen also: wissenschaftlicher Versuch«, erwiderte Gromow kühl.

»Man könnte«, versetzte Plimouth und lächelte etwas verzerrt.


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