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George Jordan hatte schon zwei Ferngespräche hinter sich, als der junge Mann eintrat, den er erwartete. Es war ein Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren mit hellen, blonden Haaren, blauen Augen und einem gewinnenden Lächeln auf den Lippen. Er trug einen schlechtsitzenden karierten Anzug, aber er stand so freimütig, so selbstsicher vor dem allgewaltigen Jordan, wie dieser es kaum an millionenreichen Geschäftsfreunden gewöhnt war.
»Ihr Name?« fragte Jordan, absichtlich kurz und unfreundlich.
»Meyring.«
»Von Beruf Briefträger?«
»Jawohl, Mr. Jordan.«
»Und Sie wollen meine Tochter heiraten?«
»Jawohl, Mr. Jordan.«
Jordan lächelte ein wenig spöttisch.
»Glauben Sie, daß Sie in der Lage sind, meine Tochter zu ernähren?«
»Gewiß Mr. Jordan.«
»Freu mich zu hören. Besitzen Sie Kapital?«
»Nein, Mr. Jordan, aber mein Gehalt reicht für zwei Menschen. Auch für drei, wenn es dem Schicksal gefiele, uns ein Kind ...«
»Du liebe Güte!« rief Jordan halb zornig, halb lachend. »Sie sind ja ein weitblickender junger Mann!«
»Man muß alles in Betracht ziehen, Mr. Jordan.«
»Ziehen Sie gefälligst auch in Betracht, daß meine Tochter von mir keinen Cent bekommt, wenn sie die Dummheit macht und Sie heiratet!«
»Ich habe noch nie auf Ihre Cents gerechnet, Mr. Jordan«, sagte der junge Mann ruhig.
»Cents ist gut!« schnaubte Jordan. »Wenn Sie sich hier übrigens Frechheiten erlauben, fliegen Sie augenblicklich raus!«
»Ich bin nie frech«, verteidigte sich Meyring.
»Ich bin nur offen.«
»Also nun sagen Sie schon endlich, was Sie eigentlich von mir wollen!« rief Jordan ungeduldig.
»Nichts, Mr. Jordan«, lautete die fast ein wenig verwunderte Antwort.
Jordan hob gereizt die Achseln.
»Ja, warum kommen Sie denn dann erst her?«
»Ihre Tochter wünschte es so. Und ich dachte, vielleicht wünschten Sie etwas von mir.«
»Heilige Einfalt! Was sollte ich von Ihnen wünschen! Ja, das: Lassen Sie die Finger von meiner Tochter. Das wünsche ich und rate es Ihnen!«
»Das ist unmöglich: ich liebe Ihre Tochter.«
»Sie lieben mein Geld und nicht meine Tochter. Wenn ich Ihnen jetzt zwanzigtausend Dollar zum Geschenk anbiete, werden Sie das Geld annehmen.«
»Jawohl, Mr. Jordan.«
»Und meine Tochter von nun an in Ruhe lassen.«
»Nein, Mr. Jordan.«
»Der Teufel soll Sie holen! Nennen Sie mir endlich Ihren Preis.«
»Es tut mir sehr leid, aber ich bin keine Ware. Und ich habe meine Ideale.«
»Ideale! Großartig! Ein Newyorker Briefträger mit Idealen! Also allen Ernstes: fünfzigtausend Dollar, und Sie fahren noch morgen ab – ins Ausland.«
»Gern, Mr. Jordan.«
Jordan atmete auf und zog befriedigt sein Scheckheft aus der Tasche.
»Recht weit, wenn ich bitten darf«, sagte er und schrieb. »Nach Japan ... Oder noch besser: Nach Indien!«
Meyring nickte freudig.
»Gern, Mr. Jordan. Indien wollte ich mir schon immer mal ansehen. Wenn ich zurückkomme, werde ich Ihnen ausführlich über diese schöne Reise berichten.«
»Zurückkommen?« Jordan sah von seinem Scheck auf. »Sie dürfen selbstverständlich nie hierher zurückkommen.«
»Warum denn nicht?«
»Weil Sie nur unter dieser Bedingung das Geld bekommen – verstehen Sie endlich?!« rief Jordan erbost.
Der junge Mann runzelte nachdenklich die Stirn. »Gut«, sagte er dann entschlossen. »Ich bin einverstanden, obwohl ich meine Heimat nicht gern für immer verlasse.«
»Na, endlich!« Der Scheck war fertiggeschrieben, und Jordan drückte ihn auf das Löschblatt.
»Jetzt rufe ich meine Tochter«, sagte er. »Und Sie werden in meiner Gegenwart – in meiner Gegenwart! – von ihr Abschied nehmen.«
»Nein, Mr. Jordan«, widersprach Meyring gefaßt. »Ihre Tochter wird – so viel ich beurteilen kann – mitfahren wollen.«
Jordan sprang auf. An seiner Stirn waren die Zornesadern bedenklich geschwollen.
»Sie machen sich über mich lustig, junger Mann!« schrie er. »Das ist noch keinem Menschen gut bekommen.« Er riß den Scheck mitten durch.
»Hinaus! Augenblicklich hinaus mit Ihnen!« Meyring verneigte sich.
»Auf Wiedersehen, Mr. Jordan.« Er ging zur Tür. Jordan starrte ihm fassungslos nach, bis er die Tür erreicht hatte. Ein Mensch dieser Gattung war ihm noch nicht begegnet.
»Halt!« rief er plötzlich. »Hierbleiben!«
Meyring verneigte sich.
» Sehr gern, Mr. Jordan.«
Jordan stand auf und stampfte schwerfällig im Zimmer hin und her. Er zog erst große und dann immer kleinere Kreise um Meyring, aber dieser junge Mann ließ sich nicht einschüchtern. Er sah dem großen Jordan nach wie vor freimütig und ein bißchen erstaunt in die Augen.
Jäh blieb Jordan unmittelbar vor ihm stehen.
»Ich verpflichte Sie für meinen Betrieb« sagte er, und seine Stimme klang jetzt sehr ruhig. »Als was man Sie verwenden kann, wird die Zukunft zeigen. Zunächst will ich es mit Ihnen mal als meinem Privatsekretär versuchen. Tausend Dollar Anfangsgehalt. In zwei Stunden hier Dienstantritt. Einwandfreie Kleidung Bedingung. Hier ... hier sind tausend Dollar Vorschuß. Einverstanden?«
In den Augen Meyrings leuchtete es, aber eine Miene verzog er nicht.
»Jawohl, Mr. Jordan«, sagte er etwas mühsam.
»Sie können jetzt gehen. Sagen Sie meiner Tochter, sie soll noch mal hereinkommen.«
Zwei Minuten später sagte Jordan zu seiner Tochter:
»Ich habe deinen Briefträger mit Idealen bei mir angestellt, vorläufig als eine Art Privatsekretär. Entweder er ist sehr ehrlich – dann kann ich ihn brauchen. Oder er ist einer der verschlagensten Gauner, die mir je begegnet sind – dann kann ich ihn auch brauchen. Dir aber würde ich empfehlen, ihn zu heiraten. Los wirst du ihn sowieso nicht.«