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Was Jordan in New York vorfand, übertraf seine schlimmsten Erwartungen. Eine Reihe von Blättern – die angesehensten waren zum Glück nicht dabei – hatte gegen ihn gerichtete Artikel gebracht, die ihn in zwei Punkten empfindlich angriffen. Es wurde behauptet, ein Arbeiter sei in seinen Werken einfach beseitigt worden, weil er zuviel gewußt hatte – was er gewußt haben konnte, verschwiegen die Blätter; es wurde behauptet, Jordan habe eine ganze Anzahl hoher Gerichtsbeamter bestochen, um diesen unangenehmen »Vorfall« totzuschweigen. Elsworthy wurde dabei mit Namen genannt. Ausführlich wurde weiterhin berichtet, Jordan selbst habe ein Verhältnis mit der Frau eines Gerichtsbeamten angeknüpft, um dadurch auch auf ihn einzuwirken, der sich nicht kaufen lassen wollte. Diese Frau – hier wurde kein Name genannt – habe er beinah in den Tod getrieben, jedenfalls aber sie unglücklich gemacht und sie angestiftet, Mann und Kind zu verlassen.
Bei diesen Angriffen erschreckten Jordan weniger die Beschuldigungen selbst, als die Tatsache, daß diese Zeitungen es überhaupt wagten, ihre Stimme gegen ihn zu erheben. Diesen Gedanken drückte er bei seinem ersten Gespräch mit Jenkins aus, der nach Norfolks unfreiwilligem Ausscheiden zunächst die Leitung der Fabrik übernommen hatte.
»Diese Zeitungen sind wie Aasgeier«, sagte Jordan sorgenvoll. »Sie greifen nur Wehrlose an. Wenn sie einen Mächtigen angreifen, bedeutet das: sie rechnen damit, daß er fallen wird. Es muß sehr schlimm um mich stehen.«
Jenkins stand mit kaltem, leblosem Gesicht am Schreibtisch Jordans. Wenn man ihn jetzt ansah, konnte man meinen, das Schicksal seines Herrn sei ihm sehr gleichgültig. Aber Jordan wußte, daß Jenkins ihm ebenso ergeben war wie Norfolk. Jenkins war schon seit fünfzehn Jahren in seinen Diensten.
»Ich habe sofort alle Anzeigen bei diesen Zeitungen abbestellt«, meldete er in sehr alltäglichem Ton.
»Das ist verkehrt«, tadelte Jordan. »Geben Sie den Zeitungen dreimal soviel Anzeigen wie früher. Aber ohne irgendeine Erklärung oder auch nur Andeutung. Wollen sehen, ob sie fortfahren werden, uns anzugreifen.
»Bestimmt«, lautete die Antwort Jenkins. »Sie sind ohne Zweifel von der Konkurrenz gekauft.«
»Geben Sie auch den Zeitungen, die nicht gegen mich ins Feld ziehen, dreimal soviel Anzeigen« ordnete Jordan an, ohne auf Jenkins Worte einzugehen. »Die Sache mit dem verschwundenen Arbeiter muß nun ganz anders angepackt werden. Wir müssen ihn finden. Verstehen Sie? Bis jetzt konnte es uns gleichgültig sein, was mit dem Kerl geschehen war. Es genügte, wenn wir wußten, daß er nicht bei uns verunglückt war. Jetzt aber kann es uns nicht mehr gleichgültig sein. Alarmieren Sie die Burns Detektei. Hetzen Sie drei Dutzend Detektive auf die Spur. Geben Sie an die zwei angesehensten Zeitungen einen Artikel, in dem wir uns gegen die erhobenen Beschuldigungen verwahren und betonen, daß wir nun selbst den verschwundenen Arbeiter ausfindig machen werden, da ja die Polizei anscheinend gar keine Eile damit hat. Kein Wort von Bestechung, von Konkurrenz und so weiter.« »Jawohl, Mr. Jordan. Und was soll in der zweiten Sache geschehen?«
»In welcher zweiten Sache?« fragte Jordan mißmutig zurück.
»Wegen der Behauptung, Sie hätten eine verheiratete Frau veranlaßt ...«
»Ach!« rief Jordan zornig. »Das ist doch alles Unsinn. Dagegen unternehmen wir nichts. Bin mir wirklich zu schade dazu, jede Schmiererei ernst zu nehmen.«
Jenkins hatte wieder ein ausdrucksloses Gesicht. »Gestatten Sie, Mr. Jordan, daß ich Ihnen widerspreche«, sagte er ruhig. »Meine Meinung geht dahin, daß weder die Konkurrenz noch die Blätter es gewagt hätten, etwas gegen Sie zu unternehmen, wenn nur die Sache mit diesem Arbeiter gewesen wäre. Die Angelegenheit mit der Frau, obwohl gesetzlich unanfechtbar, ist für uns viel gefährlicher als die Beschuldigung, einen Mord begangen zu haben. Grade diese Sache kann uns das Genick brechen.«
»Das ist eine Privatsache, die niemanden etwas angeht!« rief Jordan böse.
»Es gibt in Amerika keine Privatsachen, die niemanden etwas angehen«, entgegnete Jenkins sehr bestimmt. »Ein Name, durch jahrzehntelange harte Arbeit geschaffen, ist hier in wenigen Tagen einfach ausgelöscht, wenn man der Masse Anlaß gibt, den sittlichen Richter zu spielen. Kein Volk ist in dieser Beziehung so hartherzig, grausam und nachtragend wie das unsere. Sie sind Amerikaner, Mr. Jordan. Brauche ich Ihnen das alles erst zu sagen?
Jordan wußte, wie sehr recht Jenkins hatte, aber er wollte es nicht wahr haben.
»Man hat hier ein paar Filmschauspieler boykottiert, die ihre Frauen schlecht behandelt haben sollen«, sagte er finster. »Ich bin kein Filmkünstler, und den Boykott fürchte ich nicht.« »Mr. Jordan, Sie sprechen jetzt nicht wie ein Geschäftsmann«, sagte Jenkins leise.
»Was würden denn Sie tun?« fragte Jordan.
»Ich würde kein Mittel scheuen, um zu erreichen, daß diese Frau zu Mann und Kind zurückkehrt ...«
»Unmöglich!«
»Und sei es nur zum Schein! Ich würde sie an Ihrer Stelle nie mehr sehen ...«
»Unmöglich!«
»... zum Schein! Es gibt immer Möglichkeiten, einen Menschen zu sprechen, ohne daß hinterher die ganze Nation davon erfährt. Dann würde ich ihren Mann kaufen, ganz gleich um welchen Preis, damit er – nicht Sie! – den Behauptungen der Zeitungen widerspricht. Alles was die Frau getan hat, ihre Flucht, ihren Plan, in einem nicht sehr guten Lokal aufzutreten, muß er als Folge einer jäh ausgebrochenen Nervenkrankheit darstellen. Sie selbst waren der einzige, der ihren krankhaften Zustand erkannte, und Sie haben in dieser Sache nichts weiter getan, als die Frau zu ihrem Gatten zurückgebracht. Er selbst muß so von Sinnen gewesen sein, daß er nichts unternehmen konnte.«
»Was Sie verlangen, Jenkins ...«
»... ist der einzige Weg der Rettung für uns. Vorhin hatte ich eine Unterredung mit einem Vertreter des Staates. Sie wissen, die Aufträge, auf die wir rechnen ... Nun, er ging so um den heißen Brei herum, sagte nichts Bestimmtes, ließ aber durchblicken, daß man die Aufträge vielleicht – vorläufig heißt es: vielleicht – anderweitig vergeben würde. Sie wissen, Mr. Jordan, daß dies für uns einen Schlag bedeuten würde, von dem wir uns nicht mehr erholen könnten. Wir müßten den Betrieb auf die Hälfte einschränken; hunderte von Maschinen, die nicht einmal ganz bezahlt sind, ständen still ... Und wer bekäme die Staatsaufträge? Doch selbstverständlich Gromow! Diese Konkurrenz, die bis jetzt ganz ungefährlich war, würde uns dann erdrücken ...«
»Gut, Jenkins«, sagte Jordan widerstrebend. »Ich will mit diesem Hornung sprechen. Arbeiten Sie den Artikel aus, den er unterschreiben soll. Ja ... Aber seine Frau wird niemals zu ihm zurückkehren.«
»Dann ist es eine halbe Sache«, bemerkte Jenkins kleinlaut.
»Besser als gar nichts. Ich werde Hornung kaufen. Das dürfte nicht sehr schwer sein. Die Frau ... Nun, es ist beschlossen, daß sie in unserem Betrieb Beschäftigung erhält ...«
»Mr. Jordan!« rief Jenkins entsetzt. »Das ist ja Wahnsinn! Die Zeitungen werden darüber herfallen ...«
»Ich wünsche es so«, schnitt Jordan ab. »In diesem Falle frage ich Sie nicht um Ihre Ansicht.« »Es ist gut, Mr. Jordan«, erwiderte Jenkins.
Für Jordan schien dieses Gespräch endgültig beendet zu sein.
»Wie geht es Norfolk?« fragte er in verändertem Ton.
»Sehr schlecht. Es hat ihn so schwer getroffen, daß dies alles geschah, als er den Betrieb leitete. Ich glaube, sein Zusammenbruch ist die Folge von Selbstvorwürfen.«
Jordan stand auf.
»Ich hätte ihn nicht halten sollen«, sagte er nachdenklich. »Er wollte so gern nur noch Schachspielen ... Ja, Schachspielen ist leichter als einen Betrieb leiten! Und ruhiger auch.«