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Ein reicher Mann hatte einen Freund, welcher immer nur eine Gelegenheit zu finden wünschte, seine uneigennützige Freundschaft beweisen zu können. Jeder Gefahr, sagte er, selbst dem Tode sei er zu trotzen bereit, um seinen Freund von seiner Treue zu überzeugen. Dieser beschloß, ihn auf die Probe zu stellen. Nach Mitternacht kam er einst mit zerstörtem Angesichte, und beladen mit einem Sacke, welcher Spuren des Blutes hatte, zu seinem Freunde. »Freund!« sagt er, »ich beschwöre dich, mich aus großer Noth zu retten. Ich bekam Streit mit einem meiner Bekannten, und hatte das Unglück, ihn zu ermorden. In diesem Sacke ist der Leichnam, und ich beschwöre dich, ihn in deinem Hause zu verbergen. Wir können ihn in deinem Garten begraben.« Der Freund, welcher um seine Freundschaft zu beurkunden, zu sterben bereit war, wollte nichts von der Sache wissen. Er befahl dem Geängsteten, sogleich sein Haus zu verlassen. Nun öffnete Her Claudius, so hieß der Mann, den Sack und zog ein frisch abgestochnes Kalb hervor. »Ich habe deine Freundschaft erprobt,« sagte er. »Dieses ist der letzte Bissen, welchen ich deiner Schmarotzerkehle widme. Verzehre ihn, betrete aber meine Schwelle nicht mehr.«