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In Hafer und Mais

Es ist des Bergherbstes stille Klarheit, des Fichtensamens schweigsames Prickeln, das Bunt der Birken- und Buchenwelt, es ist der in reichen Bucheln schlemmenden Wildsauen grobes Vorbereiten zur knuffigen Rausch, als Nicolae, fern von den Gewalttaten in seiner Heimat, andre Wälder, andre Felder, andre Pflanzen, andre Tiere in eigen hat.

Als er sich vor der Häufung menschlicher Handlungsweisen in die Unermeßlichkeit der Wälder davonmachte, in Gebiete, die in verschlossenen Gründen den noch nie gestörten Jahrtausendschlaf der Wälder weiter träumten, da schrie noch nicht der adlige Fechtmeister, der Edelhirsch. Nicolae, hier und dort einen Herbstpilz brechend, wanderte und wanderte im Kundschaften und Stöbern, nachdem er die Wasserscheide überwechselt hatte, mit stet abtönenden Rücken und voller aufrauschenden Bächen tief und tiefer hinab, bis sich mit einemmal die Wälder auftaten, die Berge zu seinen Sohlen unbedeckt und steif weithin ins Land glitten und eine fremde Welt, wie er sie noch nicht gekannt, vor ihm ins Ungewisse, in unübersehbare Weite verschwamm. Es wurde ihm unheimlich ob der Größe und erdrückenden Aufgetanheit dieser starren Formen, die nur in ihrem dünnen Überzug von ährennickenden Halmen und ganz besonderen schilfschäftigen Stauden sanfte Wellen schlugen. Nicolae wäre bereit gewesen, gleich zu wenden, wenn die hier herrschende Unberührtheit ihn nicht doch einigermaßen beruhigt und die knolligen Stauden zunächst seinem Stande ihn nicht aufmerksam gemacht hätten.

Angeregt nähertrottend fand er da eine Frucht, körnig und milchig um eine korkige Seele gehäuft, die ihm köstlich mundete, besonders schon, weil ihr Maisbreiduft ihn an das romantische Kesseltreiben seiner Hirten am Freibrand gemahnte und im tiefsten Innern rührte und anheimelte. Von den Bergen oder diesen Schätzen war das Sommervieh schon frühzeitig abgezogen, um unten im Land hinter dem Schnitt die Ackerstoppeln zu weiden. Die noch nicht lesereifen Halm- und Staudenbreiten der wetterharten Hochlagen aber standen noch unangetastet. Mensch und Vieh hatten hier jetzt nichts zu suchen. So war es denn Nicolae einfach und leicht, Mais zu enthülsen und Hafer zu mahlen, so seine reichlichen paar Nächte, bis man ihm auf den Geschmack kam und die Ernte unversehens einbrachte. Nicolae kannte diesen Landmenschenschlag noch nicht, der ganz anders, versteckter, gedrückter roch als sein Hirte; und er hielt sich ihm in wohlweislichem Bedenken fern, wenn auch jener viel plumper und ungeschickter auftrat als der Hirte, viel zu grob und vierschrötig, um wirklich gefährlich sein zu können. Es war für heuer ja aus mit Maispams und Grütze, und Nicolae machte sich, da er kein Besitzrecht, keine bluttriefende Beute zu verteidigen hatte, betreten dünn, um sich in kurzem Aufhalt in den Haselsträuchern der sonnseitigen Tallehnen am Zerknautschen der Haselnüßchen zu ergötzen und dann wieder hinauf in die stille Zurückgezogenheit des schweigsamen Waldreiches zu schweifen.

Hier war es nicht so still, wie es die Schwarztiefe der Wälder forderte; ein eigenes Leben war inzwischen eingezogen. Unaufhörlich brüllte es bei Tag und Nacht auf, und der erstaunte Nicolae war ausgelassen froh, zur rechten Zeit gekommen zu sein. Wieder war es nicht brüllendes Vieh, sondern der beherzte Schrei des Brunfthirsches, der die Wälder aufrührte, daß es dröhnte und schmetterte. Stets von neuem versuchte Nicolae, ankernd in der Erinnerung an damaliges Gelingen, den Anschlich; doch er vergrämte jedesmal den gewaltigen Recken, machte ihn bedacht verschweigen, konnte aber keinen niederstürmen, keinen brechen, denn da stand um den verstörten und gierwilden Kämpen, wenn ob seines brünstigen Röhrens der Wald aufhorchte, rundherum die fahle Wacht langer Hälse und hoher Lauscher, nahm sofort Kunde von dem stumpfen Andrücken des Tolpatsches, dieweil dernoch weit außer Bereich war, und führte ihren in Eifersucht und Liebe erblindeten Herrscher prasselnd zu fernen Sicherheiten davon.

In schreienden Nächten meldete heiser die Keiltrift der Kraniche, gaakend kündete der Wanderzug der Saatgänse die Südfahrt, und als der letzten Langhälse Scheideruf aus hohen Himmeln zur Erde gefallen, da war auch der letzte Groner in der Drossel des Hirsches gewichen – wie davongezogen in ferne Länder, so wie der Wandervogel zieht, um im selben Jahre nicht mehr zurückzukehren.


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