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Siebenter Gesang.

Schwer fiel hinter der Schaar, die Tryphon umgab, die gewicht'ge
Eiserne Thür ins Schloß, und draußen empfing ihn des Volkes
Lange verhaltene Wuth und erschütterte furchtbar die Lüfte.
Doch nicht Thekla's Seele, die einsam lauscht' im Gefängniß.
Noch umgiebt sie das Leuchten vom Abschiedsblicke des Freundes,
Noch umschwebt sie so deutlich der Ton der verklungenen Stimme,
Noch spricht jeglicher Stein von ihm, der die Stätte geweiht hat.
War nicht dies sein Lager, darauf nun sinnend sie ausruht?
Steht nicht dort an der Mauer der Krug, daraus er getrunken?
Und sie nimmt ihn und trinkt, und es dünkt ihr köstliche Labung,
Und von neuem ergreift sie die eiserne Fessel und preßt sie
Dicht an Lippen und Herz, wie ein Kleinod, das der Geliebte
Ihr beim Scheiden geschenkt, daß treu sie des Fernen gedenk sei.
Doch nun hört sie den Lärm sich hinweg vom Thurme dem Thor zu
Wälzen, hinaus in die Stadt, und zusammenschauernd bedenkt sie
Daß er die Qual jetzt leidet und unter der Geißelung blutet.
Duldest du Schmerzen um mich, so spricht sie, und ach, in derselben
Stunde durchdringt mich hier überschwängliche himmlische Freude?
Dir nur dank' ich sie ja; du Theuerster hast mir ein neues
Herz in den Busen geschaffen, ein unerschrocknes und frohes.
Weiß ich denn nicht, was Gott mir selber verhängt zu erdulden,
Daß ich in feuriger Lohe dahingehn soll, und am Morgen
Dies mein zuckendes Herz, ein Häuflein Asche, verstiebt ist?
Und doch hüpft es vor Lust, das sonst so eilig verzagte.
Wer ward besser geliebt, als ich, wer reicher begnadigt?
Da ich noch kaum dich erkannt, mein Gott, und zu dir mich gerettet,
Willst du mich schon der Gefahr, dich je zu verlieren, entrücken
Und in den Schooß mich nehmen, auf daß ich ewiglich dein sei!
Ach, was hab' ich gethan für dich, so herrliche Gaben,
Die ich empfing, zu verdienen? Du schufst mich, ließest mich wachsen,
Gabst mir Sinn' und Gedanken, mich deiner Werke zu freuen,
Und nun führtest du mir, da sich mein Leben verwirrte,
Ihn entgegen, den Retter, den Heiligen, mich zu erlösen.
Gnad' um Gnaden erfuhr ich; und eins nur hab' ich zu bitten:
Stärke den Leib im Tod! O gieb, daß Fleisch und Gebein mir
Nicht in der Marter verzagt, daß nicht von den seligen Lippen,
Die dich Vater genannt, ein Angstschrei töne der Schwäche,
Der an der Schwelle des Heils sich auflehnt gegen den Heiland!

Während sie so im Gebet sich emporschwang, öffnete Skyron
Mit Kriegsknechten die Thür, und ruhig erhob sich die Jungfrau,
Ihnen entgegengewandt mit siegreich glänzenden Augen.
Kommt ihr? sagte sie heiter. So laßt uns gehen! – Die Krieger
Zauderten; doch ihr Fuß trat willig hinaus auf die Schwelle,
Und es rührte sie Keiner am Arm. So ging sie hinunter
Ihren Begleitern voran die gewundenen Stufen des Kerkers.
Nicht die Gefangene war sie: die Herrscherin, und in den Händen
Schien sie die Ketten zu tragen, bezwungene Feinde zu fesseln.
Da in der Tiefe des Thurms, als schon sie der Pforte genaht war,
Tritt in den Weg ihr ein Schatten, sie fühlt am Arme den kalten
Druck von Thamyris' Hand, und die rasenden Worte vernimmt sie:
Dahin kam es mit dir, unseliges Weib, das ich ehmals
Liebte? Wo ist ein Schleier, die prahlende Schande zu bergen?
Wo sind Flammen genug, von Thamyris' Namen den Makel
Wegzubrennen? Halt ein! In den Kerker zurück, und gelobe,
Laut zu entsagen dem Bund mit dem schändlichen Buhlen, dem Gaukler,
Und ich rette dein Leben, Verblendete. Komm zur Besinnung,
Eh von Flammen umringt zu spät die Augen dir aufgehn.

Rief's. Sie aber entschlossen entzieht ihm den Arm und erwiedert:
Thamyris, halte mich nicht – – Da schlägt ein Gelächter des Wahnsinns
Ihr erschütternd ans Ohr, und es grausete selber den Kriegern.
Weit auf stieß er die Pforte. Sie kommt, die erhabene Göttin!
Rief er hinaus in das Volk. Auf! führt sie hinweg im Triumphe,
Krönt sie mit feuriger Krone, den Stolz von Ikonium, hört ihr?
Denn wir sind zu gemein, daß ferner sie unter uns wandle.
Platz für die Sonne der Juden! sie naht!

Und über die Schwelle
Stürzt' er hinaus auf den Markt, und furchtbar schallte sein Lachen.
Doch in den Haufen des Volks, die geschaart umstanden die Pforte,
Ward ein Gedräng, um das Opfer zu sehn, das jetzt in des Vordachs
Schatten erschien. Weit schimmert das helle Gewand der Gefangenen
Zwischen den Mänteln der Krieger und purpurnen Priestertalaren.
Nicht mit Toben und Schreien begrüßte die harrende Menge
Thekla, als sie heraus in den fackelerleuchteten Kreis trat.
Denn die Verstocktesten rührte die hoheitblickende Jugend,
Adliger Reiz der Gestalt und die feurige Stärke der Seele.
Midas sah's und ergrimmte, wie sie, die Gefesselte schweigend
Bändigte rings das Volk und dämpfte die Rachebegierde.
Und er winkte den Seinen. Ein Lärm von Cymbeln und Pauken
Wirbelt' alsbald in die Luft und schürte die sinkende Wildheit
Neu in den Geistern empor. Laut wurde die Nacht von verworrnem
Tosen. Verwünschung scholl und Waffengeklirr der Cohorten,
Tubaklang und der Führer Befehlsruf. Aber die Jungfrau
Wurde den Prätor gewahr und trat ihm näher und fragte:
Herr, ich hörte die Mutter vorhin. Wo ist sie geblieben?
Weilt sie noch hier in der Nähe, so bitt' ich, führe mich zu ihr,
Daß sie den Trost doch habe der traurigen letzten Umarmung
Und, was immer ich that, nicht zweifle, wie sehr ich sie liebe.

Doch Castelius sprach: Nicht würd' ich es weigern, o Mädchen,
Aber die Ohnmacht wehrt es, die mitleidsvoll der gebeugten
Frau umnachtet den Sinn, ihr die Stunde der Qual zu ersparen.
Und wir sandten sie heim, von rüstigen Kriegern getragen
Sanft im gewölbten Schild, und ein Freund, der kundig der Heilkunst,
Demas führte den Zug. Du aber getröste dich, Mädchen.
Ihr ist besser, als sähe sie dich zum Tode bereitet
Hingehn ihr von der Seite, die einzige Freude des Lebens.

Kein Wort kam von den Lippen der Jungfrau. Aber ein Seufzer
Rang aus Tiefen der Brust sich empor – wohl hört' ihn der Prätor,
Und er mußte sich wenden, die Glut im Gesichte zu bergen.
Hastig befahl er die Reih'n der Bewaffneten dichter zu schließen,
Und er selbst in der Mitte des Zugs zur Seite dem Priester
Winkte zum Aufbruch jetzt und sie traten den nächtlichen Weg an.
Unabsehlich vorauf wogt dunkel das Volk, und es schwellte
Zufluß noch aus den Gassen den Strom. Schon waren die Ersten
Außer den Mauern der Stadt, und noch im Schatten der Häuser
Schleifte der Jungfrau Kette mit scharfem Geklirr auf den Steinen.
Skyron hob sie empor und trug sie ihr nach, und verstohlen
Raunt' er im Gehen ihr zu: Komm, stütze dich, lehne dich an mich!
Du bist schwach und der Weg noch weit; drum spare die Kräfte. –
Doch sie bediente sich nicht des gebotenen Armes, sie hörte
Kaum vor tiefen Gedanken die freundliche Rede des Kriegers.
Eilends schritt sie dahin. Und als sie hinaus in das Freie
Kamen, und nun durch Gärten der Weg sich zog und gemachsam
Stieg, da umfloß wie berauschend der offene Aether das Haupt ihr.
Wie am Hochzeitmorgen die Braut aus der Kammer heraustritt,
Schon zum Feste geschmückt, im Kreis der Gespielinnen einsam,
Und noch einmal den Blick in den traulichen Räumen der Jugend
Umgehn läßt, eh zagend und doch so vertrauend des neuen
Daseins Schwelle sie naht, so grüßt' im Stillen noch einmal
Thekla neben der Straße die wohlbekannten Gefilde.
Was jemals sie geliebt, deß dachte sie. Aber des Einen
Bild trat näher als Alle zu ihr, und sanft wie mit Händen
Fühlt sie von ihm sich berührt und glaubt ihn neben sich wandeln.

Wo nach Abend gelagert der Vorberg breit in die Ebne,
Kaum halbstündig entfernt von Ikoniums Thoren, heraustritt,
Kündete Kunst, nachhelfend der bildenden Laune des Felsens,
Vor undenklichen Zeiten ein räumiges Amphitheater.
Hier in der Festzeit schaute von Stufen herab das gesammte
Volk Thierkämpfen und Wettspiel zu. Vom obersten Rande
Nickten die Fichten herüber und hoch in der Ferne die dunkeln
Gipfel isaurischer Berge. Der Ort war sonst in der Nachtzeit
Leer. Aasgeiern allein und dem Schuhu, der in den Löchern
Nistete unter den Stufen, gehörte die traurige Stätte.
Denn ein Geruch hintrocknenden Bluts von den Opfern im Sande
Schärfte die Gier des Gevögels und bannte sie fest und betrog sie.
Manchmal wandelten auch Windlichter und menschliche Stimmen
Längs dem gewaltigen Rund, und es jauchzten Gesänge, vom Nachtwind
Dumpf in einander geschleift, wenn üppige Zecher ein Muthwill
Aus der beklommenen Stadt in die Nacht zu den Bergen hinaustrieb.
Heut war über dem Sand ein geschäftiges Treiben, ein Rufen
Hier und dort, und ein Schallen von Schlägen der Axt. In die Erde
Hatten sie Fackeln gepflanzt, im Geviert, und droben der schwüle
Mond mit wankender Helle verschwand und kam, wie die Wolken
Wanderten. Rings brach krachend das Holzwerk, stürzten die Planken,
Welche den Zwinger der Thiere verrammelten, und die Umzäunung
Vorn an den Sitzreihn fiel. Das schleppte das Tempelgesinde
All in die Mitte zusammen und schichtet' es über einander,
Wie es sich traf. Beim Werke gebot ein Kybelepriester,
Andere kamen und gingen und sprachen zu ihm, und sie horchten
Oft in die Felder hinaus gen Ikonium. Aber zuletzt noch
Ward ein Mann in die Höhe geschickt, der eilte die Stufen
Bis zur Bekrönung hinauf. Dort fällt' er der ragenden Fichten
Einige, und mit Geprassel und Krachen der störrigen Aeste
Kam es heruntergeschossen und schlug in den sprühenden Sand ein.
Und dies Holz ward rings um den Scheiterhaufen gesammelt,
Rasch zu empfangen die Glut und zu nähren mit rinnendem Harze.
Doch inmitten des Bau's, schlank wiegend den zierlichen Wipfel,
Stand als Pfahl für das Opfer ein Pinienbäumchen errichtet.
Nun war Alles gethan, und der Priesterhaufe, behaglich
Lagert' er, wischte den Schweiß, und sie redeten unter einander.
Nein, sprach einer, er treibt es zu weit. Was mußt' er die Löwen
Gleich dran wagen? Wer weiß, ob Lychas morgen sie einfängt?
Sind sie einmal im Gebirg, so gehorchen sie nimmer dem Lockruf,
Und wir haben den Schaden. Denn nicht so billig wie diese
Kauft man ein anderes Paar, und Monde vergehn, sie von Neuem
Abzurichten. Gedenkt an mich, noch reut es den Midas. –
Aber ein Anderer sprach: Was wär's? so müßte man eben
Sich mit zahmerem Vieh in der üblichen Maske behelfen.
Ihr seid mächtig verwöhnt in Ikonium. Anderer Orten
Scheut man Kosten und Müh und schirrt an den Wagen der Göttin
Friedliche Kälber und Hämmel, vermummt in die Felle der Löwen.
In Hierapolis selbst, wo ich lang im Tempel den Dienst that,
Wird's nicht anders gehalten; es nimmt sich stattlich genug aus,
Und im mindesten nicht in der Andacht stört es den Pöbel. –
Sei's! fiel Jener ihm ein. Doch bleibt es ein sündlicher Aufwand,
Was uns lange gedient, um nichts in die Schanze zu schlagen.
Daß wir das Mädchen verbrennen, ist gut und nützlich. Zudem auch
Hat mich's immer verlangt, zu sehn, wie ein Mensch sich geberdet,
Wenn ihm näher und näher die hungrige Glut an die Haut rückt.
Doch was braucht er die Thiere dazu? Das ist so des Midas
Art, großthun wie ein König und stets ins Volle zu greifen. –
Schweig doch! eifert' ein Dritter. Er ist euch freilich im Wege,
Weil er herum nicht horcht, was Dem und Jenem beliebe,
Sondern gewaltig befiehlt. Er aber versteht zu befehlen.
Bracht' er das Ding nicht besser in Zug, seit er's in die Hand nahm?
Voll sind wieder die Kassen und voll der Altar und der Tempel,
Da wir uns sonst nothdürftig vom Tag zum Tage gefristet.
Soll das dauern, so gilt's, die Gemüther des Volks unablässig
Aengstigen, jetzo zumal, wo leicht sie die Neuerung anlockt,
Abzufallen von uns zu den nazarenischen Göttern.

Während er sprach, war schon zu des nächtlichen Amphitheaters
Thor das Getümmel gelangt. Nun strömt' es hinein. Am Gerüste
Standen sie, gafften es an und wiesen es Einer dem Andern,
Mancher mit Grausen. Sodann zu den Stufen hinauf mit erneutem
Lärmen und Drängen ergoß sich das dunkle Gewühl, wie ein Landsee,
Dem man das Bett abgrub, mit schwellenden Wogen auf einmal,
Wenn sich die Schleuse geöffnet, zurückstürzt, erst sich der Tiefe
Wieder bemächtigt und dann langsam an den Ufern hinaufwächs't.
Jetzt, da alle gelagert, erschien der gewaltige Rundbau
Nicht zum Rande gefüllt und die Sitzreih'n öde zur Hälfte.
Denn im Kreis um den Holzstoß blieb auf dem ebenen Sande
Nicht der geringere Theil, so viel sich die Priester bemühten,
Frei zu erhalten den Platz, denn dort schon nahte der Prätor.
Aber der Mondnacht Helle verschwand, und dunstige Feuchte
Drängte sich unter dem Himmel in schwärzlichen Streifen zusammen.
Nur die Nächsten erkannten im Kreis der Cohorte die Jungfrau
Hinter den Herrschern der Stadt. Das Volk stund auf von den Sitzen,
Spähend, verhaltenen Athems, und über die Köpfe der Vordern
Reckt' ein Jeder den Hals in heißer Begierde zu schauen.
Da schwand völlig der Mond, denn es wälzt' ein plötzlicher Sturmwind
Hinter den Bergen hervor ein Wolkengebirg, und bedrohlich,
Wie ein geborsten Gewölb, hing's über den Häuptern der Menge.
Das in Bestürzung sahn auf den obersten Stufen die Leute,
Wünschten sich heim in die Stadt, die im Mond noch ruhet', und sprachen:
Wären wir lieber zu Haus! Ein schlimmer Orkan ist im Anzug. –
Aber das Volk in der Tiefe verwandte Gedanken und Augen
Nicht vom nahenden Zug, der jetzt von den Fackeln beschienen
Hielt am Fuß des Gerüsts. Da winkte der oberste Priester,
Und es begrüßte die Stätte der Schall von Pauken und Cymbeln.
Wie aus Träumen empor sah Thekla, erkannte die grause
Bühne, die vor ihr ragte, den Holzstoß, welchen die Freunde
Nicht mit Thränen umstanden, ein abgeschiedenes Leben
Fromm zu bestatten und still das Gebein in die Urne zu sammeln,
Sondern ein Heer von Feinden, entbrannt, den verzweifelnden Aufschrei
Lebender Brust zu vernehmen, bevor ihn Flammen erstickten.
Und ihr bebte das Knie. Rasch trat der gewaltige Skyron
Näher zu ihr; denn er sah, wie sie hülflos wankt' in den Gliedern,
Stützte die zarte Gestalt und hielt ihr Haupt an der Schulter.
Doch sie bedarf's nicht lange, sie richtet sich auf; in der Stille
Betet die Seele zu Gott, und Gott war nah der Verlaßnen.
Denn ihr war's, als trete der Freund, ein Bote des Himmels,
Leibhaft gegen sie hin und strahle sie an mit den Augen.
Da durchglüht sie von Neuem die freudige Weihe des Opfers,
Und zum Prätor gewandt, der bleich in die Wolken hinaufstarrt:
Sieh mich bereit, Herr! spricht sie, vollende nun, was du verhängt hast,
Und so wahr ich vertraue, daß Gott mich gnädig empfahn wird,
Mög' er es Allen verzeihn, die mich Unschuldige tödten;
Aber verzögre das Schreckliche nicht, das bitt' ich dich einzig. –
Sprach's. Da begann zum Prätor der lauernde Kybelepriester:
Wir sind fertig und harren, Erlauchtester, deiner Befehle.
Windst du dich noch wie ein Wurm? Auf! gieb zum Beginne das Zeichen!
Nun denn, Furiensohn, antwortete knirschend der Prätor,
Mache den Henker nun auch, und ende den blutigen Gräuel,
Der wie ein Fest dich labt. Mir kehrt sich das Herz in der Brust um,
Daß ich die Unthat dulde, doch fern sei jegliche Mitschuld.
Und das sag' ich von Neuem: die Zeit wird kommen, mit dir auch
Abzurechnen einmal und mitleidlos zu vergelten. –
Sei's! sprach höhnisch der Priester. Erwarten wir dieses gelassen!
Leget die Hand ans Werk, ihr Krieger. Entkleidet die Dirne,
Schleppt sie hinauf und bindet den Leib ihr fest an den Schandpfahl,
Und ihr haltet die Fackeln bereit, ihr Diener der Göttin,
Daß, sobald ich gewinkt, anhebe die feurige Sühne.
Eilt! – Doch keiner bewegt' ein Glied von den Söldlingen allen.
Skyron allein trat vor. In der erzumpanzerten rauhen
Paphlagonischen Brust ging's auf wie ein weiches Erbarmen
Mit dem verwaiseten Kind, das standhaft jetzt in den Tod sah.
Und er redete dreist: Wir stehn im Solde des Prätors,
Daß du es weißt, o Priester, und er nur hat zu gebieten,
Sonst in der Welt kein Mensch. Dies aber befiehlt er uns schwerlich,
Hier im offnen Theater das arme Geschöpf zu entkleiden.
Wer je Waffen getragen, er schämte sich, meines Bedünkens,
Hand an die Schwäche zu legen. Auf so nichtsnutz'ge Gedanken
Kommt nur ein Priestergehirn, ein unnatürliches Mannweib.
Muß die Kleine verbrennen, so werft sie hinein in die Flammen,
Wie sie da geht und steht. Die niedrigste Dirne der Gassen
Zehnmal stürbe sie eh, als so sich dem Volke zu zeigen.
Nichts für ungut, Priester; das sind so meine Gedanken! –
Sprach's und stellte sich breit vor Thekla, sie zu beschirmen.
Doch auf schäumte der Priester. Zurück du Vermessener! schrie er.
Fort, bei Kybeles Zorn! Und trotzt ihr alle, so will ich
Selber das Opfer bereiten, dem heiligen Brauche gehorchend. –
Damit trat er ihr näher, und schon mit den hastigen Händen
Hascht' er nach ihrem Gewand, da bannt ihn das Auge der Jungfrau
Streng mit erhabner Gewalt. Er stutzt. Sie schreitet vorüber
Hoheitsvoll zum Gerüste, besteigt die erschwankende Leiter,
Und auf die Höhe gelangt zu der Pinie, kreuzt sie die Hände
Ueber den ruhigen Busen und harrt freiwillig des Endes.

Nicht ein Laut kam rings von den Tausenden, als sie die Jungfrau
Sahn mit Heldenentschluß sich selbst darbieten der Opfrung,
Frei aufblickend und still zur dunkel verhangenen Wölbung.
Denn von den Fackeln der Schein, der im Kreis aufflackerte, zeigte
Ihre bescheidne Gestalt weithin. Scham zeugte das Mitleid,
Mitleid heimlichen Zorn auf die blutigen Priester der Göttin,
Und ein fernes Gemurr, das dräuend erklang in den Wolken,
Schütterte manchem die Brust, wie ein Warnruf himmlischer Mächte.
Aber der Priester entriß dem Nächsten die sprühende Fackel,
Schwenkte sie über dem Haupt und rief mit tönender Stimme:
Hör' uns, Mutter der Dinge! Erhör', o Kybele, gnädig
Unser Gebet und sänft'ge die furchtbar wüthende Zornglut.
Ein Sühnopfer verlangst du. Wir bringen es. Diese Verhaßte,
Die dir feindlich gesinnt, hinrafft sie das rasche Verderben;
Und so verderb' ein Jeder der Lästerer, welche dir trotzen.
Doch du wend' aufs Neu der gereinigten Stadt, dem entsühnten
Land aus Gnaden dich zu, o Kybele. Hör' uns, Mutter,
Blicke versöhnt uns an und segn' uns wieder, o Herrin! –
Rief's und schleudert den Brand in das Fichtengestrüpp und die Seinen
Thaten es nach. Und ein Qualm stieg auf, und es schwärmten die Funken
Knisternd im Nadelgezweig.

Da horch! Hochher vom Gebirge
Schwang sich die Windsbraut auf und schnaubt' in die Tiefe. Gerölle
Riß sie vom Abhang nieder und trieb es in wüthendem Wirbel
Ueber die Stufen hinab ins dichteste Menschengewoge.
Und sie fuhr in die Brände, zerwühlte sie, kämpfte mit schwerem
Odem die Gluten zurück und zerstampfte die schweifenden Funken,
Daß die feurigen Zungen, im Sand sich bäumend, verlechzten.
Doch in Purpur gehüllt, hoch unter dem Nachtfirmamente,
Ras'te das Wetter heran, und die Wolke zerriß, und ein Blitzstrahl
Flammte, so lang wie ein Schwimmer den Hauch anhielte des Athems,
Daß im zuckenden Glanze die Nacht zum Tag sich erhellte.
Nur Ein Schrei des Entsetzens erscholl ringsum in der Menge.
Denn als ließe der Berg sein felsiges Haupt von der Höhe
Rollen, den Bau zu begraben und weit zu verschütten die Ebne,
So vom Himmel erklang die betäubende Stimme des Donners
Furchtbar lange Minuten. Die Helle verschwand, und im Finstern
Dröhnte der Schall noch fort und erschütterte Mauern und Stufen.
Jetzo ein kürzerer Blitz, da brach das Gewölk, und der Regen
Prasselte laut in die Tiefe. Der Donner verscholl, von des Flutschwalls
Tosendem Heulen verschlungen. Hinaus in die ebene Landschaft
Wanderte schwer der Orkan und wälzte die Wucht des Gewitters
Ueber Ikonium hin und den See, und der düsteren Reise
Zeigten die Blitze den Weg.

Im Sand auf den triefenden Sitzreihn
Lag das versammelte Volk mit geblendeten Augen und Sinnen,
Wüst in einander geknäuelt. Besinnungslos in der Runde
Irrten in thörichter Flucht um die Zinne des Amphitheaters
Weiber mit flatterndem Haar, am Arme die schreienden Kinder.
Stöhnen und Winseln erscholl, Wehklagen Zertretener, Flüche
Unter Gebete gemischt in der gräuelvollen Verwirrung.
Einige standen erstarrt und duldeten Alles gefühllos,
Hin und her von den Nächsten gezerrt, die hinab zu den Pforten
Drängend den Ausweg suchten. Zurück dann wieder geworfen
Ballten sich fester die Haufen und wütheten gegen einander.
Erst als fern das Gewitter verklang und der Regen verrauschte
Und mit siegendem Strahl das Gestirn aus Wolken hervorbrach,
Ward dem Getümmel ein Ziel, und dem tausendstimmigen Lärmen
Folgt' urplötzliche Stille. Da wagten verschüchterte Blicke
Sich vom Boden zu lösen und sieh, in Mitten der Bühne
Stand noch immer das Opfer und wartete willig des Endes.
Langsam tropfte die Flut von den Scheitern des Bau's. Und die Krieger
Traten heran und hoben den starr daliegenden Prätor
Auf vom Boden. Er sprach wie ein Mann im Fieber, verstörte
Worte, bewußtlos irrte sein Aug' in der schattigen Höhle.
Aber auf einmal sprang er zurück, und Skyron umklammernd
Deutet' er, schaudernd erwacht, mit gebrochenem Schrei auf den Boden
Neben dem Holzstoß hin. Da lag zu Füßen der Leiter
Todt, das Gesicht vom Blitze verkohlt, der Kybelepriester.


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