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XXXVII.

Professor Arvidson war sehr erstaunt über die Lebhaftigkeit und gute Laune, die Torben an den Tag legte. Er konnte kaum eine Stunde geschlafen haben, trotzdem schien jede Müdigkeit von ihm gewichen. Oder verdeckte sein sorgloses Wesen eine tiefe Niedergedrücktheit, wie er sie bereits vorhin an Torben beobachtet hatte?

Der Kunsthändler und der Förster wurden Guggenheim vorgestellt.

»Denken Sie, der alte Freund meines Vaters ist so freundlich, mir einen Besuch zu machen. Herr Guggenheim wollte eigentlich nach Odense, zog es aber vor, hier vorzufahren, um zu sehen, wie das Leben auf Marienburg sich gestaltet hat. Sie dürfen nicht zu viel erwarten, Herr Bankdirektor, das Schloß ist ja in der letzten Zeit nicht bewohnt gewesen, doch hoffe ich, daß der Förster sein Bestes tun wird.«

»Wir sind schon im vollen Gange,« sagte der Förster, und Guggenheim murmelte einige verbindliche Worte, tief unten in seinem asthmatischen Hals. Professor Arvidson beobachtete, daß der Finanzmann den Kunsthändler mit einer gewissen Aufmerksamkeit betrachtete. Guggenheim hatte ganz merkwürdige Augen, die tief in Hautfalten lagen; sein Blick war nicht scharf, sondern eher träumend, wie bei Blinden, trotzdem hatte er gleichsam eine hypnotische, mystische Macht.

Torben begrüßte jetzt auch Hengler, freundlich, ohne Erstaunen über sein Hiersein zu verraten.

»So bald hatte ich Sie nicht erwartet,« sagte er nur, »ich hoffe, daß Sie sich hier wohl befinden werden. Vielleicht ziehen Sie es vor, im Wirtshaus zu wohnen, auf alle Fälle aber wird ein Zimmer für Sie instand gesetzt.«

»Besten Dank ... ja, ich möchte eigentlich lieber hierbleiben,« antwortete Hengler.

»Auch für Sie wird ein Zimmer bereit sein,« fuhr Torben, zu Arvidson gewandt, fort, »Herr Södring wird so freundlich sein, das Nötige zu veranlassen.«

»Danke, ich bin vorzüglich in der Försterei untergebracht,« antwortete Arvidson.

»Wie Sie wollen.«

Plötzlich wandte Torben sich wieder an Hengler: »Wie lange beabsichtigen Sie hierzubleiben?«

Die Frage war nicht unfreundlich, verriet nur einen vollkommenen Mangel an Interesse. Hengler konnte eine gewisse Ueberraschung nicht unterdrücken.

»Lieber Herr Baron,« antwortete er, »Sie wissen ja, daß es ganz auf Sie ankommt.«

Torben zog die Augenbrauen hoch, als ob er nicht verstehe.

»Sie wissen doch, weshalb ich hier bin,« bemerkte Hengler.

»Ja, ja, wegen der Sammlung in den oberen Zimmern. Sie sollen sie zu sehen bekommen, erst aber müssen wir etwas zur Ruhe kommen. Machen Sie es sich behaglich. Ich werde inzwischen dem Zuletztgekommenen meiner Gäste, der sicher ruhebedürftig ist, beistehen.«

Damit wandte Torben sich von neuem an Guggenheim, den er ins Haus begleitete.

Drinnen war es inzwischen lebendig geworden. Die hastig zusammengerufene Dienerschaft begann Zimmer und Korridore mit Geschäftigkeit zu füllen. Seltsam, wie ausgestorben ein Haus ohne Bewohner wirkt, und wie es plötzlich durch Menschen lebendig wird. Der Förster ging hin und her und überwachte das Ganze, während der Professor und Hengler zwischen den Rasen umherspazierten.

»Er schien den Grund Ihres Hierseins ganz vergessen zu haben,« sagte Arvidson neckend, »offenbar gibt es in den drei Zimmern gar keine Kunstschätze von Bedeutung, sondern nur Ausschuß.«

Dr. Hengler aber hatte Zeit gehabt, sich die Sache zu überlegen, und antwortete mit der unerschütterlichen Ruhe, die ihm eigen war: »Sie vergessen Guggenheims Anwesenheit.«

»Was hat Guggenheim damit zu tun?«

»Vermutlich wollte Torben dem mächtigen Finanzmann keinen Einblick in die besonderen Umstände gewähren, die mit den Zimmern verknüpft sind. Das ist die Erklärung, weshalb er mir in dessen Beisein auswich.«

»Die einzige?« fragte Arvidson mißtrauisch.

»Ja.«

Guggenheims unerwartetes Erscheinen schien Doktor Hengler dennoch sehr zu beschäftigen. Er wurde nicht müde, Arvidson nach Guggenheim auszufragen.

»Ist er ein guter Freund der Familie?« fragte er.

»Ja, er stand besonders dem alten Baron nahe,« antwortete Arvidson.

»Ich meine, ob er der Familie ein guter, ein aufopfernder Freund war?«

»Sicher. Warum fragen Sie?«

»Nur so,« antwortete der Kunsthändler ausweichend. »Ich meine, daß Guggenheim just nicht zu dem Typ edler und selbstloser Menschen gehört.«

Und kurz darauf stellte Hengler von neuem Fragen, und Professor Arvidson, der nicht nur auf die Worte, sondern auch auf den Ton derselben horchte, diesen konversierenden, gesucht gleichgültigen Ton, beobachtete eine bestimmte Verbindung zwischen den Fragen und konnte sich dabei eines unheimlichen Gefühls nicht erwehren. Hengler fragte: »Ist dieser Guggenheim als Finanzmann wirklich so mächtig, wie man sagt?«

»Sein Ruf ist international,« antwortete Arvidson.

»Könnte er zum Beispiel dieses Schloß hier, das ganze große Besitztum kaufen?«

»Es wäre ihm sicherlich ein leichtes.«

Dr. Hengler meinte wohl, daß er eine Erklärung geben müßte, und fügte hinzu: »Man hört heutzutage von so vielen großen Finanzleuten, und wenn man der Sache auf den Grund geht, ist gar nichts dahinter. Ich kenne die Verhältnisse hierzulande nicht so genau.«

Jetzt meinte Hengler, daß er wieder einmal nach seinem Automobil sehen müßte, und Professor Arvidson setzte die Wanderung allein fort. Wieder dachte der Professor an Torbens veränderte Gemütsverfassung. War diese Veränderung durch Guggenheims Ankunft herbeigeführt worden? Es war eine verblüffende Sicherheit über Torben gekommen, als ob er nicht mehr ratlos im Dunkeln tastete, sondern nach einem bestimmten Plan arbeitete.

Jetzt kam der Förster ihm entgegen. Södring schien glänzender Laune zu sein.

»Alles klappt großartig,« sagte er, »wir haben doch tüchtige Dienstboten hier im Schloß. Die Zimmer sind in Ordnung, das Frühstück bald fertig. Das Menü ist nicht kompliziert, dazu war die Zeit zu knapp, aber es wird gut, dafür garantiere ich, denn die alte Kochfrau des Schlosses ist durch sieben Kirchspiele berühmt. Der Rotwein ist aus dem Keller heraufgeholt. Du würdest mir einen Gefallen tun, wenn du dich darum kümmern wolltest, daß er richtig temperiert wird. Das einzige, was uns fehlt, war eine Bedienung bei Tisch, aber wir haben einen Kellner aus dem Wirtshaus bekommen. Nicht aus Vater Abrahams Wirtshaus, sondern aus dem Dorfkrug, es scheint ein tüchtiger Bursche zu sein, er deckt drin den Tisch.«

»Und wo ist Guggenheim, ruht er?«

»Nein, er ist ein ausdauernder alter Herr. Man sollte meinen, daß er nach der anstrengenden Automobilfahrt ermüdet sei, aber er sitzt in seinem Zimmer, nippt an einem Kognak und unterhält sich mit Torben.«

»Was sind das für Schlüssel?« fragte der Professor.

Der Förster schwang zwei große Schlüssel klirrend an einem Metallring.

»Jetzt sind die Zimmer oben wieder verschlossen,« antwortete der Förster, »mit Schlössern, die nicht leicht geöffnet werden können. Baron Torben hat es angeordnet.«


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