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Zweites Kapitel.

»Sein Fluch! Verstehst Du dieses Wortes Sinn?
Aus eines Vaters zornigem Mund geschleudert!«

James Shirley. Die Brüder.

»Der Ausdruck ist entsetzlich und erschreckt mich.«

Ebendaselbst.

»Jene weichherz'gen Philosophen, die
So preisen unsre menschliche Natur
Sah'n wenig von der Welt wohl, kannten nicht
Die bittern Quälereien der Gemeinheit.«

Ebendaselbst.

Nachdem Philipp sich wieder gefaßt und gesammelt, öffnete er die Schieblade des Schreibtisches, und war erstaunt und gerührt, als er fand, daß Katharine mehr als 100 Pfund zurückgelegt hatte. Ach! wie mußte sie selbst gedarbt haben, um diesen kleinen Schatz zu sammeln! Nachdem er seines Vaters Liebesbriefe und andre Papiere, die ihm nutzlos schienen, verbrannt hatte, machte er einen kleinen Bündel zusammen von den kleinen Habseligkeiten, die der Verstorbenen angehört hatten, und die er als Reliquien und Gedenkzeichen von ihr schätzte, verließ das Zimmer, und ging hinab in das Wohnzimmer hinter dem Laden, unterwegs begegnete ihm das gutherzige Dienstmädchen, und eingedenk, welchen theilnehmenden Schmerz sie um seine Mutter gezeigt, seit er im Hause war, drückte er ihr zwei Guineen in die Hand und schenkte ihr die wenigen Kleider, welche die arme Katharine hinterlassen.

»Und jetzt,« sagte er, und die Dienerin weinte, während er sprach, »jetzt kann ich es ertragen, was ich bisher nicht gekonnt hätte; Euch zu fragen, wie meine arme Mutter starb? Litt sie Viel – oder – oder –«

»Sie schied dahin wie ein Lamm, Sir,« sagte das Mädchen und trocknete sich die Augen. »Seht Ihr, der Gentleman war den ganzen Tag bei ihr gewesen, und sie war viel beruhigter und getroster in ihrem Gemüth, seit er gekommen.«

»Der Gentleman! doch nicht der, den ich hier traf?«

»Ach Gott, nein! nicht der blasse Gentleman mittlern Alters, den die Wärterin und ich hinuntergehen sahen, als die Glocke zwei Uhr schlug; nein, der junge, sanft redende Gentleman, der am Morgen kam, und sagte, er sey ein Verwandter. Er blieb bei ihr, bis sie einschlief; und als sie erwachte, lächelte sie ihn an – ich werde das Lächeln nie vergessen! – denn ich stand auf der andern Seite, so wie hier, und der Doktor stand am Fenster und goß das Doktorszeug in das Glas; und so sah sie den jungen Gentleman, und dann uns Alle der Reihe nach an, und schüttelte ganz leise den Kopf, sprach aber Nichts, und der Gentleman fragte sie, wie sie sich fühle und sie nahm seine beiden Hände und küßte sie; und dann schlang er seine Arme um sie und richtete sie auf, um die Arznei zu nehmen, so, und dann sagte sie: Ihr wollt sie nie vergessen? Und er antwortete: Nie! Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hatte, Sir.«

»Wohl, wohl – weiter!«

»Und dann sank ihr Haupt an seine Brust zurück, und sie sah so glücklich aus; und als der Doktor an das Bett trat, war sie ganz hinüber.«

»Und der Fremde nahm meinen Platz ein! Einerlei! Gott segne ihn – Gott segne ihn! Wer war er? was war sein Name?«

»Ich weiß nicht, Sir; er sagte ihn nicht. Er blieb, nachdem der Doktor wegging und schluchzte bitterlich; er zog es sich mehr zu Gemüthe, als Ihr, Sir.«

»Ja.«

»Und der andere Gentleman kam gerade, als er gehen wollte, und sie schienen an einander keine Freude zu haben; denn ich hörte ihn durch die Wand durch, – ich und die Wärterin waren im nächsten Zimmer – sprechen wie wenn et schälte, aber er blieb nicht lang.«

»Und ist seitdem nicht mehr da gewesen?«

»Nein, Sir. Vielleicht die Mistreß können Euch Mehr von ihm sagen. Aber wollt Ihr nicht Etwas nehmen? Thut es doch – Ihr seht so blaß aus.«

Philipp drängte sie, ohne zu sprechen, sanft weg und ging langsam die Treppen hinab. Er trat in das Wohnzimmer, wo zwei oder drei Kinder, Domino spielend, saßen; er schickte eines nach ihrer Mutter, der Herrin des Ladens, welche hereinkam und ihm ein leichtes Compliment machte, mit einem sehr ernsten, traurigen Gesicht, wie die Schicklichkeit verlangte.

»Ich bin im Begriff, Euer Haus zu verlassen, Madame; und ich wünsche etwaige kleine Rückstände in Hausmiethe u. s. w. zu berichtigen.«

»Ach, Sir, sprecht davon nicht,« sagte die Herrin vom Hause, und mit diesen Worten nahm sie ein sehr sauber gefaltetes Papier aus ihrem Busen und legte es auf den Tisch. »Und hier, Sir,« fuhr sie fort, indem sie aus demselben Behältniß eine Karte hervorholte, – »hier ist die Karte, die der Gentleman zurückließ, welcher für das Leichenbegängniß sorgte. Er machte vor einer halben Stunde einen Besuch, und trug mir auf, Euch mit seinen Komplimenten zu sagen, er wolle Euch morgen um eilf Uhr aufwarten. So hoffe ich, Ihr werdet noch nicht gehen, denn ich denke, er hat die Absicht, Alles für Euch zu berichtigen; er hat so gesagt, Sir!«

Philipp warf einen Blick auf die Karte und las: »Mr. George Blackwell, Lincolns-Inn.« Seine Stirne verfinsterte sich – er ließ die Karte fallen, setzte mit ruhiger Verachtung seinen Fuß darauf, und murmelte vor sich hin: »Der Advokat soll mich nicht bestechen, meinen Fluch zu widerrufen!« Er warf einen Blick auf die Gesammtsumme der Rechnung, die nicht bedeutend war, denn die arme Katharine hatte regelmäßig bezahlt für ihre dürftige Kost und ihre ärmliche Wohnung, bezahlte das Geld, und fragte, während die Hausbesitzerin die Quittung schrieb: »Wer war der Gentleman – der jüngere Gentleman, der am Morgen des Tages, wo meine Mutter starb, sie zu besuchen kam?«

»Oh, Sir! es thut mir so leid, daß ich seinen Namen nicht herauskriegte. Mr. Perkins sagte, es sey ein Verwandter. Sehr sonderbar, daß er seither nie da gewesen; aber er wird sicherlich wieder kommen, Sir; Ihr thätet viel besser, noch zu bleiben.«

»Nein, es hat Nichts zu bedeuten. Alles was er thun konnte, ist gethan. Aber halt! gebt ihm das Billet, das ich schreiben will, wenn er kommt.«

Und damit nahm Philipp die Feder aus der Hand der Frau und schrieb, während Mrs. Lacy ging, ihm Siegelwachs und ein Licht zu holen, hastig Folgendes:

»Ich kann nicht errathen, Wer Ihr seyd; sie sagen, Ihr gebt Euch für einen Verwandten, das muß ein Mißverständniß seyn. Ich wüßte nicht, daß meine arme Mutter so freundliche Verwandte gehabt hätte. Aber – Wer Ihr immer seyd – Ihr habt sie in ihren letzten Stunden getröstet – sie ist in Euren Armen gestorben, und wenn wir je in Jahren, langen Jahren uns treffen sollten, und ich kann Etwas thun, einem Andern beizustehen, so stehen mein Blut, mein Leben, mein Herz und meine Seele Euch unbedingt zu Dienst und Willen. Wenn Ihr wirklich mit ihr verwandt seyd, so empfehle ich Euch meinen Bruder, er ist in *** bei Mr. Morton. Wenn Ihr ihm einen Dienst leisten könnt, wird meiner Mutter Seele als Schutzengel über Euch wachen. Was mich betrifft, ich verlange von Niemand Hülfe; ich gehe in die weite Welt und will mir selbst Bahn brechen. So sehr ist mir der Gedanke an Mildthätigkeit und Almosen von Anderen zuwider, daß ich glaube, ich könnte Euch nicht so segnen, wie ich jetzt thue, wenn nicht Eure Güte gegen mich mit dem Stein auf meiner Mutter Grab sich schlöße.

Philipp.«

Er siegelte diesen Brief und gab ihn der Frau.

»Oh! was mir einfällt,« sagte sie; »ich hatte das vergessen; der Doktor sagte, wenn Ihr nach ihm schicken wolltet, würde er sich glücklich schätzen, Euch zu besuchen und Euch seinen Rath zu geben.«

»Ganz wohl.«

»Und was soll ich Mr. Blackwell sagen?«

»Er möge seinem Auftraggeber sagen, er solle unsere letzte Begegnung nicht vergessen.«

Und damit nahm Philipp seinen Bündel und schritt aus dem Hause. Er ging zuerst nach dem Kirchhof, wo heute seiner Mutter irdische Reste waren begraben worden. Er war ganz nahe, ein stiller, beinahe ländlicher Platz. Das Thor stand halb offen, denn es führte ein öffentlicher Weg durch den Kirchhof und Philipp trat mit geräuschlosem Schritt ein. Es war jetzt nahe am Abend; die Sonne war aus den Nebeln, die den übrigen Tag geherrscht, gebrochen und die Strahlen von Westen fielen glänzend und heilig auf den feierlich ernsten Platz.

»Mutter! Mutter!« schluchzte der Waise, indem er vor dem frischen grünen Hügel niedersank; »hieher – hieher bin ich gekommen, um meinen Eid zu wiederholen, um nochmals zu schwören, daß ich treu erfüllen will die Pflicht, die Du Deinem unglücklichen Sohn aufgetragen! Und in dieser Stunde darf ich wohl fragen, ob auf dieser Erde ein Elenderer und Jammervollerer lebt?«

Während solche Worte sich aus seinem Munde rangen, erhob sich dicht in der Nähe eine laute, schrillende Stimme – die gebrochene, schmerzliche Stimme des schwachen, aber mit heftiger Leidenschaft ringenden Alters.

»Fort, Verworfener! Du bist verflucht!«

Philipp fuhr auf und schauderte, als ob diese Worte an ihn gerichtet wären und aus dem Grabe kämen. Aber wie er sich auf die Kniee erhob und das wilde Haar sich aus den Augen streichend sich verwirrt umsah, erblickte er in geringer Entfernung und im Schatten der Mauer zwei Gestalten; die Eine, ein alter Mann mit grauem Haar, saß auf einem zusammenstürzenden, hölzernen Grab, der untergehenden Sonne gegenüber; die Andere, ein Mann, dem Anschein nach noch in den kräftigsten Jahren, schien in demüthigem Flehen zur Erde gebeugt. Des Alten Hände waren ausgestreckt über das Haupt des Jüngern, als begleitete er die schrecklichen Worte mit schrecklichen Geberden, und nach der Pause eines Augenblicks – eines Augenblicks, aber Philipp schien es weit länger, – hörte man ein tiefes, wildes, gespenstisches Heulen von einem Hunde, der sich zu des Alten Füßen kauerte; ein Geheul der Furcht vielleicht, bei der Leidenschaftlichkeit seines Herrn, die in dem Thiere vielleicht die Vorstellung von Gefahr erweckte.

»Vater! Vater!« sagte der Flehende vorwurfsvoll, »sogar Euer Hund sträubte sich gegen Euern Fluch!«

»Sey still! Mein Hund! Was hast Du mir auf der Welt gelassen als ihn? Du hast gemacht, daß mir eckelt vor dem Anblick von Freunden, denn Du hast gemacht, daß mir eckelt vor meinem eigenen Namen. Du hast ihn mit Schande bedeckt – Du hast mein Alter zu einem Sprichwort gemacht – Deine Verbrechen lassen mich einsam sitzen inmitten meiner Schaam!«

»Es sind viele Jahre, seit wir uns nicht gesehen, Vater, wir sehen uns vielleicht nie wieder – sollen wir so scheiden?«

»So! aha!« sagte der Alte, im Ton des schneidendsten Hohnes, »ich merke, Du bist gekommen Geld zu holen!«

Bei diesem Vorwurf fuhr der Sohn auf wie von einer Schlange gestochen; er richtete sich zu seiner vollen Höhe auf, kreuzte die Arme und sagte:

»Sir, Ihr thut mir Unrecht, seit mehr als zwanzig Jahren habe ich mich selbst erhalten – einerlei wie, aber ohne Euch in Anspruch zu nehmen – und jetzt fühlte ich Reue, daß ich zugegeben, daß Ihr mich verstießt – jetzt, wo Ihr alt und hülflos seyd, und wie ich hörte blind, und Ihr vielleicht der Hülfe benöthigt seyn könntet selbst von Eurem armen, nichtsnutzigen Sohn. Aber ich bin fertig. Vergeßt nicht meine Sünden, aber diese Unterredung. Widerruft Euern Fluch, Vater! ich habe genug auf meinem Haupt, ohne den Eurigen; und so – laßt den Sohn wenigstens den Vater segnen, der ihm flucht. Lebt wohl!«

Der Redende wandte sich, als er dies mit einer bei den, letzten Worten zitternden Stimme sagte, und streifte rasch an Philipp vorbei, den er jedoch nicht zu bemerken schien, aber Philipp erkannte bei dem letzten rothen Strahl der Sonne wieder jenes wettergebräunte Gesicht, das man, einmal gesehen, schwer wieder vergaß, – er erkannte in ihm den Unbekannten, an dessen Brust er in der Nacht seiner ersten verhängnißvollen Reise nach R*** geschlafen hatte.

Der alte Mann bei seinem schwachen Gesicht merkte das Weggehen seines Sohnes nicht, aber sein Antlitz nahm einen anderen, milderen Ausdruck an, als der Letztere schweigend durch das üppige Gras dahinschritt.

»William!« sagte er endlich sanft; »William!« und die Thränen liefen ihm seine gefurchten Wangen herunter: »mein Sohn!« Aber dieser Sohn war fort – der alte Mann horchte nach einer Antwort – es kam keine. »Er hat mich verlassen – der arme William! – Wir werden uns nie wieder sehen,« und er sank wieder auf das alte Grabmal – stumm, starr, regungslos – ein Bild der Zeit selbst in ihrem Gräberreich. Der Hund schmiegte sich dichter an seinen Herrn und leckte ihm die Hand. Philipp stand einen Augenblick in nachdenklichem Schweigen; sein Ausruf der Verzweiflung war wie durch seinen guten Engel beantwortet worden. Es gab ein elenderes Wesen als er war; und der Verfluchte hätte gewiß den Beraubten und Verlassenen beneidet.

Die Dämmerung war angebrochen, der früheste Stern – der Stern der Erinnerung und der Liebe, der von jedem Dichter seit der Welt Anfang gefeierte Hesperus – stand glänzend am Himmelsgewölbe, als Philipp den Ort verließ, mit einem Geist, der, ausgesöhnter mit der Zukunft, milder, reiner, weicheren und frömmeren Gedanken zugänglich war, als vielleicht je seine Seele zur Herrscherin über die tiefe und dunkle Fluth der Leidenschaften gemacht hatten.

Er ging von da zu einem Bildhauer in der Nähe und zahlte voraus für eine einfache Tafel, welche auf das Grab, das er so eben verlassen, kommen sollte. Eben hatte er den Laden verlassen, der in derselben Straße, nur durch wenige Häuser getrennt war von dem Hause, wo seine Mutter ihr Leben ausgeathmet. Er stand bei einem Kreuzweg still, unentschlossen ob er sich sogleich nach Sidney's Aufenthaltsort begeben, oder für diese Nacht in dieser Stadt ein Obdach suchen sollte, als drei Männer auf der anderen Seite der Straße seiner plötzlich ansichtig wurden.

»Da ist er, da ist er! Halt, Sir, halt!«

Philipp hörte diese Worte, schaute auf, und erkannte die Person und Stimme des Mr. Plaskwith; der Buchhändler war begleitet von Mr. Plimmins und einem stämmigen, unhold aussehenden Unbekannten.

Ein namenloses Gefühl von Angst, Wuth und Abscheu ergriff den unglücklichen Knaben, und im selben Augenblick flüsterte ihm ein zerlumpter Vagabund ins Ohr: »Macht Euch aus dem Staub, mein Junge; das ist ein Spürhund von Bow-Street Die »Bow Street Runners«, eine Vorform von Scotland Yard, bildeten Londons erste professionelle Kriminalpolizei-Einheit, gegründet 1749 von dem Richter Henry Fielding, der auch als Autor (»Tom Jones«) Ruhm errang. Die Bezeichnung »Bow Street Runners« (in Bow Street Nr. 4 lag ihr Amtslokal) war der Spitzname im Volk; er wurde von den Beamten selbst nicht gebraucht, weil er als abfällig betrachtet wurde. – Anm.d.Hrsg.

Da zuckte wie.ein Blitz durch Philipps Seele die Erinnerung an das Geld, das er ergriffen – freilich nur um es wieder wegzuwerfen; sollte er, – er, noch immer nach seiner innigen Ueberzeugung der Erbe eines alten, fleckenlosen Namens, jetzt gejagt werden wie ein Dieb? und im besten Fall, welch ein Recht über seine Person und Freiheit hatte er seinem Brodherrn gegeben! In seiner Unkunde des Gesetzes erschien ihm das Gesetz, wie immer den Unwissenden und Freundlosen – als ein Feind. Schneller als ein Blitz zuckten diese Gedanken, deren Schilderung so viele Worte erfordert, durch den Sturm und das Dunkel seiner Brust; und in dem Augenblick, wo Mr. Plimmins die Hand an seine Schulter gelegt, war sein Entschluß gefaßt, der Instinkt der Selbsterhaltung schlug laut an sein Herz. Mit einem Sprung – einem Satz, welcher den Mr. Plimmins zappelnd in die Gosse streckte, war er über die Straße hinüber und floh ein Gäßchen aus der anderen Seite entlang.

»Haltet ihn, haltet ihn!« schrie der Buchhändler, und der Polizeibeamte rannte ihm mit beinahe gleicher Schnelligkeit nach. Gasse um Gasse, Gang um Gang floh Philipp entlang, abspringend, sich windend, athemlos, keuchend; und mit jeder Straße, mit jeder Gasse wurde der Schwarm hinter ihm dichter. Die Müßigen, die Neugierigen, die Geschäftigen – zerlumpte Buben und zerlumpte Männer, aus Stall und Keller, aus Winkeln und Ecken, schloßen sich dieser köstlichen Jagd an, welche den jugendlichen Irrthum hetzt, bis er, nur zu oft, an der Pforte des Kerkers oder am Fuße des Galgens niedersinkt.

Aber Philipp ermattete nicht in seinem Rennen, er begann einen größeren Vorsprung vor seinen Verfolgern zu gewinnen. Er war jetzt in einer Straße, die sie noch nicht erreicht hatten – in einer ruhigen Straße, mit weniger oder keinen Läden. Vor der Schwelle einer besseren Art von Wirthshaus oder vielmehr Weinschenke, nach dem Aeußeren zu schließen, lungerten zwei Männer herum; und während Philipp weiter floh, hatte der Ruf: »Haltet ihn!« indem er an andere Stimmen überging, sich in das Geschrei verwandelt: »Haltet den Dieb!« und dieser Ruf ertönte noch in der Ferne. Einer der Männer packte ihn; Philipp, in der Wuth der Verzweiflung, schlug mit aller Kraft auf ihn; aber der Schlag ward kaum empfunden von diesem herkulischen Körper.

»Ruhig!« sagte der Mann verächtlich; »ich bin kein Spion; wenn Ihr vor der Gerechtigkeit davonlauft, würde ich Euch gern zu einer Freistätte verhelfen!«

Philipp, betroffen beim Ton dieser Stimme, schaute dem Redenden scharf ins Gesicht. Es war die Stimme des verfluchten Sohns.

»Rettet mich! Ihr kennt mich noch?« sagte der Waise schwach.

»Ha, ich denke so. Armer Junge! Hierher! folgt mir!«

Der Unbekannte wandte sich in die Schenke, schritt durch den Vorplatz und eine Art von Corridor, der in einen Hinterhof führte, welcher sich gegen eine Menge von Höfen und Gängen öffnete.

»Ihr seyd für den Augenblick sicher; ich will Euch wohin bringen, da Ihr mir Alles bequem erzählen könnt – Seht!«

Bei diesen Worten gelangten sie in eine offene Straße, und der Führer deutete auf eine Reihe von Miethkutschen.

»Schnell – hinein! Kutscher, fahrt schnell nach ***«

Philipp hörte die letzten Worte des Befehls nicht.

Unsere Erzählung kehrt jetzt zu Sidney zurück.



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