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Achtes Kapitel

Am Morgen des folgenden Tages erwachte Angelika erst um acht Uhr aus einem wohltätigen und festen Schlummer, wie er nach großer Glückseligkeit eintritt. Sie eilte an das Fenster. Der Himmel war von keinem Wölkchen getrübt, die Hitze war dieselbe, trotzdem am vorigen Abend ein starkes Unwetter vorübergezogen war, das sie sehr geängstigt hatte. Vergnügt rief sie Hubert, der unten gerade die Fensterladen aufstieß zu:

Die Sonne, Vater! Ich freue mich, es wird eine schöne Prozession geben.

Sie kleidete sich hurtig an, um heruntergehen zu können. An diesem Tage, dem 28. Juli, sollte die Prozession des Wunders durch die Straßen von Beaumont wallfahrten. Das war alljährlich ein Festtag bei den Stickern: man berührte keine Nadel, dagegen schmückte man das Haus in der althergebrachten Weise, wie die Mütter sie den Töchtern vermacht hatten.

Angelika nahm in Eile ihren Milchkaffee zu sich, ihre Gedanken weilten bereits bei der vorzunehmenden Ausschmückung.

Man muß nachsehen, Mutter, ob die Sachen auch noch gut erhalten sind.

Wir haben ja Zeit, erwiderte Hubertine mit dem ruhigen Tonfalle ihrer Stimme. Vor Mittag hängen wir sie doch nicht aus.

Es handelte sich um drei Streifen alter, herrlicher Stickerei, welche die Hubert als Familienheiligtum in Ehrfurcht hüteten. Nur einmal im Jahre erschienen sie in der Öffentlichkeit und zwar stets am Tage der Prozession. Am Abend vorher war der Sitte gemäß der Ordner der Feier, der gütige Abt Cornille, von Haus zu Haus gegangen, um die Bewohner zu benachrichtigen, welchen Weg das Bildnis der heiligen Agnes in Begleitung des das heilige Sakrament tragenden Bischofs nehmen werde. Durch ein Jahrhundert schon blieb die Feststraße dieselbe: Die Prozession verließ die Kirche durch das Tor der heiligen Agnes, durchzog die Goldschmiedestraße, die Große Straße, die Untere Straße, die neue Stadt, traf dann wieder bei der Magloire-Straße und auf dem Klosterplatz ein und betrat die Kirche durch das Haupttor. Die Anwohner der genannten Straßen wetteiferten in der Ausschmückung ihrer Häuser, putzten die Fenster aus, behängten die Mauern mit kostbaren Stoffen und bestreuten das schmale Kieselpflaster mit Rosenblättern.

Angelika gab nicht eher Ruhe, als bis man ihr erlaubt hatte, die drei Stickereien aus dem Schubfache zu nehmen, in dem sie das ganze Jahr über ruhten.

Es ist ihnen nichts geschehen, meinte sie vergnügt.

Wenn man die schützenden Papiere fortnahm, zeigte es sich, daß alle drei Stickereien der Maria geweiht waren: auf der ersten empfängt die Jungfrau den Besuch des Engels, auf der zweiten sieht man Maria am Fuße des Kreuzes weinen, und auf der letzten steigt die Jungfrau zum Himmel empor. Sie stammten aus dem 15. Jahrhundert, die Stickerei war mit schattierter Seide auf Goldgrund ausgeführt und hatte sieh wunderbar erhalten. Die Sticker waren sehr stolz auf diese Kunsterzeugnisse und hatten bedeutende Angebote darauf zurückgewiesen.

Mutter, ich will sie aufhängen.

Das ging nicht so ohne weiteres. Hubert brachte den ganzen Morgen mit der Reinigung der alten Vorderseite zu. Er steckte einen Besen an eine Stange und wusch die mit Ziegeln aufgefüllten Holzfelder bis hinauf zum Giebelgebälk; dann reinigte er mit dem Schwamm den steinernen Unterbau und alle erreichbaren Teile des Türmchens. Erst nachdem diese Arbeit beendet war, kamen die drei Streifen Stickerei an Ort und Stelle. Angelika hängte sie mittels an ihnen befestigter Ringe am hundertjährigen Haken auf; die Verkündigung kam unter das linke und Maria Himmelfahrt unter das rechte Fenster; die Nägel zu der dritten Stickerei, die den Kalvarienberg zeigte, befanden sich oberhalb des großen Fensters im Erdgeschoß, Angelika mußte daher zu ihrer Anbringung die Hilfe einer Leiter in Anspruch nehmen. Vorher schon hatte sie die Fenster mit Blumen geschmückt. Das alte Gebäude schien durch das Anbringen der im heiteren Sonnenlichte des Festtages erstrahlenden Gold- und Silberstickereien in die ferne Zeit seiner Jugend zurückversetzt.

Nach dem Frühstück hatte eine fieberhafte Tätigkeit die ganze Goldschmiedestraße ergriffen. Um der allzugroßen Hitze aus dem Wege zu gehen, sollte die Prozession erst um fünf Uhr ihren Umzug nehmen, aber schon von Mittag an begann die Stadt ihren Festschmuck anzulegen. Der Hubert gegenüber wohnende Goldschmied brachte vor seinem Laden himmelblaue, mit silbernen Borten besetzte Tücher an, sein Nachbar, der Wachshändler dagegen verwendete die im Tageslicht rot erscheinenden kattunenen Vorhänge seines Schlafzimmers. So war vor jedem Hause eine Reichhaltigkeit von Farben und Stoffen zu sehen; denn was man gerade hatte, selbst Bettvorlagen, wurden ausgehängt und blähten sich in dem schwachen Lufthauche des heißen Tages. Die Straße hatte ein heiteres, sich lustig bewegendes Gewand angelegt, sie hatte sich in eine oben offene, festlich geschmückte Galerie umgewandelt. Die Bewohner standen vor den Türen in Haufen beisammen und sprachen so laut, als ob sie bei sich zu Hause seien; die einen schleppten an Ausschmückungsgegenständen heraus, was sie gerade besaßen, die anderen kletterten, klopften und schrien. An der Ecke der Großen Straße wurde überdies noch ein Altar errichtet, der sämtliche Frauen der Nachbarschaft in Atem erhielt, denn sie überboten sich in seiner Ausschmückung mit Vasen und Beleuchtungsgegenständen.

Auch Angelika schleppte die beiden Kaiserreich-Leuchter, die den Kamin im Salon schmückten, dorthin. Seit dem Morgen hatte sie noch keinen Augenblick stillgestanden; getragen und gestärkt durch die Freude ihres Herzens, fühlte sie auch nicht ein bißchen Ermüdung. Als sie mit im Winde fliegenden Haaren zurückkehrte, um in einem Korbe Rosenblätter zu sammeln, neckte Hubert sie.

An deinem Hochzeitstage wirst du gewiß nicht soviel umherwirtschaften wie heute ... Oder heiratest du etwa?

Gewiß, ich heirate heute, antwortete sie fröhlich.

Hubertine lächelte.

Unser Haus ist jetzt geputzt; wir können also hineingehen und uns ankleiden.

Sofort, Mutter ... Da, der Korb ist voll.

Sie war mit dem Entblättern der Rosen, die sie vor Hochwürden auf das Pflaster streuen wollte, fertig geworden. Unter ihren schlanken Fingern regnete es ordentlich Blumenblätter und der Inhalt des leichten, duftigen Korbes floß fast über. Angelika verschwand auf der Turmtreppe und rief noch lachend herunter:

Paßt auf! Ich will mich schön wie ein Stern machen.

Der Nachmittag rückte vor. Das Fieber im Kirchenviertel hatte sich jetzt gelegt, die Erwartung lagerte sich über die endlich fertigen, von heimlichem Stimmengesumme leise erschütterten Straßen. Die große Hitze hatte beim Sinken der Sonne nachgelassen, zwischen die dicht stehenden Häuser fiel jetzt ein lauwarmer, lichtfroher Schatten. Die Sammlung der Geister vor Eintritt des großen Ereignisses war eine allgemeine, es schien, als ob die gesamte alte Stadt nur eine Erweiterung der Kathedrale bilde. Aus der Neustadt am Ufer des Ligneul herüber drang noch der Ton von Wagenrädern, dort feierten einige Fabriken nicht und verschmähten es, dieses althergebrachte kirchliche Fest mit zu feiern.

Von vier Uhr an begann die große Glocke im nördlichen Turme, dieselbe, deren Schwingungen auch das Haus der Hubert durchzitterten, ihr Geläut. Im selben Augenblick kamen Hubertine und Angelika festlich geschmückt wieder zum Vorschein. Erstere hatte ein mit einfachen Zwirnspitzen besetztes Kleid aus ungebleichtem Leinen angelegt, worin ihre Gestalt mit ihrer kräftigen Rundung so jugendlich erschien, daß man sie für die ältere Schwester ihrer Adoptivtochter halten konnte. Angelika hatte ihr weißes Seidenkleid angezogen, es zeigte nicht einen einzigen Schmuck; sie trug weder Ohrringe noch Armbänder; ihre Hände, ihr Nacken erschienen vollständig bloß, nur der Samt ihrer Haut blickte wie eine erschlossene Blume aus dem leichten Stoff hervor. Ein unsichtbarer, in aller Eile eingesteckter Kamm hielt schlecht die Wellen ihrer sonnenblonden Haare zusammen. So erschien sie von einer offenherzigen Einfachheit, stolz und schön wie ein Stern.

Man läutet, sagte sie, Hochwürden hat sein Haus verlassen.

Der Zweiklang der Glocke durchtönte fort und fort die tiefblaue Luft. Die Hubert stellten sich an das weitgeöffnete Fenster im Erdgeschoß, die Frauen stützten sich auf die Brustlehne, der Mann stand hinter ihnen. Dort war gewöhnlich ihr Platz, von hier aus konnten sie am frühesten und besten die Prozession aus dem Innern der Kirche kommen sehen, ohne daß ihnen ein Kerzenträger des Zuges entgehen konnte.

Wo ist mein Korb? fragte Angelika.

Hubert mußte ihn ihr reichen; sie nahm ihn zwischen ihre Arme und drückte ihn an ihre Brust.

0 diese Glocke, murmelte sie, sie wird uns noch einschläfern.

Das ganze Häuschen erschütterte der kräftige Anschlag des Klöppels. Die Straße, das Stadtviertel, über das sich dieses Erzittern fortpflanzte, versank in eine erwartungsvolle Stille; die ausgehängten Stoffe bauschten sich schwächer in der Abendluft. Der starke Duft der Rosen machte sich deutlich wahrnehmbar.

Eine halbe Stunde verging. Dann sprangen mit einemmal die beiden Flügel der Kirchentür der heiligen Agnes weit auf, das düstere, nur von den vielen Lichtpünktchen der Kerzen erhellte Innere der Kirche kam zum Vorschein. Als erster trat der Kreuzträger auf die Straße; es war ein mit der Tunika bekleideter Unterdiakonus, dem zu beiden Seiten zwei Gehilfen angezündete Weihrauchbecken trugen. Ihnen schloß sich eilig der Ordner des Festzuges, der gute Abt Cornille an, der erst einen prüfenden Blick auf die schöne Ausschmückung der Straße warf und sich dann in der Vorhalle aufstellte, um den Zug an sich vorübergehen zu lassen; er wollte sehen, ob auch ein jeder seinen richtigen Platz innehatte. Die Laienbrüder nach ihrer Altersfolge, fromme Gemeinschaften und Schulen eröffneten den Zug. Voraus trippelten ganz kleine Kinder, in Weiß gekleidete Mädchen, die wie Bräute aussahen und frisierte, barhäuptige Bürschchen im Sonntagsstaate, die Prinzen ähnelten; die Kinder schwammen in Entzücken und versuchten schon jetzt ihre Mütter aus den Zuschauern herauszufinden. Ein Knirps von neun Jahren marschierte als der heilige Johannes der Täufer verkleidet ganz allein in der Mitte; ein Schaffell hing über seine dünnen, nackten Schultern. Vier mit roten Bändern geschmückte Mädchen trugen ein Schild aus Musselin, auf dem eine Garbe reifen Getreides ruhte. Dann kamen ältere Fräulein, die sich um ein Banner der heiligen Jungfrau scharten, ferner schwarzgekleidete Damen, die ebenfalls ihr Banner mitführten, ein karmoisinfarbenes, auf das der heilige Joseph gestickt war; viele, viele andere Banner noch aus Samt und Halbseide an vergoldeten Stangen schwankten hinterher. Nicht weniger zahlreich waren die Brüderschaften, die Büßer jeder Farbe vertreten. Das größte Aufsehen erregte das Wahrzeichen der grauen Büßer in ihren schwarzen Kapuzen; es war ein mächtiges Kreuz, an ihm hing ein Rad, und an diesem wiederum hingen die Werkzeuge der Leiden Christi.

Angelikas Herz floß von Zärtlichkeit über, als sich die Kinder zeigten.

0 die Lieblinge! Seht doch nur!

Ein Knäblein, kaum höher als ein Schuh und drei Jahre alt, trippelte stolz auf seinen Füßchen einher, es ging, so drollig, daß Angelika ihre Hand in das Körbchen tauchte und ihn beim Vorübergehen mit Rosenblättern überschüttete. Mit den Blättern auf den Schultern und zwischen den Haaren verschwand er. Das fröhliche Kichern, das er hervorrief, pflanzte sich von Haus zu Haus fort, aus jedem Fenster regnete es Rosen auf ihn herab. In dem summenden Schweigen der Straße hörte man nur das gedämpfte Auftreten der Wallfahrer, während die Blumenfülle in lautlosem Fluge sich langsam auf das Pflaster senkte. Bald hatte sich das Steinpflaster in einen blumigen Pfad verwandelt.

Kaum hatte sich der Abt Cornille von der richtigen Ordnung des Zuges überzeugt, so strebte er schon wieder an die Spitze des Zuges. Im Vorübergehen begrüßte er die Hubert mit lächelndem Gesicht. Er beunruhigte sich, daß schon seit zwei Minuten der Zug vorn stockte.

Warum gehen sie nicht weiter? fragte Angelika, die schon das Fieber packte, als erwarte sie von dort unten ihr Glück.

Warum sollen sie sich unnötig beeilen? gab Hubertine gemächlich zurück.

Irgendein Hindernis! Vielleicht beendet man noch schnell einen Altar da vorn, erklärte Hubert.

Die Mädchen bei dem Banner der heiligen Jungfrau hatten einen Gesang angestimmt, und ihre hellen Stimmen stiegen mit kristallener Reinheit in die Luft. Glied auf Glied des Zuges setzte sich wieder in Bewegung.

Nach den Laien trat die Geistlichkeit aus der Kirche; zuerst kamen ihre untergeordneten Mitglieder. Alle hatten das Chorhemd angelegt, in der Vorhalle bedeckten sie ihre Häupter mit dem Barett. Ein jeder trug eine angezündete Kerze, die auf der rechten Seite gehenden trugen sie in der rechten, die links gehenden in der linken Hand außerhalb der Zuglinie; die flackernde Doppelreihe der Kerzen erblich fast vor dem Schimmer des Tageslichtes. Zunächst kamen das Seminar, die Pfarreien, die Kollegialkirchen, denen die Geistlichen und Benefiziare der Kathedrale, sowie die Kanoniker mit weißen Meßgewändern um die Schultern folgten. In ihrer Mitte gingen die Kirchensänger in Chorröcken von roter Seide; sie hatten mit lauter Stimme den Vorgesang angestimmt, auf den die gesamte Geistlichkeit in leisen Tönen antwortete. Klar und rein erscholl der Lobgesang: Fange, lingua; durch die Straßen ging das Rauschen des Musselins, und um die Häuserreihen flatterten die Meßgewänder, von denen die kleinen Flammen der Wachslichte sich wie Sternchen aus mattem Golde abhoben.

Die heilige Agnes, flüsterte Angelika.

Sie lächelte der Heiligen, die vier Diener der Kirche auf einer blausamtenen, mit Spitzen besetzten Tragbahre vorüberführten, freundlich zu. Jedes Jahr, wenn die Heilige aus dem Schatten heraustrat, in dem sie seit Jahrhunderten wachte, erstaunte Angelika, daß sie ihr am Tageslicht und unter ihrem Kleide von langen Goldhaaren ganz verändert vorkam. Das Bildnis war so alt, und doch erschien ihr die Agnes mit ihren kleinen Händen, ihren schwächlichen Füßchen, ihrem schmalen, vom Alter geschwärzten Mädchenantlitz wie im Prangen der ersten Jugend.

Jetzt mußte Hochwürden kommen. Man hörte schon in dem Innern der Kirche die Ketten der Weihrauchgefäße klirren.

Eifriges Flüstern durchlief die Reihen der Zuschauer.

Hochwürden ... Hochwürden, wiederholte auch Angelika.

Während das junge Mädchen seine Augen auf die Heilige heftete, erinnerte es sich in dieser Minute der alten Geschichte von den Herren von Hautecoeur, die dank der Vermittlung der heiligen Agnes Beaumont von der Pest befreiten, wie Johann V. und alle Mitglieder seines Stammes sich ehrerbietig vor jener neigten und ihr Bildnis verehrten. Angelikas Augen sahen einen nach dem anderen von den Edelherren des Wunders wie eine Reihe Prinzen an sich vorüberziehen.

Ein breiter Raum war leer geblieben. Als erster erschien ein Kaplan mit dem vor sich hingehaltenen Bischofsstab, dessen gekrümmtes Ende ihm zuneigte. Zwei rückwärtsschreitende, die Gefäße in kurzen Schwingungen haltende Rauchfaßträger kamen hinterdrein, einem jeden zur Seite ging ein Altardiener ebenfalls mit dem Weihrauchgefäß. Der große purpurne Baldachin mit den Goldfransen kam kaum durch die eine der Toröffnungen. Aber schnell stellte sich die Ordnung wieder her, die dafür bestimmten Würdenträger ergriffen die Tragstäbe. Inmitten seiner Ehrendiakone schritt entblößten Hauptes der Bischof; die weiße Schärpe bedeckte seine Schultern und fiel über seine Hände, die das heilige Sakrament hoch trugen, ohne es zu berühren.

Die Rauchfaßträger schritten vorüber, und die Weihrauchkessel flogen unter dem silbernen Geklirr ihrer Kettchen im Takte auf und nieder.

Wo hatte Angelika doch gleich jemand gesehen, der Hochwürden ähnlich sah? Die Köpfe der Anwesenden neigten sich tief vor dem höchsten Priester. Auch Angelika beugte ihren Kopf, doch nicht so tief, um den Bischof nicht von der Seite beobachten zu können. Er war hochgewachsen, von schlanker, edler Haltung und schaute für seine 60 Jahre noch jugendlich aus. Seine Adleraugen leuchteten, seine etwas starke Nase erhöhte den gebietenden Ausdruck seines Gesichtes, der durch die dichten, weißen Locken seines Hauptes etwas gemildert wurde. Ihr fiel die blasse Farbe seines Gesichtes auf, in das gerade in diesem Augenblicke ein Blutstrom zu dringen schien. Vielleicht war es auch nur der Abglanz der großen goldenen Sonne, die er in den umhüllten Händen trug, und die ihn mit einem geheimnisvollen Schimmer umgab.

Durch den Anblick Hochwürdens erwachte in der Tat in ihr die Erinnerung an ein ähnliches Gesicht. Der Bischof hatte mit dem ersten Schritt einen Psalm begonnen, dessen Verse er mit leiser Stimme, abwechselnd mit seinen Diakonen absang. Sie erzitterte, als sie seine Blicke auf ihr Fenster gerichtet sah, diese Blicke, die Strenge und hochmütige Kälte zu zeigen und die Nichtigkeit jeder Leidenschaft zu predigen schienen. Seine Augen schweiften zu den drei Stickereien hinüber, zur Maria, wie sie der Engel aufsucht, zur Maria am Fuße des Kreuzes und zur Maria, die gen Himmel fährt. Seine Blicke erhellten sich, dann senkten sie sich fest auf Angelika, ohne daß diese in ihrer Verwirrung anzugeben wußte, ob die anders gewordene Färbung seiner Augen einem Gefühle der Hartherzigkeit oder der Güte entsprang. Gleich darauf aber waren sie wieder auf das heilige Sakrament gerichtet und starrten unbeweglich, wie erloschen in dem Widerscheine der großen goldenen Sonne. Die Weihrauchkessel hoben und senkten sich unter dem Geklirr ihrer silbernen Kettchen, und ein schwaches Weihrauchwölkchen stieg in die Lüfte.

Angelikas Herz schlug zum Zerspringen. Hinter dem Thronhimmel bemerkte sie soeben die Mitra, die heilige Agnes entzückt von zwei Engeln zum Himmel getragen, das Werk, in das Faden um Faden ihre Liebe hineingestickt war; ein Kaplan trug es ehrfürchtig, seine Hände bedeckte ein Schleier, als halte er einen heiligen Gegenstand. Dort unter den Laien in der Flut der Beamten, Offiziere und Magistratspersonen erkannte sie in der ersten Reihe Felix im schwarzen Rock. Schlank und blond mit seinen lockigen Haaren, seiner geraden, etwas starken Nase, seinen dunklen, in stolzer Milde strahlenden Augen kam er einher. Sie hatte ihn erwartet und fühlte sich nicht im mindesten überrascht, ihn endlich in einen Prinzen verwandelt zu sehen. Auf den ängstlichen Blick, den er ihr zuwarf und in dem die Bitte um Verzeihung für seine Lüge enthalten war, antwortete sie mit einem freudigen Lächeln.

Halt! sagte Hubertine leise, ist das dort nicht unser junger Mann?

Auch sie hatte Felix erkannt und fühlte sich sehr beunruhigt, als sie sich umwendend ihre Tochter wie verwandelt sah.

Er hat uns also belogen? ... Weißt du, warum? ... Weißt du, wer der junge Mensch ist?

Ja, Angelika wußte es vielleicht. Eine innere Stimme gab ihr bereits Antwort auf diese Fragen. Aber sie wagte es nicht und wollte nicht weiter sich fragen. Sie würde schon von selbst Gewißheit erhalten, wenn es an der Zeit war. Sie fühlte in einer Anwandlung von Stolz und Leidenschaftlichkeit, daß diese Zeit nicht mehr fern sei.

Was gibt es denn? fragte Hubert und beugte sich zu seiner Frau vor.

Niemals war er bei der Sache. Als Hubertine ihm den jungen Mann zeigte, erinnerte er sich seiner nicht einmal.

Er? Ach, unmöglich!

Hubertine tat jetzt, als habe sie sich geirrt. Das war das Gescheiteste, inzwischen wollte sie nähere Erkundigungen einziehen. Die Prozession, deren Zug sich gestaut hatte, solange Hochwürden unter dem grünen Dache des Altars an der Ecke mit dem heiligen Sakrament den Segen erteilte, setzte sich wieder in Bewegung. Angelika, deren Hand unbewußt in ihrem Körbchen ruhte, raffte den letzten Rest der Rosenblätter zusammen und warf sie in ihrer entzückenden Verwirrung genau in dem Augenblick, als Felix weiterging. Die Rosenblätter regneten hernieder, und zwei sich langsam wiegende Blättchen ließen sich auf seinen Haaren nieder.

Damit war die Geschichte vorüber. Der Baldachin war um die Ecke der Großen Straße verschwunden, ihm nach flutete das Ende des Zuges. Das Straßenpflaster blieb leer, wie eingeschläfert in dem Traum des Glaubens, in der etwas zu scharfen Ausdunstung der gestampften Rosenblätter zurück. Aus der Ferne tönte immer schwächer das silberne Geklirr der Kettchen herüber, die nach jedem Schwünge der Weihrauchkessel zusammenklappten.

Willst du mit mir in die Kirche gehen, Mutter, um den Zug zurückkommen zu sehen? fragte Angelika.

Hubertines erste Regung war eine Weigerung. Dann aber empfand sie selbst einen so mächtigen Drang nach Gewißheit, daß sie einwilligte.

Ja, sogleich, wenn es dir Vergnügen macht.

Allein man mußte Geduld haben. Angelika blieb nicht einen Augenblick ruhig an einem Platze, nachdem sie ihren Hut aus ihrem Zimmer geholt hatte. Jede Minute eilte sie an das offen gebliebene Fenster; sie blickte nach dem Ende der Straße und erhob die Augen, als wolle sie den Himmel selbst befragen. Dabei sprach sie laut vor sich hin und folgte der Prozession Schritt für Schritt.

Sie steigen die Untere Gasse hinunter ... Jetzt müssen sie auf den Platz der Unter-Präfektur gelangen ... Die weiten Wege in der Stadt wollen gar kein Ende nehmen ... Was für ein Vergnügen können diese Leinwandkrämer an dem Anblick der heiligen Agnes haben!

Ein rosiges Wölkchen, von einem goldigen Gitter zart durchschnitten, schwamm in der Luft. Diese Unbeweglichkeit der ganzen Atmosphäre schien auf die Aufhebung des gesamten weltlichen Lebens zu deuten, solange Gott seinem Hause fern war; ein jeder wartete auf seine Rückkehr, um seinen täglichen Beschäftigungen wieder nachgehen zu können. Die blauen Tuche des Goldschmiedes, die roten Vorhänge des Wachshändlers gegenüber verkleideten noch immer die Läden. Die Straßen schienen zu schlafen, von der einen zur anderen zog nur die langsame Wallfahrt der Geistlichkeit; die Zeit der Ankunft des Zuges an allen Punkten der Stadt ließ sich leicht erraten.

Ich versichere dich, Mutter, sie sind jetzt an der Ecke der Magloire-Straße. Sie werden jetzt den Abhang hinaufsteigen.

Angelika log, denn es war erst sechseinhalb Uhr, die Prozession konnte vor siebeneinviertel Uhr nicht wieder vor der Kirche eintreffen. Sie wußte ganz gut, daß der Baldachin jetzt erst am unteren Hafen des Ligneul entlang getragen wurde. Aber sie hatte es einmal eilig.

Beeilen wir uns, Mutter, wir finden keinen Platz mehr.

Gut, so komm, sagte schließlich Hubertine und lächelte wider Willen.

Ich bleibe hier, erklärte Hubert. Ich werde die Stickereien abhaken und den Tisch zurechtmachen.

Die Kirche erschien fast leer, da Gott nicht mehr darin hauste. Alle Türen waren offen geblieben wie die eines vor der erwarteten Rückkehr des Hausherrn in Unordnung befindlichen Hauses. Nur wenige Leute betraten die Kirche; der Hauptaltar, ein ernster Sarkophag im romanischen Stil, strahlte allein mit seinen angezündeten Wachslichtern im Hintergrunde des Schiffes. Die übrigen Teile des ungeheuren Raumes, die Seitenschiffe, die Kapellen hüllten sich unter dem Einflüsse der Dämmerung in tiefe Nacht.

Angelika und Hubertine wandelten langsam umher. In der Tiefe kroch das Gebäude in sich zusammen, kurze Pfeiler trugen die Vollbogen der Apsis. Sie gingen an den dunklen Kapellen vorbei, die wie Grüfte in der Tiefe ruhten. Als sie an der Haupttür unter dem Gebälk, welches die Orgel trägt, vorüberschritten, atmeten sie wie erleichtert auf; denn ihre Augen konnten dort zu den hohen gotischen Fenstern des Schiffes hinaufstreifen, die sich über dem schwerfälligen romanischen Unterbau erhoben. Als ihr Weg sie aber weiter an der südlichen Seite vorüberführte, ergriff sie das Gefühl der Beklemmung von neuem. Beim Kreuze des Transepts trugen vier Säulen in den vier Winkeln die Kuppel, hier herrschte noch ein fahler Lichtschimmer, der Tag nahm von den Rosetten der Seitenwand Abschied. Die beiden Frauen waren die drei Stufen zum Chor hinaufgestiegen und kehrten rund um die Apsis, den ältesten Teil des Bauwerkes zurück, der einer eingesunkenen Grabstätte ähnelte. Sie blieben einen Augenblick vor dem alten, sehr kunstvoll gearbeiteten Gitter stehen, das den Chor vollständig abschloß, um den Hauptaltar funkeln zu sehen, dessen kleine Flammen sieh in dem alten, polierten Eichenholze der Chorstühle widerspiegelten, dieser wundervollen, mit Schnitzereien überladenen Möbel. So kehrten sie wieder zu dem Punkte zurück, wo sie ihren Rundgang angetreten hatten; sie erhoben das Haupt und glaubten, den Hauch zu verspüren, der durch das Schiff wehte, während in der wachsenden Dunkelheit die alten Mauern, an denen noch hier und da Überreste von Goldschmuck und Malereien ausbleichten, zurückzutreten und sich zu weiten schienen.

Ich wußte gleich, daß wir zu früh kommen würden, meinte Hubertine.

Wie mächtig ist doch das! sagte Angelika halblaut, ohne darauf zu antworten.

Ihr schien es, als habe sie das Innere der Kirche nie gekannt, als sehe sie es jetzt zum erstenmal. Ihre Augen schweiften über die steifen Sitzreihen und hefteten sich auf die Kapellen, deren Gruftsteine man nur noch vermuten konnte, weil dort der Schatten sich doppelt dicht lagerte. Ihr Blick begegnete auch der Kapelle Hautecoeur, sie erkannte das neulich ausgebesserte Fenster mit dem heiligen Georg, der in dem entschwindenden Lichte des Tages flüchtig wie eine Erscheinung aufstieg. Es freute sie, ihn zu sehen.

In diesem Augenblick durchlief ein gewaltiges Erzittern die Kathedrale. Die große Glocke hub wieder zu läuten an.

Ah, sagte Angelika, sie kommen jetzt die Magloire-Straße herauf.

Diesmal sprach sie die Wahrheit. Ein Menschenstrom ergoß sich durch die Seitenschiffe, und man fühlte von Minute zu Minute deutlicher das Herannahen der Prozession. Immer stärker, mächtiger drang der breite Luftstrom durch die weit geöffneten Flügel der Haupttür bei den Schwingungen der Glocke herein. Gott kehrte heim.

Angelika stützte sich auf Hubertines Schulter und hob sich auf die Fußspitzen, um durch die offene Tür zu blicken, deren Rundung sich scharf von der auf dem Klosterplatz herrschenden Dämmerung abhob. Zuerst erschien der Unterdiakonus mit dem Kreuze und den ihn begleitenden, Feuerbecken tragenden Gehilfen; ihnen schloß sich der Festordner, der gute Abt Cornille an, der außer Atem und völlig ermüdet anlangte. Auf der Schwelle der Kirche zeichnete sich jeder Ankömmling eine Minute lang in scharfen Umrissen ab, dann tauchte er in die im Innern herrschende Finsternis unter. Es kamen die Laien, die Schulen, die Vereine, die Brüderschaften, deren wie Segel wehende Banner plötzlich von der Dunkelheit verschlungen wurden. Man sah die bleiche Gruppe der Töchter der heiligen Jungfrau wieder, sie zog unter dem Klange eines geistlichen Liedes in die Kirche ein. Die Kathedrale verschluckte immer mehr Menschen, und trotzdem füllte sich das Schiff nur langsam; die Männer traten auf die rechte, die Frauen auf die linke Seite. Mit der Nacht war es jetzt vorbei, der Platz füllte sich von fernher mit Hunderten von beweglichen Leuchten. Das waren die flackernden Kerzen der Geistlichkeit, eine ordnungslose Doppellinie von gelblichen Flammen schwebte durch die Tür in die Kirche. Die Kerzen nahmen gar kein Ende, sie folgten und vervielfältigten sich, denn es trafen das Seminar, die Pfarrer der Kathedrale, die Sänger unter Gesang, die Domherren mit ihren weißen Talaren nacheinander ein. Die Kirche erhellte sich mehr und mehr und bevölkerte sich mit diesen Flammen; wie am sommerlichen Nachthimmel die Sterne, so tauchten plötzlich Hunderte von leuchtenden Kerzen in ihr auf.

Zwei Stühle waren unbesetzt, Angelika bestieg den einen.

Komm herab, sagte Hubertine, das Besteigen der Sitze ist verboten.

Warum verboten? Das möchte ich einmal sehen ... Wie schön ist das!

Sie ruhte nicht eher, bis die Mutter auf den zweiten Stuhl stieg.

Jetzt funkelte die ganze Kathedrale im glühenden Lichte. Diese Unmenge von Lichtern warf ihren Widerschein bis tief in die Gewölbe der niedrigen Seitenteile, bis in den Hintergrund der Kapellen, wo die Hülle eines Reliquienkästchens oder das Gold eines Tabernakels in ihrem Scheine aufleuchteten. Die Strahlen drangen bis in den Hintergrund der Apsis und in die Grüfte. Der Chor mit seinem flimmernden Altar, seinen leuchtenden Chorstühlen, dem alten Gitter, dessen Einsatzrosen sich schwarz abhoben, flammte auf. Immer deutlicher trat das Schiff hervor, unten mit seinen stämmigen und Vollbogen tragenden Pfeilern, oben mit seinem Wald von sich verjüngenden, unter den Schwibbogen des Gewölbes aufblühenden Säulchen. Alles strebte zum Glauben und zur Liebe empor wie die Strahlen des Lichtes selbst.

In das Schlurren der Tritte, in das Rutschen der Stühle hinein tönte von neuem das helle Geklirr der Ketten an den Weihrauchgefäßen. Die Orgel erbrauste plötzlich in mächtigen Klängen, die das Gewölbe wie mit dem Grollen des Donners erfüllten. Hochwürden betrat die Kirche. Die heilige Agnes schwebte jetzt, noch immer von den vier Priestern getragen, zur Apsis zurück; ihr Antlitz leuchtete beim Scheine der Wachskerzen wie befriedigt über die Rückkehr zu ihren vierhundertjährigen Träumen. Unter Vortritt des Hirtenstabes und gefolgt von der Mitra kehrte der Bischof heim; seine noch immer verhüllten Hände trugen genau in derselben Haltung das Sakrament. Der Thronhimmel nahm seinen Weg durch die Mitte des Schiffes und stand vor dem Gitter des Chores still. Dort entstand ein kleines Durcheinander, denn die Personen des Gefolges drängten sich um den Bischof.

Seitdem Felix hinter der Mitra aufgetaucht war, verließen Angelikas Augen ihn nicht mehr. Einmal befand er sich rechts vom Baldachin, so daß ihr Blick gleichzeitig das weiße Haupt Hochwürdens und den blonden Kopf des Jünglings umfassen konnte. Ein Strahl zuckte wie der Blitz unter ihren Wimpern auf, sie faltete die Hände und sagte ganz laut:

Hochwürden! Der Sohn Hochwürdens!

Ihr Geheimnis war ihr entschlüpft. Es war ein unfreiwilliger Ruf, das jähe Auftauchen der Ähnlichkeit beider hatte ihr endlich Gewißheit verschafft. Vielleicht hatte sie es schon geahnt, aber nie hätte sie anzudeuten gewagt, womit sie jetzt herausplatzte.

Aus allen Winkeln ihres Gedächtnisses, ihres Innern stiegen die Erinnerungen in ihr auf und wiederholten den Ruf.

Dieser Jüngling der Sohn Hochwürdens? flüsterte Hubertine betroffen.

Um sie drängten sich die Leute. Man erkannte und bewunderte sie, die Mutter noch immer liebenswert in ihrem einfachen Leinenkleide, die Tochter im weißen, sich wie Federn anschmiegenden Seidenkleide von erzengelhafter Schönheit. Sie waren so schön und auf ihren erhöhten Plätzen so deutlich zu sehen, daß aller Blicke sich erhoben und bewundernd auf ihnen ruhten.

Natürlich, beste Frau, sagte die alte Lemballeuse, die dicht neben Hubertine stand, er ist der Sohn Hochwürdens! Wie? Sie wußten es noch nicht? ... Ein hübscher, junger Mann und so reich, so reich! Er könnte die ganze Stadt kaufen, wenn er wollte. Millionen über Millionen hat er!

Hubertine hörte bleichen Antlitzes zu.

Sie haben doch von der Geschichte gehört? fuhr die Bettlerin fort. Seine Mutter starb bei seiner Geburt, damals wurde Hochwürden Priester. Jetzt erst hat er sich entschlossen, den Sohn zu sich zu nehmen. Felix VII. von Hautecoeur heißt er eigentlich wie ein richtiger Fürst!

Hubertine konnte eine Regung des Kummers nicht unterdrücken. Angelika aber strahlte, denn ihr Traum erfüllte sich jetzt. Sie erstaunte im übrigen nicht weiter, denn sie wußte bereits, daß er der Reichste, Schönste und Edelste sein mußte ... Aber ihre Freude war trotzdem eine ungeheure, vollkommene; sie machte sich keine Sorge um Hindernisse, die sie überhaupt nicht voraussah. Endlich gab auch er sich zu erkennen. Das Gold rieselte beim Scheine der flackernden Kerzen, die Orgel erbrauste im Hochzeitsjubel, die Ahnenreihe der Hautecoeurs zog in königlicher Pracht herauf aus der Welt der Sage: Norbert I., Johann V., Felix III., Johann XII., bis hinauf zu Felix VII., der ihr sein blondes Haupt zuwandte. Er war der Nachkomme der Vettern der heiligen Jungfrau, der Meister, der herrliche Jesus, der sich neben seinem Vater in seinem Ruhme sonnte.

Felix lächelte ihr soeben zu, und so bemerkte sie nicht den bösen Blick Hochwürdens, der sie auf ihrem Stuhle mit ihrem feuerroten Gesicht, auf dem Stolz und Liebe sich ausprägten, über die Menge hinausragen sah.

Mein armes Kind, seufzte Hubertine verzweifelt.

Die Kaplane und Gehilfen hatten sich inzwischen rechts und links aufgestellt, der erste Diakonus hatte aus den Händen des Bischofs das heilige Sakrament empfangen und auf den Altar gestellt. Der Schlußsegen begann, die Sänger stimmten das Tantum ergo an, der Weihrauch dampfte in den Kesseln, tiefe Stille zum Gebet trat ein. Inmitten der erglühenden, von der Geistlichkeit und dem Volke übervollen Kirche, unter der erhaben sich wölbenden Kuppel stieg Hochwürden zum Altar empor. Mit beiden Händen ergriff er die große goldene Sonne, und dreimal hob er sie im Zeichen des Kreuzes langsam in die Luft.


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