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Siebentes Kapitel.

Gervaises Namenstag fiel auf den neunzehnten Juni. An solchen Festtagen wurde bei den Coupeaus das Unterste zu oberst gekehrt; da wurden Fressereien veranstaltet, von denen alle wie genudelt aufstanden, da sie sich den Bauch für die ganze Woche voll geschlagen hatten. Da wurde alles Geld verputzt bis auf den letzten Sou. Sowie man ein paar Franken im Hause hatte, wurden sie verjubelt. Man suchte im Kalender nach neuen Heiligen, um nur einen Vorwand für eine Fresserei zu haben. Virginie bestärkte Gervaise noch darin, sich möglichst viel Gutes anzutun. Wenn man einen Mann habe, der alles vertrinke, sei es ja ein gutes Werk, wenn man sich erst einmal den Magen ordentlich voll schlage, ehe das ganze Vermögen für Flüssigkeiten weggehe. Da das Geld doch einmal vergeudet wurde, war es da nicht ebensogut, wenn man den Fleischer etwas verdienen ließ, wie wenn alles zum Weinhändler ging? Und Gervaise, leckermäulig wie sie war, begnügte sich mit dieser Entschuldigung. Was konnte sie dafür? War es nicht Coupeaus Schuld, wenn sie nicht einen roten Heller ersparen konnten? Sie war noch fetter geworden und hinkte stärker, weil ihr Bein im Verhältnis, wie es an Fett zunahm, immer kürzer zu werden schien.

In diesem Jahre sprach man schon einen Monat vorher von dem Feste. Man beriet, was gekocht werden sollte, und ließ sich schon im voraus das Wasser im Munde zusammenlaufen. Im ganzen Laden hatten alle eine ganz verdammte Lust zu schmausen und zu jubilieren. Diesmal mußte es eine ganz tolle Geschichte geben, so etwas Gelungenes, was man nicht alle Tage sah. Mein Gott! es war ja nicht alle Tage Sonntag! Die größte Schwierigkeit für die Wäscherin war zu überlegen, wen sie alles einladen sollte; sie wollte gern zwölf Personen zu Tisch haben, nicht mehr und nicht weniger. Sie, ihr Mann, Mama Coupeau, Madame Lerat, das machte schon vier Personen, die zur Familie gehörten, dann würde sie die Goujets und die Poissons bitten. Zuerst hatte sie beschlossen, ihre Arbeiterinnen, Madame Putois und Clemence, nicht einzuladen, um sich nicht allzu vertraulich mit ihnen zu machen; aber da immer in ihrer Gegenwart von dem Feste gesprochen wurde und sie immer längere Gesichter bekamen, sagte sie ihnen schließlich, daß sie auch kommen sollten. Vier und vier, waren acht, und zwei, machte zehn. Da sie durchaus ihre zwölf Personen vollzählig haben wollte, so versöhnte sie sich mit den Lorilleux', die schon seit einiger Zeit um sie herumschwänzelten; es wurde abgemacht, daß die Lorilleux' zum Essen herunterkämen und daß man mit dem Glase in der Hand Frieden schließen wolle. Man konnte doch mit der Familie nicht fortwährend böse spielen. Dann stimmte auch der Gedanke an das Fest alle Herzen versöhnlich. Das war eine Gelegenheit, die man unmöglich von der Hand weisen konnte. Als die Boches von der beabsichtigten Aussöhnung Kenntnis erhielten, versuchten auch sie, sich Gervaise durch Artigkeit und verbindliches Lächeln wieder zu nähern, so daß man sie bitten mußte, mit von der Partie zu sein. Da waren es schon vierzehn, die Kinder ungerechnet. Niemals hatte sie ein solches Gastmahl gegeben; das machte sie ganz verwirrt und stolz zu gleicher Zeit.

Das Fest fiel gerade auf einen Montag. Das war sehr glücklich. Gervaise rechnete darauf, am Sonntag nachmittag mit dem Kochen anzufangen. Am Sonnabend, während die Plätterinnen die Arbeit besorgten, entspann sich im Laden eine lange Unterhaltung, um endgültig festzustellen, was man essen werde. Ein einziges Gericht war schon seit drei Wochen von allen gebilligt: eine fette, gebratene Gans. Von der sprach man mit lüsternen Augen. Die Gans war sogar schon gekauft. Mama Coupeau brachte sie herein, um sie von Clemence und Madame Putois abschätzen zu lassen. Da war nur ein Schrei der Bewunderung, so riesengroß erschien das Tier mit seiner dicken Haut, welche die gelben Fettpolster schwellen ließen.

»Vorher gibt man Suppenfleisch, nicht wahr?« sagte Gervaise. »Eine gute Bouillon und ein Stückchen Suppenfleisch, das tut immer gut... Dann müssen wir eine Schüssel mit einer Soße haben.«

Die große Clemence schlug Kaninchen vor; aber das aß man nicht, jeder war seiner überdrüssig. Gervaise dachte an etwas Vornehmeres. Als Madame Putois von einem Kalbsfrikassee gesprochen hatte, sahen sie einander immer befriedigender lächelnd an. Das war ein Gedanke! Nichts werde so viel Aufsehen machen, wie ein Kalbsfrikassee!

»Nachher«, meinte Gervaise, »müssen wir noch eine solche Schüssel haben.«

Mama Coupeau dachte an Fisch. Aber die anderen schnitten Gesichter und setzten ihre Eisen fester auf. Niemand wollte etwas von Fisch wissen; das fühlte man nicht im Magen und war voller Gräten. Die schielende Augustine wagte sofort zu bemerken, daß sie gern Rochen esse, aber Clemence schloß ihr sofort mit einem Rippenstoß den Schnabel. Endlich hatte die Meisterin etwas gefunden, das aller Welt die Gesichter verklärte: einen Schweinsrücken mit Kartoffeln, als Virginie wie ein Wirbelwind mit erregtem Gesicht hereinkam.

»Gut, daß Ihr kommt!« rief Gervaise. »Mama Coupeau, zeigt ihr doch das Tier!«

Da ging Mama Coupeau und holte zum zweiten Male die fette Gans, die Virginie in ihre Hände nehmen mußte. Sie war entzückt. Potztausend! war die schwer! Aber sie legte sie gleich auf den Rand des Arbeitstisches zwischen einen Unterrock und ein Paket Hemden. Andere Dinge beschäftigten sie, deshalb führte sie Gervaise in das Hinterzimmer.

»Hört doch, meine Liebe,« murmelte sie hastig, »ich muß Euch etwas mitteilen ... Ihr ahnt nicht, wen ich da unten am Ende der Straße getroffen habe? Lantier, meine Beste! Er spioniert da umher und paßt auf ... Ich bin deshalb gleich gekommen. Es hat mich Euretwegen besorgt gemacht, Ihr versteht mich doch?«

Die Wäscherin war ganz blaß geworden. Was wollte denn der Unglückliche von ihr? Gerade jetzt stolperte er ihr mitten in die Vorbereitungen zu ihrem Feste hinein. Sie hätte auch nie ein bißchen Glück gehabt, nie konnte sie ein Vergnügen ruhig genießen. Aber Virginie sagte ihr, daß sie sich daran doch nicht kehren solle. Ei der Tausend! Wenn Lantier sich einfallen lassen solle, sie zu belästigen, werde sie einen Polizeisergeanten holen und ihn einlochen lassen. Seit einem Monat, wo ihr Mann seine Stelle als Stadtsergeant bekommen hatte, nahm die große Brünette ein sehr schneidiges Wesen an und sprach davon, jedermann einstecken zu lassen. Mit erhobener Stimme sprach sie davon, wie sie wünschte, daß sich auf der Straße doch einmal jemand an ihr vergreifen möge, nur damit sie den Unverschämten selbst zur Wache bringen und an Poisson ausliefern könne. Gervaise bat sie mit einer Handbewegung, sich doch zu mäßigen, die Arbeiterinnen könnten alles hören. Sie ging zuerst wieder in den Laden, dort sagte sie mit erheuchelter Ruhe:

»Müssen wir ein Gemüse haben?«

»Was meint Ihr zu grünen Schoten mit Speck?« sagte Virginie. »Ich esse nichts lieber als das.«

»Ja, ja, grüne Schoten mit Speck!« jubelten alle anderen, während Augustine vor Entzücken den Feuerhaken immer tiefer in den Ofen steckte.

Am nächsten Tage war Sonntag. Seit drei Uhr hatte Mama Coupeau die beiden Öfen im Hause in Brand gesetzt und noch einen dritten tragbaren Kochofen von den Boches geborgt. Um halb vier kochte das Suppenfleisch in einem großen Kochtopf, den der Wirt von nebenan geborgt hatte, weil der gewöhnliche Kochtopf zu klein erschien. Man hatte sich dafür entschieden, das Kalbsfrikassee und den Schweinsrücken am Tage zuvor zu bereiten, weil diese Schüssel aufgewärmt besser schmecke, nur die Soße zum Frikassee sollte erst gemacht werden, wenn man sich zu Tische setze. Dann blieb immer noch genug für den Montag zu tun übrig, die Suppe, die Schoten mit Speck und der Gänsebraten. Das Hinterzimmer war ganz hell von den drei Kochfeuern. Die braune Butter prasselte in den Töpfen, und es verbreitete sich ein starker Dunst von angebranntem Mehl, während der große Bouillonkessel wie eine Dampfmaschine regelmäßige Dampfwolken ausstieß, wobei seine Wände erzitterten, ehe sich mit Gurgelgeräusch der Deckel hob. Mama Coupeau und Gervaise, jede mit einer weißen Schürze, erfüllten den Raum mit ihrer hastigen Tätigkeit; sie putzten Petersilie, liefen nach Pfeffer und Salz, oder wandten mit hölzernen Gabeln das Fleisch um. Sie hatten Coupeau den Stuhl vor die Tür gesetzt, um ihn los zu sein; aber sie hatten trotzdem den ganzen Nachmittag Leute genug, die ihnen im Wege standen. Die Kocherei roch so gut, aus dem Hause kamen die Nachbarn einer nach dem andern und traten unter irgendeinem Vorwand näher, nur um zu wissen, was gekocht wurde; sie pflanzten sich da auf und warteten, bis die Wäscherin einmal die Deckel aufheben mußte. Gegen fünf Uhr erschien Virginie, sie hatte schon wieder Lantier gesehen, man konnte keinen Fuß mehr auf die Straße setzen, ohne ihn zu treffen. Auch Madame Boche hatte ihn soeben mit seinem listigen Gesicht an der Ecke auf dem Bürgersteig stehen sehen. Nun erfaßte Gervaise ein Zittern; sie hatte eben zu der Bouillon für einen Sou Zwiebel holen wollen, aber jetzt wagte sie nicht auszugehen, um so weniger, als die Pförtnersfrau und die Näherin schreckliche Geschichten von Männern erzählten, die auf Frauen warteten und unter ihren Überziehern Messer und Pistolen verborgen hätten. Nun ja! man las davon alle Tage in den Zeitungen; wenn sich so einer einmal in den Kopf gesetzt hat, seine alte Liebe wieder besitzen zu wollen, da ist er zu allem fähig. Virginie erbot sich in liebenswürdiger Weise, die Zwiebel zu holen. Man mußte sich doch helfen unter Frauen und durfte doch die arme Kleine nicht umbringen lassen. Als sie zurückkam, sagte sie, daß Lantier nicht mehr da sei, er werde sich wohl davon gemacht haben, weil er sich entdeckt sah. Bei der Unterhaltung um die Kochöfen herum wurde viel von ihm gesprochen bis zum Abend. Als Madame Boche den Rat gab, Coupeau von der Sache zu verständigen, zeigte sich Gervaise sehr erschreckt und bat, man möge doch gegen ihn nie ein Wort von diesen Dingen fallen lassen. Das wäre eine schöne Geschichte! Ihr Mann müsse schon so etwas vermuten, denn seit einigen Tagen fluche er, wenn er zu Bette gehe und schlage mit den Fäusten gegen die Wand. Der Gedanke, daß die beiden Männer ihretwegen aneinandergeraten könnten, ließ sie erzittern; sie kenne Coupeau, er sei eifersüchtig genug, um über Lantier mit seinen Scheren herzufallen. Während sich so alle vier in dieses Gespräch vertieften, prasselten die Soßen auf den mit Asche bedeckten Öfen ganz leise. Als Mama Coupeau von dem Frikassee und dem Schweinsrücken die Deckel abnahm, gab es ein kleines Geräusch, so ein heimliches Zittern; der große Bouillonkessel schnarchte noch immer wie ein eingeschlafener Küster, dem die Sonne auf den Bauch scheint. Schließlich schöpften sie sich jede eine Tasse Bouillon ab, um zu kosten.

Endlich war der Montag da. Jetzt, wo Gervaise vierzehn Personen zu Tische haben sollte, fürchtete sie, nicht alle unterbringen zu können. Sie entschloß sich, im Laden zu decken. Vom Morgen an ging sie mit einem Metermaß umher, um zu sehen, wie sie den Tisch stellen mußte; darin mußte die Wäsche beiseite geschafft und der Arbeitstisch abgeräumt werden, denn auf dem Arbeitstisch, den man auf andere Böcke setzte, sollte gegessen werden. Gerade mitten in diese Kramerei hinein kam eine Kundin und machte Lärm, weil sie schon seit Freitag vergebens auf ihre Wäsche wartete; es schien, als ob man sich gar nicht um sie bekümmere, sie wolle augenblicklich ihre Wäsche haben. Da entschuldigte sich Gervaise und log mit großer Sicherheit; es sei gewiß nicht ihre Schuld, aber ihr Laden werde reingemacht, und die Arbeiterinnen kämen erst morgen wieder. So gelang es ihr, die Kundin beruhigt wegzuschicken, nachdem sie ihr versprochen, zuerst an sie zu denken. Als sie fort war, fielen böse Redensarten. Ist es denn nicht wahr? wenn man nur auf die Kunden höre, so dürfe man sich selbst nicht die Zeit zum Essen nehmen, da müsse man sich sein ganzes Leben lang schinden nur ihrer schönen Augen wegen. Man sei doch am Ende auch kein Hund! Das fehle noch! Wenn der Großtürke in eigener Person gekommen wäre und ihr einen Kragen gebracht hätte, und wenn sie gleich hunderttausend Franken damit hätte verdienen können, an diesem Montag würde sie kein Plätteisen angerührt haben, denn an diesem Tage wolle sie auch einmal ein bißchen ihr Leben genießen.

Der ganze Morgen ging damit hin, die letzten Einkäufe zu machen. Dreimal ging Gervaise aus und kam jedesmal wie ein Maulesel beladen nach Hause. Eben als sie wieder gehen wollte, um den Wein zu bestellen, machte sie die Entdeckung, daß ihr Geld zu Ende war. Sie hätte den Wein ja sehr gut borgen können, aber man konnte doch wegen der vielen kleinen, unvorhergesehenen Ausgaben im Hause nicht ganz ohne Geld bleiben. In der Hinterstube besprach sie mit Mama Coupeau die traurige Lage der Dinge und berechnete mit ihr, daß sie wenigstens zwanzig Franken gebrauche. Wo sollten diese vier Hundertsousstücke herkommen? Mama Coupeau, die früher die Aufwartung für eine kleine Schauspielerin vom Theater Batignolles besorgt hatte, sprach zuerst vom Leihhause. Gervaise lachte erleichtert auf. Wie dumm von ihr, auch daran nicht zu denken! Schnell wickelte sie ihr schwarzes Seidenkleid in eine Serviette, die sie mit Stecknadeln zusammensteckte. Sie schob selbst das Paket der Mama Coupeau unter die Schürze und riet ihr, es ja recht platt vor ihren Bauch zu halten, damit die Nachbarn nichts davon merkten. An der Türe paßte sie auf, ob jemand auf die alte Frau achte. Doch als diese kaum bis zum Kohlenhändler gekommen war, rief sie sie zurück:

»Mama! Mama!«

Sie ließ sie wieder in den Laden kommen, zog ihren Trauring vom Finger und sagte:

»Hier, nehmt das dazu, da werden wir mehr bekommen!«

Als Mama Coupeau ihr fünfundzwanzig Franken brachte, hüpfte sie vor Freude. Schnell bestellte sie noch sechs Flaschen guten Wein nach, den man zum Braten trinken sollte. Nun mußten die Lorilleux' platzen. Seit vierzehn Tagen träumten die Coupeaus von nichts anderem, als die Lorilleux' vor Ärger bersten zu machen. Wie machten es denn diese Duckmäuser? Mann und Frau, fürwahr, ein nobles Paar! Wenn sie ein gutes Stück zu essen hatten, schlössen sie sich damit ein, als ob sie es gestohlen hätten. Ja, ja, sie hängten Decken vor die Fenster, damit das Licht nicht hindurchscheine und man glauben solle, sie schliefen. Natürlich, damit nur ja niemand nach oben käme. Da fressen sie dann ganz allein und stopfen sich hastig voll, ohne ein lautes Wort dabei zu reden. Selbst am nächsten Tage hüteten sie sich, die Knochen auf den Müll zu werfen, weil man daraus hätte schließen können, was sie gegessen haben. Madame Lorilleux ging bis ans Ende der Straße und warf alles in ein Abfalloch; eines Morgens hatte Gervaise sie dabei überrascht, wie sie ihren Korb dort ausleerte, der voller Austernschalen war. Nun, soviel war sicher, diese Geizhammel verstanden nicht zu leben, und alle ihre Manöver kommen nur daher, weil sie mit aller Gewalt für arme Leute gelten wollten. Denen werde man es einmal zeigen; denen werde man zeigen, daß man auch kein Hund sei. Wenn Gervaise gekonnt hätte, würde sie am liebsten den Tisch quer über die Straße weg gedeckt und jeden Vorübergehenden eingeladen haben, denn nicht wahr? das Geld ist doch nicht dazu erfunden, daß es im Kasten verschimmelt; es ist hübsch, wenn es so ganz neu in der Sonne blinkt. So wenig glich sie jetzt ihren Verwandten, daß an Tagen, wo sie nur zwanzig Sous hatte, sie so daraufloswirtschaftete, daß man glauben mußte, es seien vierzig.

Um drei Uhr deckten Mama Coupeau und Gervaise den Tisch und sprachen dabei von den Lorilleux'. Sie hatten vor dem Schaufenster große Vorhänge befestigt, aber da es warm war, blieb die Ladentür offen, und alle konnten von der Straße den gedeckten Tisch sehen. Die beiden Frauen setzten nicht eine Wasserflasche, nicht ein Glas oder einen Salznapf auf den Tisch, ohne darauf bedacht zu sein, die Lorilleux' nach Kräften zu ärgern. Sie hatten ihnen solche Plätze gegeben, daß sie die ganze wundervolle Entwicklung der Tafel übersehen mußten; sie hoben für sie das beste Geschirr auf, denn sie wußten wohl, daß die echten Porzellanteller sie grün und gelb vor Ärger machen würden.

»Aber, nicht doch, Mama!« rief Gervaise, »gib ihnen doch nicht die Servietten! Ich habe zwei, die mit Damast sind!«

»Desto besser!« murmelte die alte Frau, »dann ersticken sie sicher vor Ärger.«

Sie lächelten einander zu, wie sie so an den beiden Seiten des großen, weißen Tisches standen, auf dem die vierzehn aufgelegten Gedecke ihre Herzen vor Stolz schwellen ließen. Das war mitten im Laden wie eine Kapelle.

»Das ist ihnen ganz recht!« fing Gervaise wieder an, »warum sind sie solche Geizhammel! ... Ihr wißt doch, daß sie gelogen haben, als sie vorigen Monat überall erzählten, daß die Frau beim Arbeitabtragen ein Stück Kette verloren habe. Als ob die jemals etwas verlieren werde! ... Das war bloß so eine Finte, den Leuten etwas vorzujammern, um Euch nicht Eure hundert Sous geben zu brauchen.«

»Bis jetzt habe ich sie nur zweimal zu sehen bekommen, meine hundert Sous.«

»Paßt mal auf, ich will mit Euch wetten, nächsten Monat werden sie wieder eine andere Geschichte erfinden ... Darum verhängen sie auch ihre Fenster, wenn sie ein Kaninchen essen. Nicht wahr? man hätte doch das Recht, ihnen zu sagen: ›Wenn ihr Kaninchen essen könnt, dann könnt ihr auch eurer Mutter ihre hundert Sous geben.‹ Oh, das ekelhafte Pack! ... Was wäre wohl aus Euch geworden, wenn ich Euch nicht zu uns genommen hätte!«

Mama Coupeau nickte mit dem Kopfe. An diesem Tage war sie ganz gegen die Lorilleux' wegen des großen Essens, das die Coupeaus gaben. Sie liebte das Kochen, das Geschwätz bei den Schüsseln und die durch die Gastereien und Feste auf den Kopf gestellten Wirtschaften. Übrigens vertrug sie sich auch für gewöhnlich ganz gut mit Gervaise. An Tagen, wo sie einmal ein bißchen miteinander herumzankten, wie es in allen Haushaltungen vorkommt, brummte die alte Frau und hielt sich für kreuzunglücklich, daß sie so von ihrer Schwiegertochter abhängig sein mußte. In der Tiefe ihres Herzens hegte sie wohl noch Zärtlichkeit für Madame Lorilleux, die doch immerhin ihre Tochter war.

»Was meint Ihr? Ob Ihr bei denen auch so wohlgenährt wäret? Ohne Kaffee, ohne Tabak und hin und wieder einmal etwas Süßes! ... Meint Ihr, daß die zwei Matratzen für Euer Bett gegeben hätten?«

»Oh, gewiß nicht!« sagte Mama Coupeau. »Wenn sie kommen, werde ich mich der Tür gegenüberstellen, damit ich sehen kann, was sie für Gesichter machen.«

Diese Gesichter der Lorilleux' belustigten sie schon im voraus. Aber man durfte die Hände noch nicht in den Schoß legen und den gedeckten Tisch angucken. Coupeaus hatten erst sehr spät gefrühstückt, gegen ein Uhr, sie nahmen nur ein wenig kalten Aufschnitt, denn die drei Kochöfen waren besetzt, und sie wollten auch kein Geschirr mehr schmutzig machen, das alles schon für den Abend gewaschen war. Um vier Uhr hatten die Frauen die Kocherei ordentlich in den Gang gebrächt. Die Gans briet auf einem Eisenrost, den man auf der Erde gegen die Mauer zur Seite des geöffneten Fensters aufgestellt hatte; das Tier war so groß, daß man es mit Gewalt hatte in die Bratpfanne pressen müssen. Die schielende Augustine, die auf einer kleinen Fußbank saß, bekam den vollen Widerschein vom Feuer des Rostes und begoß mittels eines langstieligen Löffels die Gans mit großer Wichtigkeit. Gervaise beschäftigte sich mit den Speckerbsen. Mama Coupeau hatte über alle Gerüche völlig den Kopf verloren; sie trippelte umher und wartete auf den Augenblick, wo sie das Frikassee und den Schweinsrücken werde warmstellen können. Gegen fünf Uhr fingen die Gäste an zu kommen. Zuerst erschienen die beiden Arbeiterinnen, Clemence und Madame Putois, beide sonntäglich geschmückt, die erste in Blau, die andere in Schwarz; Clemence brachte einen Geraniumtopf, Madame Putois einen Heliotrop. Gervaise, die gerade ganz mehlige Hände hatte, mußte jeder von beiden einen ordentlichen Schmatz auf die Backe geben, wobei sie ihre weißen Hände so weit wie möglich nach hinten streckte. Ihnen auf dem Fuße folgte Virginie; sie war wie eine Dame angezogen, hatte ein Kleid von bedrucktem Musselin mit einer Schärpe an; ihren Kopf schmückte ein Hut, obgleich sie nur quer über die Straße zu gehen gehabt hatte. Sie brachte einen Topf roter Nelken mit, umarmte die Wäscherin mit ihren großen Armen und drückte sie stark an sich. Dann kamen Boche mit einem Veilchentopf und Madame Boche mit Reseda. Madame Lerat kam mit einem Zitronenbaum, der mit seinem Sande ihr violettes Merinokleid ganz schmutzig gemacht hatte. Alle diese Leute umarmten, küßten sich und füllten das ganze Zimmer, wo die drei Kochöfen und der Rost eine Hitze ausstrahlten, daß einen der Schlag rühren konnte. Das Geräusch des Bratens und Kochens auf den Öfen übertönte die Stimmen. Als jemand mit dem Kleid an der Bratpfanne hängen blieb, entstand eine Bewegung. Das roch so stark nach Gänsebraten, daß alle in die Luft schnüffelten. Gervaise war sehr liebenswürdig; sie dankte jedermann für seine Blumen, ohne daß sie deswegen aufgehört hätte, in einer tiefen Schüssel die Soße für das Frikassee fertigzumachen. Sie hatte alle Töpfe an das eine Ende des Tisches gestellt, ohne ihnen ihre hohen Papierumhüllungen zu nehmen. So mischte sich denn ein sanfter Blumenduft unter die Küchengerüche.

»Darf man Euch ein bißchen helfen?« sagte Virginie. »Wenn ich bedenke, daß Ihr schon seit drei Tagen arbeitet, alles Essen zu bereiten, und daß wir es in so kurzer Zeit alles 'runterschlingen werden!«

»Ei was!« antwortete Gervaise, »es macht sich doch einmal nicht von selber ... Nein, nein, macht Euch nicht die Hände schmutzig. Ihr seht ja, es ist alles fertig. Nur noch die Suppe ist abzufüllen ...«

Jetzt machte man es sich bequem. Die Damen legten ihre Schals und Hauben auf das Bett und steckten ihre Unterröcke mit Stecknadeln ein wenig auf, um sie nicht zu beschmutzen. Boche, der seine Frau bis zum Essen in die Pförtnerloge zurückgeschickt hatte, stieß schon Clemence in eine Ecke beim Plättofen und fragte sie, ob sie kitzlig sei. Diese wand sich keuchend hin und her, so daß ihr Busen das Korsett zu zersprengen drohte, denn nur der Gedanke an Kitzeln ließ ihr schon einen förmlichen Schauder über den ganzen Körper laufen. Auch alle die anderen Damen kamen in den Laden, um den Köchinnen nicht lästig zu fallen; dort stellten sie sich dem Tische gegenüber an die Wand. Da aber die Unterhaltungen durch die Tür immer noch fortgesetzt wurden, kehrten sie alle Augenblicke in das Hinterzimmer zurück und erfüllten den kleinen Raum mit dem Schall ihrer Stimmen. Dort drängten sie sich um Gervaise, die mit dem rauchenden Löffel in der Hand ihre Arbeit vergaß und ihnen antwortete. Als Virginie erzählte, daß sie seit zwei Tagen nichts gegessen habe, um sich für heute Platz zu schaffen, berichtete der große Nichtsnutz, die Clemence, noch eine tollere Schnurre: sie habe heute früh eine stark gepfefferte Bouillon gegessen, um sich den Magen leerzumachen, das sei bei den Engländern Sitte. Da gab Boche ein Mittel an, um sofort zu verdauen; es bestand darin, daß man sich nach jedem Gericht ein bißchen zwischen die Tür klemmte; auch das täten die Engländer, daher seien sie imstande, zwölf Stunden hintereinander zu essen, ohne sich den Magen zu überladen. Nicht wahr? schon bloß aus Höflichkeit muß man essen, wenn man zu Mittag eingeladen ist. Man tischt doch Kalb, Schwein und Gans nicht für die Katzen auf. Die Wirtin könne ruhig sein, man werde ihr alles so rein wegputzen, daß sie nicht einmal nötig habe, das Geschirr am andern Tage abzuwaschen. So schien die Gesellschaft ihren Appetit dadurch zu reizen, daß sie um die Kochöfen und Bratpfannen herumschnüffelte. Die Damen waren schließlich so weit gekommen, daß sie wie junge Dirnen umhertollten, sich stießen und haschten, so daß sie, von einem Zimmer zum andern laufend, mit ihren Röcken die Gerüche aus der Küche überall hintrugen und man in dem betäubenden Lärm ihres Lachens und Tobens kaum das Klappen des Hackemessers hörte, mit dem Mama Coupeau die Speckstücke schnitt.

Gerade in dem Augenblick, als alle in toller Ausgelassenheit lachten und schrien, erschien Goujet. Er war so eingeschüchtert, daß er kaum näherzutreten wagte. Er trug auf seinem Arm einen großen, weißen Rosenstock, eine prächtige Pflanze, deren Krone bis zu seinem Gesicht emporreichte, wo sich die weißen Rosen an seinen gelben Bart schmiegten. Gervaise lief ihm mit ihren vom Herde geröteten Backen entgegen. Er war so linkisch, daß er seinen Blumentopf nicht anzubringen wußte; erst als sie ihm denselben aus den Händen nahm, stotterte er seinen Glückwunsch, ohne daß er es gewagt hätte, sie zu küssen. Sie selbst stellte sich auf die Zehen, um ihm ihre Backe darzubieten; doch er war so verwirrt, daß er sie täppisch und derb aufs Auge küßte, auf die Gefahr hin, sie blind zu machen. Beide zitterten.

»Aber, Herr Goujet, das ist zu schön!« sagte sie, indem sie den Rosenstock neben die anderen Blumen stellte, die er mit seiner üppigen Blätterkrone überragte.

»O nein! o nein!« sagte er mehrmals, ohne ein anderes Wort zu finden.

Als er sich durch einen großen Seufzer ein wenig Erleichterung verschafft hatte, meldete er, daß man auf seine Mutter nicht rechnen dürfe, da sie wieder vom Hüftweh geplagt werde. Gervaise war trostlos; sie sprach davon, ein Stück von dem Gänsebraten zurückzulegen, denn sie wolle durchaus, daß Madame Goujet davon esse. Jetzt waren alle vollzählig. Coupeau mußte sich im Quartier umhertreiben; er hatte nach dem Frühstück Poisson abgeholt; sie mußten wohl bald kommen, denn sie hatten versprochen, pünktlich um sechs Uhr da zu sein. Da jetzt auch die Suppe beinahe gut war, rief Gervaise Madame Lerat und sagte ihr, daß wohl der Augenblick gekommen sei, wo sie hinaufgehen könne, die Lorilleux' zu holen. Madame Lerat wurde sogleich sehr ernst: sie hatte die ganzen Unterhandlungen zwischen beiden Familien geführt und festgestellt, wie alles vor sich gehen solle. Sie legte Schal und Haube an und stieg steif und wichtig die Treppen empor. Unten rührte die Wäscherin ihre Suppe um, legte italienische Pasteten auf und sprach kein Wort. Die Gesellschaft war plötzlich ernst geworden und wartete in feierlicher Stimmung.

Madame Lerat war die erste, die wieder erschien. Sie hatte den Umweg über die Straße gemacht, um der Versöhnung Gewicht und Ansehen zu geben. Sie hielt mit der Hand die Tür des Ladens weit offen, während Madame Lorilleux in seidenem Kleide auf der Schwelle stillstand. Alle Eingeladenen hatten sich erhoben. Gervaise ging ihnen entgegen und küßte ihre Schwägerin, so war es verabredet worden; dabei sagte sie:

»Nur herein! Tretet näher! Jetzt ist alles beigelegt, nicht wahr? Wir sind jetzt einander wieder gut!«

Darauf antwortete Madame Lorilleux:

»Ich habe keinen anderen Wunsch, als daß es immer so bleiben möge.«

Als sie eingetreten war, blieb auch Lorilleux auf der Schwelle stehen und erwartete seinen Kuß, ehe er in den Laden kam. Keines von ihnen hatte Blumen mitgebracht, sie fanden, daß es der Humpelliese gegenüber zu unterwürfig ausgesehen hätte, wenn sie schon das erstemal mit Blumen zu ihr gekommen wären. Inzwischen hatte Gervaise Augustinen zugerufen, daß sie zwei Liter herbeibringen solle. Auf einer Ecke des Tisches füllte sie viele Weingläser und rief alle herbei. Jeder ergriff ein Glas, und man trank auf die gute Freundschaft in der Familie. Es war ganz still geworden, die Gesellschaft trank, die Damen mit erhobenen Ellenbogen, bis auf den letzten Tropfen.

»Vor der Suppe gibt es nichts Besseres«, erklärte Boche mit schnalzender Zunge. »Das ist besser als ein Fußtritt auf den Hintern!«

Mama Coupeau hatte sich der Tür gegenüber aufgestellt, um zu sehen, was die Lorilleux' für Gesichter schneiden würden. Sie zupfte Gervaise am Rock und führte sie in das Hinterzimmer. Dort plauderten beide, über den Suppentopf geneigt, lebhaft und mit gesenkter Stimme.

»Nun, sind sie paff?« sagte die alte Frau. »Ihr habt es ja gar nicht so sehen können. Aber ich habe sie belauert ... Wie sie den Tisch gesehen hat, da hat sie so ein Gesicht gemacht! Ihre Mundwinkel gingen in die Höhe, beinahe bis an die Augen. Und er erst, er ist schier erstickt, er mußte zu husten anfangen ... Und jetzt seht nur dahin, wie sie sich auf die Lippen beißen!«

»Es ist ein Jammer, wenn man so neidisch ist«, murmelte Gervaise.

Wirklich machten die Lorilleux' schnurrige Gesichter. Es ist natürlich niemand sehr angenehm, so in der Familie überboten zu werden; wenn es dem einen gut geht, sind die anderen wütend, das ist natürlich. Nur muß man doch ein wenig an sich halten, nicht wahr? Man macht doch den anderen nicht die Freude, sich etwas merken zu lassen. Nun, die Lorilleux' konnten sich nicht halten, es ging über ihre Kräfte; sie schielten nach rechts und links und machten saure Gesichter. Es war schließlich so auffallend, daß die anderen Gäste es sahen und sie fragten, ob ihnen etwas sei. Den gedeckten Tisch mit seinen vierzehn Gedecken, das weiße Tischzeug und die im voraus geschnittenen Brotstücke würden sie nie verwinden. Man konnte denken, daß man in einem der Boulevard-Restaurants sei. Madame Lorilleux ging um den Tisch herum und sah fort, als sie zu den Blumen kam; sie befühlte heimlich das Tischtuch, weil sie der Gedanke peinigte, daß es neu sein könne.

»Endlich sind wir so weit!« rief Gervaise, als sie lächelnd mit nackten Armen und ein wenig gelösten Haaren, die besonders an den Schläfen lose Löckchen bildeten, wieder hereinkam.

Die Gäste trippelten um den Tisch herum. Alle waren hungrig und gähnten mit abgespannten Gesichtern.

»Wenn mein Mann käme,« meinte die Wäscherin, »könnten wir anfangen.«

»Nun,« sagte Madame Lerat, »da wird die Suppe wohl hübsch kalt werden ... Coupeau vergißt ja so etwas immer. Man hätte ihn nicht dürfen weggehen lassen.«

Es war nun schon halb sieben geworden. Alles war in vollem Brande; die Gans konnte leicht zu braun werden. Gervaise war trostlos, sie sprach davon, jemanden im Quartier bei den Weinwirten herumzuschicken, um nach Coupeau zu sehen. Als sich Goujet dazu erbot, wollte sie mit ihm gehen; Virginie, die ihres Mannes wegen in Unruhe war, begleitete sie. Sie waren alle drei ohne Kopfbedeckung und nahmen fast den ganzen Bürgersteig ein. Der Schmied hatte heute seinen Rock an; er hielt Gervaise unter seinem linken und Virginie unter seinem rechten Arm: er machte den Korb mit zwei Henkeln, sagte er. Das Wort kam ihnen so drollig vor, daß sie vor Lachen anhalten mußten, denn ihre Beine wollten sie nicht weitertragen. Goujet, der ganz schwarz angezogen war, kamen die beiden Frauen wie ein paar ausgelassene leichte Dämchen vor, die Näherin mit ihrem Musselinkleide mit den Rosenbuketts und die Wäscherin im weißen Seidenkleide mit blauen Punkten, mit halblangen Ärmeln und einer kleinen Krawatte von grauer Seide um den Hals. Die Leute sahen sich nach ihnen um, wenn sie vorübergingen. So lustig, frisch und geputzt, drängten sie sich durch die Menge, die an dem milden Juniabende dieses Werkeltages die Fischerstraße belebte. Aber es handelte sich um etwas anderes, als Späße zu machen. Sie streckten die Hälse aus und suchten vor den Schanktischen. Ist denn dieses Scheusal, der Coupeau, diesmal bis an den Triumphbogen gegangen, um seinen Schluck zu trinken? Sie hatten schon die ganze obere Straße abgesucht und an allen Orten nachgesehen: bei der Petite-Civette, wo die Pflaumen berühmt waren, bei der Madame Baquel, die den Wein von Orleans für acht Sous verkaufte, beim Schmetterling, dem Treffpunkt der Herren Kutscher, die sehr wählerische, schwer zu befriedigende Leute waren. Nirgends war Coupeau. Als sie dem Boulevard zugingen und bei Franz, dem Weinwirt an der Ecke, vorüberkamen, stieß Gervaise einen leichten Schrei aus.

»Was ist denn?« fragte Goujet.

Die Wäscherin lachte nicht mehr. Sie war ganz blaß geworden und so erregt, daß sie beinahe umgefallen wäre. Virginie begriff sofort, um was es sich handelte, als sie bei Franz an einem Tisch Lantier sitzen sah, der dort ruhig zu Mittag aß. Die beiden Frauen zogen den Schmied mit sich fort.

»Ich habe mir den Fuß umgeknickt«, sagte Gervaise, als sie wieder sprechen konnte.

Endlich entdeckten sie Coupeau und Poisson ganz am Ende der Straße im »Totschläger« des Vater Colombe. Sie standen mitten in einer Gruppe von Männern; Coupeau in grauer Bluse schrie mit wütenden Gebärden und Faustschlägen auf den Schanktisch; Poisson, der an diesem Tage dienstfrei war, trug einen alten, engen, kastanienbraunen Paletot und hörte mit trüber, schweigsamer Miene zu, während er seinen roten Schnurr- und Knebelbart drehte. Goujet ließ die Frauen draußen auf der Straße und legte die Hand auf die Schulter des Zinkarbeiters. Als dieser aber Gervaise und Virginie draußen bemerkte, wurde er böse. Wer hat ihm denn die Weiber auf den Hals gehetzt? Nun komme er erst recht nicht! Die Unterröcke hätten ihn abgeschreckt. Um keinen Preis! Er komme nicht, sie könnten ja ihre Schmürgelei von Mittagbrot allein essen! Um ihn nur zu beruhigen, mußte Goujet einen Satz von irgendeinem Getränk annehmen; auch dann war er noch so boshaft, fünf lange Minuten vor dem Schanktisch zu vertrödeln. Als er endlich hinauskam, sagte er zu seiner Frau:

»Das paßt mir nicht ... Ich bleibe, wo ich zu tun habe, verstehst du mich?«

Sie antwortete nicht. Doch schien sie sehr erregt, denn sie zitterte. Sie mußte mit Virginie von Lantier gesprochen haben, denn sie trieb ihren Mann und Goujet vorwärts und rief ihnen zu, sie sollten vorausgehen. Die beiden Frauen nahmen den Zinkarbeiter in die Mitte, um ihn zu beschäftigen und zu verhindern, daß er etwas sehe. Er war kaum angerissen und auch das mehr vom Brüllen als vom Trinken. Als er merkte, daß sie auf der linken Seite der Straße entlanggehen wollten, drängte er sie, um sie zu ärgern, über den Damm auf den rechten Fußweg. Sie liefen erschreckt vorwärts und versuchten, ihn zu verhindern, durch die Tür bei Franz zu sehen. Aber Coupeau mußte wissen, daß Lantier dort war. Gervaise war ganz verdutzt, als sie ihn schelten hörte:

»Jawohl! Nicht wahr, mein Liebchen? da sitzt ein Bursche, den wir kennen! Für so ganz dumm mußt du mich auch nicht halten! ... Laß dich nur von mir einmal fassen, daß du da umherliebelst mit deinen Augen, du Wetterhexe!«

So kamen rohe Worte über seine Lippen. Ihn suchte man nicht, wenn man so mit untergeschlagenen Armen und gepudertem Mäulchen umherzog, die Reise ging auf den alten Liebsten. Er redete sich plötzlich in eine tolle Wut gegen Lantier. Dieser Spitzbube! Dieser gemeine Schuft! Einer von ihnen beiden mußte auf dem Pflaster liegenbleiben wie ein abgezogenes Karnickel. Lantier schien alles nicht zu hören, er aß ganz ruhig Kalbfleisch mit Sauerampfer. Es begann sich schon ein Auflauf zu bilden. Virginie führte endlich Coupeau fort, der sich plötzlich beruhigte, als sie die Straßenecke hinter sich hatten. Trotzdem kam man etwas weniger heiter nach dem Laden zurück, als man fortgegangen war.

Um den Tisch herum warteten die Gäste mit langen Gesichtern. Der Zinkarbeiter drückte allen die Hände und machte sich bei den Damen beliebt. Gervaise, die ein wenig gedrückt war, sprach mit leiser Stimme und verhalf jedermann zu seinem Platze. Plötzlich bemerkte sie, daß Madame Goujet nicht gekommen war und so der Platz neben Madame Lorilleux leer bleiben werde.

»Wir sind ja dreizehn!« sagte sie sehr erregt und sah in diesem Umstände einen neuen Beweis dafür, daß ihr ein Unglück bevorstehe, das sie schon seit einiger Zeit zu ahnen glaubte.

Die Damen, die schon Platz genommen hatten, standen mit unruhigen und ärgerlichen Gesichtern wieder auf. Madame Putois erbot sich zurückzubleiben, denn ihrer Meinung nach dürfe man so etwas nicht so leicht nehmen; übrigens werde sie nichts anrühren, da ihr die Speisen doch nicht bekommen würden. Boche für sein Teil hohnlachte: ihm sei es lieber, wenn es dreizehn blieben, als vierzehn, die Teile seien größer.

»Wartet einmal!« sagte Gervaise, »es wird sich machen lassen!«

Sie ging auf die Straße hinaus und rief den Vater Bru, der gerade über den Damm ging. Der alte Arbeiter trat ein, sein Rücken war gebeugt, seine Glieder steif und seine Miene ergeben.

»Setzt Euch nur dort nieder, mein lieber Mann«, sagte die Wäscherin. »Ihr werdet doch ein wenig mit uns essen, nicht wahr?«

Er nickte einfach mit dem Kopfe. Er wolle gern, es sei ihm recht.

»Ist er nicht ebensogut wie jeder andere?« fuhr sie mit leiser Stimme fort. »Er ißt sich nicht oft satt. So wird er sich doch einmal etwas Gutes antun ... Jetzt brauchen wir uns nicht mehr zu scheuen und können beruhigt anfangen.«

Goujet kamen beinahe die Tränen in die Augen, so gerührt war er. Auch die anderen hatten mitleidige Anwandlungen, sie fanden es sehr gut, es werde ihnen allen Glück bringen. Nur Madame Lorilleux schien nicht zufrieden, daß der Alte ihr Nachbar geworden; sie rückte ein wenig von ihm fort und warf entrüstete Blicke auf seine harten Hände und seine geflickte, verschossene Bluse. Der Vater Bru saß mit gesenktem Kopfe da, ihn genierte nur die Serviette, die den Teller vor ihm bedeckte. Er nahm sie schließlich und legte sie ganz vorsichtig auf den Rand des Tisches, ohne daran zu denken, sie über seine Knie zu decken.

Endlich trug Gervaise die Suppe mit kleinen italienischen Pasteten auf. Die Gäste hatten gerade zu den Löffeln gegriffen, als Virginie bemerkte, daß Coupeau schon wieder verschwunden sei. Vielleicht war er wieder zum Vater Colombe zurückgegangen. Jetzt wurde die Gesellschaft böse. Schlimm genug für ihn! Aber diesmal könne man ihm doch nicht wieder nachlaufen; er könne auf der Straße bleiben, wenn er keinen Hunger habe. Als alle mit den Löffeln das letzte aus den Tellern herausschöpften, erschien Coupeau plötzlich wieder; er hatte unter jedem Arm einen Blumentopf, eine Levkoie und eine Balsamine. Am ganzen Tisch klatschte man Beifall. Er stellte seine Töpfe rechts und links von Gervaises Glas, beugte sich galant zu ihr nieder und küßte sie:

»Ich hatte dich vergessen, mein Liebchen ... Aber es schadet nichts, an einem Tage wie dem heutigen hat man sich doch lieb!«

»Heute abend ist Coupeau wirklich gut«, murmelte Clemence Boche ins Ohr. »So ist er gerade richtig, er hat genug, um recht liebenswürdig zu sein.«

Die Liebenswürdigkeit Coupeaus stellte schnell die gute Stimmung wieder her, die schon einen Augenblick hatte entfliehen wollen. Auch Gervaise, die jetzt ganz beruhigt war, lächelte wieder. Die Gäste verzehrten so die Suppe. Dann machten die Literflaschen die Runde, und man trank das erste Glas Wein, ein wenig unvermischten Wein, um die Pasteten herunterzuspülen. Man hörte, wie im Nebenzimmer die Kinder sich zankten, Etienne, Nana, Pauline und der kleine Viktor Fauconnier. Man hatte sich entschlossen, für die vier dort an einem besonderen Tisch zu decken, wenn sie versprächen, recht artig zu sein. Die schielende Augustine, die die Öfen überwachte, mußte auf ihrem Schoß essen.

»Mama! Mama!« schrie plötzlich Nana, »Augustine läßt ihr Brot in die Bratpfanne fallen!«

Die Wäscherin lief herzu und überraschte die Schielende, wie sie eben dabei war, sich den Schlund zu verbrennen, weil sie recht schnell eine Brotschnitte herunterschlucken wollte, die sie in das kochende Gänsefett getaucht hatte. Sie gab ihr eine Ohrfeige, weil diese verteufelte Dirne behauptete, daß es nicht wahr sei.

Als man nach dem Suppenfleisch das Kalbsfrikassee in einer tiefen Salatschüssel auftrug, weil es in der Wirtschaft keine Schüssel gab, die ausreichend groß gewesen wäre, ging ein wohlgefälliges Schmunzeln durch die Gesellschaft.

»Das fängt ja an ernsthaft zu werden!« erklärte Poisson, der selten sprach.

Es war inzwischen halb acht Uhr geworden. Sie hatten jetzt die Ladentür geschlossen, um nicht vom ganzen Quartier beobachtet zu werden. Besonders war es gegenüber der kleine Uhrmacher, der seine Augen so weit wie ein Paar Tassen aufriß; er zählte ihnen die Bissen in den Mund, und seine Blicke waren so begehrlich, daß er sie wirklich am Essen hinderte. Die Vorhänge, die vor den Fenstern herabgelassen waren, verbreiteten ein gleichmäßig verteiltes, weißes Licht im Raum, das alle Schatten aufhob. In diesem Lichte schwamm der Tisch mit seinen gleichmäßig geordneten Gedecken und den Blumentöpfen, die noch ihre hohen, weißen Papierhüllen umgaben. Diese bleiche Helligkeit, die in der langsam zunehmenden Dämmerung dahinschwand, gab der ganzen Gesellschaft ein vornehmes Aussehen. Virginie fand das Wort: sie blickte im Zimmer umher, das von allen Seiten mit weißen Musselinvorhängen abgeschlossen war, und erklärte, daß es sehr fein sei. Wenn ein Wagen auf der Straße vorüberfuhr, zitterten die Gläser auf dem Tische, und die Damen mußten ebenso laut ihre Stimme erheben wie die Männer. Aber man plauderte noch wenig, man hielt an sich und sagte höchstens hie und da eine artige Schmeichelei. Nur Coupeau hatte eine Bluse an, weil, wie er sagte, man doch nicht nötig habe, sich unter guten Freunden Zwang aufzuerlegen, und weil die Bluse das Ehrenkleid des Arbeiters sei. Die Damen waren in ihre Korsetts gepreßt; ihr glattgestrichenes Haar glänzte von Pomade, so daß sich das Tageslicht in ihnen spiegelte, während die Männer weit vom Tische absaßen, ihre Brust, einzogen und die Ellenbogen ausbreiteten, aus Furcht, sich Flecke auf ihre Röcke zu machen.

Heiliger Himmel! was für ein Loch war schon in das Frikassee gekommen! Wenn man nur wenig sprach, kaute man dafür desto fester. Die Salatschüssel wurde immer hohler, in der dicken Soße steckte ein Löffel, die Soße war gut, von gelblicher Farbe und zitterte wie Gelee. Daraus fischte man die Stücke Kalbfleisch; es war immer noch etwas da, die Salatschüssel ging von Hand zu Hand, die Gesichter beugten sich darüber und suchten nach Champignons. Die großen Brote, die hinter den Gästen an der Wand standen, schienen hinwegzuschmelzen. Man hörte, wie nach einem jeden Bissen die Boden der geleerten Gläser wieder auf den Tisch gesetzt wurden. Die Soße war ein wenig zu gesalzen, und man brauchte vier Liter, um dieses verteufelte Frikassee herunterzuspülen; es aß sich so sanft wie Sahne und brachte einem doch den Brand in den Bauch. Da blieb wenig Zeit, Atem zu schöpfen, denn schon erschien der Schweinsrücken, den man auch in eine tiefe Schüssel gelegt hatte, und den zu beiden Seiten schöne, runde Kartoffeln einschlossen; er schien wie in eine Wolke gehüllt durch den Dampf, der von ihm aufstieg. Da gab es nur einen Schrei des Entzückens: Heiliger Himmel! Das nannte man einmal getroffen! Das aß jeder gern. Augenblicks ging man daran, sich neuen Appetit zu schaffen; jeder folgte der Schüssel mit Seitenblicken und wischte sein Messer an seinem Brote ab, um zeitig fertig zu sein. Als sich alle davon genommen hatten, stießen sie einander mit den Ellenbogen an und sprachen mit vollem Munde: Potztausend! wie weich war dieser Schweinsrücken! Das war zart und kräftig zugleich, man fühlte es die Speiseröhre hinabgleiten bis zu den Stiefeln. Die Kartoffeln waren eine Delikatesse. Es war zwar nicht so salzig, aber der Kartoffeln wegen mußte es doch alle Augenblicke ordentlich begossen werden. So hatte man wieder vier Litern den Hals gebrochen. Die Teller wurden so rein ausgestippt, daß man keine anderen reichte, als die Speckerbsen kamen. Solche Gemüse, das war unerheblich. Man verputzte es so löffelweise wie zum Spaß. Das war die wahre Feinschmeckerei, man konnte sagen, ein rechtes Gericht für die Damen. Das beste an den Erbsen waren die Speckstückchen, die ganz braun gebraten waren und so rochen, als ob in der Schmiede ein Pferdehuf mit dem glühenden Hufeisen angesengt wird. Nach diesem Gericht genügten zwei Liter.

»Mama! Mama!« schrie plötzlich Nana wieder, »Augustine kommt mit ihren Händen auf meinen Teller!«

»Ach, sei doch ruhig! Gib ihr einen Katzenkopf!« antwortete Gervaise, die sich gerade die letzten Erbsen vom Teller aufpickte.

Im Nebenzimmer am Kindertische spielte Nana die Wirtin. Sie hatte sich neben Viktor gesetzt und ihren Bruder Etienne neben die kleine Pauline. Auf diese Art spielten sie, als ob sie verheiratet seien, sie waren zwei Ehepaare auf einer Vergnügungsreise. Zuerst hatte Nana ihre Gäste sehr aufmerksam bedient und ihnen mit lächelnder Miene und dem Benehmen einer erwachsenen Person aufgewartet; aber ihre Vorliebe für die Speckstücke ließ sie aus der Rolle fallen, sie hatte sie alle für sich behalten. Die schielende Augustine, die heimlich um den Tisch der Kinder herumschlich, benutzte diesen Umstand, um eine ganze Handvoll davon wegzunehmen, unter dem Vorwande, sie besser zu verteilen. Nana wurde darüber so wütend, daß sie sie in die Hand biß.

»Du sollst einmal sehen!« murmelte Augustine, »ich werde es deiner Mutter sagen, daß du nach dem Frikassee zu Viktor gesagt hast, er solle dich küssen.«

Alles kam wieder ins Gleiche, als Mama Coupeau und Gervaise hereinkamen, um die Gans aufzutragen. An dem großen Tische war eine Erholungspause eingetreten und alle hatten sich nach hinten gegen die Stuhllehnen gelegt. Die Männer knöpften ihre Westen auf, und die Damen wischten sich mit den Servietten die Gesichter ab. Das Mahl war gewissermaßen unterbrochen, nur einige Gäste, deren Kiefern noch in Tätigkeit geblieben waren, verschlangen große Stücke Brot, ohne daß sie selbst es zu bemerken schienen. Man ließ die Speisen sich ein wenig sacken und wartete. Es war langsam Abend geworden, das schmutzige, aschgraue Licht des schwindenden Tages schimmerte nur spärlich durch die Vorhänge. Als Augustine an jedes Ende des Tisches eine angezündete Lampe setzte, machte sich bei der lebhaften Helligkeit die Unordnung bemerkbar, in welche die Gedecke geraten waren; die Teller und Gabeln glänzten vor Fett, und das Tischtuch war mit Weinflecken und Krümeln allerart bedeckt. Man erstickte in dem starken Geruch, der sich jetzt fühlbar machte. Dennoch wandten sich die Gesichter der Küche zu, von der einzelne heiße, duftende Wolken hereinkamen.

»Kann man Euch vielleicht ein bißchen helfen?« rief Virginie.

Sie stand von ihrem Stuhle auf und ging in das Nebenzimmer. Alle Frauen folgten eine nach der anderen ihrem Beispiele. Dort standen sie alle um die Bratpfanne herum und beobachteten mit tiefem Interesse Mama Coupeau und Gervaise, die das Tier auflegten. Es entstand ein großes Geschrei, aus dem man die hellen Stimmen der Kinder und ihre Freudensprünge heraushörte. Im Triumph kam man wieder zurück: Gervaise trug die Gans mit steifen Armen, ihr Gesicht war in Schweiß gebadet und strahlte von einem breiten, sprachlosen Lächeln; alle Frauen kamen hinter ihr her und lachten ebenso wie sie, während Nana ganz hinten mit unnatürlich großen Augen sich auf die Zehenspitzen stellte, um besser sehen zu können. Als die Gans so groß, goldig und fettriefend auf dem Tische stand, nahm man sie noch nicht gleich in Angriff. Das ehrfurchtsvolle Erstaunen und die Überraschung hatten der ganzen Gesellschaft die Sprache geraubt. Man zeigte sie einander mit Augenzwinkern und leisem Kopfnicken. Heiliger Himmel! War das eine Dame! Waren das Hüften! Und welch ein Bauch!

»Die ist auch nicht davon so fett geworden, daß sie an den Mauern geleckt hat!« sagte Boche.

Man vertiefte sich jetzt in die Einzelheiten ihrer Vorgeschichte. Gervaise machte die nötigen Angaben: das Tier war das schönste Stück bei dem Geflügelhändler der Fischervorstadt, sie wog zwölfundeinhalbes Pfund auf der Wage des Kohlenhändlers; man hatte einen Scheffel Kohlen verbraucht, um sie gar zu bekommen, und sie hatte drei große Töpfe Schmalz gegeben. Virginie unterbrach diese Erklärung, um sich zu rühmen, daß sie das Tier noch roh gesehen habe: man hätte sie essen mögen, so wie sie da war, eine so feine, weiße Haut hat sie gehabt wie eine Blondine. Alle Männer lachten mit lüsterner Gefräßigkeit, die ihnen die Lippen schwellen machte. Dabei kniffen Herr und Madame Lorilleux die Gesichter zusammen, es war ihnen zu furchtbar, ein solches Tier auf dem Tische der Humpelliese zu sehen.

»Nun denn, ich denke, so ganz können wir sie doch nicht essen!« sagte endlich die Wäscherin. »Wer will sie zerschneiden? ... O nein, ich nicht! Das ist zu groß, ich fürchte mich davor!«

Coupeau erbot sich dazu. Mein Gott, es war doch ganz einfach: man faßte die Glieder an und zog daran, die Stücke blieben deswegen doch ebensogut. Darüber entsetzte man sich und nahm ihm mit Gewalt das Küchenmesser wieder weg; wenn er sie zerschneide, werde er ja aus dem Gericht einen wahren Kirchhof machen. Einen Augenblick suchte man nach jemand, der sich freiwillig anbieten würde. Endlich sagte Madame Lerat mit lieblicher Stimme:

»Hört einmal, nur Herr Poisson ... sicherlich nur Herr Poisson! ...«

Als die Gesellschaft nicht zu begreifen schien, fügte sie mit noch schmeichelhafterer Absicht hinzu:

»Nun, sicherlich nur Herr Poisson ist im Waffenhandwerk erfahren!«

So überreichte sie dem Stadtsergeanten das Küchenmesser, das sie in der Hand hielt. Am ganzen Tische lachte man erleichtert auf und alle gaben ihre Zustimmung. Poisson senkte den Kopf mit militärischer Steifheit und stellte die Gans vor sich hin. Seine beiden Nachbarinnen, Gervaise und Madame Boche, rückten zurück, um seinen Ellenbogen Platz zu schaffen. Er zerschnitt langsam mit wohlgefälligen Bewegungen, die Augen fest auf das Tier gerichtet, als ob er es mit seinen Blicken auf dem Boden der Schüssel festnageln wolle. Als er die Gabel in den Brustknochen stieß und dieser krachte, hatte Lorilleux einen Anfall von Patriotismus. Er rief:

»Oh! Wenn das doch ein Kosake wäre!«

»Haben Sie sich mit Kosaken geschlagen, Herr Poisson?« fragte Madame Boche.

»Nein, aber mit Beduinen!« antwortete der Sergeant, der gerade eine Schulter loslöste. »Es gibt keine Kosaken mehr!«

Es entstand jetzt ein großes Stillschweigen. Die Gesichter verlängerten sich zusehends, und alle Augen folgten dem Messer. Poisson hatte eine Überraschung im Hinterhalte. Er trennte plötzlich mit einem einzigen Schnitt das Hinterteil des Tieres ab und stellte es aufrecht hin, so daß der Steiß in die Luft ragte: das war eine Bischofsmütze. Da kannte die Bewunderung keine Grenzen mehr: nur die alten Soldaten sind liebenswürdige Gesellschafter. Mittlerweile floß der Gans aus dem gähnenden Loch ihres Hinterteils ein Strom von Fett. Boche scherzte:

»Ich abonniere darauf,« murmelte er, »daß es mir so in den Mund pißt!«

»Oh, der Schmutzfink!« riefen alle Damen. »Wie kann man nur solche Gedanken haben! Ich kenne keinen so unappetitlichen Mann!« sagte Madame Boche, die noch wütender war als die anderen. »Willst du wohl ruhig sein, hörst du? Du könntest einer Armee das Essen verekeln ... Er tut es nur, um alles allein zu essen!«

In diesem Augenblick wiederholte Clemence inmitten des allgemeinen Lärms mit Eindringlichkeit:

»Herr Poisson, hören Sie, Herr Poisson ... Sie heben den Steiß für mich auf, nicht wahr?«

»Meine Liebe, auf den Steiß habt Ihr ein gutes Recht«, sagte Madame Lerat mit ihrer Miene heimlicher Lustigkeit.

Endlich war die Gans zerschnitten. Der Stadtsergeant, der die Gesellschaft erst mehrere Minuten lang die Bischofsmütze hatte bewundern lassen, schnitt dann in wenigen Schnitten die Stücke herunter und ordnete sie auf der Schüssel. Jetzt konnte man zugreifen. Die Damen, die schon anfingen, ihre Kleider aufzumachen, beklagten sich über die Hitze. Coupeau rief, man sei ja zu Hause, er werde den Nachbarn Honig ums Maul schmieren; und damit machte er die Türe nach der Straße weit auf. Der Schmaus nahm jetzt seinen Fortgang mitten unter dem Rollen der Droschken und dem Gedränge der Fußgänger auf dem Bürgersteige. So begann man denn wieder zu essen, die Kinnbacken hatten sich ausgeruht, und in dem Bauche hatte man sich wieder etwas Platz geschafft. Man fiel wütend über die Gans her. Schon allein das Warten und Zusehen, wie das Tier zerlegt wurde, sagte der Flausenmacher, der Boche, habe ihm das Kalbsfrikassee und den Schweinsrücken bis in die Waden hinuntergehen lassen.

Das war einmal noch ein Bissen, niemand in der Gesellschaft entsann sich, daß er sich jemals so gründlich den Magen verdorben habe. Gervaise saß mit aufgestülpten Ellenbogen da und aß große Stücke weiches Fleisch, sie sprach nicht, weil sie fürchtete, daß sie einen Bissen verlieren könne; sie schämte sich ein bißchen vor Goujet, daß sie so leckermäulig war wie eine Katze. Übrigens Goujet stopfte sich selber zu voll, wenn er sie so ganz rosig und strotzend von Nahrung dasitzen sah. Und dann blieb sie trotz ihrer Vorliebe für das Essen so liebenswürdig und gut: sie sprach nicht, aber jeden Augenblick bemühte sie sich um den Vater Bru und schob ihm zarte Stücke auf seinen Teller. Es war beinahe rührend zu sehen, wie dieses Leckermäulchen sich selbst ein Stück Flügel vor dem Munde wegnahm und es dem Alten gab, der kein Kenner zu sein schien und mit gesenktem Kopfe alles hinabschlang, ganz betäubt von dem ungewohnten Schlingen, er, dessen Gaumen selbst die Erinnerung an den Geschmack des Brotes verloren hatte. Die Lorilleux' ließen ihre Wut an dem Braten aus, sie nahmen davon für drei Tage; sie hätten am liebsten die Schüssel, den Tisch, ja den ganzen Laden heruntergeschlungen, um so die Humpelliese auf einmal zu ruinieren. Alle Damen hatten Brust haben wollen; Brust ist das beliebteste Stück bei den Damen. Madame Lerat, Madame Boche und Madame Putois kratzten die Knochen ab, während Mama Coupeau, die den Hals so gern aß, mit ihren letzten beiden Zähnen das Fleisch von den Knochen riß. Virginie liebte die Haut, wenn sie recht braun und knusprig war, und jeder der Gäste hatte ihr aus Höflichkeit sein Stückchen Haut hingeschickt, so daß Poisson seiner Frau strenge Blicke zuwarf und ihr befahl, aufzuhören, weil sie davon genug habe; schon einmal habe sie, weil sie zuviel Gänsebraten gegessen, vierzehn Tage mit geschwollenem Bauch zu Bette liegen müssen. Aber Coupeau ärgerte sich darüber und legte Virginie ein Keulenstück vor, wobei er schrie: wenn sie, zum Donnerwetter, das nicht mehr aufbekomme, sei sie keine ordentliche Frau! Habe sich an einer Gans jemals einer Schaden getan? Im Gegenteil! Die Gans heile die Milzsucht. Das könne man ohne Brot wie einen Nachtisch essen. Er könne noch die ganze Nacht davon essen, ohne daß es ihm Beschwerden machen werde; um zu prahlen, stopfte er sich einen großen Pfropfen Fleisch in den Mund. Mittlerweile kam Clemence mit dem Steiß zu Ende, sie sog mit schmatzenden Lippen daran und wand sich vor Lachen auf ihrem Stuhl wegen der Unanständigkeiten, die Boche ihr ganz leise ins Ohr sagte. Beim heiligen Himmel: was war denn weiter? Man verdarb sich für vierzehn Tage den Magen! Wenn man einmal dabei ist, muß man es auch ausnützen, nicht wahr? Wenn man sowieso nur alle Jubeljahre einmal an ein ordentliches Essen kommt, sei man doch schön dumm, wenn man sich nicht bis über die Ohren hineinfressen wolle. In Wirklichkeit sah man nach und nach die Wänste schwellen. Die Damen hatten dicke Bäuche; sie rülpsten, diese verdammten Vielfraße! Mit offenem Munde und das Kinn von Fett glänzend, saßen sie da, ihre Gesichter waren so glatt und rund, daß man sie für Hintere hätte halten können, und sie waren so rot, daß man fürchten mußte, sie würden vor lauter Wohlergehen noch platzen.

Und erst der Wein, meine Kinder? Der floß um den Tisch, wie das Wasser in der Seine fließt; ein wahrer Rinnstein, wenn es geregnet hat und die Erde durstig ist. Coupeau goß von oben ein, um den roten Strahl schäumen zu sehen; wenn ein Liter leer war, machte er den Scherz, den Hals mit der Handbewegung zu drücken, mit der die Frauen Kühe melken. Da ist wieder eine Negerin, der man das Blut weggetrunken hat! In einer Ecke des Ladens wurde der Haufen dieser toten Negerinnen immer größer, ein Kirchhof von Flaschen, auf die man den Abfall des Mahles warf. Als Madame Putois nach Wasser verlangte, hatte der Zinkarbeiter selber ganz entrüstet die Karaffen vom Tisch genommen. Welcher anständige Mensch trank denn Wasser? Wollte sie denn durchaus Frösche in den Magen bekommen? Die Gläser wurden auf einen Zug geleert, man hörte die Flüssigkeit, die so auf einmal die Kehle hinabgegossen wurde, mit dem Geräusch des Regenwassers, das an stürmischen Tagen die Gossen hinabstürzt, nach unten gehen. Es regnete eben roten Wein; dieser rote Wein schmeckte zuerst nach alten Fässern, aber man gewöhnte sich wunderbar schnell daran, so daß es einem bald so vorkam, als ob der Wein nach Nüssen schmecke. Du lieber Gott! Die Jesuiten mochten sagen, was sie wollten, das Blut der Trauben war doch eine famose Erfindung! Die ganze Gesellschaft lachte und billigte solche Aussprüche, denn der Arbeiter hätte ohne den Wein nicht leben können, der alte Papa Noah mußte den Wein für die Zinkarbeiter, die Schneider und die Schmiede gepflanzt haben. Der Wein reinigte den Körper und stärkte nach der Arbeit, er wärmte den Bummlern den Leib; und wenn der Schäker euch auch manchmal einen Streich spielt, was schadet es weiter, man hat doch nicht den König zum Oheim! Ganz Paris gehörte dem Arbeiter. Und was war denn weiter? Was hatte denn der Arbeiter vom Leben, wenn er sich kreuzlahm machte und doch stets ohne Sou blieb und vom Bürger über die Achsel angesehen wurde? Wer wollte es ihm verdenken, wenn er sich einen kleinen Rausch antrank, um auch einmal im Leben die Welt in rosigem Lichte zu sehen? Besonders jetzt, wer kümmere sich denn groß um den Kaiser? Es sei wohl möglich, daß der Kaiser sich auch hin und wieder einen Zacken antrinke, darum kümmere sich niemand, ja, man traue ihm zu, daß er öfter einmal blau sei und noch mehr Unsinn treibe, als unsereiner. Der Teufel soll die Aristokraten holen! Coupeau schickte die ganze Welt auf die Guillotine. Er fand alle Frauen reizend und klopfte auf seine Taschen, wo ein paar Sous aneinander klimperten, dabei lachte er so vergnügt, als ob es wenigstens zwanzig Frankenstücke seien. Selbst Goujet, der sonst immer so nüchtern war, hatte einen kleinen Schwips. Boches Augen wurden immer kleiner, Lorilleux' wurden stumpf, während Poisson immer strengere Blicke aus seinem bronzenen alten Soldatengesicht um sich warf. Sie waren alle schon so betrunken wie die Russen. Auch die Damen hatten jede ihren Spitz; es war zwar erst so ein leichter Anflug, aber der reine Wein zeigte sich doch auf ihren Wangen, und sie hatten alle das Bedürfnis, sich ein wenig auszuziehen und wenigstens die Umschlagtücher abzulegen. Clemence war auch sonst nicht mehr ganz anständig. Jetzt erinnerte sich plötzlich Gervaise der sechs Flaschen gesiegelten Weines, den sie vergessen hatte, zum Braten zu geben. Sie brachte ihn jetzt herein und man füllte die Gläser. Da erhob sich Poisson und sagte mit dem Glase in der Hand:

»Ich trinke auf die Gesundheit der Wirtin!«

Die ganze Gesellschaft erhob sich mit großem Stuhlgerücke, und in wüstem Lärm klangen die Gläser aneinander, die man sich mit ausgestreckten Armen entgegenhielt.

»Noch fünfzig Jahre so wie heute!« rief Virginie.

»Nein, nein!« antwortete Gervaise bewegt und lächelnd, »dann wäre ich zu alt. Laßt es nur gut sein, es kommt einmal ein Tag, wo man zufrieden ist, davonzukommen.«

Durch die weit geöffnete Tür sah das ganze Quartier dem Schmause zu und nahm daran seinen Anteil. Die Vorübergehenden standen in dem hellen Lichtstreifen still, der auf das Pflaster fiel, und lachten vor Vergnügen über die Leute, die da mit solchem Behagen beim Essen waren. Die Kutscher auf ihren Böcken bogen sich zurück und riefen ein Witzwort hinein, während sie ihre Pferde weiter peitschten: »Du, sage mal, das kostet wohl nichts? ... O je! die dicke Mama! Ich werde gleich die Hebamme schicken! ...« Der starke Duft der Gans verbreitete sich in der Straße und betäubte und erheiterte die Passanten. Die Gehilfen des Kaufmanns von gegenüber glaubten, daß sie mit von dem Tiere äßen; die Krämerin und die Kaldaunenhändlerin kamen alle Augenblicke und pflanzten sich vor dem Laden auf, um mit der Nase die Luft aufzuziehen und sich die Lippen zu lecken. Es war wirklich beinahe so, als ob die ganze Straße sich an der Gans den Magen verdorben habe. Die Damen Cudorge, Mutter und Tochter aus dem Schirmladen, die man sonst nie auf der Straße sah, gingen eine nach der anderen zu wiederholten Malen über den Damm und warfen heimliche Seitenblicke auf den Laden; sie waren so rot wie die Krebse. Der kleine Uhrmacher an seinem Tisch konnte nicht mehr arbeiten, er war schon davon betrunken, daß er die Liter gezählt hatte und saß ganz aufgeregt mitten unter seinen lustigen Kuckucksuhren. Jawohl, die ganze Nachbarschaft solle mittun! schrie Coupeau. Was habe man denn nötig, sich zu genieren? Wie die Gesellschaft jetzt war, schämten sie sich durchaus nicht mehr, vor aller Welt zu Tische zu sitzen; im Gegenteil, dieser Auflauf von Leuten, die alle vor Lust, mitzumachen, ihre Mäuler weit aufsperrten, schmeichelte ihnen und hob ihre Stimmung; am liebsten hätten sie die Ladenfenster eingestoßen, um ihren Tisch bis über den Damm zu decken und dort ihren Nachtisch zu verzehren vor der Nase aller Leute auf dem zitternden Pflaster. Man war doch am Ende nicht ekelhaft anzusehen, nicht wahr? Deshalb hatte man auch nicht nötig, sich einzuschließen, wie die Egoisten. Coupeau, der sah, wie der Uhrmacher zehn Sousstücke zählte, zeigte ihm von weitem eine Flasche, und als der andere mit dem Kopfe nickte, trug er ihm die Flasche mit einem Glase hinüber. So wurde mit der ganzen Straße Brüderschaft getrunken. Man rief die Kameraden herein, die lustig aussahen. So breitete sich das Gelage immer mehr aus und das ganze Goldtropfenquartier merkte etwas von der Fresserei, und man hielt sich den Bauch über ein so verteufeltes Saufen.

Seit einigen Minuten ging Madame Vigouroux, die Kohlenhändlerin, vor der Türe auf und nieder.

»Heda! Madame Vigouroux! Madame Vigouroux!« brüllte die Gesellschaft.

Sie trat nun mit einem dummen Lachen ein: sie war gewaschen und so fett, daß sie fast ihr Korsett zersprengte. Die Männer kniffen sie gern, weil sie sie kneifen konnten, wo sie wollten und nie auf einen Knochen trafen. Boche ließ sie neben sich niedersitzen und griff sogleich heimlich unter den Tisch nach ihrem Knie. Aber sie war an so etwas zu sehr gewöhnt, als daß sie nicht ruhig hätte ihr Glas Wein leeren sollen; sie erzählte dabei, daß alle Nachbarn an den Fenstern seien und daß die Leute im Hause schon anfingen sich zu ärgern.

»Oh! was das anbelangt! Das ist unsere Sache«, sagte Madame Boche. »Wir sind die Pförtnerleute, nicht wahr? Wir stehen dafür, daß alles ruhig bleibt ... Sie sollen mir kommen und sich beklagen, wir werden ihnen schon die Wege weisen.«

Im Hinterzimmer war mittlerweile zwischen Nana und Augustine wegen der Bratpfanne eine wütende Schlacht geschlagen worden, weil beide den Rest der Soße ausstippen wollten. Während einer Viertelstunde war so die Bratpfanne auf dem Fußboden hin und her gerissen worden und hatte bei jedem Aufstoßen Töne wie eine alte Trommel von sich gegeben. Jetzt pflegte Nana den kleinen Viktor, der einen Knochen im Halse stecken hatte, sie strich ihm mit ihren Fingern den Kehlkopf und zwang ihn, ein großes Stück Zucker als Medizin zu essen. Bei alledem hatte sie ein Auge auf den großen Tisch. Alle Augenblicke kam sie und verlangte Wein, Brot oder Fleisch für Etienne oder Pauline.

»Da! Du Nimmersatt!« sagte ihre Mutter, »wann wirst du mich denn endlich zufrieden lassen?«

Die Kinder konnten zwar nichts mehr runterbringen, aber sie schlangen doch noch und schlugen mit ihren Gabeln den Takt zu einem Liede, um sich aufs neue anzuregen.

In all dem Lärm war eine Unterhaltung zwischen dem Vater Bru und Madame Coupeau in Gang gekommen. Der Alte, den der Wein und die Speisen ganz bleich und schwach gemacht hatten, sprach von seinen Söhnen, die in der Krim gefallen waren. Wenn doch die Kleinen gelebt hätten, da hätte er alle Tage Brot gehabt. Aber Mama Coupeau beugte sich zu ihm und sagte mit etwas schwerer Zunge:

»Laßt nur gut sein, man hat mit den Kindern auch viel durchzumachen. Seht einmal mich an, sieht es nicht so aus, als ob ich hier ganz glücklich sei? Nun, ich weine auch öfter als ich es nachsage ... Nein, nein, wünscht Euch nur keine Kinder.«

Der Vater Bru nickte mit dem Kopfe.

»Man will nirgend mehr etwas von mir wissen«, murmelte er. »Ich bin zu alt. Wenn ich in eine Werkstatt komme, höhnen mich die Jungen und fragen mich, ob ich Heinrich IV. die Stiefel geputzt habe ... Voriges Jahr habe ich noch dreißig Sous täglich verdient, damals tünchte ich eine Brücke; man mußte da auf dem Rücken liegen und unten floß der Strom. Seit der Zeit huste ich ... Heute ist es ganz aus, jetzt werfen sie mich überall hinaus.«

Er sah auf seine armen, steifen Hände und fügte hinzu:

»Es ist ja begreiflich, ich bin zu nichts mehr zu brauchen. Sie haben ja recht, ich würde es ja ebenso machen ... Seht, das Unglück liegt nur darin, daß ich noch nicht gestorben bin. Ja, ja es ist meine Schuld. Man soll sich hinlegen und sterben, wenn man nicht mehr arbeiten kann.«

»Nein, wirklich,« sagte Lorilleux, der zuhörte, »ich verstehe wirklich nicht, daß die Regierung den Invaliden der Arbeit nicht zu Hilfe kommt ... Ich habe darüber neulich einmal was in einer Zeitung gelesen.«

Aber Poisson glaubte, die Regierung verteidigen zu müssen.

»Die Arbeiter sind keine Soldaten«, erklärte er. »Die Invalidenhäuser sind für Soldaten ... Man muß auch nichts Unmögliches verlangen.«

Der Nachtisch war aufgetragen. In der Mitte stand eine Savoyer Torte, in Form eines Tempels mit einem Dom, dessen Seiten Melonen bildeten; auf dem Dom hatte man eine künstliche Rose angebracht, zu deren Seite ein Schmetterling aus Silberpapier an dem Ende eines feinen Eisendrahtes zitterte. Zwei Tropfen Gummi im Herzen der Rose ahmten zwei Tautropfen nach. Zur Linken schwamm in einer tiefen Schüssel ein Stück weißer Käse, während zur Rechten in einer andern Schüssel große Erdbeeren mit Wasser und Zucker zurechtgemacht waren und so von ihrer Soße umflossen wurden. Es war immer noch etwas Salat übriggeblieben, große, starke Blätter Romain, die in Öl getaucht waren.

»Seht doch, Madame Boche,« sagte zuvorkommend Gervaise, »wie ist es noch mit ein bißchen Salat? Das ist ja Eure Leidenschaft, ich weiß es wohl.«

»Nein, nein, ich danke, ich habe bis hierher«, antwortete die Pförtnerfrau.

Die Wäscherin hatte sich zu Virginie herumgedreht, diese stieß sich den Finger in den Hals, wie um die Nahrung zu berühren.

»Nein wirklich, ich bin voll«, murmelte sie. »Es ist kein Platz mehr da. Nicht einen Bissen würde ich noch hinunterbringen.«

»Oh, wenn Ihr Euch ein wenig Mühe gebt«, fing Gervaise wieder an. »Man hat doch immer noch so ein kleines Loch. Und dann Salat, den ißt man ohne Hunger ... Ihr werdet doch den Lattich nicht umkommen lassen?«

»Ihr könnt ihn ja morgen eingemacht essen«, sagte Madame Lerat. »Er ist eingemacht noch besser.«

Die Damen pusteten und sahen mit bedauernden Blicken nach der Salatschüssel hin. Clemence erzählte, daß sie eines Tages drei große Bündel Brunnenkresse zum Frühstück aufgegessen habe. Madame Putois leistete noch mehr, sie nahm die Köpfe vom Lattich ungeputzt und aß sie mit Salz herunter. Alle hätten am liebsten ganz von Salat gelebt und Kübel voll davon gegessen. Mit Hilfe dieser Unterhaltung bezwangen die Damen den Inhalt der Salatschüssel.

»Ich könnte auf einer Wiese auf allen vieren kriechen«, sagte die Pförtnersfrau mit vollem Munde.

Beim Anblick des Nachtisches scherzte man; der Nachtisch zähle nicht. Er komme zwar ein bißchen spät, aber das schade nichts, man werde ihm doch alle Ehre antun. Und wenn man wie die Bomben aufplatzen sollte, man würde sich doch von so einem bißchen Kuchen und den paar Erdbeeren nicht zum besten haben lassen. Übrigens eile es nicht, man habe ja Zeit. Inzwischen füllte man seine Teller mit Erdbeeren und weißem Käse. Die Männer zündeten ihre Pfeifen an; da die Flaschen mit dem gesiegelten Wein ausgetrunken waren, kehrte man wieder zu den Litern zurück und trank den Wein beim Rauchen. Alle wollten, daß Gervaise die Savoyer Torte anschneiden solle. Poisson als galanter Kavalier erhob sich, um die Rose zu nehmen und der Wirtin anzubieten, wozu die ganze Gesellschaft Beifall klatschte. Sie mußte sie auf der linken Brust an der Seite des Herzens mit einer Stecknadel feststecken. Bei jeder ihrer Bewegungen tanzte der Schmetterling.

»Sagt doch mal!« rief Lorilleux, der eben eine Entdeckung gemacht hatte, wir essen auf Eurem Werktisch! ... Das lasse ich mir gefallen! soviel ist vielleicht noch nie darauf gearbeitet worden!«

Dieser boshafte Scherz hatte einen großen Erfolg. Jetzt fing es an geistreiche Bemerkungen zu regnen. Clemence schluckte keinen Löffel Erdbeeren mehr hinunter, ohne daß sie sagte, sie tue einen Strich mit dem Plätteisen; Madame Lerat behauptete, daß der weiße Käse nach Stärke rieche, während Madame Lorilleux zwischen den Zähnen murmelte, daß es ja das Richtige sei, auf denselben Brettern das Geld zu verprassen, auf denen man es so sauer erwerbe. Ein wahrer Sturm von Schreien und Gelächter erhob sich.

Plötzlich gebot eine starke Stimme Schweigen. Es war Boche, der ein freies, keckes Wesen annahm und »den Liebesvulkan oder den verführerischen Krieger« sang.

Ich bin Blavin, der die Schönen verführt.

Mit einer Salve von donnernden Bravos wurde das erste Couplet begrüßt. Ja, ja, man mußte singen! Jeder komme an die Reihe. Das war das Unterhaltendste von allem. So stützte die Gesellschaft denn die Ellenbogen auf den Tisch oder lehnte sich an die Stühle zurück, nickte mit dem Kopf bei den hübschen Stellen und trank einen Schluck beim Kehrreim. Dieser Kerl, der Boche, war besonders stark in komischen Liedern. Er brachte einen Milzsüchtigen zum Lachen, wenn er den Ersatzsoldaten machte mit gespreizten Fingern und den Hut im Nacken. Gleich nach dem Liebesvulkan fing er das Lied von der Baronin Hirschkuh an, das ihm stets den Beifall sicherte. Als er bei dem dritten Verse ankam, wendete er sich an Clemence und murmelte mit langsamer, wollüstiger Stimme:

Wer speist bei der Gräfin Cousine?
Es sind vier Schwesterlein,
Drei Braune und eine Blondine,
Die haben acht Äugelein.

Nun sang die angeheiterte Gesellschaft den Kehrreim. Die Männer schlugen mit den Hacken den Takt. Die Damen hatten ihre Messer zur Hand genommen und schlugen damit an ihre Gläser. Alle heulten:

Ei der Tausend! wer wird wohl zahlen
Den Wein für die Pa ... für die Pa ... für die Pa ...
Ei der Tausend! wer wird wohl zahlen
Den Wein für die Patrouille.

Die Scheiben im Laden klangen und der Atem der Sänger machte selbst die Musselinvorhänge erzittern. Unterdessen war Virginie schon zweimal verschwunden und hatte sich, als sie wieder hereinkam, zu Gervaise gebeugt und ihr ganz leise eine vertrauliche Mitteilung gemacht. Als sie das drittemal bei dem großen Lärm wiederkam, sagte sie zu ihr:

»Meine Liebe, er ist immer noch bei Franz und gibt sich den Anschein, als ob er die Zeitung lese ... Sicherlich hat er irgendeinen Überfall vor.«

Sie sprach von Lantier. Nach ihm spionierte sie herum. Nach jedem neuen Bericht wurde Gervaise ernster.

»Ist er denn betrunken?« fragte sie Virginie.

»Nein,« sagte die große Brünette, »er sieht sehr gesetzt und ruhig aus. Das beunruhigt mich gerade. Weshalb bleibt er denn beim Weinwirt, wenn er nüchtern ist? ... Mein Gott! Mein Gott, wenn doch nur nichts geschehen möchte!«

Die Wäscherin, die sehr unruhig geworden war, bat sie, doch still zu sein. Es war plötzlich ein gänzliches Stillschweigen eingetreten. Madame Putois hatte sich erhoben und sang: »Das Enterlied«. Die Gäste hörten schweigend und gesammelt zu und sahen die Sängerin an; selbst Poisson hatte seine Pfeife auf den Rand des Tisches gelegt, um besser hören zu können. Sie hielt sich ganz gerade: klein und mutig, wie sie war, mit ihrem bleichen Antlitz unter der schwarzen Haube, streckte sie ihre linke Faust mit bewußtem Stolz aus und schmetterte mit einer Stimme, die größer war, als sie selbst:

Wenn ein fürchterlicher Räuber
Vor uns jagt mit vollen Segeln,
Sitzt der Tod in seinen Raaen,
Denn Pardon gibt man ihm nicht.
An die Stücke, meine Burschen!
Sauft den Rum in vollen Zügen!
Raubgesindel auf dem Meere
Stirbt von Eurer Rächerhand!

Das war etwas Ernsthaftes. Aber zum Donnerwetter! Das gab einen richtigen Begriff von der Sache! Poisson, der auf dem Meere gefahren war, wiegte seinen Kopf hin und her, um die Einzelheiten zu billigen. Man fühlte übrigens recht gut, daß dieses Lied für die Stimmung der Madame Putois wie gemacht war. Coupeau beugte sich vor, um zu erzählen, wie Madame Putois eines Abends vier Männer geohrfeigt habe, die sie entehren wollten.

Jetzt reichte Gervaise mit Hilfe von Mama Coupeau den Kaffee herein, obgleich man immer noch von der Savoyer Torte aß. Man ließ gar nicht zu, daß sie sich wieder setzte, sondern rief ihr zu, daß sie jetzt an der Reihe sei. Sie weigerte sich, sie sah blaß aus, und man merkte, daß sie nicht so ganz wohl war, so daß man sie fragte, ob die Gans ihr vielleicht zu schaffen machte. Nun fing sie das: » Oh, laßt mich schlafen!« an und sang es mit schwacher, sanfter Stimme. Als sie bei dem Kehrreim angekommen war, in dem der Dichter wünscht, daß sein Schlaf von schönen Träumen belebt sein möge, schloß sie ihre Augenlider ein wenig, und ihr feuchter Blick verlor sich in das Dunkel der Straße. Gleich darauf begrüßte Poisson die Damen mit einem kurzen Kopfnicken und stimmte ein Lied an, in dem er dazu aufforderte, » die Weine Frankreichs zu trinken«, aber er sang wie eine Feuerspritze; nur der letzte Vers, der patriotische, hatte einigen Erfolg, weil er darin von der dreifarbigen Fahne Frankreichs sprach und sein Glas besonders hoch erhob, um es nach einigem Schwanken auf einen Zug in den weit aufgehaltenen Mund zu entleeren. Nun folgte eine Romanze auf die andere; da war die Rede von Venedig und seinen Gondelieren in der Barkarole in der Madame Boche, von Sevilla und den Andalusiern in dem Bolero der Madame Lorilleux, während Lorilleux sich sogar dazu aufschwang, bei Gelegenheit der Liebe Fatmas, der Tänzerin, von Arabien und seinen Düften zu sprechen. Um diesen fettigen Tisch in der verdickten Luft, durch die ein Hauch von Unverdaulichkeit ging, schienen sich goldene Horizonte zu eröffnen; da träumte man von Nacken wie Elfenbein, Haaren, so schwarz wie Ebenholz, von Küssen bei Mondschein und Guitarrenklang, von Bajaderen, unter deren Schritten Perlen und Edelsteine emporwüchsen. Da rauchten die Männer behaglich ihre Pfeifen, auf den Gesichtern der Damen strahlte das Lächeln ununterbrochenen Genusses, alle glaubten im Lande der Poesie zu sein und die Düfte Arabiens einzuatmen. Als Clemence anfing, das » Baut ein Nest« zu gurren und dabei alle Töne trillerte, verursachte es viele Freude; es erinnerte an das Land, an die flüchtigen Vögel, an die Tänze im Grünen, an Blumen mit honiggefüllten Kelchen, mit einem Wort, man sah im Geiste das Gehölz von Vincennes, wenn man dort einem Kaninchen den Garaus machte. Aber Virginie verstand noch heitere Töne mit » dem kleinen Riquiqui« anzuschlagen; mit einer Hand auf die Hüfte gestützt und mit schön gerundetem Ellenbogen, ahmte sie die Marketenderin nach, die immer ins Leere einschenkt und hübsch ihr Händchen dreht. Die Gesellschaft wurde so lustig, daß sie Mama Coupeau bat, nun » die Maus« zu singen. Die alte Frau weigerte sich und versicherte, daß sie von der Schweinerei gar nichts mehr wisse. Sie fing aber denn doch mit ihrer fadendünnen Stimme an, und ihr altes, faltiges Gesicht mit den kleinen lebhaften Augen gab den Ausdruck des Schreckens wieder, den Fräulein Lise empfand, wenn sie beim Anblick einer Maus ihre Röcke zusammennahm. Der ganze Tisch lachte; die Frauen konnten nicht mehr an sich halten und warfen ihren Nachbarn leuchtende Blicke zu; das war nicht unanständig, wenn man es recht überlegte, denn es kam kein schamloses Wort darin vor. Boche, der allen Dingen eine praktische Seite abgewann, machte die Maus längs der Waden der Kohlenhändlerin. Es hätte noch böse enden können, wenn nicht Goujet auf einen Blick von Gervaise mit dem Anstimmen » des Abschiedes von Abd-el-Kader«, den er mit seiner Baßstimme donnerte, die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte. Der hatte einen schönen Baß, das mußte wahr sein, das kam aus seinem großen, blonden Bart wie der Ton einer Kupfertrompete. Wenn er so aus voller Brust sang: »Oh, meine edle Gefährtin!« (er sprach von der schwarzen Stute des Kriegers), da schlugen aller Herzen und man klatschte rasend Beifall, ohne das Ende abzuwarten, so stark hatte er geschrien.

»Nun ist an Euch die Reihe, Vater Bru!« sagte Mama Coupeau. »Singt Euer Lied! Laßt es nur gut sein, die alten sind doch noch immer die besten!«

Die Gesellschaft wendete sich dem Alten zu, bestand darauf, daß er singe, und ermutigte ihn. Er war so versteinert in seiner Maske von Unbeweglichkeit, daß er die Leute ansah, ohne zu begreifen, was sie von ihm wollten. Man fragte ihn, ob er » die fünf Vokale« kenne. Er senkte den Kopf, er entsann sich nicht mehr; alle die Lieder der guten, alten Zeit wirbelten in seinem Dickkopf durcheinander. Als man sich endlich entschied, ihn ganz ruhig überlegen zu lassen, schien er sich zu entsinnen und stotterte mit hohler Stimme:

Trou la la, trou la la,
Trou la, trou la, trou la la!

Sein Gesicht belebte sich, dieser Kehrreim mußte in ihm die Erinnerung an längst entschwundene Lust wieder anfachen, die nur er allein genoß, wenn er seine Stimme hörte, die immer dumpfer mit dem Entzücken eines Kindes wieder anhub:

Trou la la, trou la la,
Trou la, trou la, trou la la!

»Sagt doch, meine Liebe,« murmelte Virginie Gervaise ins Ohr, »Ihr wißt, daß ich schon wieder daher komme. Es ließ mir keine Ruhe! Lantier ist von Franz fortgegangen!«

»Ihr habt ihn draußen nicht getroffen?« fragte die Wäscherin.

»Nein, ich bin schnell gegangen und habe nicht daran gedacht, mich umzusehen.«

Als Virginie die Augen erhob, unterbrach sie sich und stieß einen unterdrückten Seufzer aus.

»Großer Gott! ... Da ist er drüben auf dem Bürgersteig und sieht hierher!«

Gervaise war ganz verwirrt und wagte doch einen Blick hinüberzuwerfen. Es hatte sich dort auf der Straße ein Auflauf gebildet, um die Gesellschaft singen zu hören. Die Ladendiener des Kaufmanns, die Kaldaunenhändlerin und der kleine Uhrmacher bildeten eine Gruppe und schienen zu glauben, daß sie im Theater seien. Da waren Soldaten, Zivilisten in Überröcken und drei kleine Mädchen von fünf oder sechs Jahren, die einander an der Hand hielten und sehr ernst und ganz entzückt zuhörten. Und richtig! Auch Lantier hatte sich da im ersten Rang aufgepflanzt, er hörte und sah mit gleichmütiger Miene. Für seine Lage war es ein bißchen unverschämt. Gervaise fühlte, wie es ihr von unten herauf bis zum Herzen hin kalt wurde und sie wagte sich nicht mehr zu rühren, während der Vater Bru noch immer fortfuhr:

Trou la la, trou la la,
Trou la, trou la, trou la la!

»Gut, mein Alter, jetzt ist es genug!« sagte Coupeau. »Kennt Ihr das Lied ganz? ... Ihr werdet es uns ein andermal vorsingen, wenn wir noch ein bißchen lustiger sind als heute!«

Man lachte. Der Alte brach kurz ab, ließ seine blöden Augen in die Runde gehen und sank wieder in sein dumpfes Hinbrüten zurück. Jetzt war auch der Kaffee getrunken, und der Zinkarbeiter hatte wieder Wein verlangt. Clemence hatte angefangen, Erdbeeren zu essen. Einen Augenblick hörte das Singen auf, und man sprach von einer Frau, die man des Morgens im Nachbarhause erhängt gefunden hatte. Jetzt war Madame Lerat an der Reihe, aber sie mußte erst Vorbereitungen treffen. Sie tauchte den Zipfel einer Serviette in ein Glas Wasser und feuchtete sich damit die Schläfe an, weil ihr zu heiß war. Darauf verlangte sie einen Fingerhut voll Branntwein, trank ihn und trocknete sich lange die Lippen.

»› Das Kind des lieben Gottes‹, nicht wahr?« murmelte sie, »das Kind des lieben Gottes ...« Groß, männlich, mit knochiger Nase und vierschrötigen Schultern wie ein Gendarm, richtete sie sich auf und fing nun an:

Du armes Kind, von Mutterlieb' verlassen,
An heil'ger Stätte nimmt man gern dich auf,
Gott selbst wird schätzend deine Hand erfassen,
Gott, Vater, nimmt dich in den Himmel auf!

Ihre Stimme zitterte bei bestimmten Worten, und bei gewissen Molltönen verweilte sie mit Vorliebe. Sie schlug ihre Augen gen Himmel auf, während die rechte Hand vor ihrer Brust hin und her schwebte und sich schließlich mit der Bewegung tiefer Ergriffenheit auf das Herz niedersenkte. Gervaise, die durch die Anwesenheit Lantiers sehr peinlich berührt war, konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten; es schien ihr, als ob das Lied all ihren Kummer ausspreche, als ob sie dieses verlassene Kind sei, das der liebe Gott von seinem Throne aus verteidigen werde. Clemence, die sehr betrunken war, brach plötzlich in heftiges Weinen aus, mit dem Kopf auf dem Rande des Tisches erstickte sie ihr Schluchzen mit dem Tischtuch. Ein peinliches Schweigen herrschte. Die Damen hatten ihre Taschentücher hervorgezogen und trockneten sich die Augen, sie saßen mit erhobenen Gesichtern da und rechneten sich ihre Rührung zur Ehre an. Die Männer blickten mit gesenkten Stirnen gerade vor sich hin und ihre Augenlider klappten unwillkürlich auf und nieder. Poisson, der mit Gewalt seine Rührung bemeistern wollte und seine Zähne zusammenpreßte, biß zweimal hintereinander Stückchen von seiner Tonpfeife ab und spie sie aus, ohne daß er aufgehört hätte zu rauchen. Boche, der seine Hand auf dem Knie der Kohlenhändlerin gelassen hatte, kniff sie nicht mehr, er machte sich Vorwürfe, und ein unbestimmtes Gefühl von Achtung bemeisterte sich seiner, während zwei dicke Tränen über seine Backen herniederrannen. Diese Schlemmer waren unbeugsam wie die Gerechtigkeit und milde wie die Lämmer. Der Wein kam ihnen zu den Augen wieder heraus. Als die Wiederholung kam, die noch langsamer und rührender vorgetragen wurde, konnte niemand mehr an sich halten, sie heulten wie die Kälber auf ihre Teller nieder, knöpften sich die Westen und Taillen auf und waren ganz aufgelöst vor Rührung. Aber Gervaise und Virginie mußten gegen ihren Willen den Bürgersteig gegenüber immer im Auge behalten. Madame Boche ihrerseits bemerkte Lantier auch und konnte einen leichten Aufschrei nicht unterdrücken, ohne daß sie deswegen den Tränen Einhalt getan hätte, die ihr Gesicht beschmutzten. So hatten denn diese drei sehr ängstliche Mienen und machten sich unwillkürlich Zeichen mit dem Kopfe. Mein Gott! Wenn Coupeau sich umdrehte, wenn Coupeau den andern sähe. Welcher Mord und Totschlag! Was für ein Blutbad! Sie machten das schließlich so auffallend, daß der Zinkarbeiter sie fragte:

»Was habt ihr denn da zu gucken?«

Er beugte sich vor und erkannte Lantier.

»Beim heiligen Himmel! Das ist zu stark!« murmelte er. »Dieser schmutzige Schuft! Dieser schmutzige Schuft ... Nein, das ist wirklich zu stark, da muß man ein Ende machen!«

Als er aufstand und seine wütenden Drohungen hervorstotterte, versuchte Gervaise ihn mit leise bittender Stimme zu beschwichtigen.

»Höre doch, ich beschwöre dich ... Laß das Messer liegen ... bleibe auf deinem Platz, richte kein Unheil an!«

Virginie mußte ihm das Messer wegnehmen, das er vom Tisch aufgegriffen hatte. Aber sie konnte nicht verhindern, daß er aufstand, hinausging und sich Lantier näherte. Die Gesellschaft, deren Erregung sich immer noch steigerte, hörte und sah nichts, sondern weinte noch stärker, als Madame Lerat mit herzzerreißendem Ausdruck weitersang:

Die arme Waise war verloren,
Und ihre Stimme kam zu Ohren
Nur den Bäumen und dem Wind.

Dieser letzte Vers erklang wie der klagende Ton des Sturmwindes. Madame Putois, die gerade trank, war so gerührt, daß sie ihren Wein über das Tischtuch goß. Indessen war Gervaise wie erstarrt vor Schrecken sitzen geblieben, ihre eine Hand hatte sie vor den Mund gepreßt, um nicht zu schreien, ihre Augenlider schlossen und öffneten sich abwechselnd vor Entsetzen, denn sie erwartete von einem Augenblick zum andern, einen der beiden Männer zerschmettert mitten auf der Straße zu Boden stürzen zu sehen. Auch Virginie und Madame Boche folgten der Szene mit tiefem Interesse. Coupeau, dem die frische Luft beinahe die Besinnung nahm, wäre auf ein Haar in den Rinnstein gefallen, als er sich auf Lantier stürzen wollte. Dieser stand ruhig mit den Händen in den Hosentaschen da und war ihm einfach ausgewichen. Dann brüllten die beiden einander an, besonders der Zinkarbeiter fuhr mit dem anderen ab, er warf ihm Worte wie krankes Schwein an den Kopf und sprach davon, ihm die Kaldaunen aus dem Leibe zu reißen. Man hörte den Ton ihrer wütenden Stimmen und sah ihre rasenden Bewegungen, als ob sie sich bei ihren Schlägen die Arme aus den Gelenken drehen wollten. Gervaise wurde ohnmächtig und schloß die Augen. Das dauerte zu lange, und sie glaubte jeden Augenblick, jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, wo sie aufeinander losfahren würden, so nahe waren sie Gesicht bei Gesicht aneinander. Als sie nichts mehr hörte, öffnete sie die Augen und blieb ganz dumm sitzen, als sie sie ruhig miteinander plaudern sah.

Die Stimme der Madame Lerat erhob sich wieder schluchzend und weinerlich, als sie einen neuen Vers anfing:

Am nächsten Morgen, schon halb entseelt,
Da fand man das arme Kind.

»Es gibt Frauen, die trotz alledem nichts taugen!« sagte Madame Lorilleux inmitten des allgemeinen Beifalls.

Gervaise hatte mit Madame Boche und Virginie einen Blick gewechselt. Das schien also beigelegt? Coupeau und Lantier plauderten ruhig auf dem Bürgersteig fort. Sie schimpften sich zwar noch, aber freundschaftlich. Sie nannten sich »verdammtes Tier«, und das mit einem Ton, in dem schon die Keime einiger Zärtlichkeit lagen. Da man sie beobachtete, fingen sie an, nebeneinander langsam an den Häusern entlang zu gehen, wobei sie alle zehn Schritte wieder umdrehten. Sie hatten sich in eine sehr lebhafte Unterhaltung verwickelt. Plötzlich schien Coupeau wieder böse zu werden, weil der andere ihm etwas abschlug und sich bitten ließ. Endlich stieß der Zinkarbeiter Lantier vor sich her, zwang ihn über die Straße zu gehen und in den Laden einzutreten.

»Ich sage Euch, es geschieht aus gutem Herzen!« schrie er. »Ihr trinkt ein Glas Wein ... Männer sind Männer, nicht wahr? Man kann sich doch verständigen.«

Madame Lerat brachte ihren letzten Vers zu Ende. Alle Damen wiederholten den Kehrreim, wobei sie ihre Taschentücher förmlich ausrangen:

Verlor'ner Kinder nimmt ein Gott sich an!

Man sagte der Sängerin viele Schmeicheleien, doch diese saß erschöpft da und tat so, als ob sie ganz gebrochen sei. Sie forderte etwas zu trinken, denn sie wandte bei diesem Liede stets so viel Gefühl an, daß sie ihre Nerven abzuspannen fürchtete. Nun richteten sich alle Blicke auf Lantier, der ganz friedlich neben Coupeau saß und schon den Rest der Savoyer Torte aß, die er in ein Glas Wein einstippte. Außer Virginie und Madame Boche kannte ihn niemand. Die Lorilleux' witterten wohl irgendwelchen Unrat, aber sie wußten nichts, doch hatten sie eine gekniffene Miene angenommen. Goujet, dem die Gemütsbewegung von Gervaise nicht entgangen war, betrachtete den neuen Ankömmling von der Seite. Als ein förmliches Stillschweigen eintrat, sagte Coupeau ganz einfach:

»Einer meiner Freunde!«

Und sich seiner Frau zuwendend:

»Nun, tummle dich doch ein bißchen! ... Vielleicht hast du noch etwas warmen Kaffee!«

Gervaise betrachtete sie einen nach dem andern mit sanften, stumpfen Blicken. Zuerst, als ihr Mann ihren früheren Liebhaber in den Laden gestoßen hatte, nahm sie ihren Kopf zwischen die Hände mit derselben unwillkürlichen Bewegung, die ihr an Tagen, wo es gewitterte, eigen war, wenn es heftig donnerte. Es schien ihr unmöglich; die Mauern müßten einfallen und alle zerschmettern. Als sie dann die beiden Männer nebeneinander sitzen sah, ohne daß auch nur die Musselinvorhänge gezittert hätten, hatte sie plötzlich alles ganz natürlich gefunden. Die Gans drückte ihr auf den Magen, sie hatte entschieden zuviel davon gegessen, und das verhinderte sie am Denken. Eine glückliche Faulheit schläferte sie ein; sie saß an dem Tisch wie eine beinahe fühllose Masse, und hegte nur den einen Wunsch, nicht ganz zu verdummen. Mein Gott! Wozu sollte sie sich das Herz abstoßen, wenn die anderen die Sache leicht nahmen und sich die Dinge von selbst zur allgemeinen Zufriedenheit zu ordnen schienen? So stand sie auf, um zu sehen, ob noch Kaffee da war.

Im Hinterzimmer schliefen die Kinder. Während des ganzen Nachtisches hatte sie die schielende Augustine tyrannisiert, ihnen ihre Erdbeeren fortgenommen und sie mit abscheulichen Drohungen eingeschüchtert. Jetzt war sie sehr krank und saß auf einer kleinen Fußbank zusammengekauert mit bleichem Gesicht, ohne ein Wort zu sprechen. Die dicke Pauline hatte ihren Kopf auf die Schulter Etiennes fallen lassen, der selbst, gegen den Tisch gelehnt, eingeschlafen war. Nana saß auf dem Rande des Bettes neben Victor, den sie an sich drückte und dem sie einen Arm um den Nacken geschlungen hatte; im Schlaf mit geschlossenen Augen murmelte sie fortwährend mit leiser Stimme:

»O Mama, ich bin so müde ... O Mama, ich bin so müde!«

»Ja, ja!« murmelte Augustine, die ihren Kopf nicht aufrecht zu halten vermochte, nun sind sie ganz hin! Sie haben ebenso gesungen wie die Großen!«

Beim Anblick von Etienne gab es Gervaise einen Stich ins Herz. Sie glaubte ersticken zu müssen, wenn sie daran dachte, daß der Vater dieses Burschen da nebenan ganz ruhig Kuchen aß, ohne daß er den Wunsch hatte laut werden lassen, den Kleinen zu umarmen. Sie war schon im Begriff, Etienne aufzuwecken und ihn auf ihren Armen hineinzutragen. Da fand sie noch einmal, daß es doch sehr gut sei, wenn sich alles so ruhig mache; es sei sicher nicht schicklich gewesen, das Ende ihres Festes zu stören. So kam sie mit der Kaffeekanne zurück und goß Lantier, der sich übrigens nicht um sie zu bekümmern schien, ein Glas Kaffee ein.

»Jetzt bin ich an der Reihe!« lallte Coupeau mit rauher Stimme. »Ja, ja, mich haben sie bis zuletzt aufgespart ... Nun denn, ich werde euch singen: » Was ist das Kind für 'n Schwein

Da begann der Lärm aufs neue, und Lantier war vergessen. Die Damen rückten ihre Gläser und Messer zurecht, um den Kehrreim zu begleiten. Man lachte schon im voraus beim Anblick des Zinkarbeiters, der sich mit Schelmenmiene fest auf seine Beine zu stellen versuchte. Er begann mit der heiseren Stimme einer alten Frau:

Wenn man des Morgens früh aufsteht,
Sind Herz und Beutel stets gleich leicht;
Das Kind dann zum Budiker geht,
Der mir den Schnaps auf Pump noch reicht.
Drei Viertelstunden bleibt die Range,
Eh' sie bringt den Branntewein,
Säuft die Hälfte auf dem Gange,
Oh! was ist das Kind für 'n Schwein!

Nun schlugen die Damen an ihre Gläser und wiederholten im Chor mit ungeheurer Heiterkeit:

Oh! was ist das Kind für 'n Schwein!
Oh! was ist das Kind für 'n Schwein!

Die Goldtropfengasse mischte sich jetzt hinein. Das ganze Quartier sang: » Oh! was ist das Kind für 'n Schwein!« Gegenüber fielen der Uhrmacher, die Ladenburschen des Kaufmanns, die Krämerin und die Kaldaunenhändlerin, die alle das Lied kannten, in den Kehrreim ein und schlugen einer auf des andern Rücken zum Spaß den Takt. Schließlich schien es so, als ob die ganze Straße mit betrunken sei; schon der Geruch der Gasterei bei den Coupeaus ließ alle Leute auf der Straße Feierabend machen. Man muß sagen, daß die drinnen um diese Stunde schon recht hübsch angeheitert waren. Die Betrunkenheit steigerte sich nach und nach von dem ersten Schluck reinen Weines, den sie nach der Suppe getrunken hatten. Jetzt hatte die Sache ihren Höhepunkt erreicht; alle waren mit Nahrung bis zum Platzen vollgepfropft und saßen so in dem rötlichen Dampf, den die beiden blakenden Lampen erzeugten. Der Lärm ihrer Lustigkeit übertönte das Rollen der letzten Wagen. Zwei Stadtsergeanten, die glaubten, daß da ein Auflauf entstanden sei, eilten herbei; als sie aber Poisson inmitten der Gesellschaft sahen, nickten sie ihm verständnisinnig zu. Sie gingen nun zusammen langsam an den dunklen Häusern hin. – Coupeau war bei folgendem Vers:

Des Sonntags in Petit-Villette,
Wenn die Glut vorbei,
Besuch' ich meinen Onkel Tinette
Von der Abfuhrkompagnei.
Kirschenkerne dort zu sammeln,
Wagen wir uns tief hinein,
Kind läßt drin die Beine bammeln.
Oh! was ist das Kind für 'n Schwein!
Oh! was ist das Kind für 'n Schwein!

Jetzt aber kam das Haus ins Wackeln, ein solches Geheul ertönte durch die milde, stille Nacht; diese Schreihälse klatschten sich selber Beifall, denn sie konnten nicht hoffen, daß es ihnen gelingen werde, noch stärker zu brüllen.

Niemand von der ganzen Gesellschaft konnte sich so recht darauf besinnen, was die Sache eigentlich für ein Ende genommen hatte. Es mußte schon sehr spät gewesen sein, denn auf der Straße kam keine Katze mehr vorüber. Es konnte wohl sein, daß man noch um den Tisch herumgetanzt hatte und sich dabei bei den Händen gehalten. Alles ging in einem gelben Nebel unter, in dem rote Gesichter hin und her sprangen, deren Mäuler von einem Ohr bis zum andern aufgerissen waren. Soviel stand fest, man hatte zuletzt den Wein in vollen Gläsern heruntergestürzt; nur wußte man nicht ganz genau, ob nicht jemand aus Unsinn Salz in die Gläser geschüttet hatte. Die Kinder mußten sich ganz allein ausgezogen und zu Bette gelegt haben. Madame Boche rühmte sich am nächsten Morgen, daß sie Boche zwei Ohrfeigen gegeben habe, weil er in einer Ecke mit der Kohlenhändlerin gar zu eindringlich geplaudert. Aber Boche, der sich des Vorfalls nicht entsann, behandelte die ganze Sache als eine Erfindung. Was jedermann für wenig anständig hielt, war das Betragen von Clemence. Die war entschieden ein Mädchen, das man nicht einladen konnte; sie hatte schließlich alles gezeigt, was sie besaß, und es war ihr so übel geworden, daß sie eine Musselingardine total verdorben hatte. Die Männer gingen wenigstens auf die Straße; Lorilleux und Poisson waren, als ihre Magen rebellisch wurden, direkt bis zum Laden des Wursthändlers gegangen. Wenn man eine gute Erziehung genossen hat, kommt es immer zur Geltung. So waren Madame Putois, Madame Lerat und Virginie, als sie die Hitze zu sehr belästigte, einfach in das Hinterzimmer gegangen und hatten ihre Korsetts ausgezogen; Virginie hatte sich sogar lang auf das Bett gestreckt, nur für einen Augenblick freilich, um böse Folgen zu vermeiden. Dann schien die Gesellschaft weggeschmolzen zu sein, die einen verschwanden nach den anderen; alle begleiteten einander und verloren sich so in dem dunkeln Quartier mit einem letzten Lärm, den ein wütender Streit zwischen den Lorilleux' verursachte; noch ein »Trou la la, trou la la!« auf das sich der Vater Bru mit stumpfsinniger Energie verbissen hatte, und alles war aus. Es war Gervaise so vorgekommen, als ob Goujet, ehe er fortging, geschluchzt habe. Coupeau sang noch immer. Lantier mußte wohl bis zuletzt geblieben sein, denn es war ihr einen Augenblick so, als ob in ihren Haaren ein gewisser Duft sei, aber sie konnte nicht genau sagen, ob es von Lantier oder der heißen Nachtluft kam.

Da Madame Lerat sich geweigert hatte, zu so später Nachtstunde noch nach Batignolles zurückzukehren, wurde für sie in einer Ecke des Ladens, nachdem man den Tisch beiseite gerückt hatte, auf einer Matratze ein Lager aufgeschlagen. Dort schlief sie mitten unter den Abfällen des Gastmahles. Während der ganzen Nacht, wo die Coupeaus in bleiernem Schlafe ihren Rausch sühnten, fraß eine Katze aus der Nachbarschaft, die durch ein offenes Fenster eingedrungen war, die Knochen der Gans und verzehrte so mit dem leisen Geräusch ihrer feinen Zähne die letzten Reste des Tieres.


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