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Neuntes Kapitel

Ein Jagdabenteuer mit einer Hyäne. Wozu die Taubenpost gut ist. Elefanten! Fritz macht eine Kajakfahrt stromaufwärts und trifft auf Flußpferde. Das Haifischinselchen wird eine Festung.

Der lange, dreistimmige und geschwätzige Bericht der lustigen Reisegesellschaft läßt sich in etwas gedrängtere Erzählung zusammenfassen.

Rasch ging es also nach dem Aufbruch über die Brücke hinweg. In ziemlich kurzer Zeit erreichten sie die Gegend von Waldegg; hier wollten sie sich für die ersten zwei Tage festsetzen.

Als sie sich aber der Meierei näherten, vernahmen sie ganz bestürzt ein wiederholt aufklingendes Lachen wie von einer Menschenstimme, und zugleich bezeugten ihre Ochsen durch Schnauben, Brüllen und Kopfaufrichten eine ganz außerordentliche Unruhe. Die Hunde fingen an, mit gesträubten Haaren zu knurren, und zogen sich bedächtig in die Nähe der Knaben zurück. Ja, der Strauß machte plötzlich mir nichts dir nichts kehrt und rannte samt seinem hochfahrenden Reiter auf und davon in den Reissumpf am Waldeggsee hinein.

Unterdessen wiederholte sich von Zeit zu Zeit das schauderhafte Lachen, wobei jedesmal der Ausdruck der Unruhe und Angst bei den Tieren wiederkehrte, so daß sich endlich die Ochsen fast gar nicht mehr halten ließen und die zwei Reiter gut fanden, abzuspringen, um ihrer Bewegungen Herr zu bleiben.

»Hier ist etwas nicht richtig«, sagte Fritz, »die zwei Tiere da tun ja, als ob ein Löwe oder Tiger in der Nähe verborgen läge. Sie sind kaum noch zurückzuhalten; ich will sie aber womöglich noch zu bändigen suchen, bis du ein wenig vorausgeschlichen bist, Fränzchen, und in Begleitung der Hunde ausgespäht hast, was für ein Strauchdieb im Revier sein mag. Komm aber eiligst zurück, sowie du etwas Unheimliches bemerkst; wir springen dann wieder auf und sausen im Hui davon. Unsere Ochsen drehen so schon die Nasen nach rückwärts. Schade, daß Jack Reißaus genommen hat; man hört gar keinen Laut von ihm.«

Fränzchen machte seine Pistolen sowie seine Kugelbüchse zurecht, rief leise die zwei Hunde zu sich und kroch dann geduckt durch das Gebüsch nach der Gegend zu, aus der das scheußliche Lachen hergetönt hatte.

Etwa achtzig Schritte weit mochte er sich vorwärts geschlichen haben, als er plötzlich durch eine Öffnung des Gesträuches, ungefähr dreißig oder vierzig Schritte weit vor sich, eine ungeheure Hyäne zu Gesicht bekam, die eben einen Widder zu Boden gerissen hatte.

Entsetzt blieb Fränzchen stehen; das Ungeheuer hob den blutigen Rachen von seinem Opfer und starrte mit funkelnden Augen zu dem armen kleinen Buschklepper hinüber; anstatt aber zum Angriff überzugehen, beugte sie sich wieder zu ihrem Raub und begann in aller Gemütsruhe ihr Frühstück. Einmal nur streifte ihn wieder ein Blitz aus den tückischen Augen, und das grauenvolle Lachen, aus nächster Nähe doppelt fürchterlich, jagte ihm einen Schauder über den Leib. Noch einen tiefen Atemzug, dann hatte der brave Junge sich gefaßt; schnell hob er seine Büchse, nahm einen Baum als Stütze zum Zielen für den doch leise zitternden Arm und drückte ab. Das Scheusal brüllte heulend laut auf. Eine seiner Vordertatzen war zerschmettert. Jetzt aber brachen die Hunde wie rasend los, und im nächsten Augenblicke wälzten sie sich im Knäuel mit ihrem Feinde am Boden. Ein entsetzlicher Kampf, dem Fränzchen verwirrt und erschüttert zusehen mußte, weil ein neuer Schuß aufs Geratewohl in dieses Durcheinander von zuckenden, windenden und springenden Gliedmaßen ebensogut die Freunde wie den Feind treffen konnte.

Fritz, der inzwischen mit großer Anstrengung dazu gelangt war, die zwei Reitochsen an Baumstämmen festzubinden, kam eben jetzt mit gespanntem Hahn seiner Jagdflinte herbeigelaufen, um dem Bruder Hilfe zu leisten. Aber auch er wagte nicht zu schießen. Zum Glücke war der Ausgang des Kampfes nicht lange mehr unentschieden; die beiden Doggen bewährten sich als unvergleichliche Kämpfer, und nach einigen weitern Minuten ängstlicher Spannung brach das Ungetüm, das unter Kreischen und Heulen um sich gebissen hatte, mit einem schauerlichen Ächzen zusammen. Braun hatte ihm die Gurgel regelrecht durchbissen. Jetzt sprang Fritz in langen Sätzen hinzu und jagte der Hyäne aus nächster Nähe eine Pistolenkugel ins Auge. »Viktoria!« schrie er, »komm, Fränzchen!« Das Scheusal rührte sich nicht mehr; mit Gewalt, ja unter Anwendung von Knebeln mußten sie die Hunde von ihrem Widersacher losmachen. Falb hing mit zusammengeklemmtem Gebiß am Nacken des Ungetüms. Beide Köter konnten nur schwer beruhigt werden. Sie umkreisten die Leiche des Feindes mit wütendem Knurren und bleckten mit aufgehobener Oberlippe die Zähne. Erst die Liebkosungen der dankbaren Knaben, die sich mit Streicheln, Klopfen und Rühmen nicht genug tun konnten, lenkten sie ab, und geduldig ließen sie sich dann ihre Wunden waschen und salben.

Nicht lange, so traf nun auch Jack, der sowohl die Schüsse als auch das Siegesgeschrei gehört hatte, bei seinen Brüdern wieder ein, nachdem er sich mit Mühe aus dem Sumpf losgemacht und seinen Strauß zum Walplatz der Hyäne herumgetrieben hatte.

Hierauf schafften die drei Knaben vollends ihr Gepäck nach Waldegg, in dessen Nähe sie sich befanden, und nachdem sie alles abgeladen und in Sicherheit gebracht hatten, holten sie mit dem Schleifkarren auch die erlegte Hyäne dahin ab und machten sich sogleich mit großer Anstrengung an das Ausweiden und Abhäuten des gewaltigen Tieres.

Mit einiger Unterbrechung, um etwelches Geflügel von benachbarten Bäumen herabzuschießen, beschäftigte sie diese Arbeit hinlänglich für den Rest des Tages, worauf sie sich auf unsern zwei schönen Bärenhäuten zur Ruhe begaben, die die Schlingel zu diesem Zwecke mitgenommen hatten.

Um dieselbe Zeit ungefähr saßen wir Eltern samt Ernst des Abends nach vollbrachter Arbeit auf Felsheim unter der offenen Laube und schwatzten viel von den drei kühnen Streifzüglern, Ernst mit etwas rätselhaften Andeutungen, die Mutter nicht ohne manche Besorgnis, ich selbst voll guten Vertrauens, das ich auf Fritzens Verstand, Besonnenheit und entschlossenen Mut einmal gründete.

Mutter und Ernst plauderten noch gemütlich zusammen über die Jagdpartie.

»Aber seht doch«, fiel ich ihnen ins Wort, »was da noch für ein Spätling in unsern Taubenschlag fliegt! Ich kann bei der beginnenden Finsternis nicht einmal erkennen, ob es ein eigener oder ein fremder Vogel sein mag!«

Ernst sprang auf. »Na, da muß ich nur schnell hin und das Fallbrett hinunterlassen. Morgen wollen wir dann sehen, was sich eingefunden hat; die ungewöhnliche Zeit läßt wohl auf etwas Ungewöhnliches schließen.«

Daraufhin machte er noch einige rätselhafte Andeutungen, deren Sinn mir auch dann noch nicht klar war, als wir uns längst zu Bett gelegt hatten. Am Morgen freilich lüftete er den Schleier des Geheimnisses. Während wir noch beim Morgenessen saßen, trat der Junge – mit einem Brief zu uns herein, den die jungen Jäger mit der Taubenpost gestern abend hergesandt hatten. Ich verlangte den Brief natürlich zu lesen, aber er wehrte gravitätisch ab.

»Du wirst gleich hören«, sagte er; »ich lese das Briefchen von Wort zu Wort, wie es abgefaßt ist:

»Liebste Eltern und lieber Ernst! Eine gewaltige Hyäne hat zwei Schäfchen und einen Widder zerrissen, aber unsere Hunde griffen sie an, Fränzchen verwundete sie schwer, und sie ist endlich erlegen. Fast den ganzen Tag haben wir mit dem Abstreifen ihrer Haut zugebracht, die sehr schön ist. Unser Pemmikan taugt wenig. Lebt allerseits so wohl als eure wohlbehaltenen Söhne und Brüder! Wir küssen euch alle herzlich.

Waldegg, den fünfzehnten dies.

Euer Fritz!«

»Ha, ha, ein echter Jägerbrief!« lachte ich; »gottlob, daß der Stand mit der Hyäne glücklich vorübergegangen zu sein scheint! Aber wo ist nur das Untier in unser Revier hereingekommen; es muß den Durchgang bei der Klus erst neulich erzwungen haben, denn sonst hätte es wohl längst unter unsern Schafen und Ziegen aufgeräumt.«

»Ach, wenn nur die Jungen vorsichtig sind!« bemerkte die Mutter; »ich wollte, wir könnten sie heimberufen. Ist es wohl rätlicher, ihnen eiligst nachzuziehen oder noch länger Geduld zu haben?«

»Ich glaube doch das letztere, liebe Mutter!« versetzte Ernst; »denn heute abend wird abermals eine Luftpost anlangen, die dann besser bestimmen kann, was etwa tunlich sei.«

Und wirklich, gegen Abend sahen wir noch etwas früher als am Abend zuvor eine zweite Brieftaube im schnellsten Fluge daher und hinein in den Taubenschlag schießen, der unverzüglich von Ernst durch Herunterlassen des Fallbrettes geschlossen wurde, worauf der Knabe dann hinaufstieg und in kurzem ein Zettelchen zurückbrachte, das er unter dem einen Flügel der Angekommenen losgesch[n]ürt hatte. Sofort las er den nachstehenden lakonischen Bericht ab:

»Die Nacht ruhig. – Der Morgen heiter. – Kajakfahrt auf dem Waldeggsee. – Unbekanntes Sumpftier auf rascher Flucht. – Morgen geht es nach Hohentwiel. – Lebt insgesamt wohl! – Die Eurigen:

Fritz, Jack und Fränzchen.«

Das Briefchen beruhigte mich und die Mutter nicht wenig, weil es eine ruhige Nacht vermeldete, woraus wir entnehmen konnten, daß wohl keine zweite Hyäne im Reviere sei, denn eine solche würde sich höchstwahrscheinlich zur Nachtzeit herangemacht haben.

Des Briefchens übriger Inhalt war mir freilich für den Augenblick großenteils noch rätselhaft, aber die spätere mündliche Auseinandersetzung der Knaben brachte mich ins reine darüber.

Die Jäger hatten eine Kahnfahrt auf dem Waldeggsee ausgeführt; dabei war es Fritz gelungen, mit dem Kajak einige junge Schwäne einzuholen und zu fangen; sie wurden später in die Rettungsbucht gebracht, wo sie lange eine Zierde der Wasser waren. Während sie weiterpirschten, brach vor ihnen ein schweres, dunkles Sumpftier durchs Gebüsch; sie jagten ihm einige Kugeln nach, trafen aber nicht; doch ließen mich ihre Angaben auf den südamerikanischen Tapir schließen. Die Briefe gaben uns volle Gewißheit, daß es unsern Jungen gut gehe; auch ein dritter bestärkte uns in Sicherheit, so daß wir ihre Rückkunft oder eine spätere Zuschrift in aller Gelassenheit abzuwarten beschlossen.

Unser Entschluß änderte sich jedoch bald, als nicht lange nach dem Mittagessen höchst unerwartet ein weiterer Eilbote auf den Fittichen des Windes zu uns herflog. Schon seine unvermutete Ankunft an sich mußte unsere Besorgnis erregen, noch mehr aber setzte uns der Inhalt des neuen Briefchens in Schrecken und Bangigkeit. Er lautete wie folgt:

»Der Durchgang bei der Klus ist durchbrochen und erstürmt; bis nach Zuckertop liegt alles zerstört. Die Rauchhütte ist zerschmettert. Die Zuckerrohre sind teils ausgerissen, teils zerknickt oder zermalmt und das Hirsefeld abgestreift oder abgefressen; gewaltige Fußstapfen zeigen sich auf dem Boden. Eile, lieber Vater, uns zur Hilfe heran! Wir getrauen uns weder vorwärts noch rückwärts, und wenn auch gesund und unangefochten, fühlen wir uns dem Schaden oder der Gefahr durchaus nicht gewachsen.«

Man kann sich denken, was diese Meldung mir für flinke Füße machte; ich lief unverzüglich hin, den Wildling zu satteln, und gab der Frau die Weisung, in Gesellschaft Ernsts den folgenden Morgen mit unserm Frachtwagen nach der Klus nachzukommen, alles Nötige zu einem längern Aufenthalt dorthin mitzubringen und die Kuh sowie Rasch, den jungen Esel, zum Ziehen des Wagens zu gebrauchen. Mit einem einzigen Satz sprang ich auf den Wildling und sprengte in gestrecktem Galopp davon.

Ich machte den Weg von etwa sechs Stunden in bedeutend kürzerer Zeit und wurde bei meiner unvermutet schnellen Ankunft mit einem lauten Freudengeschrei empfangen. Unverweilt nahm ich jedoch überall den verursachten Schaden in Augenschein und fand zu meinem Schrecken die tollste Verwüstung, die den ungeheuren Fußstapfen nach durchaus nur von Elefanten herrühren konnte. Die dicken Sperrstangen im Engpaß der Klus, die wir einst mit so großer Anstrengung als Schlagbäume übergelegt hatten, lagen wie geknickte Strohhalme auf der Erde, und die Bäume an der Seite waren bis weit hinauf ihrer Äste und Blätter beraubt. Wo aber die Verwüstung sich am greulichsten darstellte, das war bei der Zuckerrohrpflanzung, in der alles, was nicht gefressen worden war, zerstampft und in den Grund verdorben lag; übrigens war auch das Flechtwerk der Waldlaube bei Zuckertop zerrissen, und die Rauchhütte lag gänzlich zerstört.

Ich gab bei dieser ganzen Untersuchung vorzüglich auf alle Fußstapfen acht, ob keine reißenden Tiere sich eingeschlichen hätten, fand aber doch nichts Verdächtiges als eine Art großer Wolfs- oder Hundespuren, deren Richtung ich von der Klus nach dem Ufergebiet unverkennbar bemerkte, die jedoch keineswegs nach der Klus zurückführten. Ich vermutete deshalb, es sei dies die Fährte der von den Knaben erlegten Hyäne, und fand doch einigen Trost darin, nicht andere ebenso verdächtige Spuren wahrgenommen zu haben.

Ohne Zögern schlugen wir jetzt gemeinschaftlich das Waldzelt auf und trugen eine Menge Holz zusammen, um auf die Nacht ein besonders starkes Feuer anzulegen, das uns wider einen Angriff der gewaltigen Elefanten hinlänglich beschützen könnte. Auch war die Nacht, wenigstens von unserer Seite, eben nicht die ruhigste, denn Fritz und ich verplauderten in gespannter Aufmerksamkeit manches Viertelstündchen an unserem Flammenherd, indem wir uns hauptsächlich über die Elefanten unterhielten; doch blieben wir von jedem Überfall verschont.

Erst am folgenden Mittag langte die Mutter mit Ernst samt dem Wagen, der Kuh und dem jungen Esel an, und wir begannen dann alsbald, uns zu einem längeren Aufenthalt einzurichten. Vor allem unternahmen wir sogleich die höchst nötige Ausbesserung und Verstärkung aller früher angebrachten Befestigungen der Klus, die ich hier nicht weitläufig beschreiben will; genug, daß sie uns einen vollen Monat lang in Atem hielten.

Wenn auch die Befestigung des Kluspasses beendigt war, so blieb uns doch noch vieles in der Nähe zu tun übrig; wir mußten nämlich noch an eine feste Wohnung in der Nachbarschaft denken, und diese wurde, nach Fritzens früher geäußertem Wunsch, wie eine kamtschadalische Sommerwohnung auf vier Pfählen angelegt, nur daß wir uns statt der Pfähle vier hohe, schöne Bäume ausersehen hatten, die an einer geeigneten Stelle fast regelmäßig in einem Quadrat zwölf bis dreizehn Fuß weit voneinander abstanden.

Etwa in der Höhe von zwanzig Fuß wurden die vier Stämme durch Balken von Bambusrohr verbunden und zwischen diesen ein starker Estrich gezimmert, der auf allen vier Seiten mit einer acht Fuß hohen Wand von dünneren Rohrschäften eingefaßt war, wobei die Wand gegen die Klus hin ein paar schmale Fenster wie Schießscharten erhielt. Das Dach wurde in der Mitte spitzig aufgerichtet und mit Baumrinde dergestalt bedeckt, daß kein Regen durchschlagen konnte. Zur Treppe rüsteten wir einen Balken mit eingeschnittenen Absätzen auf seinen zwei Seiten ungefähr so zu, wie man sie in Schiffsräumen oder in Speichern und Scheunen der Bauern antrifft. Dieser eingekerbte Balken aber konnte senkrecht über einen anderen, feststehenden emporgeschoben werden, der in der Mitte der hinteren Wand angebracht und sehr wohl befestigt war; er hatte nämlich auf der hinteren Seite Vertiefungen, und in diese griff ein Zahnrad, das sich durch ein Getriebe mit einer Kurbel in Bewegung setzen ließ und den Treppenbalken auf ähnliche Art emporschob oder wieder herabzog, wie man es bei den eisernen Hebestangen der gewöhnlichen Lastwinden sieht. Wurde nun der Treppenbalken vollends durch den Zimmerraum des Häuschens noch weiter emporgewunden, so stieß er oben im Estrich eine Falltüre auf, durch die man ins Freie steigen und sich ziemlich weit umsehen konnte; ließ man aber die Treppe zur Erde hinab, so geschah es vermittels einer Falltüre im Fußboden des Kämmerchens.

Die vier Baumstämme wurden dann unterhalb des Zimmerchens mit vier bis fünf Fuß hohen Trämeln von Kokosholz in ihren Zwischenräumen verbunden, so daß der Platz dazwischen ein wohleingemachtes Erdgeschoß bildete, wo einige Stücke Vieh oder Geflügel untergebracht werden konnten, wozu wir eine Raufe und einen Freßtrog gegenüber der Eingangstüre anbrachten.

Den Zwischenraum zwischen der unteren Brüstung und den Wänden des oberen Gemaches verwahrten wir mit schräg übereinander befestigten, ziemlich dünn gespaltenen Bambuslatten in gehörigen Abständen, daß sie ein sogenanntes Pfaffengitter, wie bei einem Gartenkabinett oder einem Lusthäuschen, bildeten. Auch wurden sonst dem Ganzen noch einige Verzierungen in chinesischem Geschmacke zugeteilt, und da wir alle nach außen gehenden Äste der vier Bäume unverletzt gelassen hatten und wir somit gleichsam im grünen Gebüsch verborgen hockten, so bildete das Ganze ein recht anmutiges Laubkämmerchen, das jedoch unterhalb auch einem kleinen Notställchen oder einem Vogelhause glich.

Während wir so beschäftigt waren, machte Fritz allein auf dem Kajak einen Streifzug den Strom hinauf und kam mit reicher Jagdbeute wieder. Besonders freute mich dabei ein Sultanshuhn, das er lebend gefangen und das nun der Mutter für das Hühnerhaus übergeben wurde. An pflanzlichen Erzeugnissen gewannen besonders mitgebrachte Kakaobohnen unser Interesse.

Er erzählte uns später das Wesentliche von seinem Ausflug, von der ungemeinen Fruchtbarkeit des Geländes am jenseitigen Ufer bis hoch empor an den Abhang der naheliegenden Berge und von der Majestät der dichten Wälder, an denen er vorbeigefahren war. Ein stetiges Kollern von Truthähnen und ein unermüdliches Quäken, Schnarren, Krächzen von Perlhühnern, Pfauen und anderem Geflügel hatte ihn fast schwindlig gemacht. Er war im Fluß höher hinangefahren als bis zu dem Büffelsumpf jenseits der Klus und hatte dort vermittels der messingenen Schlinge an einer Stange das prächtige Sultanshuhn eingefangen. Ferner hatte er einen ganzen Wald von Mimosen zu seiner Rechten erblickt und in demselben einige Trupps von Elefanten zu zehn bis zwanzig Stück, die bald mit Gemächlichkeit Zweige herunterrissen und große Bündel davon mit einem einzigen Ruck ins Maul schoben, bald an seichteren Stellen sich im Sumpfe herumwälzten, bald endlich bis über den Bauch hinauf im Wasser standen und, mit ihren Rüsseln spielend, wie mit Feuerspritzen einander übergossen, um sich in der grimmigen Tageshitze einige Kühlung zu verschaffen; den kleinen Schiffmann aber und sein Kajak hatten sie, wie es schien, gar nicht weiter beachtet.

»Wohl empfand ich einen Augenblick!« sagte Fritz, »die lebhafteste Lust, an einem solchen Burschen mein Jagdglück zu versuchen; aber ich hielt es doch so allein für allzu gefährlich, und bald überfiel mich eine so unheimliche Bangigkeit, daß ich anfing, an die schnellste Rückkehr zu denken, wozu ich fast im nämlichen Augenblicke noch mehr gemahnt wurde. Ich sah nämlich ungefähr zwei Büchsenschüsse vor mir, an einer seichten Stelle des Flusses, wie mit einemmal das Wasser sich mächtig rührte und schäumte, als wenn ein heißer Quell von unten emporsprudeln wollte. Dann aber erhob sich langsam und machtvoll ein schwarzdunkles, gräßliches Tier, das mich mit schauderhaft wieherndem Gebrüll angähnte und mir einen Rachen voll schrecklicher Zähne wies. Aber da hättet ihr sehen sollen, wie ich mich sputete, von dannen zu kommen! Rechtsumkehrt, hieß es, auf und davon wie ein Pfeil, im besten Fahrwasser des Stromes! Ich ruderte auch, daß mir der Schweiß in Bächen über den Rücken floß, und hielt nicht an, ehe ich weit, weit aus dem Gesichte des Ungeheuers war. Immer mit dem Schrecken über das Gewaltstier im klopfenden Herzen eilte ich den kürzesten Weg hieher zurück und habe für diesmal von naturgeschichtlichen Entdeckungen fast eine zu starke Probe bekommen, zumal da mir kein Mensch und nicht einmal einer von unsern weidlichen Rüden bei diesem Abenteuer zur Seite gewesen ist.«

Dies war in der Kürze Fritzens Tagesbericht, und er gab uns vollauf zu denken, indem er uns von der Nachbarschaft zahlreicher und furchtbarer Tiere überzeugte, wie denn namentlich in dem Ungetüm, das so greulich aus dem Wasser auftauchte, der Hippopotamus oder das sogenannte Nilpferd nicht leicht zu verkennen war.

Während des ganzen Tages, den er auf seiner Streiferei zugebracht hatte, waren wir übrigens eifrig beschäftigt gewesen, alles zur Abreise auf den folgenden Morgen in Bereitschaft zu setzen, und hatten zusammengelesen, eingepackt und aufgebunden, was uns nicht für die letzte Nacht und das letzte Nachtessen unentbehrlich war. Fritz aber bat sich aus, den Rückweg zu Wasser in seinem Kajak machen zu dürfen, so daß er das Vorgebirge der getäuschten Hoffnung umrudern und dann hart am Ufer hin sich nach Felsenheim begeben würde. Ich willfahrte ihm desto lieber, da er sich einerseits in der Schifferei tüchtig bewährt hatte und andrerseits mir viel daran lag, das Vorgebirge und die Tunlichkeit seiner Umschiffung näher kennenzulernen.

Früh am folgenden Tag machten wir uns auf den Weg. Fritz hatte bald das Vorgebirge erreicht, das ihm nach der großen Bucht ganz ungemein rauh vorkam, mit abschüssigen Felswänden und tief zwischen dieselben hineindringenden Rissen und Klüften oder Höhlen, wo Raub- und Wasservögel in ungeheurer Menge zu horsten schienen.

Ohne irgendwelche Abenteuer legten wir selbst den Weg zurück, beeilten uns ab- und auszupacken, wobei mir besonders die Menge unsres Geflügels besorglich auffiel. Es ließ sich leicht ermessen, daß das lustige Gesindel bei unsern wiederholten Ausflügen doch wohl unsern Ernten gefährlich sein würde. Ich verordnete demnach eine baldige Verteilung, bei der namentlich die neuen Ankömmlinge sowie die Urhühner, das kanadische Kragenhuhn und die Kraniche, diese jedoch mit etwas gelähmten Flügeln, auf die zwei nahen Inselchen versetzt werden sollten. Die Schwäne hingegen, das neugefangene Sultanshuhn und der Königsreiher wurden zunächst bei dem Gänsesumpf ausgesetzt und dorthin von Zeit zu Zeit durch Leckerbißchen aufs neue angekörnt. Die alten Trapphühner behielten das Vorrecht wie bisher, ganz in unsrer Nähe zu bleiben und sogar bei unsern Mahlzeiten, sooft wir im Freien speisten, schmarotzerisch aufpassen zu dürfen. Dies und anderes beschäftigte mich wohl ein paar Stunden, während die Mutter ein tüchtiges Essen bereitete und auch Fritz wieder bei uns eingetroffen war.

In der darauffolgenden Zeit gingen wir endlich an die Ausführung eines Gedankens, den Fritz immer von neuem zur Sprache brachte und der mehr auf unsere Sicherheit berechnet schien. Es wurde nämlich die Errichtung eines Wachthauses und die Aufpflanzung einer Vierpfünderkanone auf der Höhe der Haifischinsel unternommen, wobei es mich freilich Schweißes und Kopfzerbrechens genug kostete, das Geschütz vermittels eines geeigneten Hebezeugs in die Höhe zu bringen.

Allmählich brachten wir aber alles auf den Felsen, was zu unserem Vorhaben erforderlich war, und die Kanone kam frei mit der Mündung nach der See hinaus zu stehen. Ein Wachthäuschen von Brettern und Bambusrohren, doch so leicht als möglich gebaut, stellte sich unmittelbar dahinter, und ein paar Schritte seitwärts erhob sich ein Flaggenstock mit hinauf- und herablaufendem Seile zum Emporziehen einer Flagge, die bei Erscheinen gefahrloser, vom Meere her sich nähernder Gegenstände weiß, bei gefahrdrohenden und zweifelhaften Annäherungen aber rot sein sollte.

Nach Beendigung dieser mühseligen Arbeit, die uns ein paar Monate kostete, feierten wir ein kleines Freudenfest durch Aufziehen der weißen Flagge und Abfeuern von sechs Kanonenschüssen, die prächtig von den Klippen und Flühen bei Felsenheim widerhallten.


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