Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Viertes Kapitel

Das Wrack wird gesprengt. Der Esel desertiert und kehrt mit einem Gefährten wieder zurück. Ein Büffel, ein Schakal und ein Adler werden gefangen und gezähmt. Die Regenzeit bricht herein.

»Lichter machen! Lichter machen!« riefen alle, Mutter und Kinder, am folgenden Morgen, und man ließ mir nicht eher Ruhe, als bis ich ihnen zugesagt hatte, sogleich an die Herstellung von Wachskerzen gehen und mit Beeren der Wachspflanze zu diesem Behuf einen ernstlichen Versuch machen zu wollen. Wir ließen in dem größten unsrer Kessel so viel davon sieden, als er nur fassen konnte, und erhielten in der Tat eine beträchtliche Beute von schönem, wohlriechendem, grünem Wachse, das wir in noch flüssigem Zustande in ein besonderes Gefäß abgossen und alsbald weiter benutzten. Wir hatten nämlich während des Kochens der Beeren eine Anzahl Dochte von ausgefasertem Segeltuch gezwirnt; diese wurden jetzt in die Wachsmasse mehrmals sorgfältig eingetunkt, wieder herausgezogen und an die Luft gehalten, bis das Wachs daran erkaltete und gerann; sobald sie hinreichend mit Wachs bekleidet waren, um tüchtige Kerzen vorzustellen, wurden sie an einer kühlen Stelle aufgehängt, damit sie durch Verdunstung härter würden. Es ist wahr, daß diese Kerzen nicht so glatt, so zierlich gerundet und so gleichmäßig dick ausfielen wie die, die von den Lichterziehern gegossen oder gezogen werden; aber bei Anbruch der Dämmerung, als wir die erste zur vorläufigen Probe ansteckten, brannte sie doch so gut und hell, daß wir uns auf dem Baumschlosse mit aller möglichen Bequemlichkeit bei ihrem Schein entkleiden und zu Bett begeben konnten. Der Erfolg unserer Kerzenmacherei versetzte uns in die beste Laune der Welt und gab uns Mut, alsbald eine zweite, von der Mutter mit Sehnsucht gewünschte Veranstaltung ins Werk zu setzen. Es sollte nämlich, da wir einen ziemlichen Vorrat von Rahm hatten, auch einmal gebuttert werden, und ich mußte dazu die gehörige Vorkehrung treffen.

Mein Plan war bald fertig; ich füllte einen großen ausgehöhlten Flaschenkürbis mit Rahm und band den Deckel sorgfältig zu, so daß die Flüssigkeit nicht ausrinnen konnte; hierauf legte ich das Gefäß auf ein großes Stück Segeltuch, dessen vier Zipfel an Pflöcken aufgehängt waren und die belastete Mitte wie eine Art von Sack zu der notwendigen Bewegung frei ließen; jeder der vier Knaben mußte nun an einem Zipfel sachte hin- und herziehen, daß das Tuch in eine schaukelnde Bewegung kam, und da sie dieses Geschäft mit Leichtigkeit und sogar sitzend verrichten konnten, so brachten sie es unter vielerlei Spaßen und gellendem Singsang in kurzem so weit, daß ich hoffen konnte, die Sahne geronnen zu sehen, und wirklich beim Öffnen der geschaukelten Kalebasse zu allgemeiner Freude recht ordentliche Butter fand.

Um ein gewaltiges schwerer ward mir eine andere Arbeit, die mir schon lange fast unentbehrlich erschienen war. Ich hatte nämlich oft bemerkt, daß unsere Schleife für unser Zugvieh teils zu schwer, teils überhaupt zu wenig bequem sei, und daher schon längst beabsichtigt, mit einigen Rädern, die wir vom Wracke erbeutet, einen kleinen Karren zu bauen. Ich glaubte nun, vor dem Beginn meiner Arbeit, alle Formen und Sorten von Wagen und Karren in unsrer Heimat genug betrachtet zu haben, um mit Erfolg ein ordentliches Fuhrwerk einrichten zu können. Aber, als ich nun Axt und Säge, Holz und Eisen, Bohrer und Hammer, Nägel und Schrauben zusammengeschleppt hatte, wußte ich, die Wahrheit zu sagen, kaum, wie ich anfangen, und gar viel weniger, wie ich fortfahren und gehörig vollenden sollte; woraus ich sah, wie sehr viel erfordert wird, um sagen zu können, daß man eine Sache hinreichend erkannt habe, und wie bedeutsam die Behauptung ist, eine Sache so gut zu kennen, als hätte man sie selbst gemacht.

Nach mancher Anstrengung und zahlreichen Mißgriffen stümperte und pfuschte ich endlich eine Art zweirädrigen Leiterwagen zusammen, der uns übrigens in der Folge von großem Nutzen war, um unsre Ernte heimzubringen.

Da uns indessen Zeltheim eigentlich mehr zum Zufluchtsort dienen sollte, indem dort neben andern Vorräten auch unsre Waffen und unser Schießbedarf lagen, so waren wir hauptsächlich darauf bedacht, diesen Ort durch Anlegung einer dichten Hecke von Stachelpflanzen einigermaßen gegen das Eindringen wilder Tiere, ja sogar gegen den Überfall eines Trupps von Wilden sicherzustellen, insofern wir je einen solchen zu befürchten haben sollten. Auch die Umgebung der Brücke, die übrigens durch Wegnahme einiger Bretter unzugänglich gemacht werden konnte, wurde befestigt und hinter einer kleinen Verschanzung unsre zwei Kanonen von der Pinasse zur Vorsicht aufgestellt.

Unter allen den anstrengenden Arbeiten indes war auch das Bedürfnis zurückgekehrt, wieder einmal nach dem Wracke zu fahren, indem besonders unsre Kleider, wovon ich noch einige Kisten voll auf dem Schiffe wußte, einer Erneuerung bedurften. Dazu kam der Wunsch, womöglich noch ein paar Kanonen zu retten, um sowohl zu Wasser als zu Land hinter unsrer Schutzhecke uns im Notfalle gehörig verteidigen zu können.

Am ersten gelegenen Tage fuhr ich daher mit den drei ältern Knaben nach dem Wrack, wo wir noch alles ziemlich unverletzt, aber von Wind und Wetter doch manches schon loser gemacht und auseinanderklaffend fanden. Die Matrosenkisten und die Kriegsvorräte mußten in besonders reichlichem Maße herhalten; hingegen beschränkten wir uns auf eine Batterie Vierpfünder, indem das schwerere Geschütz nicht von der Stelle zu bringen war und wir auch jene nur nach und nach ans Land schaffen konnten. Wir kehrten zu dem Zwecke mehrmals nach dem Wracke zurück und beluden jedesmal unsre Pinasse und unser Tonnenschiff mit so viel Laden, Fenstern, Türen, Eisenwerk und andern Kostbarkeiten, als sie nur zu tragen vermochten. Endlich, nachdem alles Brauchbare rein ausgeplündert war, entschloß ich mich, das Wrack in die Luft zu sprengen, in der Hoffnung, daß Wind und See uns wohl einen großen Teil des Holzwerks an den Strand schaffen würden, das wir da leicht auffischen und zu allfälligen Bauten aufbewahren könnten. Wir rollten daher ein Pulverfaß, das wir absichtlich zurückgelassen hatten, in den untern Raum des Wracks, steckten behutsam einen Stock mit einem Stück brennender Lunte tief in den aufgeschlagenen fürchterlichen Schlund und fuhren dann rasch, mit aufgespannten Segeln, zu den Unsrigen zurück. Da ich die Entzündung der Pulvertonnen nicht vor Eintritt der Nacht erwartete, trugen wir unser Abendessen auf eine kleine Landspitze, von wo aus wir das Wrack ungehindert beobachten konnten. Bald nach Einbruch der Dunkelheit verkündeten denn auch ein majestätischer Donner und eine prächtige Feuersäule das Entzünden der Tonne und das Zertrümmern des Wracks. In diesem Augenblick schien mehr als je das vereinende Band, das uns an die geliebte Heimat knüpfte, für immer und unerbittlich zerrissen. Wir begaben uns schweigend in unser Zelt, und statt des Jubels, auf den die Knaben sich gefreut hatten, glaubte ich ein verhaltenes Seufzen und Schluchzen zu bemerken, das ich übrigens nur mit Mühe zu unterdrücken vermochte. Ein alter, redlicher und wohltätiger Freund gleichsam war mit dem Schiffe uns fortgerafft.

Die Ruhe der Nacht dämpfte indessen unsre allseitigen Empfindungen genug, um uns am folgenden Morgen wieder Lust zu machen, uns nach den Spuren der ungeheuern Zertrümmerung in der Nähe umzusehen. – Das Wrack war verschwunden, das Ufer lag voll Holzwerk, und in der See schwamm eine Menge von Bruchstücken aller Art, zwischen denen ich mit Freuden auch die Schwimmtonnen entdeckte, an die ich große kupferne Kessel, die ich zu einer Zuckersiederei bestimmt, befestigt hatte. Einstweilen glaubten wir diese jedoch am zuverlässigsten zur Verwahrung des Pulvers benutzen zu können, indem wir die Pulverfässer damit zudeckten und den übrigen Raum mit Moos und Erde sorgfältig verstopften. Mehrere Tage lang waren wir nun beschäftigt, alle die Stangen, Bughölzer, Laden und Latten aufzufischen und am Ufer aufzutürmen. Die Mutter freute sich besonders darüber, daß das gefährliche Pulver so gut verwahrt sei, aber noch angenehmer war ihr die Entdeckung, daß, ganz in der Nähe dieser Stelle, zwei von unsern Enten und eine der Gänse gebrütet hatten, die mit einer ansehnlichen Zahl von Jungen aufgescheucht schnatternd ins Freie schwammen. Wir versäumten nicht, durch hingeworfene Krumen und Zwieback die fröhlichen Tiere wieder anzulocken, und über diesem angenehmen Geschäft erwachte in uns allen eine so gewaltige Sehnsucht, wieder einmal zu dem Federvieh und zu allen Genüssen von Falkenhorst umzukehren, daß wir gleich auf den folgenden Tag unsre Abreise in die freundlichen Gefilde festlegten.

Auf dem Wege dahin bemerkten wir, daß die zwei neugepflanzten Reihen von Obstbäumen bei weitem nicht stark genug seien, um durch eigene Kraft in geradem Wuchs emporzuschießen, und so beschlossen wir, so bald als möglich einen Streifzug nach dem Vorgebirge der getäuschten Hoffnung zu machen und Bambusrohr zu Stützen für unsere Bäumchen herbeizuschaffen; überdies ging unser Kerzenvorrat zu Ende, und endlich war eine Bruthenne da, für die wir Eier aufzusuchen wünschten.

An einem schönen Morgen zogen wir denn früh mit der ganzen Haushaltung von Falkenhorst ab. Zum leichteren Fortkommen wurde statt der Schleife der Wagen bespannt, und für die Schwächeren hatte ich ein paar Bretter als Sitze darauf gebunden; allerlei Geräte zu den bevorstehenden Verrichtungen, Mundvorrat, eine Flasche Wein aus des Kapitäns Flaschenfutter, ein paar Gefäße für Wasser und endlich der nötige Schießbedarf wurden teils auf den Wagen gepackt, teils, nach Bedürfnis, von uns selbst getragen.

Ohne viel Bedenken führte ich mein liebes Völkchen die neugefundene Straße durch das Strauchwerk von Kartoffeln, Maniok und Goyaven zu den Wachsbeeren und zu den Federharzbäumen; denn jedermann war begierig, diese Dinge, von denen Fritz und ich so viel erzählt hatten, endlich selbst zu sehen und zu plündern.

Auch säumten wir nicht, bedeutende Vorräte zu sammeln. Es wurden zwei Säcke mit Wachsbeeren gefüllt und einstweilen an einem sicheren Orte versteckt, um sie bei unsrer Rückkehr mitzunehmen. Als wir dann bei den Gummibäumen anlangten, machten wir so viele Einschnitte in mehrere der kräftigsten Stämme, als wir Näpfe zur Sammlung des Saftes mitgebracht hatten, die wir dann zur Aufnahme der herabträufelnden Flüssigkeit hinstellten.

Indem wir die Näpfe ihrem Schicksale unbesorgt überließen, brach unser Zug wieder auf, und wir gelangten in das Kokoswäldchen, wo wir unsre Richtung etwas links und mehr gegen die Stelle der Zuckerrohre nahmen, damit wir am Rande des Wäldchens zwischen diesen und den Bambusrohren in gleicher Entfernung zu lagern kämen. Dieser Strich wurde so glücklich getroffen, daß wir beim Heraustreten ins Freie links den ersten und rechts den zweiten dieser Rohrbüsche vor uns hatten und zwischen beiden hindurch die prächtige Bucht erblickten, an der das Vorgebirge der getäuschten Hoffnung hinaus in die See lief. Der Anblick war auf diesem Standpunkte so schön und reizend, daß wir beschlossen, den wohlgelegenen Ort zum Mittelpunkt für unsre Streifereien zu wählen: ja es hätte wenig gefehlt, so wäre der Plan gemacht worden, unsre Wohnung von Falkenhorst hieher zu verlegen, wenn wir nicht die Sicherheit auf dem hohen Baume und die mannigfaltigen dort schon eingerichteten Bequemlichkeiten in Erwägung gezogen und so endlich dem alten Wohnplatze sein Recht gelassen hätten.

Gleich wurden jetzt unsre zwei Zugtiere ausgespannt und in das fette, saftige Gras entlassen, das unter dem beschatteten Dache von verschiedenen Palmenarten emporgesproßt war. Wir selbst bereiteten uns von dem mitgebrachten Vorrat ein kurzes Mittagsmahl in dem schattigen Gehölze, und dann ging es an das Schneiden, Säubern und Binden von Bambus- und Zuckerrohr, wovon wir mäßige Bündel verfertigten, die wir auf unserm Wagen bequem nach Hause schaffen konnten. Die Arbeit erweckte bei der Jugend, zufolge des knappen Mittagstisches, in anderthalb Stündchen wieder Eßlust, und obschon das Aussaugen der Zuckerrohre ihnen eine Zeitlang genug tat, so fingen sie doch endlich an, sich nach etwas Derberem umzusehen. Da nun die Mutter unsre mitgebrachten Vorräte nicht vor dem Nachtessen preisgeben wollte, so warfen die Knaben ihr zärtliches Verlangen auf die Kokosnüsse, die hin und wieder an den Palmen uns entgegenlachten. Sie suchten aber vergeblich auf der Erde nach abgefallenen, genießbaren Früchten, und ein Versuch von Fritz und Jack, an den gewaltigen Stämmen hinanzuklimmen, mißlang ebenso. Verdrießlich und erhitzt blieben sie endlich vor den unbezwingbaren Bäumen stehen und starrten erbost in die hoch oben nickenden Nußbündel hinauf.

»Halt«, rief ich plötzlich, »was fällt mir da ein! Wo habe ich doch das gesehen –! Auf einer Abbildung muß es gewesen sein. Natürlich! Kinder, ich hab's! Ihr sollt hinaufkommen, und ganz gemütlich obendrein.«

Die Jungen spitzten mächtig die Ohren. »Gemütlich?« meinte Jack zweifelnd. »So viel Ansprüche mache ich gar nicht mal. Wenn ich nur mit Ach und Krach oben ankomme, will ich krähen vor Freude.«

»Also, paßt auf, ihr Herren! Fritz, hole mir Stricke vom Wagen. – So, nun komm her, du sollst den Anfang machen.« Ich fesselte ihn nun an den Fußknöcheln, aber so lose, daß er noch winzige Schritte machen konnte. Dann knüpfte ich sorgfältig ein kräftiges Seil zum Ring in der Höhe seiner Hüften um ihn und den Baum herum, doch weit genug, daß er sich noch leicht schräg vom Baum abstemmen konnte. »So, nun kann's losgehen«, sagte ich dann.

»Ja, aber wie denn nur?« fragte Fritz völlig verblüfft. »Mit zusammengebundenen Füßen? Wie kann ich da den Stamm ordentlich umklammern?«

»Sollst du auch nicht, mein Junge. Du sollst daran in die Höhe gehen wie die Indier. Paß auf. Stell' deine Füße auswärts, ganz dicht an den Baum. Nun fasse den losen Strick, mit dem du um den Stamm gegürtet bist, und schiebe ihn, so hoch du kannst, an dem Baum in die Höhe, so daß er auf einen der knotigen Vorsprünge zu liegen kommt. Halte dich nun fest und gehe gleichzeitig Schrittchen für Schrittchen in die Höhe, stemme dabei die Sohlen deiner Füße an den Stamm – merkst du was? Wenn sie nicht gefesselt wären, könntest du sie nicht stemmen. Nun hebe dich mit dem Strick wieder zu einem Knoten, zieh an, geh Schrittchen. Lehne dich jetzt fest nach rückwärts gegen den Gurtstrick – merkst du was? Du stehst, unten angestemmt, oben angelehnt, ruhst dich aus. He? Was meinst du? Wird's nun gehen? Siehst du wohl? Was hab ich gesagt!«

Fritz fing an zu strahlen. Er hatte begriffen und klomm, zog, stemmte sich und schritt langsam, aber stetig an dem eben noch so unzugänglichen Baum in die Höhe. Die anderen Jungen standen und starrten mit offenen Mäulern dem allgemach verschwindenden Bruder nach. Jack kam zuerst wieder zu sich.

»Potz Kuckuck!« rief er, »das ist ein Hauptspaß, da muß ich auch hinauf! Vater, bitte, bitte, mache mir auch so eine indische Sache zurecht! Hier ist gleich noch so ein schöner Baum.«

In wenigen Minuten war das Kerlchen wie sein Vorgänger ausgerüstet und begann gleichfalls das große Werk von neuem. Ich freute mich, zu sehen, daß er, wenn auch beträchtlich langsamer als sein viel stärkerer Bruder, in die Höhe ging und endlich gleich diesem im Wipfel anlangte. Beide hieben nun mit ihrem im Gürtel mitgeführten Handbeil so tapfer auf die Trauben der Kokosnüsse ein, daß sie herabfielen wie Hagel und wir hohe Zeit hatten, auf die Seite zu springen, wenn wir nicht unsre Hirnschädel mutwillig preisgeben wollten. Glücklich gelangten die Jungen wieder herunter, und wir waren alle außer uns vor Freuden, daß dieses große gymnastische Wagestück so trefflich abgelaufen war.

»Nun könnten wir doch aber auch noch ein paar von unsern Nüssen aufschmausen«, bat Franz. »Es bleiben ja noch genug zum Mitnehmen.«

»Gewiß können wir das, mein Kleiner. Gebt einmal her.«

»Ja, was ist denn das?« meinte Fritz, der sich sofort ans Öffnen begeben hatte, nach einigen Minuten. »Das Zeug von Bast sitzt ja schauderhaft fest. Das war doch sonst nicht.«

»Aha«, sagte ich, »da haben wir's. Das sind die frisch abgehauenen Nüsse, deren rauhe Hülle noch nicht mürbe geworden ist. Sie sind noch nicht völlig reif, also sehr widerstandsfähig. Aber wartet – ich weiß Rat. Die braven Inder müssen wieder helfen. Freut euch, daß mein gutes Gedächtnis sich aufblättern läßt wie ein Buch. Da war ein Ding, das hieß Kokosspieß. Beschrieben war's und abgebildet auch. Kommt, das werden wir gleich haben. Sucht mir einen Stock von festem Holz.« Nach einigen Minuten war das Verlangte zur Stelle. »So. Hier haben wir einen Baumstumpf, dahinein treiben wir unsern Stecken. Merkt, daß ich ihn am obern Ende gespitzt habe, und nun gebt acht.« Mit beiden Händen faßte ich die Nuß, stieß sie kräftig gegen meinen Stab und brachte so mit Leichtigkeit den Bast herunter. Die Jungen waren entzückt. »Das geht erstaunlich schnell«, riefen sie, »die Fetzen fliegen ja nur so.«

Jeder enthülste nun auf die neugelernte Art eine der widerspenstigen Nüsse. Sogar die Mutter mußte einige Stöße tun.

Währenddem war der Mittag schon lange vorübergegangen, und da wir beschlossen hatten, die Nacht in dieser anmutigen Gegend zuzubringen, so wurden wir einig, uns eine leichte Waldhütte aus Zweigen und Blättern zu errichten, um uns so gut als möglich gegen Tau und kühle Windzüge zu schützen.

Während wir damit beschäftigt waren und als eben diese Arbeit zu unserm Vergnügen ihrem Ende nahte, wurden wir plötzlich durch eine ganz außerordentliche Lebhaftigkeit unseres Eselchens gestört, das bis dahin ruhig in der Nähe geweidet hatte, nun aber plötzlich in Feuer und Flamme gesetzt schien, die Nase hoch in den Wind hob, ein entsetzliches y-ah! vernehmen ließ und allerlei lustige Sprünge machte. Ehe wir uns aber recht besinnen konnten, ob alle diese Wunderzeichen auf Gutes oder Böses deuteten, nahm der Grauschimmel in vollem Galopp reißaus. Unglücklicherweise waren in diesem Augenblick unsre Hunde beiseite geschlichen und hatten sich in die Zuckerrohre begeben, so daß wir den Esel in den Büschen von Bambus verschwinden sahen, ehe wir diese zurückrufen konnten. Eine Zeitlang verfolgten wir noch seine Spur, verloren sie aber bald gänzlich, so daß wir uns für heute zur Rückkehr entschlossen.

Dieses Ereignis verursachte mir doppelte Sorge; vorerst bedauerte ich den Verlust des Esels, der uns bei unsern Wanderungen unentbehrlich war; sodann glaubte ich seinen plötzlichen Schrecken der Nähe irgendeines wilden Tieres zuschreiben zu müssen. Ich ließ daher vor unsrer Hütte ein gewaltiges Feuer bereiten; weil ich jedoch unsern Vorrat nicht für die ganze Nacht hinreichend hielt, so kam ich auf den Gedanken, durch eine Anzahl Fackeln zu helfen, wozu ich mehrere Zuckerrohre mit Lianen zusammenband, und da ich keine ausgepreßten hatte, so nahm ich geradezu noch volle und vermutete richtig, daß sie nur desto besser und langsamer brennen würden und dennoch ein erhellendes Licht geben mußten. Einige Dutzend dieser Fackeln von fünf bis sechs Fuß Länge wurden rechts und links vor den Eingang unsrer Hütte gesteckt und in der Mitte das Feuer angemacht, an dem die Mutter vorerst unser Nachtessen bereitete, das uns dann aber auch trefflich vor der kühlen Nachtluft schützte. Angekleidet und die geladenen Gewehre neben uns legten wir uns auf das weiche Moos, das von den Knaben gesammelt und in der Hütte ausgebreitet worden war, und da wir sämtlich sehr ermüdet waren, so überfiel bald der Schlaf die lieben Meinigen. Ich selbst suchte mich wach zu erhalten, unterhielt das Feuer und zündete nachher auch die Fackeln an, die ein so helles Feuer verbreiteten, daß ich uns gegen alle Anfälle reißender Tiere gesichert hielt und mich bis zum Morgen ebenfalls einem erquickenden Schlafe überließ.

Am andern Morgen wurde beim Frühstück der Plan zu unserm bevorstehenden Tagewerk entworfen. Ich hatte vergebens gehofft, daß die Nacht und die erwärmende Flamme bei unsrer Hütte den entflohenen Esel wieder herbeilocken würden, und beschloß daher, mit einem der Knaben und den zwei Doggen durch das Röhricht von Bambus den Flüchtling aufzusuchen, gegen den Abend jedoch wieder bei der Waldhütte einzutreffen, wo die Mutter inzwischen mit den übrigen Knaben uns erwarten und Zuckerrohr und Kokosnüsse einsammeln würde, damit wir am folgenden Tage wieder nach Falkenhorst heimkehren könnten. Da ich nötig fand, beide Hunde zugleich auf diesen Streifzug zu nehmen, so schien es mir am ratsamsten, daß nur Jack mich begleiten, die andern zum Schutze der Mutter und Fränzchens zurückbleiben sollten.

Jubelnd machte sich Jack bereit; gut bewaffnet und mit Mundvorrat wohl versehen betraten wir das Gebüsch von Bambusrohr, in dem wir eine Zeitlang mit Hilfe der Hunde mühsam der Spur des Esels folgten. Wir gelangten endlich auf eine weite Ebene und an den Strand der großen Bucht, in die sich hier ein ziemlich beträchtlicher Fluß ergoß, dessen Ufer durch einen hohen Bergrücken begrenzt war. Dieser ließ nur einen schmalen steinigen Zwischenraum übrig, mußte aber bei hohem Wasserstande unzugänglich sein.

Die Vermutung, daß unser Esel sich lieber auf dem schwierigen Landwege durchgeholfen, als über den reißenden Fluß gesetzt habe, und die Hoffnung, hinter der Felswand irgend etwas Neues und Wichtiges aufzufinden, ließ mich das Wagstück unternehmen, hier durchzudringen, um von dem niedrigen Wasserstande den möglichsten Vorteil zu ziehen. Wir kletterten also vorwärts und gelangten bald an einen rauschenden Bach, der rechts aus einer Felsenschlucht hervorkam und links sich in den Fluß ergoß, aber ein so tiefes Bett und einen so raschen Lauf hatte, daß wir nur eine einzige Stelle fanden, wo wir ihn glücklich durchwaten und auf das jenseitige Ufer gelangen konnten. Hier bemerkten wir jetzt mit Vergnügen, da der Boden wieder Sand und Erde hielt und nicht mehr aus nacktem Felsen bestand, die Fußtritte des Esels, deutlich erkennbar an dem Abdruck seiner eisenbeschlagenen Hufe. Zu unserm Staunen jedoch lief diese Spur mitten durch ein Gewimmel andrer, ähnlicher Hufformen, die, schwächer und flüchtiger eingedrückt, ganz offenbar einer Herde wilder Einhufer angehören mußten und deren Verfolgung wir nun emsig aufnahmen.

Die Bergreihe zur Rechten zog sich jetzt bald zurück, so daß wir eine fast unabsehbare, nur im Hintergrunde von ein paar Hügeln umzogene Ebene vor uns sahen, in der teils prächtiges Gras, teils hin und wieder zerstreute Wäldchen ein lachendes Bild von Ruhe, Fruchtbarkeit und Milde gewährten.

Ganz in der Ferne glaubten wir ein paar Herden von ansehnlichen Tieren zu bemerken, die mir zwar einmal Kühen und ein andermal Pferden nicht ungleich, aber doch eher wild als zahm und bekannt schienen.

Da wir im Grase die Spuren unseres Esels wieder verloren hatten und ich gleichwohl noch nicht alle Hoffnung aufgeben wollte, so beschloß ich, so unbemerkt als möglich auf eine jener Herden, die uns am nächsten stand, loszugehen und womöglich auszukundschaften, ob er sich etwa ihr zugesellt habe. Dazu hatten wir aber ein Wäldchen von riesigen Bambusgewächsen zu umgehen; als wir durch niedriges Buschwerk an der Ecke desselben herumlenkten, stießen wir, kaum vierzig Schritte weit, auf eine Herde von wilden und furchtbaren Büffeln, die zwar an Zahl nur gering, aber dem Aussehen nach entsetzlich waren und hingereicht hätten, uns auf der Stelle zu vernichten. – Auch erschrak ich so sehr, daß ich kaum daran dachte, den Hahn meines Doppelgewehres in Bereitschaft zu setzen, und dann fast wie versteinert stehenblieb. Zum Glück waren unsere Hunde jetzt noch ein wenig hinter uns, und die Büffel mochten so wenig mit dem Anblicke des Menschen bekannt sein, daß sie ruhig auf ihrer Stelle blieben und uns verwundert anglotzten oder doch höchstens von der Erde, wo sie gelagert waren, aufstanden und nicht im mindesten auf Verteidigung oder Angriff bedacht zu sein schienen.

Dieser Umstand rettete uns wahrscheinlich das Leben, denn wir hatten jetzt Frist, uns ein wenig zurückzuziehen und unsere Gewehre vollkommen instand zu setzen. Ich wollte mich mit den gewaltigen Bestien durchaus nicht einlassen und dachte nur auf einen sichern Rückzug, als ungeschickterweise jetzt Türk und Bill uns wieder einholten und von den Büffeln alsbald erblickt wurden. Da fingen urplötzlich die schrecklichen Tiere an zu brüllen, daß es uns durch Mark und Bein ging, und wie rasend begannen sie zu stampfen, zu toben, mit den Hörnern in der Erde zu wühlen, so daß ich mit Entsetzen den Augenblick sah, wo sie auf uns losbrechen und nebst den Hunden, die ihnen wohl Schakale oder Wölfe schienen, auch uns beide darniederwerfen, uns zertreten und gänzlich vernichten würden. Die Hunde blieben jedoch bei dieser Gefahr so unerschrocken, daß wir sie umsonst in unsern Hinterhalt zurückriefen; sie machten vielmehr selbst einen Angriff und packten ein junges Büffelkalb, das uns um ein halb Dutzend Schritte näher stand als der übrige Haufe, nach ihrer Art bei den Ohren und zogen es mit Gewalt gegen uns her. Jetzt galt es Ernst, und wollten wir unsere tapferen Verteidiger nicht den wütend anrückenden Büffeln preisgeben, so mußten wir einen Kampf wagen, der eine wahre Tollkühnheit schien und einzig gelingen konnte, wenn unser Feuergewehr die Tiere, die wir nicht alle zu treffen vermochten, doch hinlänglich erschreckte, daß sie reißaus nahmen. Mit zitterndem Herzen drückten wir los, und zu hohem Glücke fuhren ob Knall, Feuer und Rauch die fürchterlichen Bestien wie vor einem Donnerschlag zurück und ergriffen in unbegreiflicher Schnelligkeit eine Flucht, die vielleicht stundenweit ging; eines von den Tieren aber, eine Kuh, und vermutlich die Mutter des angebissenen Kalbes, war durch meinen Schuß verwundet worden und geriet über dem Schmerz in eine solche Raserei, daß sie keinen Augenblick sich zurückwandte, sondern mit dreifacher Wut gegen unsere Doggen heranstürmte und ihnen gewiß den Geraus gemacht haben würde, wenn ich sie nicht mit einem zweiten Schuß so glücklich getroffen hätte, daß sie niedersank, worauf ich ihr, rasch hinzueilend, mit einem Pistolenschuß vollends den Rest gab.

Jetzt erst atmeten wir wieder auf, denn wir hatten einen unvermeidlichen Tod vor uns gesehen. Es blieb uns indessen noch Arbeit genug; denn das Büffelkalb zwischen unsern zwei Hunden gebärdete sich so ungestüm und schlug mit den Füßen so grimmig um sich her, daß ich besorgte, die rüstigen Beißer würden eine schwere Verwundung erhalten, und nötig fand, ihnen schnell zu Hilfe zu kommen. Glücklicherweise fiel Jack auf den Einfall, seine Schleuderkugeln zu gebrauchen, die er mit dem gehörigen Schwung dem zappelnden Kalb so glücklich in die Hinterfüße warf, daß es umfiel und verwickelt blieb, bis wir, schnell hinzulaufend, es mit einem stärkern Strick festbinden konnten und nun auch die Hunde von den angepackten Ohren losmachen durften. Der Büffel war nun völlig in unserer Gewalt, und Jack freute sich zum voraus, den Gefangenen der Mutter und den Brüdern vorzuführen. Es war indessen nicht so leicht, das Tier vom Flecke zu bringen; denn obwohl es augenblicklich wehrlos zu unsern Füßen lag, loderte doch in seinen tückischen Augen eine so bösartige Wildheit, daß wir alle Ursache hatten, sehr vorsichtig mit ihm umzugehen. Ich sann hin und her, bis mir endlich ein zwar etwas grausames, aber sicheres Verfahren einfiel, das in Italien gebräuchlich sein soll. Ich machte nämlich den Strick, womit wir die Beine des Büffels gebunden hatten, an einem Baume fest und ließ die Hunde wieder die Ohren anpacken, um so dessen Kopf festzuhalten; dann faßte ich die Scheidewand der Nasenlöcher, durchschnitt sie mit meinem scharfen, spitzigen Messer und zog einen dünnen Strick hindurch, den ich nachher als Leitseil zu benutzen gedachte. Meine Operation gelang vollkommen, und das Tier schien nach starker Blutung durch den Schmerz, den ihm das Seil bei rascher Bewegung verursachte, einstweilen völlig lenksam. Es machte allerdings mehrfache Versuche, sich gegen die unwillkommene Herrschaft aufzulehnen; aber ein Ruck an dem Seil in seiner gepeinigten Nase brachte es allemal schnell zur Besinnung. Auch gingen ihm die Hunde mit Knurren und Ankläffen nicht von der Seite. Wir sahen aber deutlich, daß es noch Mühe genug kosten werde, den wilden tückischen Burschen wirklich zu zähmen.

Es blieb uns nur noch übrig, die erledigte Büffelkuh so gut als möglich auszuweiden, wozu es uns aber an dem nötigen Werkzeug mangelte; ich beschränkte mich daher darauf, die Zunge und ein paar hübsche Fleischriemen herauszuschneiden, die wir mit Salz, das wir mit uns genommen, tüchtig einrieben und zum Trocknen an der Sonne ausbreiteten; den Rest überließen wir unsern beiden Doggen, die mit Heißhunger darüber herfielen.

Munter wanderten wir vorwärts und befanden uns bald wieder an dem Engpasse, in den plötzlich vor uns her ein Schakal sich flüchtete; noch ehe er jedoch seine Höhle erreicht hatte, wurde er von unsern Doggen gepackt und nach hartem Kampfe zerrissen. Da es ein Weibchen war, so vermuteten wir, es möchten sich Junge in dem Nest befinden; und Jack war gleich bereit, in die Höhle zu dringen; allein da ich das Männchen noch darin vermutete, so brannte ich vorerst meine Pistole los. Nichts regte sich, und ich ließ nun Jack in die Höhle kriechen, dem die Doggen neugierig folgten; in einem Nu aber fielen diese über ein Nest voll Junge her, das sich in einer Ecke befand, so daß er nur mit Mühe eines derselben retten konnte, das nicht über zehn bis zwölf Tage alt schien und noch kaum die Augen zu öffnen vermochte. Es war nicht größer als eine kleine Katze, aber mit so hübschem goldgelbem Fell, daß Jack mich inständig bat, das Geschöpfchen nach Hause nehmen und großziehen zu dürfen, was ich ihm teils zur Belohnung für sein wackeres Betragen, teils auch in der Hoffnung, das Tier zähmen und zur Jagd abrichten zu können, gerne gewährte. – Wir brachen jetzt wieder auf, überschritten den Bach glücklich und gelangten endlich gegen Abend zu den Unsrigen zurück, die uns mit Jubel empfingen. Alles drängte sich voll Verwunderung um den jungen Büffel und den kleinen Schakal, und Fragen folgten auf Fragen. Jack ließ sich nicht lange bitten, unsere Abenteuer zu erzählen, wobei er sich freilich, wie gewohnt, ein wenig Übertreibung zuschulden kommen ließ; er wußte auch die Neugierde seiner Zuhörer so lange zu fesseln, daß die Stunde des Abendessens heranrückte, ehe ich nur Zeit gefunden hatte, nachzuforschen, was denn unsere Leute inzwischen unternommen und ausgeführt hätten. Da hörte ich denn, daß man ebenfalls fleißig und rührig gewesen sei, die Warte der getäuschten Hoffnung bestiegen, für die Nacht Holz gesammelt und neue Fackeln gebunden habe.

Als die Hauptbeute des Tages brachte mir Fritz auf seiner Faust einen jungen, herrlich gefiederten Raubvogel, den er aus einem Felsennest bei der Warte der getäuschten Hoffnung in Abwesenheit der Alten ausgenommen hatte; obwohl seine Federn noch gar nicht ihre vollkommene Färbung zeigten, so fand ich doch gleich, daß der Vogel nicht in eine der bekannten europäischen Adlerfamilien gehöre, sondern wohl eher der sogenannte malabarische Adler sein möchte; schon seiner Schönheit wegen, noch mehr aber in der Hoffnung, denselben ebenfalls zähmen und gleich einem Falken zur Jagd, besonders zur Vogelbeize, abrichten zu können, ließ ich mir dessen Gesellschaft gefallen. Fritz hatte übrigens dem Gesellen die Augen verbunden und ihn an eine Schnur gefesselt, weil er sonst zu scheu und zu grimmig war.

Als Fritz ihn nun von seiner Kappe befreite, zeigte das Tier gleich eine Wildheit, über die wir erstaunten, und sein Aussehen ward so fürchterlich, daß unser sämtliches Geflügel alsbald vor dem Wütenden die Flucht ergriff. Fritz war einstweilen ratlos, wie der Wüterich zu zähmen sei, und dachte schon daran, ihn zu töten. Da schuf Ernst, der nachsinnend dabeistand, Rat und Hilfe.

»Fritz«, rief er, »gib mir den Burschen, ich will ihn kuranzen, daß er Mores lernt; er soll noch so zahm und lenksam werden wie ein Hündchen!«

»Ja holla«, versetzte Fritz, »der ist mein, und ich verschenke ihn nicht so leicht. Er ist mir noch gar nicht feil; aber du könntest mir wohl sagen, wie man ihn bändigen muß, und es ist sehr mißgünstig von dir, wenn du es nicht tust.«

»Sachte, sachte!« sprach ich jetzt; »mein guter Fritz sollte gescheiter sein und nicht von der Mißgunst anderer reden, während er selbst daran krank ist. Ernst bittet um einen Vogel, den du nicht zu meistern verstehst und eben im Begriff warst, zu erschlagen; aber flugs willst du wieder das Tier behalten und findest den Bruder neidisch, der dir seine nützliche Kunst ohne etwelche Belohnung nicht mitteilen will.«

»Du hast recht, Vater!« versetzte Fritz etwas beschämt. »Ich gebe ihm dafür den Affen, wenn er ihn haben mag. Der Adler ist heldenmäßiger, den muß ich selbst behalten! – Was meinst du, Ernst?«

»Ich bin es wohl zufrieden«, erwiderte ihm dieser, »denn auf das Heldentum bin ich nicht versessen. Mir ist mehr darum, ein tüchtiger Gelehrter zu werden; dann will ich auch deine Taten beschreiben, wenn du mit dem Adler viel ritterliche Abenteuer vollbracht hast.«

»Das wird sich finden!« sagte Fritz. »Aber vorerst nun, wie soll ich ihn zähmen? Wie soll ich ihn wenigstens ruhiger machen?« –

»Ja, ganz zuverlässig kann ich es nicht behaupten«, antwortete Ernst, »aber ich glaube, du wirst ihn zur Ordnung bringen können wie die Karaiben die Papageien. Blase ihm Tabakrauch in den Schnabel, bis er schwindlig und betäubt ist, dann wird seine Wildheit nicht lange währen.«

Fritz lachte zwar ungläubig, aber Ernst ging gleich daran, einen Versuch zu wagen; er holte eine Pfeife und Tabak aus einer Offizierskiste; Fritz mußte den Vogel wieder blenden und festbinden. Alsdann nahm ihm Ernst die Kappe ab und trat so dicht vor den Gefesselten hin, als nötig war, um ihm ganze Wolken von Tabakrauch ins Gesicht zu blasen. Wirklich wurde der Wildfang nach und nach ruhiger und hockte endlich wie betäubt auf seiner Stelle, so daß ihm der Kopf leicht wieder verhüllt werden konnte. Ganz beschämt überließ Fritz seinem Bruder den Affen, und die Räucherung zeigte sich auch in der Folge so zweckmäßig, daß der Adler, mit jedem Tage gezähmter, sich nach und nach an seine Umgebung zu gewöhnen schien.

Als wir beiderseits mit unseren Berichten und Taten zu Ende gekommen waren, ließ ich ein Feuer machen und besonders viel grünes Holz anlegen, damit ein gewaltiger Rauch entstehe, um die hergebrachten Fleischriemen von der Büffelkuh räuchern zu können, was denn auch an hohen, aufgerichteten Gabeln sogleich ins Werk gesetzt ward. Auf die Nacht wurden wieder die früheren Anstalten getroffen, doch so, daß wir auch dafür sorgten, unsere Fleischriemen fortwährend im Rauche zu halten. Das junge Büffelwild, das sich eine Portion zerhackter Kartoffeln mit Milch trefflich hatte schmecken lassen, banden wir neben unsere Kuh, und zu unserm Vergnügen hielt es sich friedlich mit ihr zusammen; die Hunde nahmen ihre Wachtposten. Wir selbst legten uns endlich zur Ruhe, und obschon wir zur gehörigen Zeit wieder die Fackeln anzuzünden gedachten, schliefen wir doch sämtlich in kurzer Zeit ein und schlummerten so tief und süß und ungestört, daß wir erst mit Aufgang der Sonne erwachten.

Schon früh an diesem Morgen machten wir uns an das längst beschlossene Geschäft, unsere Baumstämmchen mit den nötigen Pfählen zu ihrer Unterstützung zu versehen. Wir zogen also mit dem beladenen Karren voll Rohr und mit einem Steckeisen, um Löcher in die Erde zu machen, wohlgemut von Haus und ließen nur die Mutter und Fränzchen mit dem Auftrage zurück, uns ein gutes Mittagessen bereitzuhalten, zugleich auch unsere Wachsbeeren zu sieden, um Wachs zu gewinnen.

Das Büffelkalb blieb im Stalle zurück, weil ich wünschte, daß seine Nase vollends wieder heilen möchte. Die Kuh war ja auch zur Fortbringung unseres Fuhrwerks, da wir beständig haltzumachen hatten, vollkommen stark genug. Doch gaben wir vor unserem Aufbruch dem Büffelkalb eine gute Handvoll Salz, um es allmählich an uns zu gewöhnen, und diese Leckerei behagte ihm so gut, daß es sich, zum erstenmal, ordentlich nach uns umsah, als wir gingen.

Unsere Arbeit fing schon in der Nähe von Falkenhorst am Eingang des angelegten Baumgangs nach Zeltheim, bei den Walnußbäumen, den Kastanien- und Kirschbäumen an, die wir in zwei regelmäßigen Reihen hier eingesetzt hatten und die zum Teil durch den Wind von ihrem aufrechten Stande verbeugt waren.

Ich, als der Stärkste, hielt das Steckeisen und bohrte kraft seines gewichtigen Falles den hinzustellenden Rohrpfählen vor. Die Knaben beschäftigten sich mit der Auswahl und dem Zuspitzen, und gemeinschaftlich banden wir dann mit einer Art von Lianen oder dünner und zäher Schlingpflanze, die ich für Mibi hielt, den neugesteckten Pfahl an die zarten Bäumchen.

Die Arbeit dauerte lange und machte unsere Rücken schmerzen; auf den Mittag kehrten wir dann, hungrig wie die Wölfe, nach Falkenhorst zurück, wo die Mutter uns eine treffliche Mahlzeit zugerichtet und uns längst mit Sehnsucht erwartet hatte.

Wir speisten wacker und viel und ließen uns die nötige Ruhe, während wir eifrig von einer Angelegenheit sprachen, die besonders mir, und fast in noch höherem Grade der Mutter, schon länger auf der Seele gelegen hatte.

Uns beiden nämlich war das Auf- und Absteigen in unser Baumschloß vermittelst der Strickleiter ein wenig zu mühsam und selbst gefährlich vorgekommen, so daß wir uns fast nie als zum Schlafengehen hinaufbegaben und dann jedesmal in schwerer Besorgnis standen, es möchte dieser oder jener der Knaben, die leichtsinnig und rasch wie die Katzen emporeilten, durch einen Fehltritt hinunterstürzen und unglücklich werden. Diese Besorgnisse hatten mich zu fortdauerndem Nachdenken veranlaßt, ob es auf keine Weise möglich sei, einen bessern Eingang in unsre Burg herzustellen. Ich war endlich zur Überzeugung gekommen, daß sich von außen schlechterdings nichts anbringen lasse, was zweckmäßiger sei als unsre Strickleiter, und daß ich versuchen müßte, auf irgendeine Weise durch das Innere des Stammes zu unsrer Wohnung hinaufzudringen.

»Hast du mir nicht gesagt, Mutter«, fing ich endlich an, »es finde sich eine Höhlung in dem Stamm unsres Baumes, wo sich ein Bienenschwarm aufzuhalten scheine? Es käme nur darauf an, zu erforschen, wie tief wohl das Loch gegen die Wurzel hin abwärtsgehe und von welchem Umfange es sei, so könnte für unsern Plan vielleicht viel gewonnen werden.«

Diese Äußerung zündete gleich bei den Knaben ein loderndes Feuer an; sie sprangen auf, machten sich bereit und kletterten wie Eichhörner an den Wurzelbogen, soweit sie reichen konnten, rings um die Höhle der Bienen, um anzuklopfen und Versuche zu machen, wie weit wohl inwendig das Holz unter der Rinde weggefault sei. Aber das unbedachtsame Hauen und Hämmern schlug dem neugierigen Völklein gar übel zu; denn der beunruhigte Bienenschwarm drang erbittert aus seiner Kluft, umsauste die Knaben mit Heeresmacht, fing an zu stechen, blieb ihnen zum Teil an den Haaren oder an den Kleidern und jagte sie verwundet und erschreckt in eine so hastige Flucht, daß sie mit Zetergeschrei, selbst an uns Eltern hinweg, in alle Weite gelaufen wären, wenn nicht die Mutter und ich sie aufgehalten und vorläufig ihre Wunden mit kühler Erde belegt hätten, um ihnen etwas Linderung zu verschaffen. Jack, der am übereiltesten auf das Bienennest losgestürmt, war auch am abscheulichsten zerstochen und kriegte fast eine Larve von feuchtem Lehm über sein entzündetes Gesicht, Ernst dagegen war diesmal, vermöge seiner Langsamkeit, mit einem einzigen Stiche davongekommen, weil er im Hinaufklettern der letzte gewesen und, sobald er das Gefecht sich erheben sah, ohne Bedenken Reißaus genommen hatte. – Es verging wohl eine Stunde, bis die Knaben von ihren Schmerzen hinreichend hergestellt waren, um etwas Ordentliches unternehmen zu können; aber sie brannten dermaßen von Zorn gegen die heroischen Bienen, daß ich unverzüglich Anstalt treffen mußte, diesen Gästen zu Leibe zu gehen, wenn ich das Klagen und Jammern der unvorsichtigen Söhnchen nicht bis in die späteste Nacht hinein hören wollte. Während also die Bienen noch wild und tobend um den Baum herumsummten, rüstete ich Tabak, Lehm, Pfeifen, Meißel, Hammer und anderes mehr, das ich dienlich fand, und machte mir aus mehreren großen Kürbissen, die mit Fluglöchern versehen wurden, hübsche Bienenkästlein zurecht, denen ich gleich ihren Stand auf einem mächtigen Aste unsres Baumschlosses bestimmte, wo ich ein langes Brett für sie hinnagelte und ein Schattendach von Stroh bereitete, damit sie gegen Sonnenschein und Regen besser geschützt seien.

Diese Vorkehrungen währten indes länger, als ich gedacht hatte, und ich mußte meinen beschlossenen Sturmlauf bis an den folgenden Morgen verschieben. Ich fing wohlbedächtig damit an, daß ich die Öffnung im Baumstamme, wo die Bienen aus und ein flogen, mit Lehm so vollkommen verstopfte, daß ich nur das Röhrchen von meiner Tabakspfeife hindurchstecken konnte, womit ich jetzt dermaßen räucherte, daß ich dachte, die Tierchen müßten davon ersticken. Anfangs erhob sich ein Summen und Brummen in dem Stamme, wie wenn Sturm und Wirbelwind darin Haushaltung hätten; aber nach und nach ward es stiller und endlich so ruhig, daß ich mein Röhrchen herausziehen und in meinen Kunstgriffen fortfahren durfte. Jack war neben mich hinaufgeklettert, und nun fingen wir an, mit Meißel und Beil ein Stück von dem Baum, etwa drei Fuß hoch und zwei in der Breite, sorgfältig loszumachen, so daß es zuletzt nur an einer einzigen Ecke noch festblieb. Hierauf wiederholte ich die große Räucherung in aller Form, weil ich besorgte, die Betäubung von früher könnte schon ziemlich vorüber sein; und nun wurde vollends unser eingehauenes Fenster herausgerissen und das Eingeweide des Stammes ans Licht gebracht.

Ein gewaltiges Erstaunen befiel uns, als wir hier die prachtvolle Haushaltung und die unbegreifliche Arbeit des Bienenvolks erblickten. Es zeigte sich ein Vorrat von Wachs und Honig, daß wir gar nicht Rat wußten, wo wir damit hin sollten, und nur nach Schüsseln und Näpfen zu rufen hatten, um allen Überfluß aufzufassen. Die Waben schnitt ich gleich der Reihe nach heraus, und kaum daß ich ein wenig Luft gemacht hatte, wischte ich die besinnungslosen Bienen in die zugerüsteten Kürbisse, die ihnen zur Wohnung dienen sollten und deren Innenwände ich teilweise mit Honig bestrich, und brachte dann den Rest der Waben in die herbeigeschafften Gefäße.

Sobald ich damit fertig war, stieg ich hinunter, ließ ein Tönnchen sauber auswaschen und mit unsrer Beute anfüllen, doch so, daß uns etwas zum Kosten und zum Mittagessen übrigblieb. Das volle Tönnchen wurde alsdann auf die Seite gewälzt und mit Segeltuch, Brettern und Laubwerk bedeckt, damit die aufwachenden Bienen es nicht entdeckten und heimsuchten. Endlich stieg ich auf unser Baumschloß, befestigte meine Bienenhäuschen auf das festgenagelte Brett, stürzte das bereitete Strohdach darüber, verfügte mich wieder hinab und erlabte mich an den Erstlingen des vortrefflichen Honigs dergestalt, daß ich fast nicht aufhören konnte und sowohl mir als meinem liebwerten Hausvolke schier mit Gewalt Maß und Ziel auflegen mußte, wenn wir nicht krank oder doch für den ganzen übrigen Tag faul werden sollten.

Indes machte ich der Schmauserei noch so ziemlich ohne Widerspruch durch die Bemerkung ein Ende, daß die Bienen sich nun bald von ihrer Ohnmacht erholt haben dürften und daß sie dann ohne Gnade mit den Räubern ihres Honigs, wenn sie von diesem nur ein Tröpflein entdeckten, den allerhitzigsten Kampf unternehmen würden. Dieser Wink war genug, um den Jungen alles Naschen auf der Stelle zu verleiden und den Rest unsres Honigs in das tiefste Versteck zu bringen. Mir selbst aber fiel ein, daß sich ohne Zweifel die aufwachenden Tierchen gleich nach ihrer alten Behausung begeben und daß sie sich bald wieder dort einnisten könnten, wenn ihnen nicht zweckmäßig vorgebaut würde. Ich nahm also ein paar Hände voll Tabak und ein mit Lehm bestrichenes kleines Brett, stieg zu der Höhlung von neuem empor, machte das Brett dort inwendig fest, zündete den Tabak auf verschiedenen Punkten an und sah nun bald einen Rauch und Dampf entstehen, daß ich hoffen durfte, den Bienen die Rückkehr in ihre Heimat gänzlich zu verleiden und den Platz zu einer nähern Untersuchung des innern Baumstammes frei zu erhalten.

Meine Vorsorge war von Wirkung; denn obschon sich die Bienen in der Tat, sobald sie zu Sinnen kamen, schwarmweise der alten Wohnung zu nähern suchten, so trieb sie die Räucherei doch immer von neuem zurück, und bis auf den Abend gewöhnten sie sich schon ganz ordentlich, die neuen Kürbishäuser als ihre Heimat zu betrachten.

Wir Honigräuber nahmen uns inzwischen vor, die Besichtigung des inwendigen Baumes bis auf den folgenden Morgen zu vertagen, und da uns ratsam schien, den erbeuteten Honig sogleich zu reinigen und von dem Wachse zu sondern, was doch jetzt wegen der umherschwärmenden Bienen nicht angehen konnte, so legten wir uns bis auf den späten Abend zur Ruhe, um ein wenig zu schlafen, damit wir dann die Nacht rüstig zu durchwachen und, sicher vor den ersten Eigentümern, mit dem Honig zu schalten imstande wären.

Sowie demnach die Dämmerung sich am Himmel zeigte und die Bienen, von Dunkelheit und Kälte bezwungen, in ihrem Kürbis lagen, erhoben wir uns von den Betten und gingen an unser Werk. Alle Waben wurden aus dem Tönnchen wieder ausgepackt, in einen Kessel geworfen, mit ein wenig Wasser vermischt und dann bis zum Schmelzen über einem gelinden Feuer gehalten, so daß es eine allgemeine flüssige Masse gab. Diese ward zur Absonderung von Unreinigkeiten durch einen groben Sack gepreßt, wieder in das Tönnchen gegossen und dann zum Abkühlen während des Restes der Nacht auf die Seite gestellt. Am Morgen hatte sich richtig das Wachs in einer großen geronnenen Scheibe auf die Oberfläche gehoben und konnte bequem abgenommen werden; der reine Honig blieb zurück, ward sorgfältig vermacht, neben unserm Weinfäßchen in die Erde gegraben und versprach für die Zukunft so viel Süßes und Gutes, als wir nur wünschen konnten.

Sobald unser Tönnchen in der Erde war, und bevor noch die Bienen von der Wärme der aufgehenden Sonne geweckt wurden, ging es ohne Verzug an die Untersuchung des Baumstammes und seiner Höhlung, die wir zum voraus schon für beträchtlich hielten. Mit einer Stange reichte ich von unserm eingehauenen Fenster hinweg nach oben, und eine Schnur, mit angebundenem Stein hinabgesenkt, diente uns nach unten, um Höhe und Tiefe des ausgefaulten Baumes in Erfahrung zu bringen. Da fand sich denn zu meinem Erstaunen, daß aufwärts bis zu den Zweigen, wo wir unsre Wohnung hatten, und abwärts bis fast auf den Stock der Stamm seinen Kern und das meiste von seinem Holze verloren habe, so daß es gar nicht besonders schwierig erschien, durch diese prächtige Höhlung hinauf eine Wendeltreppe anzubringen, die für unsere Sicherheit und Bequemlichkeit alles mögliche zu leisten geeignet wäre. Ich beschloß daher, mit ihrem Bau sogleich den Anfang zu machen, und freute mich, die Knaben dabei in neue Tätigkeit zu setzen, weil ich in dieser die dauerhafteste Quelle unsres allseitigen Wohlbefindens erkennen mußte.

Vor allem wurde denn unten an dem Baume, gegen die Seite des Meeres zu, eine stattliche Türe eingeschnitten, und zwar gerade von solcher Größe, daß wir die Türe von des Kapitäns Kajüte auf dem Wrack in die Öffnung hineinpassen konnten und folglich imstande waren, den Eingang wenigstens vor Tieren bequem und leicht zu verschließen. Hierauf wurde der Raum in dem Stamme von Überresten des gefaulten Holzes sorgfältig gereinigt, die Seitenwände, soweit wir vorläufig reichen konnten, glatter gemacht und in der Mitte ein zehn bis zwölf Fuß langes, gerades, ungefähr einen Fuß dickes Bäumchen aufgerichtet, um meine Wendeltreppe daran herumzuführen. Bald waren in Schneckenlinie an diesem Bäumchen und jedesmal auch gegenüber in den Wänden der großen Baumhöhlung die gehörigen Einschnitte angebracht, um von halbem Fuß zu halbem Fuß immer aufwärts Bretter als Stufen einzufügen, bis ich endlich mit diesem Anfang der Treppe die Höhe des Wendelbaumes erreicht hatte. Das eingehauene Fenster, das wir den Bienen zulieb angebracht hatten, diente jetzt vortrefflich, mir zu meinem Arbeiten Licht zu verschaffen. In abgemessener Entfernung davon ward nun ein zweites und, als die Treppe höher stieg, zuletzt ein drittes durchgebrochen, wodurch wir einen hellen Zugang auf unser Baumschloß erhielten; und nun wurde droben in unsrer Wohnung ein Ausgang gehauen, um den obern Teil der Treppe bequemer vollenden zu können. Ein zweites bearbeitetes Baumstämmchen ward dann inwendig hinaufgezogen, auf das erste hin befestigt, mit den nötigen Einschnitten ferner zurechtgemacht und weiter mit eingefügten Brettern als Stufen vollständig ausgerüstet, bis meine Wendeltreppe ganz in der Höhe bei dem Ausgang in unsre Baumstube glücklich sich anschloß und vorderhand wenigstens genügen konnte, wenn sie auch den Kunstregeln der Architektur und dem Schönheitssinne gar wenig entsprechen mochte.

Die Vollendung dieser Treppe beschäftigte uns volle vierzehn Tage, wurde jedoch von mannigfaltigen andern Ereignissen und Verrichtungen gar nicht selten unterbrochen.

Wenige Tage nach dem Beginn unserer Arbeit warf unser Bill sechs Junge, die mir sämtlich als dänische Doggen unvermischter Art vorkamen und die uns gewaltige Freude machten. Doch wäre es mir bedenklich gewesen, die ganze Brut am Leben zu lassen, und ich befahl, der säugenden Mutter alle bis auf ein Männchen und ein Weibchen wegzunehmen, wogegen ich Jack erlaubte, zu einigem Ersatz seinen jungen Schakal in das Nest zu legen, was denn auch mit dem besten Erfolge auf der Stelle vollzogen ward und weder dem Säugling noch der Amme nur im geringsten zuwider schien.

Fast zur nämlichen Zeit warfen auch unsere zwei Ziegen jede ein Paar Zicklein und die Schafe zusammen vier Lämmer, so daß wir mit Vergnügen dem erfreulichen Wachstum unserer Herde entgegensahen. Damit aber kein nützliches Tierchen mehr, nach dem schändlichen Beispiel des Esels, aus unserm Gewahrsam entlaufe, so ließ ich jedem der Alten ein Glöcklein an den Hals binden, wovon wir auf dem Wrack, als Tauschware für die Wilden, eine Menge vorgefunden hatten.

Meine größte Aufmerksamkeit richtete ich, nächst unsrer Wendeltreppe, auf das gefangene Büffelkalb, dessen Wunde nun gänzlich geheilt war, so daß ich ihm, gleich den Hottentotten, ein Stäbchen, das wie ein Pferdegebiß auf beiden Seiten etwas hervorragte, durch die Nase zog, um es damit nach meinem Belieben leiten zu können.

Nach einer Reihe vergeblicher Versuche war es uns endlich gelungen, es mit Erfolg einzuspannen, freilich nur, wenn die Kuh ihm vor dem Wagen Gesellschaft leistete. Ihre unerschütterliche Gemütsruhe wirkte besänftigend auf seinen Grimm. Das Lasttragen und Reiten allerdings war eine viel stärkere Zumutung, und ich konnte diese neue Abrichtung nicht ohne sanfte Vorbereitungen beginnen.

Vorerst wurde dem mißtrauischen Zornnickel eine große Decke von Segeltuch auf den Rücken gelegt und diese mit einem tüchtigen Gurt aus dem Felle der Büffelkuh nach und nach fester geschnürt. Einige Tage lang begnügten wir uns hiermit, bis der Zögling es aufgab, brummend und brüllend den Kopf zur Seite zu werfen und seinen unwillkommenen Schmuck anzuschnaufen. Dann ward von Zeit zu Zeit eine leichte Last auf die Decke gebunden, und nach etwa vierzehn Tagen konnten die Bastsäcke des Esels mit voller Ladung darüber hingelegt werden.

Das schwierigste Stück blieb natürlich das Reiten. Es lag mir aber so viel daran, auch diese Leistung von dem vielversprechenden starken Tier zu erreichen, daß ich mir keine Mühe verdrießen lassen wollte. Der Affe mußte zuerst hinauf. Denn Meister Knips war einesteils so leicht und andernteils so geschickt im Anklammern, daß er trotz aller Sprünge des beleidigten Kalbes nicht ein einziges Mal zur Erde fiel. Jack, als der Gelenkigste, machte dann den ersten Versuch von den Knaben, und seiner katzenartigen Behendigkeit gegenüber mußte der Büffel endlich klein beigeben. Die andern hatten bei dem Gemaßregelten leichteres Spiel, und endlich schien er zu denken: der Klügere gibt nach – und fügte sich in sein Schicksal.

Fritz hatte sich viel mit seinem Adler beschäftigt, indem er ihm jeden Tag sein Futter in einer Anzahl kleiner Vögel schoß, die er ihm bald zwischen den hervorsprossenden Hörnern des Büffelkalbes oder einer Ziege, bald auf dem Rücken unserer Trapphenne oder des Flamingos, doch jederzeit auf einem Brettchen zu verzehren gab, damit er nach Art der Falken auf solcherlei Tiere zu stoßen desto geschickter und bereitwilliger werde. – Allmählich gewöhnte sich der Vogel, dem Knaben auf jeden Ruf und besonders auf sein Pfeifen gehorsam zuzufliegen, und es fehlte nur noch an einem Versuch im Freien, ob das Beizen gelingen würde, wenn wir uns nur getraut hätten, den Vogel von seiner Leine vollkommen loszubinden, da wir befürchteten, seine kühne, hochstrebende Natur würde ihn bald von uns wegtragen und in den angeborenen Zustand der Zwanglosigkeit zurücklocken.

Ernst wurde von dem Erziehungsfieber, das unter uns eingerissen war, ebenfalls angesteckt und versuchte sein Glück mit der Abrichtung des Affen, der ihm von Fritz überlassen worden war. Es war drollig, zu sehen, wie der phlegmatische, langsame, aber bedächtige Lehrmeister mit dem gewandten, hurtigen und leichtsinnigen Zögling umspringen mußte, um ihn gefügig zu machen. Dem mühescheuen Knaben lag am Herzen, sich durch das Tier in irgendeiner Arbeit erleichtern zu lassen, und nach mancherlei mißlungenen Versuchen hatte er beschlossen, den Meister Knips an das Lasttragen zu gewöhnen. Mit Hilfe Jacks fing er deshalb an, eine sogenannte Hütte oder einen Rückenkorb aus Rohr zu flechten, brachte das Werk endlich zustande, befestigte zwei Tragriemen daran und lud es nun seinem Pflegling auf den Buckel, damit er sich vorläufig daran gewöhne. Doch war dem närrischen Affen das Ding unleidlich; er fletschte mit den Zähnen, wälzte sich auf dem Boden herum, machte fußhohe Sätze, biß in die Tragriemen wie rasend und versuchte jede List und jede Gewalt, um nur sein Anhängsel wieder loszuwerden. Allein es half nichts; und das Tierchen wurde endlich mit Schlägen und guten Bissen so weit gebracht, daß es nach dem Maße seiner Kraft recht merkliche Bürden mit Sorgfalt zu tragen verstand.

Auch Jack fing endlich an, in das Fach der Erziehung zu pfuschen, und zwar unternahm er, den jungen Schakal, dem er den Namen Jager zugeteilt hatte, in Zucht zu nehmen, um ihm nach Möglichkeit das Stellen und Herbringen des Wildbrets einzutrichtern. Mit dem Stellen indes war in den ersten sechs Monaten, so vielfältig der Versuch auch wiederholt wurde, nicht das mindeste ausgerichtet; aber das Hertragen von allerlei hingeworfenen Dingen ward dem Tiere mit Leichtigkeit beigebracht und ließ uns für die Folgezeit manchen bedeutenden Vorteil erwarten.

Solcherlei Beschäftigungen füllten gewöhnlich ein paar Stunden des Tages, in denen wir entweder von unserem Treppenbau ausruhten oder uns zu bloßer Erholung eine Freude gönnen wollten. Auf den Abend sammelten wir uns dann gewöhnlich in einen trauten Kreis und begannen auf Anregung der Mutter irgendein gemeinsames notwendiges Geschäft.

Dabei kam mir die Lust, meinen Kunstfleiß und meine Erfindungskraft an einem neuen und wichtigen Unternehmen, an der Verfertigung eines Stiefelpaares aus Kautschuk, in völligem Glanze zu zeigen; und zugleich ermunterte ich die Knaben, ihr Glück mit Jägerfläschchen und mit ähnlichem Geräte zu versuchen.

Für mein Vorhaben füllte ich ein Paar meiner alten Strümpfe mit grobem Sand, überzog sie mit einer dünnen Lage von Lehm und ließ sie vorläufig in dieser Gestalt zuerst im Schatten und dann in der Sonne gänzlich trocken werden. Hierauf schnitt ich ein Paar Sohlen nach der Größe meiner Schuhe und benützte dazu ein Stück Haut von der Büffelkuh, das ich zuvor mit einem Hammer tüchtig geschlagen und sonst nach Erfordernis bearbeitet hatte. Nachdem ich die Sohlen an die Strümpfe befestigt hatte, machte ich mir einen Pinsel von Ziegenhaaren, mit dem ich die Strümpfe so gleichmäßig als möglich bestrich. Wenn die eine Lage des Federharzes zu gerinnen anfing, begann ich alsbald eine andere nachzutragen, bis mir die Stiefel die gehörige Dicke zu haben schienen und nur noch des Austrocknens bedurften, wozu sie jetzt aufgehängt wurden. Sobald sie hinreichend hart geworden waren, nahm ich sie wieder herunter, leerte den sandigen Inhalt aus, zog auch die Strümpfe mit Angst und Not hervor, zerstieß die Kruste von Lehm, schaffte den Staub und die Stücke davon recht säuberlich weg und hatte so ein Paar Stiefel, weich, glatt und wasserdicht, daß es eine Lust war. Sie saßen mir wie angegossen, so daß die Knaben darüber jubelten und jeder sich ausbat, bald auf ähnliche Weise bestiefelt zu werden.

Eines Morgens, als wir kaum noch aufgestanden waren, um die letzte Hand an unsere Wendeltreppe zu legen, ließen sich aus der Ferne zwei seltsame Stimmen vernehmen, die erschallten wie das schreckliche Gebrüll von reißenden Tieren, untermischt mit einem besonderen Keuchen und Schnarchen und fast ersterbenden, wunderlichen Tönen, so daß ich in meinem Urteil über dieselben nicht einig werden konnte und bang wurde, zu erfahren, woher sie wohl rühren möchten; denn selbst unsere Hunde wurden dadurch unruhig gemacht und schienen bereits ihre Zähne zu wetzen, um einem gefährlichen Feinde auf die gebührende Weise begegnen zu können. Demnach setzten auch wir uns in Verteidigungszustand, luden unsere Gewehre und Pistolen, stellten uns auf unserem Baumschlosse in Ordnung hin und machten uns gefaßt, von dort herab einen Angriff tapfer zurückzuschlagen.

Als indessen das Gebrüll wieder aufhörte, stieg ich bewaffnet von unserer Burg hinunter, versah unsere getreuen Wächter mit ihren stachligen Halsbändern, lockte unser Vieh ganz in die Nähe, damit wir es im Auge hätten, und stieg dann wieder hinauf, um sorgfältig zu spähen, ob der erwartete Feind nicht irgendwo sichtbar sei.

So standen wir alle in gespannter Erwartung, bis nach einem Weilchen das Gebrüll sich von neuem vernehmen ließ, und zwar ganz in der Nähe. Da lauschte denn Fritz mit scharfem Ohre darauf hin, warf plötzlich sein Gewehr auf die Seite, sprang lustig empor, fing an zu lachen und rief laut: »Der Esel! der Esel! Es ist wahrhaftig der Esel, der wieder zu uns heimkehrt und darüber ein Freudenlied anstimmt.«

Dies überraschte uns so sehr, daß wir uns beinahe ärgerten, nicht eine reißende Bestie kommen zu sehen und also vergebens in so großer Bangigkeit geschwebt zu haben. Doch faßten wir uns bald, und als ein neues Gebrüll in der Tat ganz eselhaft und gefahrlos zu klingen schien, so löste sich unsere Besorgnis plötzlich in ein schallendes Gelächter und in mancherlei Scherzreden, mit denen wir uns gegenseitig zum besten hielten.

Nicht lange, so glückte es uns auch, zwischen den Bäumen hindurch, wiewohl noch in ziemlicher Ferne, unser altes, ehrliches Grauschimmelchen gegen uns herkommen zu sehen, doch so, daß es häufig stillstand, um ein wenig zu grasen oder sich umzuschauen. Aber zu unserer großen Freude sahen wir einen stattlichen Gefährten von seiner Art ihm zur Seite traben, den ich bald für ein prächtiges Quagga oder einen Waldesel erkannte und nach dessen Besitz mir sogleich der Mund über die Maßen zu wässern anfing.

Unverzüglich stieg ich also mit Fritz von dem Baume hinunter, mahnte mein Hausvolk, sich droben so still als möglich zu halten, und dachte mit aller Anstrengung auf ein Mittel, den willkommenen Fremdling einzufangen.

Demnach bereitete ich schnell eine zulaufende Schlinge an einem ziemlich langen Strick, dessen anderes Ende ich an eine Baumwurzel festknüpfte. Die Schlinge ward an der Spitze von einer Stange vermittelst eines Querstäbchens offen erhalten, so daß, wenn man sie dem Tier über den Kopf warf, das Querstäbchen hinwegspringen, die Schlinge den Hals umschnüren und das Tier gefangen sein mußte.

Ferner rüstete ich ein Stück Bambus, etwa zwei Fuß lang, das ich unten spaltete und oberhalb mit Packfaden umwand, damit es nicht ganz voneinander risse und mir sogleich den Dienst einer Zange leisten konnte.

Fritz sah meiner Arbeit neugierig zu, ward ein wenig ungeduldig, weil er den Nutzen davon nicht einsehen konnte, und erbot sich endlich, mit seinen Wurfkugeln auf den Wildling loszugehen, um ihn aufs schnellste in unsere Gewalt zu bringen. Allein ich wollte für diesmal der patagonischen Jägerei nicht Raum gestatten, weil ich befürchtete, daß der Wurf nur allzuleicht mißlingen und den prächtigen Waldesel für immer verscheuchen dürfte. Deswegen hielt ich den Knaben zurück, bis sich der Fremdling ein wenig herangemacht hatte, und in der Zwischenzeit gab ich ihm über den Gebrauch meiner Schlinge den nötigen Unterricht. Als sich die zwei Weidgänger uns dann beträchtlich genähert hatten, ließ ich Fritz mit der Stange und der offenen Schlinge daran hinter dem Baume, wo wir versteckt gewesen, sachte hervortreten und ganz langsam nach dem wilden Esel hinschleichen, soweit es die Länge des Strickes, der, wie gesagt, an einer Baumwurzel festgeknüpft war, nur irgend gestattete.

Unser Waldesel fing mächtig an zu stutzen, als er die Menschengestalt plötzlich zu Gesicht bekam, und mißtrauisch sprang er einige Schritte zurück, um das Geschöpf, das ihm völlig unbekannt schien, mit prüfendem Blicke zu mustern. Aber weil Fritz sich äußerst ruhig hielt, so fing der Fremdling unbefangen wieder an zu grasen, und Fritz näherte sich ganz sachte unserm alten Hausgenossen, durch dessen Vertrauen er auch den Wildfang kirre zu machen wohl am ehesten sich getrauen durfte. Lockend streckte er deswegen eine Handvoll Haber mit Salz vermischt dem Grauschimmel entgegen, und ohne Verzug eilte dieser herbei, um das beliebte Futter sogleich in Empfang zu nehmen. Dem Fremdling schien dieses aufzufallen; er näherte sich, hob seinen Kopf empor, schnaufte leise durch die Nase, witterte den Leckerbissen, den es zu naschen gab, kam abermals ein wenig näher und konnte zuletzt seiner Neugierde, seiner Freßlust und dem gefährlichen Beispiel seines Gesellen so wenig mehr widerstehen, daß er ganz nahe an Fritz heranrückte und dieser mit Gewandtheit ihm den Strick am Ende seiner Stange über den Kopf und den Hals werfen konnte.

Aber jetzt, da der Wildfang diese Bewegung mit Erschrecken wahrgenommen und die derbe Berührung etwas unsanft empfinden mochte, ward er auch plötzlich scheu und wollte sich in eilender Hast aus dem Staube machen. Doch umsonst! Denn die Schlinge an seinem Halse wurde sogleich durch die Bewegung zusammengezogen, nahm dem armen Gefangenen den Atem und zwang ihn, mit herausgestreckter Zunge auf den Boden zu fallen und demütig still zu sein.

Jetzt sprang ich unverweilt aus meinem Hinterhalte hervor, löste nach Bedürfnis das angespannte Seil, damit der zierliche Wildling mir nicht ersticke, warf ihm die Halfter unseres Esels rasch um den Kopf, nahm mein gespaltenes Rohr, klammerte ihm die Scheidewand der Nase tüchtig dazwischen, band dann die Zange nach unten zusammen, damit sie nicht abfallen möchte, und hatte nun den Burschen auf die nämliche Weise gebändigt wie die Schmiede, wenn sie ein wildes Pferd zu beschlagen haben. Hierauf löste ich die Schlinge von dem Halse gänzlich ab, und indem ich die Halfter mit zwei langen Stricken an zwei nahestehenden Baumwurzeln rechts und links befestigte, ließ ich das Tier zu sich selber kommen, um zu sehen, wie es sich gebärden würde und was zu seiner Bezwingung vielleicht noch vonnöten sei.

Inzwischen war mein ganzes Hausvolk eilfertig von dem Baume herabgestiegen, und in froher Bewunderung standen wir sämtlich um den prächtigen Wildling her, dessen schlanker Bau ihn weit über die Klasse der Esel hinweg, beinahe zu der Würde eines Pferdes zu erheben schien. Nach einer Weile sprang der Geplagte wieder empor auf seine Füße und schien Lust zu haben, einen Versuch zu seiner Rettung zu machen; aber der Schmerz an seiner eingeklemmten Nase dämpfte sogleich seine Regsamkeit, und er fand für gut, sich so sittsam zu benehmen, daß ich es wagen durfte, ihn ganz sanft zwischen zwei Wände von Baumwurzeln zu leiten, wo der eine Strick von der Halfter schon befestigt war und jetzt auch der andere so kurz angebunden wurde, daß dem Tiere fast der ganze Spielraum, sich zu bewegen und etwa loszureißen, klüglich benommen ward und wir mit ziemlicher Sicherheit ihm zu nahen vermochten. – Jetzt erst, da man des edlen Wildfangs sich habhaft sah, dachte man auch daran, unsern Flüchtling wieder in Gewahrsam zu bringen und ihm das Ausreißen für die Zukunft schwieriger zu machen. Er ward mit einer neuen Halfter ebenfalls festgebunden, an den Vorderfüßen ein wenig gespannt und so in die Nähe des Waldesels gestellt, um diesen desto geneigter zu machen, in unserer Botmäßigkeit zu bleiben, weil am Tage lag, daß die Verschiedenheit des Geschlechtes das Quagga mochte bewogen haben, sich an unsern Hausgenossen anzuschließen, und wir also hoffen durften, diese Ursache würde fortwährend beitragen, den Wildfang immer mehr an uns zu gewöhnen.

Unsere erste Sorge ging dahin, den neuen Ankömmling zu zähmen und ihn sowohl zum Lasttragen als zum Reiten abzurichten. Zwar kostete es nicht geringe Mühe, aber endlich gelang es doch, ihn folgsam zu machen.

Nach ein paar Wochen war unser Wildling schon so weit erzogen, daß man ihn mit ziemlicher Sicherheit reiten konnte und nur noch die beiden Vorderfüße mit einem Seil etwas zu spannen brauchte, damit er sich nicht gar zu schnell in die Weite verlaufe. Doch war es jetzt auch um die Leitung desselben zu tun, und in Ermangelung eines tüchtigen Gebisses suchte ich dieses vermittelst eines Kappzaums ins Werk zu setzen, wobei aber durch leichte Berührung der Ohren so ziemlich erreicht wurde, was der Kappzaum nicht hinreichend leistete, daß man nämlich das Tier bald zur Rechten, bald zur Linken seitwärts zu gehen bewog, so wie man es ratsam fand.

Während dieser Geschichten war eine dreifache Brut von Küchlein aus den Eiern geschlüpft, und eine Menge von etwa vierzig jungen Hähnchen und Hühnern schwärmte zirpend, zu großem Vergnügen der Mutter, um uns her.

Diese Vermehrung mahnte uns an eine neue Bequemlichkeit, die wir uns schon lange gewünscht hatten und die wir sogleich uns einzurichten nicht mehr anstehen wollten.

Es war uns nämlich schon länger bange gewesen vor dem Eintritte der Regenmonate oder des Winters dieser Gegenden; und da dieser schwerlich noch lange ausbleiben konnte, so mußten wir auf ein Obdach für unser Vieh und Geflügel denken, weil wir dasselbe der übeln Witterung nicht aussetzen durften.

Zu dem Ende fingen wir an, eine Bedeckung über die gewölbten Baumwurzeln unserer Wohnung hinzuziehen, indem wir Bambusrohre von der einen zu der andern hinüberlegten, sie befestigten, hin und wieder unterstützten, mit dünnerm Rohre durchflochten, endlich mit Moos und Lehm überdeckten, mit einem Gusse von Teer kalfaterten und so eine Bedachung zustande brachten, auf der man ordentlich herumspazieren konnte und die, nach außen mit einem Geländer versehen, gleichsam einen Balkon darstellte, unter dem zwischen den Baumwurzeln jetzt allerlei Gemächer vor Regen und Sonne gesichert standen, die uns ferner je nach Bedürfnis eingefaßt zur Speisekammer, zum Milchkeller und zu verschiedenen Stallungen dienten, wo unser Vieh geschirmt war und wo wir auch für die Regenzeit trockenes Heu oder dürre Blätter zu Futter und Streue für unser Vieh mit Bequemlichkeit aufbewahren konnten.

Die Speisekammer mit allerlei Vorrat auf den Winter im Überfluß zu versehen war unsere nächste Angelegenheit, und täglich zogen wir aus, um etwas Nützliches herbeizuschaffen, das uns entweder als Nahrung oder als Mittel einer zweckmäßigen Beschäftigung wünschenswert erschien.

Als wir eines Abends so vom Kartoffelngraben wieder heimkamen und unsern Wagen mit vollen Säcken durch die Kuh, das Büffelkalb und den Esel vor uns hinschleppen ließen, fiel mir ein, die Mutter mit den Kleinen vollends auf dem geraden Wege nach Hause zu senden und inzwischen mit Ernst und Fritz einen Umweg durch den Süßeichelwald zu nehmen, um dort ein paar Säcke voll dieser Früchte zu sammeln und die Ausbeute dieses Tages noch ergiebiger zu machen. Ernst hatte seinen Affen bei sich, und Fritz saß ritterlich auf dem gebändigten Quagga.

Wir führten ein paar leere Säcke mit uns, die zur Aufnahme der Eicheln bestimmt waren und die der Wildling als ein Probestück, da er sich durchaus nicht zum Ziehen gebrauchen lassen wollte, auf seinem Rücken nach Falkenhorst tragen sollte, damit er doch anfange, zum allgemeinen Besten und nicht bloß zur Lustbarkeit des Reitens seine hilfreichen Dienste zu tun.

Als wir an Ort und Stelle gekommen waren, wurde der Springer, dem wir den Namen Leichtfuß erteilt hatten, an eine Staude gebunden, und wir machten uns emsig an die Arbeit des Einsammelns, die denn auch bei der Menge von abgefallenen Früchten aufs schnellste vonstatten ging. Wir waren aber mit dieser Beschäftigung noch lange nicht zum Ziel gekommen, als wir durch unsern Affen plötzlich darin gestört wurden, der unversehens in das nächste Gebüsch sprang, nach dem er lange schon seitwärts geschielt hatte; und jetzt erhob sich in demselben ein kreischendes Vogelgeschrei und ein rauschendes Schlagen mit Flügeln, das auf einen lebhaften Kampf unseres Affen mit irgendeinem Buschbewohner schließen ließ.

Ich ermunterte Ernst, der am nächsten bei dem Kampfplatze stand, doch auszukundschaften, was eigentlich vor sich gehe; und als der Junge sich etwas mehr hinangeschlichen hatte, rief er uns freudig zu: »Vater, ein Hühnernest mit Eiern! Der Affe streitet mit der Henne! Fritz kann sie fangen, wenn ich den Affen hier festhalte!« – Bei diesen einladenden Worten sprang Fritz ohne Säumen hinzu und brachte mir in der Tat nach kurzer Frist ein schönes lebendiges Weibchen des kanadischen Kragenhahns, den er vor einiger Zeit geschossen hatte. Ich war höchlich über diesen Fund erfreut, und sofort wurden dem Tier Flügel und Füße mit Bindfaden zusammengeschnürt, um es am Ausreißen zu hindern. Inzwischen war Ernst bei dem Gebüsche zurückgeblieben, hatte seinen Affen hinausgejagt und kam nun sachte gegen uns zu, trug bedächtig seinen Hut in der Hand und hatte seinen Gürtel mit Blättern besteckt, die gleich so viel Degen spitzig herausstanden und mir auf das erste Ansehen von der Schwertlilie zu sein schienen; dann zog er sein Schnupftuch, das bisher den Inhalt seines Hutes bedeckt hatte, mit Sorgfalt hinweg, streckte mir den Hut entgegen und rief lustig: »Da, Vater, da sind jetzt Eier von dem Kragenhuhn! – Sie lagen in einem ganz verhudelten Neste unter vielen Lilienblättern, so daß ich sie nicht einmal gefunden haben würde, wenn sich die Henne nicht so wütend gegen den Affen verteidigt hätte, daß die Blätter in Unordnung kamen und die Eier mir endlich von selbst in die Augen fielen. Ich denke, wir werden der Mutter damit ein großes Vergnügen machen. Die Blätter aber, die ich hier eingesteckt habe, bringe ich Fränzchen; denn sie sehen aus wie Schwerter und werden ihm ein lustiges Spielzeug sein, damit zu fechten und einzuhauen!« Nachdem wir unsre Säcke vollends mit Eicheln angefüllt hatten, luden wir sie dem Quagga auf den Rücken; Fritz schwang sich dazwischen, und wir traten insgesamt den Rückweg nach Falkenhorst an, wobei Ernst die gefundenen Eier und ich das Kragenhuhn geduldig zu tragen übernahmen.

Die Mutter war über unsern Fund sehr erfreut; sie behandelte die alte Henne so gut und zweckmäßig, daß sie fortfuhr, die Eier auszubrüten, uns in wenigen Tagen mit fünfzehn Hühnchen beschenkte und mit ihrer jungen Brut bald ganz zahm wurde.

Ein paar Tage nach unsrer Rückkehr, da Fränzchens Lilienschwerter schon ganz verwelkt auf dem Boden herumlagen, geriet Fritz auf den Einfall, sie wieder zusammenzulesen, den Kleinen herbeizurufen und ihm zu sagen: »Sieh, Brüderchen, deine Schwerter sollen jetzt zu einer wackern Peitsche werden, damit sie doch nicht umsonst verfaulen; du kannst damit die Schafe und Ziegen besser in Ordnung halten.«

Die Knaben setzten sich nebeneinander hin; Fränzchen mußte die Blätter in lange Riemchen zerfetzen, und Fritz verflocht sie zu einem tüchtigen Geißelstrick, der in kurzem zustande kam.

Ich bemerkte nicht ohne frohe Ahnung, als ich dieser Arbeit ein wenig zusah, wie zäh und biegsam die Blattriemchen sich winden und fügen ließen, und begann deswegen ein Stückchen davon genauer in Augenschein zu nehmen. Da sah ich denn, daß die Blätter aus langen, geschmeidigen und starken Fasern zusammengesetzt seien und daß nur ein grünlicher Pflanzenschleim sie zu einem Stengel verknüpfe. Dies gab mir die Vermutung, daß die vermeintlichen Lilienblätter in der Tat wohl etwas anderes, und zwar die neuseeländische Flachspflanze (Phormium tenar) wären, deren Entdeckung mir in unsrer Lage ganz unaussprechlich kostbar sein mußte und darum sogleich, wiewohl noch als bloße Vermutung, meiner Frau gemeldet wurde, die darüber in Entzücken geriet und mit lebhafter Freude ausrief: »Oh, welch ein herrlicher Fund! Der beste, den ihr je nach Hause gebracht habt! Schafft mir solche Blätter herbei, soviel ihr nur könnt! Das gibt Strümpfe, gibt Hemden, gibt Kleider, gibt Faden und Stricke und was man irgend sich wünschen kann!« – Ich mußte über diese Begeisterung der Mutter ein wenig lachen, aber es war doch eben die Gesinnung einer tüchtigen Haushälterin, der das Herz im Leibe hüpft, wenn von Hanf und Flachs nur die Rede ist.

Während ich indes den Eifer der Mutter ein wenig zu mäßigen strebte, weil der Weg von diesen Blättern bis zur Leinwand doch noch gar zu schwierig und in die Länge gezogen wäre, schlichen sich Fritz und Jack unvermerkt zur Seite, sprangen, ohne mich zu fragen, einer auf den Wildling, der andre auf den Büffel, und eilten so rasch gegen den Wald hinein, daß wir sie bald aus den Augen verloren.

Nach einer guten Viertelstunde kamen unsre Ritter in eilfertigem Trabe wieder zu uns heim. Sie hatten sich gleich fouragierenden Husaren zu beiden Seiten ihrer Pferde mächtige Bündel von der Flachspflanze angehängt und warfen uns dieselben unter allgemeinem Freudengeschrei vor die Füße. Ich hieß die Knaben, sich sofort unter die Befehle der Mutter verfügen und ihr zur Bearbeitung des Flachses, namentlich zum Rösten desselben, ungesäumt behilflich zu sein.

Wir legten zu diesem Zwecke die Pflanzen zunächst in den Bach; im Wasser sollten die weichen Blatteile verfaulen; die härtern mußten dann noch überbleiben.

Nach Verlauf von ungefähr vierzehn Tagen hielt die Mutter dafür, daß unser Flachs wohl sattsam geröstet sein möchte, und wir zogen abermals aus, um ihn aus seiner Beize ans Tageslicht zu ziehen. Er wurde gleich in der Nähe auf das Gras in die Sonne gebreitet und trocknete hier in einem einzigen Tage so vollkommen ab, daß wir ihn des Abends auf unsern Karren laden und ohne Schwierigkeit zu fernerer Verarbeitung nach Falkenhorst führen konnten. Hier fand sich indessen noch keine Zeit, um uns Hecheln und Brechen oder vollends auch Haspeln und Spinnräder zu verfertigen; vielmehr mußten wir uns mit immer größerem Ernste auf das Einbrechen der Regenzeit gefaßt machen, und bei der Ungewißheit, wie lange sie wohl dauern könnte, fleißig dafür sorgen, daß sowohl für uns als für alle unsere Haustiere hinlänglicher Mundvorrat bei der Hand sei. Schon fielen von Zeit zu Zeit Regenschauer; die Witterung, die bisher unausgesetzt warm und heiter gewesen war, zeigte sich jetzt trüb und veränderlich, der Himmel war dann und wann umwölkt, die Winde bliesen beinahe stürmisch, und alles ermahnte uns, jeden Augenblick zu benutzen, unsere Geschäfte im Freien zu beendigen.

Besonders waren wir darauf aus, Kartoffeln und Maniokwurzeln auszugraben, weil diese Speise uns am liebsten war und sich am leichtesten aufbewahren ließ. Doch versäumten wir nicht, auch Kokosnüsse und süße Eicheln in beträchtlicher Menge zusammenzulesen und auf einen angenehmen Wechsel in unserer Winterkost bedacht zu sein. Beim Ausgraben der Erdäpfel und des Manioks aber schien es uns ratsam, in das locker gemachte und aufgerissene Erdreich soviel als möglich von unsern europäischen Getreidearten hineinzusäen, weil wir zu einem regelmäßigen Pflügen und Ackern noch nicht eingerichtet waren und gleichwohl unser vaterländisches Korn und Mehl, trotz all den Leckerbissen des südlichen Klimas, unter dem wir lebten, in mancherlei Hinsichten allzu schätzbar fanden, als daß wir für seine Erhaltung und Vermehrung nicht hätten ernstlich besorgt sein sollen.

Überhaupt war nun offenbar die gelegenste Zeit zum Pflanzen und Säen von jeder Art; denn der bevorstehende Regen versprach allem die gehörigen Säfte zur Entwicklung und erweichte das Erdreich zum Anwurzeln der Gewächse, die sonst in dem harten und ausgebrannten Boden unmöglich hätten einschlagen können. Wir eilten daher, auch eine Anzahl junger Kokospflanzen nach Zeltheim zu versetzen, und gruben eine Menge Zuckerrohr in der dortigen Nachbarschaft ein, damit wir an diesem so gelegenen und so befestigten Orte in Zukunft von allem, was uns das Nützlichste und Angenehmste war, einige Vorräte bei der Hand haben möchten.

Aber ungeachtet der musterhaften Tätigkeit, mit der wir uns in die Verfassung setzten, dem Sturme des Winters die Spitze zu bieten, brach doch endlich die volle Regenzeit noch bei weitem zu früh herein, als daß sie uns nicht hätte unbequem und selbst gefährlich über den Leib kommen sollen. Es fielen freilich auch Güsse vom Himmel, daß mich Fränzchen mit Tränen befragte, ob dies eine Sintflut geben würde, und ich gar nicht absehen konnte, wie wir uns gegen die Nässe auf die Dauer zu schützen vermochten.

Das erste, was uns außerordentlich belästigte, war die Notwendigkeit, mit größter Schleunigkeit von unserm lustigen Baumquartier hinab in das Erdgeschoß zwischen die Baumwurzeln unter das Rohrdach zu ziehen; denn in der Höhe war es schon wegen des durchdringenden Windes und bald wegen des Regens selbst unmöglich mehr auszuhalten, und wir mußten alles hinunterschleppen, was irgend von der Feuchtigkeit bedeutend verdorben werden konnte. Aber nun wurden die Gemächer auf ebenem Boden so vollgepfropft von allerlei Hausrat, Betten und lebendigen Geschöpfen, daß man sich beinahe nicht rühren konnte. Obendrein war der Geruch des benachbarten Viehes, sein Geschrei, der Rauch, wenn wir Feuer anmachten, schier unerträglich. Doch ward all diesem Übelstand nach und nach ein wenig gesteuert, und wir erhielten durch ein engeres Zusammendrängen der Haustiere und durch Aufschichten von mancherlei Gerätschaften auf unserer Wendeltreppe nach einigen Tagen doch so viel Raum, daß wir arbeiten und uns des Nachts mit Bequemlichkeit strecken und ausruhen konnten. Das Kochen verschoben wir allemal, solange es nur möglich war, und ersparten uns die Qual der Räucherung, selbst auf Unkosten unsrer Leckerhaftigkeit, mit großem Vergnügen. Im übrigen fehlte uns fast gänzlich das nötige trockene Holz, und wir dankten dem Himmel, daß die Witterung nicht sonderlich kalt ward; denn sonst hätten wir uns nicht mehr zu helfen gewußt.

Schlimm war besonders der Umstand, daß wir für unser sämtliches Vieh bei weitem nicht genug Heu oder Laub gesammelt hatten und doch nicht imstande waren, den Abgang mit Kartoffeln oder Eicheln oder ähnlichen Vorräten auszugleichen; denn nun sahen wir uns in der Notwendigkeit, die meisten unserer Tiere, selbst mitten im Regen, aus den Ställen zu treiben, um sie ihr Futter sich selbst suchen zu lassen.

Um nun täglich das ausgetriebene Volk, wenn es Abend ward, wieder heimzuholen, mußte bald Fritz, bald ich mich entschließen, in den Regen zu gehen, um fast jedesmal bis auf die Haut durchnäßt und von Kälte halb erstarrt wieder zurückzukommen. Dies veranlaßte die Mutter, an ein Gewand zu denken, das uns bei solchen Ausflügen ausgiebig vor dem Regen zu beschützen vermöchte.

Es ward demnach ein gutes Matrosenhemd aus einer Kiste genommen und mit einer tuchenen Kapuze versehen, die sich bequem über den Kopf ziehen ließ und einen vortrefflichen Schutz gewährte. – Das Ganze tränkten wir mit Federharz, wovon uns ein Vorrat von der Stiefelmacherei übriggeblieben war, und so erhielten wir eine Art von Panzer, der, undurchdringlich für das Wasser, uns außerordentliche Dienste leistete. Nun konnten wir, trotz aller nassen Witterung, ohne Gefahr für unsere Kleidung und selbst für unsere Gesundheit ins Freie gehen und dort die erforderliche Arbeit tun.

Im übrigen suchten wir uns den Aufenthalt in unserem Winterquartier auf alle mögliche Weise nützlich und kurzweilig zu machen. Ich entschloß mich, zum Zeitvertreib die Geschichte unseres Lebens in diesem fremden Lande ausführlich niederzuschreiben und teils zur Belehrung, teils zum Vergnügen ein bleibendes Denkmal davon aufzustellen. Die Mutter und die Knaben waren mir auch gern bei diesem Geschäfte behilflich, und durch die vereinigten Beiträge aller kam die Schilderung der vergangenen Monate so getreu zustande, als sich nur wünschen ließ.

Die letzte und wohl die nützlichste meiner Winterarbeiten war die Vollendung einer Hanfbreche und zweier Hecheln, von denen die eine grob, die andere fein gemacht ward. Ich nahm dazu lange Nägel, die rund gefeilt und gleichmäßig zugespitzt wurden. Diese schlug ich in gehöriger Dichtigkeit nebeneinander durch ein großes Eisenblech, so daß ringsherum von dem Blech, fast anderthalb Zoll breit, ein undurchbrochener Rand übrigblieb, der dann auf allen Seiten rings um die Nägel her emporgekrümmt gleichsam eine niedrige Schachtel bildete. Hierauf wurde Blei zerschmolzen, die Vertiefung bis an das oberste Bord damit ausgegossen und so den emporgerichteten Nägeln, die noch gut vier Zoll lang frei standen, eine feste Haltung gegeben, damit sie beim Hecheln den gehörigen Widerstand leisten und doch in die Hanfbüschel hinreichend eingreifen könnten. Zuletzt lötete ich an das Blech ein paar Öhrchen, um es vermittelst derselben je nach Bedürfnis auf eine Unterlage festzuschrauben oder festzunageln; und so ward die ganze Maschine von einer Brauchbarkeit und Dauerhaftigkeit, daß die Mutter vor Begier brannte, sie sogleich erproben zu können, und mit unablässigen Seufzern die bessere Jahreszeit herbeiwünschte, wo es wieder möglich wäre, im Freien ein Feuer zu machen, den Flachs, der von neuem feucht geworden war, in die Darre zu bringen und endlich mit Brechen und Hecheln einen durchgreifenden Versuch anzustellen, der ihrem hausmütterlichen Herzen zum Trost und zur Lust gereichen sollte.


 << zurück weiter >>