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Sechstes Kapitel

Die Schildkröte als Fuhrmann. Ein Kampf mit einer Riesenschlange. Der Esel bringt Rettung und kommt um. Eine weitere Höhle wird gefunden. Von Rohrdommeln, Kabiais und Peccaris.

Lachend und wohlzufrieden begrüßten wir eines Morgens den warmen Sonnenschein, und weil alles so guter Laune war, wurde auch der Vorschlag der Mutter, auf dem kleinen Inselchen eine neue Ansiedlung zu gründen, die vor Zerstörung durch Affen und anderes Raubgesindel behütet sein würde, jubelnd aufgenommen; die Knaben wollten nur gleich in unser Schiff springen, um Hand ans Werk zu legen; ich aber sah für diesen Tag rund um unser Felsenheim noch Arbeit genug und hielt daher noch zurück.

Dafür versprach ich auf den folgenden Tag eine Fahrt nach dem Vorgebirge der getäuschten Hoffnung und der kleinen Kolonie von Hohentwiel, um den Zustand der Anlage und der daselbst gelassenen Tiere wieder in Augenschein zu nehmen.

Mein Vorschlag wurde mit höchstem Beifall aufgenommen, man rüstete Waffen, Kleidungsstücke, Lebensmittel und begab sich früh zu Bette, um am folgenden Tage desto zeitiger aufbrechen zu können.

Wirklich war alles schon früh des andern Morgens auf den Beinen, und man bestellte das Haus, um einen ganzen Tag davon wegzubleiben.

Munter fuhren wir von Felsenheim ab, und ich steuerte das Schifflein gleich in die Strömung des Schakalbaches, die uns bald von der Rettungsbucht hinweg in die ruhige See trug; bald lag uns die Haifischinsel im Rücken, und meine brave Mannschaft arbeitete trotz der schweren Ladung so gut, daß wir in kurzer Zeit Hohentwiel vor uns erblickten.

Ich steuerte immer einige hundert Schritte am Strande hin, um nicht so leicht eine Untiefe befürchten zu müssen; wir genossen daher eine um so freiere Ansicht der Küste, die durch die hochragenden Feigenbäume von Falkenhorst und den Süßeichelwald ungemein viel Malerisches erhielt. Im ganzen Hintergrunde der Landschaft entfaltete sich eine Terrasse oder ein Hochland, das, mit dem üppigsten Wachstum bekleidet, selbst unser halbes Paradies am Fuße der Felswand zu übertreffen schien; links in unserer Nähe lag das Walfischinselchen, das mit seinem herrlichen Grün die Einförmigkeit des majestätischen, aber auch furchtbaren und dunkelfarbigen Ozeans unterbrach. Wir freuten uns sehr, zu bemerken, daß dieses Inselchen auf seiner obern Seite gegen Hohentwiel zu schon etwas Gebüsch und Baumwuchs enthielt, wovon wir bei den frühern Landungen wegen des bedeutenden Hauptfelsens nichts wahrgenommen hatten.

Auf der Höhe des Affen- oder Kokoswaldes angekommen, steuerte ich rechts und legte mit dem Schifflein an, um frische Kokosnüsse einzusammeln. Hahnengekrähe und Hühnergegacker empfing uns beim Aussteigen; das waren unsere Ansiedler von Waldegg. Diese Täuschung versetzte mich plötzlich in die liebe Heimat, wo mir bei Tag und Nacht auf Spaziergängen oder auf Reisen so häufig der Hahnenruf freundlich einladend die noch ungesehenen Menschenwohnungen verriet; um indessen besonders der Mutter ein allzu wehmütiges Gefühl zu ersparen, hütete ich mich wohl, meine Empfindungen laut werden zu lassen.

Wir trugen unsere gesammelten Nüsse ins Boot und steuerten nun gerade auf Hohentwiel, wo ich in einer kleinen Bucht landete, in deren Nähe ich eine Menge von schwarzen Manglebäumen wußte. Gerade diese gedeihen besonders leicht am Meeresstrande und dienen dem bessern Lande zum Schutze gegen das Unterfressen und Wegspülen durch die anschlagenden Meereswellen. Ihre Rinde liefert überdies einen sehr brauchbaren Gerbstoff. Bald waren einige Dutzend solcher Setzlinge ausgelesen, samt der Wurzel in kleine, mit feuchten Blättern umwundene Bündel geschnürt, und wir kletterten dann von unserm Landungsplatz den etwas steilen Abhang von Hohentwiel hinauf. Alles war oben in guter Ordnung, nur fanden wir Schafe, Ziegen und Hühner in der Nähe scheuer, als wir zufolge der fern vernommenen Einladung erwartet hatten; übrigens war die Zahl der Tiere bedeutend vermehrt, und es gab da Lämmchen, Zicklein, Kücken in verschiedener Größe und in erfreulicher Menge. Die Jungen bezeugten auch alsbald Lust nach frischen Eiern und nach Milch; aber, wenn auch der erstern sich im Gras eine hinlängliche Anzahl aufheben ließ, so waren hingegen die Mutterziegen der allzu großen Scheuheit wegen nicht mehr zum Stehen zu bringen. Meine Jungen wußten sich jedoch bald zu helfen, indem sie ihre Kugelriemen hervorholten, und bald lag da und dort eine Ziege mit verstrickten Hinterbeinen auf der Erde; sogleich war das junge Volk bei der Hand, gab den Tieren etwas Salz zu lecken und brachte uns zwei Kokosschalen voll frisch gemolkener, recht würziger Milch, wovon die eine sogleich zum Mittagsmahl bestimmt, die andere in eine langhalsige Kürbisflasche geleert und zum Mitnehmen nach Hause verwahrt wurde.

Den Hühnern warf sodann die Mutter etwas Reis und Hafer zu, bis es gelang, auch von diesen einiger Stücke habhaft zu werden, die ebenfalls für den Heimweg mit zusammengebundenen Füßen hingelegt wurden.

Während die Mutter mit dem Einpacken unserer Vorräte beschäftigt war, eilte ich, noch mit Fritz ein paar Bund Zuckerrohre zu holen, die ich ebenfalls auf der Walfischinsel anzupflanzen wünschte.

Mit vieler Beute beladen stießen wir endlich vom Ufer, und ich versuchte, um das Vorgebirge der getäuschten Hoffnung herumzufahren, damit wir uns ein wenig in der großen Bucht und besonders an ihrem jenseitigen Ufer umsehen könnten. Aber das Vorgebirge rechtfertigte noch einmal seinen Namen; denn wir hatten uns umsonst gefreut, es diesmal umsegeln zu können, da eine Sandbank weit in das Meer hinauslief, die zu seicht und zu breit war, um bei niedrigem Wasserstande, der eben eingetreten war, hinüber zu gelangen; überdies endigte sie an verborgenen Klippen und Riffen, wo man eine ziemliche Brandung bemerkte und wo ich auf keinen Fall mein ganzes Hausvolk der Gefahr des Scheiterns hätte aussetzen mögen.

Ein ziemlich frischer und günstiger Wind, der sich vom Lande her erhob und unsre Segel blähte, brachte uns nun um so schneller nach dem Walfischinselchen zurück.

Viel schneller als auf der Hinfahrt war es erreicht, und ich ging sogleich ans Werk, die mitgebrachten jungen Bäumchen noch möglichst frisch in die Erde zu bringen; den Knaben aber, auf deren Hilfe ich gerechnet hatte, schien die Arbeit etwas langweilig zu werden; denn bald entfernte sich ein Schlingel nach dem andern, um auf neue Muscheln und Korallen auszugehen, so daß die Mutter und ich die Ausladung des Bootes allein vollenden mußten.

Nicht lange jedoch, so erschien Fritz wieder in der Nähe und rief plötzlich aus Leibeskräften: »Vater, Vater! eine ganz ungeheure Schildkröte! – Komm doch, komm! schon watschelt sie wieder nach dem Meere zu, und wir sind viel zu schwach, sie auf den Rücken zu wenden!«

Dieser Aufruf fand Anklang bei mir; ich eilte ihm daher mit zwei Ruderstangen schnell zu Hilfe und erblickte bald die ungemein große Schildkröte, die nach dem Wasser zu krabbelte und nur noch ein Dutzend Schritte davon war, obgleich Ernst sie bei einem Fuß gepackt hatte. Schnell gab ich Fritzen ein Ruder in die Hand; wir sprangen in ein paar Sätzen von der Anhöhe hinunter und begannen stracks unsere Ruder als Hebebäume anzuwenden, um die Schildkröte auf den Rücken zu werfen. Nicht ohne bedeutende Anstrengungen gelang es uns, das Tier zu überwälzen, das ich für die sogenannte Riesenschildkröte hielt, die bei einer Länge von fünf Fuß wohl drei bis vier Zentner wiegen mochte.

Das Tier war für uns bei seinem Unvermögen, sich umzuwenden, hinlänglich gesichert, so daß wir wieder an unsere Arbeit gehen durften.

Wir verfügten uns jetzt nach unsrer neuen Baumpflanzung, wo wir uns mit den Zurüstungen zum Einsetzen unserer Schößlinge beschäftigten, jedoch voraussahen, noch ein paar Tage hierher zurückkehren zu müssen.

Erst gegen Abend machte ich Anstalten, heimzusegeln, und wir führten unser Schiffchen zu dem Platze, wo die große Schildkröte noch immer auf dem Rücken lag, die ich jedenfalls nicht zurücklassen wollte, aber freilich über die Art, sie mitzuführen, lange unschlüssig blieb.

»Bah!« rief ich endlich, »der Bursche kann ja selbst nach Zeltheim hinüberschwimmen, er versteht das Rudern noch besser als wir!«

Hiermit sprang ich nach unserm Schifflein, leerte zu dem Zwecke unsere mitgenommene Wassertonne, spundete sie genau wieder zu, schlang ein starkes Seil darum, band das eine Ende dieses Seils an das Vorderteil unseres Schiffes und schlang das andere mit gehöriger Sorgfalt bei dem Hals und den Vorderbeinen um unsere große Amphibie; dann wälzten wir mit vereinter Kraft das Gewaltstier wieder auf die Füße, das sogleich dem Wasser zuzuwatscheln begann, worauf ich ihm schnell die Wassertonne nachschob, bis sie flott wurde, und geschwind mit den Knaben und der Frau in die Schaluppe sprang.

Ich nahm hier meinen Platz im Vorderteil und hielt mein Handbeil in Bereitschaft, um bei der geringsten Gefahr das Seil zu kappen; allein die geleerte Tonne schien die Schildkröte am Untertauchen zu verhindern, und so ruderte sie mit Emsigkeit vorwärts, indem sie zugleich das Schifflein hinter sich nachbugsierte. Die Jungen schrien vor Freude, und Ernst verglich lachend unser neues Fuhrwerk mit dem Wagen Neptuns, von Delphinen gezogen. Ich hatte aber jetzt mit gutem Bedacht den langen Bootshaken ergriffen und regierte damit den Lauf der Schildkröte nach der Rettungsbucht, indem ich bald rechts, bald links neben ihr in das Wasser platschte, wenn sie von unserer Richtung abirren wollte.

Wir landeten glücklich bei Felsenheim an der gewohnten Stelle, und nachdem wir die Schildkröte von der Wassertonne befreit hatten, wurde sie mit einigen starken Stricken festgebunden.

Gleich am folgenden Morgen jedoch wurde ihr der Garaus gemacht, da ich mich nicht getraute, sie mit Sicherheit lange zu erhalten, und weil ich ihre Schale, die wohl fünf Fuß lang und drei Fuß breit war, zu einem Brunnentrog vor unserer Felsenwohnung benutzen wollte. Ich ließ sie vorläufig reinigen und zum Trocknen an die Sonne stellen, was nicht ohne Mühe vor sich ging, das Fleisch aber, das wir als sehr schmackhaft kannten, wurde eingesalzen und sorgfältig aufbewahrt, da es uns auch manche kräftige Suppe liefern sollte.

Ich hatte mir zwar vorgenommen, bald nach der Regenzeit ein Stück Land zu einem ordentlichen Acker zu bearbeiten und mit unsern verschiedenen Getreidearten zu besäen, damit doch in Zukunft unsere Ernte zu einer bestimmt abzumessenden Zeit reif würde; allein teils hatten mich die mannigfaltigen unerwarteten Zwischenverrichtungen, die mir zugefallen waren, daran verhindert, teils war auch mein Zugvieh noch nicht unter das Joch gewöhnt, um damit ein Saatfeld gehörig bearbeiten zu können. Ich verschob daher die Feldarbeit auf einen spätern Zeitpunkt, ging hingegen ernstlich an den Bau des längst versprochenen Webstuhls für die Mutter. Mein Werk fiel brauchbar genug, aber keineswegs fein oder zierlich aus, und es kam mir trefflich zustatten, in frühern Jugendjahren in den Werkstätten der Weber sowie vieler anderer Handwerker mich öfters sorgfältig umgesehen zu haben.

Der gute Erfolg meiner Handarbeiten ermutigte mich, einer weitern glorreichen Krone des häuslichen Verdienstes nachzustreben. Ich gab nämlich den oft vorgebrachten Bitten meiner Jungen Gehör, ihnen einmal Sättel und Reitzeug zu verfertigen, und da ich schon früher nebst zwei Jochen auch die erforderlichen Sattelhölzer wenigstens im groben ausgeschnitten hatte, fiel mir die Vollendung der Arbeit um so leichter. Hier mußten denn einige Felle das Beste tun und den Überzug liefern, während ich zum Ausstopfen der Sitze langes Bartmoos vollkommen dienlich fand. Ich flocht zuerst ein paar lange und dichte Zöpfe daraus, wand sie um einzelne Stäbe und zog sie dann im Wasser mit etwas Asche und Fischtran gehörig ab, um zu verhindern, daß das Moos bei fortwährendem Trocknen allzu spröde würde und bald durch das Holpern und Rütteln der Reiter in mürben Staub zerfiele. Die seifenartige Lauge entsprach meinem Zwecke vollkommen, denn das Moos zeigte sich, nachdem es wieder getrocknet worden war, kraus und elastisch genug, um das uns mangelnde Roßhaar vollkommen zu ersetzen. Ich stopfte nicht nur die Sättel, sondern auch einige Bastkissen und Jochpolster tüchtig damit aus, und die Mutter verrichtete mit Freuden die vielfach nötige, starke Näherei, wobei ihr die Knaben als Lehrjungen fleißig zur Hand gingen. Es wurde dann noch eine Menge Riemenwerk, wie Bauchgurte, Schwanzriemen, Steigbügel-, Joch- und Zugriemen für unser Zugvieh verfertigt, wobei ich mich in meiner Unerfahrenheit kurzweg entschließen mußte, von Zeit zu Zeit, gleich einem Schneider, das Maß an unsern Tieren selbst zu nehmen.

Während dieser Arbeiten hatten mich die Knaben oftmals gebeten, mit ihnen wieder einmal einen Jagdausflug zu Lande zu machen; ich wollte aber vorher noch einen rechten Versuch unternehmen in der löblichen Korbmacherkunst, da besonders die Mutter bei unserer häufigen Abwesenheit an den Körben zum Einsammeln, Heimtragen, Sortieren und Aufbewahren von Sämereien, Früchten und Wurzeln öfters Mangel litt. Wir sammelten daher einen tüchtigen Vorrat gemeiner Weidenruten, da ich zu unsern Proben die schönen vorgearbeiteten Rohrstreifen Jacks noch keineswegs in Anspruch nehmen wollte; eine Vorsicht, die mich um so weniger reute, da unsere ersten Erzeugnisse ganz unbrauchbar und geschmacklos ausfielen; bald gelangen uns jedoch ein paar große Pack- oder Vorratskörbe für die bevorstehende Getreideernte gar nicht übel, wenn sie auch nicht viel besser als Schanzkörbe aussahen; sie waren oberhalb mit einem starken Rande und auf jeder Seite mit einem ebenso starken, fest eingeflochtenen Handgriff versehen, um eine Stange durchzustoßen, wodurch der Korb mit Bequemlichkeit fortgeschafft werden konnte.

Kaum war das erste Gerät dieser Art unter Schwitzen und Seufzen zustande gekommen, als die Jungen darüber herfielen, um sich damit zu belustigen. Zwei Bambusrohre wurden durch die Handhaben gestoßen, Fränzchen in den Korb gestellt, den nun Jack und Ernst im Triumphe herumtrugen.

»Ei, Vater!« rief endlich Fritz, »wir sollten auf diese Art eine Sänfte von Flechtwerk machen für die liebe Mutter, worin sie uns bequemer als auf unserm Karren oder dem Esel bei unsern Ausflügen begleiten könnte.«

Der Vorschlag wurde von den andern mit Jubel aufgenommen, und auch die Mutter lachte dazu, meinte nur, es würde ihr aber verwunderlich vorkommen, da so wie ein armes Bündel drinzuhocken und mit der Nase mühselig über den Rand zu gucken.

Ich beruhigte sie darüber, indem ich ihr versprach, der Sänfte eine zweckmäßige Form zu geben; nun war aber die Frage, wie diese mitsamt ihrem Inhalt in Bewegung gebracht werden solle; denn sie, gleich den Sklaven in Ostindien, auf den Schultern zu tragen, dazu verspürten die Jungen keine besondere Lust; auch wären sie wohl viel zu schwach gewesen, um sie nur eine kleine Strecke weit zu bringen. Da kam Jack auf den Einfall, seinen Sturm und Fränzchens Brummer dazu zu benutzen, und hielt sogleich bei mir an, eine Probe machen zu dürfen. »Gewiß«, sagte ich, »versucht's nur. Ich war selber neugierig, zu sehen, wie sie wohl mit dieser noch unvorbereiteten Sache zustande kommen würden.«

Sogleich wurden Sturm und Brummer in Beschlag genommen, um die nötige Ausrüstung zu erhalten. Natürlich mußten nun vor allen Dingen die neuen Sättel den Tieren angelegt werden, obgleich sie an diese noch gar nicht recht gewöhnt waren. Es ging aber ganz gut damit, und als die Gurten fest genug angezogen waren, wurden aus den Bügelriemen flink ein paar Schleifen gemacht, um die Tragstangen des Korbes hineinzulegen; diese banden sie mit ein paar tüchtigen Schnüren in dem Gehänge fest, damit sie nicht ausglitten, wenn die Tiere sich zu rasch oder ungleich bewegten.

Dies alles ging ungestört vor sich, weil Jack seinen Sturm sowie Fränzchen den Brummer abgerichtet hatten, sich auf Befehl ganz ruhig niederzulassen und ohne neuen Befehl nicht wieder aufzustehen.

Jetzt schwang sich Jack auf den Büffel, Fränzchen auf das Rind, und Ernst stieg mit etwas unbeholfener Gemächlichkeit in den Korb, der einstweilen noch ruhig zwischen den Tragstangen auf der Erde stand. Hierauf kommandierten die beiden Reiter ein freudiges: Auf! und die zwei Palankinträger, noch immer ein wenig verlegen in der neu übernommenen Rolle, richteten sich sehr bedächtig auf und schritten ganz langsam vorwärts. Es war in der Tat ein herrliches Fuhrwerk, diese Sänfte; sie hing fest und schaukelte so angenehm wie eine Kutsche auf elastischen Stahlfedern.

Nicht lange aber, so schien die Fahrt den zwei Reitern etwas langweilig, und sie trieben ihre Tiere vom Schritt zum muntern Trabe. Das gefiel denn selbst dem gefahrscheuen Ernst, er rief den Brüdern Beifall zu, biß mitunter ein wenig die Zähne aufeinander, wenn es einen stärkern Stoß gab, und sperrte sich mit beiden Händen und Armen an den Seiten des Tragkorbes so fest als möglich; so lief der Handel denn noch recht glimpflich ab.

Ich selbst war mit der Mutter und Fritz unter unserer Laube mit dem Flechten eines neuen Korbes beschäftigt, als sich Fritz plötzlich erhob, einige Schritte vorwärts trat und scharf nach dem Baumgang, den wir von der Brücke des Schakalbaches aus gegen Falkenhorst hin angelegt hatten, hinblickte.

»Was in aller Welt«, rief er aus, »sehe ich dort in der Ferne, das sich so wunderbar bewegt? Es scheint uns immer näher zu kommen, und indem es sich regt, fliegen Staubwolken ringsumher auf!«

»Ich kann mir wahrhaftig nicht vorstellen, was das sein könnte«, erwiderte ich, »denn unsere großen Tiere sind ja sämtlich zur Sänftenprobe hier angelangt und befinden sich ruhig im Stalle.«

»Da ist gewiß etwas ganz Besonderes los!« entgegnete Fritz. »Bald kommt es mir vor wie ein großes Ankertau, das in Ringeln über den Boden gezogen wird, bald wie ein kleiner Mastbaum, der sich von selbst aus dem Staub erhebt; auch scheint das Ding uns immer näher zu rücken, wenn es sich in Ringeln auf dem Boden zusammenzieht, und stillzustehen, wenn es sich in die Höhe bäumt.«

Die Mutter erschrak sehr ob dieser Beschreibung und eilte in unsere Wohnung zurück, wohin ich auch die Knaben rief, unsere Waffen bereitzuhalten; ich selbst holte schnell mein Taschenfernrohr, um aus der Sache klug zu werden, und während Fritz bei mir blieb, mußten die übrigen Knaben auf den Estrich steigen und bei den obern Fensteröffnungen bewaffnet auf der Lauer stehen.

»Was glaubst du, Vater, daß es sein könnte?« fragte mich Fritz mit ängstlicher Stimme.

»Ich vermute, daß es eine ungeheure Schlange ist«, sagte ich; »oder vielmehr, ich sehe es schon deutlich genug. – Das wird einen harten Stand geben.«

»Dann will ich aber nicht der letzte zum Kampfe sein!« rief der mutige Junge aus, »gleich hole ich unsere tüchtigsten paar Flinten und ein paar Äxte herbei.«

»Sei nur vorsichtig, mein Junge!« bedeutete ich ihm. »Diese Art von Tieren hat ein sehr zähes Leben und eine fürchterliche Kraft. Gehe vielmehr hinauf zu den andern und setze mein größtes Gewehr in Bereitschaft! Ich komme sogleich nach, und dann wollen wir gemeinsam das Nötige vorkehren.«

Fritz verließ mich ungern; ich fuhr inzwischen fort, nach dem scheußlichen Lindwurm zu spähen. Ganz unverkennbar war es eine Riesenschlange, die sich heranwälzte und mir schon viel zu nahe schien, als daß ich es für ratsam gehalten hätte, noch einen Versuch zu machen, durch Abwerfung unserer Brücke ihr den Zugang zu unserm Wohnplatze zu verwehren. Sie schien geradezu auf diese loszukommen; nur daß sie von Zeit zu Zeit ihren Vorderleib wohl acht bis zehn Fuß hoch in die Höhe streckte, den Kopf mit spähender Langsamkeit umherdrehte und mit der Zunge lebhaft züngelte, als wenn sie mißtrauisch den Ort auskundschaften müsse oder nach Beute spähe.

Jetzt hatte ich genug beobachtet, und in dem Augenblicke, als das Scheusal sich über unsere Brücke daherwälzte, nahm ich schnell meinen Rückzug. Hastig sprang ich die Treppe hinan, wo mein junges Volk in kriegerischer Bereitschaft wie eine Burgbesatzung hinter den Zinnen der Mauern stand, aber nicht eben sonderliche Streitlust und Herzhaftigkeit verriet, bis meine Gegenwart das gesunkene Selbstvertrauen wieder belebte; Fritz reichte mir mein Gewehr; wir nahmen mit pochendem Herzen hinter den schon vergitterten Fensteröffnungen Platz, wo wir hinreichend ins Freie sehen und doch nicht leicht bemerkt werden konnten.

Schon hatte das Untier die Brücke hinter sich und schien von neuem stutzig zu werden, gleich als ob es zum erstenmal mit Verwunderung die Spur einer menschlichen Nachbarschaft wahrnähme; abwechselnd fuhr es fort, sich zu bäumen und wieder in großen Ringeln sich über die Erde fortzuschieben, und, sei es durch Zufall, sei es durch ein gewisses Gefühl von der Unheimlichkeit des Ortes, der Wurm hielt sich ziemlich in der Mitte des Platzes vor unserer Höhle und schien ihn auf etwa hundert Schritte kreuzen zu wollen, als plötzlich Ernst, vielleicht mehr aus geheimer Angst als aus besonderer Jagdlust, seinen Schuß abbrennen ließ; sofort feuerten auch Jack und Fränzchen, und zu meinem Erstaunen drückte selbst die Mutter ihr Gewehr los, die sich bei dieser Gefahr mit dem Mut einer Amazone gerüstet hatte, um tapfer an der Seite der Ihrigen zu kämpfen.

Das vierfache Gepuff indessen fruchtete weiter nichts, als daß das Ungetüm, ein wenig erschrocken, seine Bewegungen auf unbegreifliche Weise beschleunigte. Es schien übrigens unverletzt, und auch die Schüsse von mir und Fritz, die wir dem Untier nachsandten, mußten gefehlt haben oder zu schwach gewesen sein, da sich die Schlange im Nu zwischen dem üppigen Rohrwuchs im Entensumpf links von unserm Wohnplatze verlor.

Ein allgemeines Ah! machte unsern Herzen wieder Luft, und von jedem schien eine Zentnerlast zu fallen; auch die Sprache kam uns allen wieder, und zunächst wollte jeder wohl gezielt, jeder mit vollem Bedachte geschossen haben; dessenungeachtet schien die Schlange durch keinen Schuß verwundet zu sein. Alle waren einstimmig in ihrer Verwunderung über die Scheußlichkeit und Größe des Lindwurmes, der bei einem Durchmesser von einem Fuß in der Mitte wohl dreißig in der Länge haben mochte; über Farbe, Augen und Maul des Tieres walteten die ungleichsten Meinungen, und der Leichtsinn der Jugend verbreitete sich bald in sorglosem, mannigfaltigem Geschwätz über diese Dinge, während ich selbst über unsere Fehlschüsse und die gefährliche Nachbarschaft eines solchen Ungetüms in der bittersten Verlegenheit war; ich hielt daher einstweilen für ratsam, ein allgemeines Verbot auszusprechen, an diesem Abend überhaupt die Wohnung zu verlassen und in den nächsten Tagen irgendwohin zu gehen ohne meine ausdrückliche Erlaubnis.

Drei lange, angstvolle Tage hindurch hielt uns die Furcht vor dem schrecklichen Nachbarn in dem Entensumpfe gleichsam belagert, indem ich streng auf mein Verbot hielt, unsere Felsenburg zu verlassen, und selbst für mich und die Mutter bloß in den dringendsten Obliegenheiten, und auch da nur für die Entfernung von wenigen hundert Schritten, eine Ausnahme machte.

Der Feind gab indessen von seiner Anwesenheit nicht das mindeste Zeichen, und leicht hätte man vermuten können, er habe sich jenseits auf der andern Seite des Entensumpfes durch irgendeine Felsenspalte davongemacht, wenn wir nicht an unsern halbwilden Gänsen und Enten, die sich in jenem Sumpfe angesiedelt hatten, eine stete Unruhe bemerkt hätten. Alle Abende nämlich, wenn sie von ihren Streifzügen im Meere oder an der benachbarten Küste zurückkamen, umschwebten sie lange, in mäßiger Höhe fliegend, ihren alten Wohnplatz in dem Röhricht, bezeugten durch hastigen Flügelschlag und wirres Geschrei eine ganz ungewohnte, ängstliche Unruhe und flogen dann, wiewohl mit anscheinender Zögerung, über die ganze Rettungsbucht hinüber auf die vorliegende Haifischinsel, wo sie nun ihr Nachtquartier hielten.

Meine Verlegenheit stieg von Tag zu Tag. Der im Verborgenen lauernde Feind zwischen dichtem Rohrgebüsch auf unzugänglichem Sumpfboden war mit keinem einzigen unserer Angriffsmittel so sicher zu überwältigen, daß ich für uns und unsere Tiere die Gefahr hätte laufen mögen; auf der andern Seite aber war es auch qualvoll und für alle unsere Geschäfte außerordentlich störend, in steter Bangigkeit, gleichsam abgeschnitten von allen Plätzen und Gegenständen unserer Tätigkeit, nur zu beschränkten häuslichen Verrichtungen verurteilt zu sein.

Aus dieser peinlichen Lage rettete uns endlich, als die Not eben anfing am größten zu werden, unser altes Eselchen, der einfältige Gräuel, und zwar nur durch einen dummen Übermut, der ihn sogar all des Verdienstes beraubte, das sich bekanntlich die einfältigen, aber wachsamen Gänse des Kapitols in der römischen Geschichte erworben haben.

Das wenige vorrätige Heu nämlich, das wir in unserer Höhle seit der Regenzeit noch übrig hatten, war am Abend des dritten Tages von unsern Haustieren aufgezehrt; wir mußten daher auf ihren fernern Unterhalt bedacht sein, wenn sie nicht am Ende auch unsere eigenen Vorräte, zu großem Nachteil unseres Haushalts, verschlingen sollten.

Zu diesem Zwecke entschloß ich mich, das Vieh ins Freie zu schaffen, damit es selbst sich seinen Bedarf aufsuche; um jedoch die lauernde Schlange weder auf uns noch unsere Tiere so leicht aufmerksam zu machen, sollten diese nicht über die Brücke, sondern ganz oben am Quell des Schakalbaches denselben durchwatend überschreiten, weil man von der Seite des Gänsesumpfes diesen Punkt nicht wahrnehmen konnte und also ein Nachfolgen der Schlange dort weniger zu befürchten war. Bald nach dem Frühstück, am vierten Vormittag unserer Belagerung, banden wir daher unser Hausvieh immer eins an den Schwanz oder an den Hinterfuß des andern, und Fritz, der von den Jungen am meisten Mut und Geistesgegenwart besaß, sollte auf seinem Leichtfuß das vorderste Tier mit Bedacht an der Halfter führen, da zu erwarten stand, daß dann die ganze Reihe geduldig nachtraben würde; Fritz aber hatte den Befehl, wenn zufällig dennoch der scheußliche Lindwurm sich aufmachen und sich seinem Zug im mindesten nähern würde, auf dem Wildling tapfer reißaus zu nehmen und allenfalls nach Falkenhorst zu flüchten.

Die übrigen Knaben samt der Mutter wurden wie das erste Mal nach unserm Söller auf die Lauer beordert, wo sie angewiesen waren, durch die Gitter zu schießen und womöglich die Riesenschlange zurückzuschrecken, wenn sie über den offenen Platz von Felsenheim aus ihrem sumpfigen Versteck nach dem Schakalbach kriechen und das Vieh bedrohen sollte.

Ich endlich bestimmte mir meinen Standpunkt an einer vorspringenden Ecke der Fluh, wo ich ungesehen den Überblick auf den Gänsesumpf hatte und wo ich mich bei annähernder Gefahr doch schnell genug zurückziehen konnte, um bei dem allgemeinen Kettenfeuer aus unserer Höhlenwohnung das Beste zu tun, da ich hoffte, daß diesmal unsere Schüsse bessern Erfolg haben würden.

Zu dem Zweck ließ ich die Jungen unser Schießgewehr insgesamt mit Kugeln laden und half dann unser Vieh auf die verabredete Art aneinanderknüpfen. Die schöne dreitägige Ruhe im Stall und das bessere, sehr regelmäßige Futter hatten aber unsern alten Grauschimmel zu ungewohnten Kräften und sogar zu tückischen Launen gebracht, so daß er jetzt mit plötzlichem Mutwillen sich von seiner Halfter losriß und mit ein paar klotzigen Sätzen aus der offenen Pforte sprang, die die Mutter etwas zu früh geöffnet hatte; der dumme Gesell machte hier so wunderliche Sprünge, daß wir laut auflachen mußten. Fritz, der schon auf dem Wildling saß, wollte den Ausreißer zur Ordnung rufen, brachte aber durch den kühnen Satz, mit dem er aus dem Tor jagte, das übrige Vieh in Unruhe; ehe wir uns dessen versahen, hatten sich auch einige Ziegenlämmer munter aus dem Staube gemacht und schossen in lustigen Sprüngen ihrem eselhaften Leithammel nach, der geradewegs nach dem Gänsesumpf hinunterstolperte. Ich packte Fritz, der hinterher wollte, mit festem Griff am Arm. »Hier geblieben!« schrie ich ihn erschrocken an. »Wo denkst du hin?«

»Seht doch! Seht doch!« rief in diesem Augenblicke Jack.

Im Röhricht regte sich's, hob sich's. Ein fröstelnder Schauder rann uns über den Leib. Da – da stieg sie auch schon kerzengerade in die Höhe. Die funkelnden Augen starrten auf die freiwillig nahende Beute. Die gespaltene, spitze Zunge ging lüstern ein und aus, hin und her. Entsetzt blieb der Esel samt seiner mutwilligen Gefolgschaft wie angewurzelt stehen. Im nächsten Augenblick schoß die Schlange blitzschnell nach vorn, packte eines der Lämmchen, umschlang, umschnürte es, preßte es zusammen. Das arme Tierchen zappelte in den schauerlichen Banden. Schreiend stoben die andern drei Zicklein davon. Der Esel tat einen mächtigen Satz, überschlug sich und stürzte im Schwunge rücklings in den Sumpf.

»Himmel!« rief Jack halblaut, »er ersäuft, und wir können ihm nicht helfen!« Dieser Stoßseufzer löste die eisige Spannung in unserer dicht zusammengedrängten Gruppe. »Vater«, flüsterten die Jungen eifrig, »wir wollen näher, wir wollen schießen! Am Ende können wir das arme Lämmchen noch retten.«

Ich beschwichtigte die Angriffslustigen. »Laßt, Kinder, wir gewinnen nichts damit und setzen uns nur der schrecklichsten Gefahr aus. Wer bürgt uns für die Folgen, wenn wir die gefährliche Bestie mit einem verfehlten Schuß am Ende wütend machen? Das tödlich umstrickte Tierchen retten wir doch nicht mehr. Auch unser armer Esel ist sicher schon in dem zähen Schlamm auf dem Grunde des Sumpfes erstickt. Es regt sich nichts mehr dort auf der Oberfläche und im Röhricht. Wir müssen warten, bis die Schlange anfängt, ihr Opfer zu verschlucken. Dann hat sie das Gebiß nicht mehr frei, und wir können ihr gefahrloser zu Leibe gehen.«

»Der heillose Wüterich wird doch nicht diesen ganzen vierfüßigen Bissen auf einmal hinunterschlingen?« sagte Jack, ohne die weitaufgerissenen Augen von dem greulichen Schauspiel dort unten zu wenden. »Das wäre ja schauderhaft!«

»Da die Schlangen keine Stockzähne zum Kauen, sondern nur Fangzähne zum Anpacken haben«, bemerkte ich, »wie sollten sie sich nähren, wenn sie nicht ihre Beute jedesmal ganz verschlängen? Im Grund ist das nicht abscheulicher als das blutige Zerreißen in einzelne Stücke, wie es von den Tigern und Wölfen geschieht; es ist nur riesenhafter und darum erschütternder, zumal bei einem so mächtigen Tiere.«

»Wie kann aber die Schlange das Fleisch von dem Tier zu solcher schauderhaften Schluckerei von den Knochen losmachen?« fragte Fränzchen immer noch halblaut und mit zitternder Stimme. »Ist es eine giftige?«

»Nein, lieber Junge!« entgegnete ich, »giftig ist sie gar nicht; aber dafür ist sie desto stärker und grimmiger. Auch schält sie keineswegs das Fleisch von den Knochen ihrer Gefangenen; sie schluckt alles mit Haut und Haar, Fleisch und Knochen samt allem Eingeweide hinunter. Ihr werdet ja sehen, ihr werdet ja sehen!«

»Ich begreife aber doch nicht«, sagte Jack, »wie die Rippen und die starken Hüftknochen durch den Schlund des Untiers gehen können!«

»Sieh nur hin, was die Schlange jetzt tut!« raunte Fritz. »Wie sie es umringelt und umschnürt, enger und enger, das arme, kleine Vieh! Sie zerknickt und zerdrückt es ja ordentlich! O scheußlich! So wird sie sich's maulgerecht machen zum Hinunterwürgen! Du elendes Untier!«

Die Mutter, von dem greulichen Anblick ganz erschüttert, wollte nicht länger zusehen; sie eilte daher mit Fränzchen in unsere Wohnung zurück, was mir um so lieber war, da der Anblick immer gräßlicher und selbst mir fast unerträglich wurde. Wie Fritz eben voller Entsetzen vorausgesagt hatte: Sie machte sich's maulgerecht, mit langsamer und fürchterlicher Umständlichkeit. Mit dem Ende ihres Schweifes hielt sie ein schrägaufstehendes, beträchtliches Felsenstück umschlungen, damit sie desto mehr Halt gegen das widerstrebende Tier gewinne; noch einen Augenblick zwar schlug das arme Ding mit den freigewordenen Hinterbeinen aus; dann aber wurden auch diese von dem schrecklichen Wurm umwunden, und nun erhob er den Kopf mit weitgeöffnetem, dampfhauchendem Rachen, schoß zu und packte die Schnauze des keuchenden Lämmchens. Noch einige Zuckungen, und das erstickte, zerdrückte Geschöpf erlag seinem Peiniger. Es sank regungslos zusammen.

Der Mörder ließ aber darum noch keinen Augenblick von ihm ab; vielmehr begann er nun erst recht das Würgen und Zerknicken aller Knochen an seiner Beute, und nichts blieb einigermaßen in erkennbarer Form als der Kopf, der jedoch ebenfalls verletzt und blutig war.

Diesem gräßlichen Auftritt folgte unmittelbar ein anderer, weit garstiger und ekelhafter; der gewaltige Beinbrecher wand sich von dem Aase wieder los, schlich bedächtig um und über dasselbe hin, labte sich gleichsam an seinem Triumph und fing dann an, es allenthalben mit einem schleimartigen Geifer zu überziehen, der reichlich aus dem mörderischen Rachen quoll; hierauf dehnte das Ungeheuer, immer mit der Schnauze schiebend und stoßend, den großen übergeiferten Bissen mit ziemlicher Gewandtheit vor sich aus, streckte die Hinterbeine des armen, zermalmten Tieres ganz hart aneinander nach hinten, die Vorderbeine neben dem Kopf hinaus und legte sich hierauf selbst der Länge nach ausgestreckt über den Boden, so daß es mit der Maulöffnung gerade bei den Hufen der Hinterbeine zu liegen kam; dann endlich ging der Rachen wieder voneinander und schlürfte gleichsam diese Hufe samt den Beinen langsam, allmählich in sich hinein, worauf dann durch einen tüchtigen Ruck auch die Schenkel folgten; mit den Hüften oder dem Kreuz jedoch setzte es einen härtern Stand ab, und die Bestie schlang oder würgte sehr mühselig, bis auch dieser Teil allmählich hinunterglitt; allein, je schwerer das Einsaugen wurde, desto reichlicher floß der Geifer von den Lefzen der Schlange und desto schlüpfriger machte dieser teils den Schlund, teils den mächtigen Brocken selbst, bis das Verschlucken sich endlich mit Erfolg bewerkstelligen ließ.

Auf diese abscheuliche Weise ward unser armes Zicklein in sein lebendiges Grab gepackt, bis nichts mehr als sein Kopf noch aus dem weit voneinander klaffenden Rachen des Ungetüms heraussah. Es sah aus, als ob entweder das Raubtier jetzt völlig ermüdet oder das Knochenwerk am Kopfe des Opfers nicht hinlänglich zermalmt sei, um vollends durch den Hals des Mörders hinabgleiten zu können. Übrigens hatte dieser ganze widerwärtige Auftritt beinahe von sieben Uhr des Morgens bis gegen Mittag hin gedauert.

Ich wartete mit ängstlicher Spannung auf den Zeitpunkt, wo wir den Lindwurm mit dem größten Vorteil angreifen konnten. Wir standen immer noch auf demselben Fleck, wie gebannt, wie festgezaubert durch den lähmenden Schauder des grauenvollen Schauspiels. Jetzt indessen hatte sich der längst erwartete Augenblick eingestellt, und in freudiger Aufwallung rief ich den Jungen zu: »Vorwärts, Gesellen! nun können wir Meister werden, es ist außer Verteidigungszustand.«

Rasch, mit vorgehaltenem Jagdrohr und gespanntem Hahn, schritt ich selber als erster aus unserm Spähwinkel hervor und näherte mich dem starr ausgestreckten, unbehilflichen Vielfraß am Rande des Sumpfes. Mir folgte in gleich jägerischer Haltung Fritz auf dem Fuße nach. Jack hingegen blieb um zehn Schritte zurück und verriet eine gewiß verzeihliche Furchtsamkeit; Ernst endlich wagte es gar nicht, unsern Standort zu verlassen.

Als ich völlig in die Nähe des Lindwurms kam, graute mir selbst vor dem Untiere nicht wenig. Ganz genau glaubte ich jetzt die große Königs- oder Abgottschlange, die sogenannte Boa, auch aus der Zeichnung der Haut zu erkennen; sie glich in diesem Augenblick mit ihrem Vorderteil einem steifen, unförmigen Klotz oder Wulst, gegen dessen Starrheit die sprühenden und rollenden Augen desto furchtbarer abstachen, wobei der Schweif beinahe krampfhaft mit leiser Wellenbewegung auf und nieder zuckte.

In einer Entfernung von achtzehn bis zwanzig Schritten brannte ich mit Fritz unsere Gewehre los. Die beiden Kugeln hatten unverkennbar den Schädel des Tieres zerschmettert; die Augen erloschen, Vorderleib und Rachen blieben unbeweglich wie zuvor, während der Hinterleib sich mächtig aufrollte, um blindlings nach beiden Seiten auszuschlagen. Wir eilten indes, mit zwei Pistolenschüssen dem Ungeheuer vollends den Rest zu geben, und sofort dehnte sich der Hinterleib krampfhaft zitternd aus, bis er nach einigen Sekunden wie der Bindbaum eines großen Heuwagens ausgestreckt dalag.

Mit Jubel ward einstimmig ein Siegesgeschrei erhoben, so daß sich nun die Entfernten wieder herbeiließen und namentlich Ernst im Augenblick auf der Walstatt war, während die Mutter mit Fränzchen langsamer von der Felswohnung heranschritt, wo sie inzwischen das aneinandergebundene Vieh wieder frei gemacht hatte.

»Was für ein gräßliches Siegesgeschrei habt ihr angestimmt«, rief sie uns entgegen, »fast wie die kanadischen Wilden, wenn sie aus einem Gefechte heimkehren.«

»Sieh aber auch den gewaltigen Feind, der hier zu unsern Füßen liegt!« antwortete ich. »Ist er nicht eines rechtschaffenen Siegesrufs wert? Wenn es uns nicht gelungen wäre, ihn zu bewältigen, so hätten wir einfach landesflüchtig werden und alle Vorteile der neuen Wohnung in Felsenheim aufgeben müssen.«

»Ich will gern bekennen«, sagte Fritz, »daß ich nicht wenig beklommen war, solange das Ungeheuer uns belagert hielt; jetzt erst kann ich wieder aufatmen und des Lebens recht froh sein; das aber verdanken wir seltsam genug der Unbesonnenheit und der plötzlichen Freiheitslust des armen ersoffenen Gräuels. Er ist für uns in den Abgrund gefahren, wie weiland Curtius, der römische Ritter, für seine Römer.«

»Was in aller Welt«, fragte Jack, »wollen wir aber mit dem garstigen Ding da anfangen?« – »Ich meine«, sagte Fritz, »wir könnten sie ausbälgen und als Merkwürdigkeit aufbewahren.«

»Oh, das wäre prächtig«, jubelte Jack, »wir wollen sie mit aufgesperrtem Rachen vor unserer Wohnung aufstellen. Das gibt dann mal eine Schildwacht, wenn die Wilden kommen!«

»Ja, prosit die Mahlzeit!« rief Fritz. »Und unsere armen Haustiere? Was meinst du wohl, wie die vor dem Scheusal reißaus nehmen würden! Das geht nicht. Aber ich denke, in unsern Bücher- und Naturaliensaal gehört diese große Merkwürdigkeit mit Fug und Recht; zu den Korallen namentlich und zu den Muscheln von neulich.«

Aber wir hatten wahrhaft lange genug an dem greulichen Untier zu schauen, und erst nach einiger Zeit der allgemeinen Erholung, deren wir insgesamt, nach einigen Stunden der Angst, der Spannung und des Angriffes der Schlange, höchst bedürftig gewesen waren, ward die Mutter ersucht, mit Fritz und Jack einerseits was Gescheites zu essen zur Herzstärkung und andererseits unser junges Ochsenpaar mit Joch- und Zugriemen herbeizuholen, während ich mit Ernst und Fränzchen bei dem Lindwurm die Totenwache übernähme, damit nicht Aasvögel oder Raubtiere den Leichnam zerrissen.

Harrend saßen wir demnach im Schatten eines großen Felsenblocks mit neu geladenen Flinten oder Pistolen. Nach einer Weile erschien das Hausvolk mit Eßwaren und dem Zugvieh wieder bei uns. Sofort nach dem eiligst verzehrten kalten Mittagessen machten wir uns dann an die Schlange, und zwar wurde vor allem der Kopf des armen Zickleins durch unsere vorgespannten Zugtiere aus dem Schlund seines Mörders gezogen, dem dann der Balg mit dem zerknirschten Knochengebäude auf eine grausenerregende Weise folgte. Wir senkten die garstige Bescherung sogleich in ein nächstgelegenes Sumpfloch und wälzten einige von den herumliegenden Bruchstücken der Felswand darauf hin, um ihrer nie wieder ansichtig zu werden. Dann wurden die zwei Ochsen so gut es ging an den Schweif der Boa gespannt, und wir ließen das Tier bis vor unsere Salzhöhle schleppen, indes wir wechselweise seinen Kopf in einer Art Schlinge trugen, damit er nicht durch das Schleifen beschädigt und allzusehr entstellt werde.

»Wie sollen wir's denn eigentlich machen, Vater, den gewaltigen Burschen auszuziehen?« fragten mich nun die Jungen.

»Da müßt ihr euch einmal selbst Rat schaffen, ihr ewigen Frager!« versetzte ich. »Aber ich denke, es wird euch gut gelingen, wenn ihr in unserer Metzgerei, die dazu eingerichtet ist, die Schlange bei dem Kopf in die Höhe windet; dann muß einer von euch sich schrittlings über sie stellen, das Messer kräftig in ihren Hals stecken, so daß die Schneide niederwärts gekehrt ist, und dann hinabdrücken, während das Tier emporgewunden wird. Macht euch nur sofort dran. Es wird noch Arbeit genug kosten. Fritz, als der Stärkste, führt das Messer. Den Kopf müßt ihr natürlich nachher skelettieren, so gut es geht. Die abgezogene Haut muß tüchtig eingesalzen und mit Asche bestreut werden. Dann näht ihr sie wieder zu und stopft sie mit Bartmoos oder Baumwolle aus.«

Sie begannen sogleich die Arbeit, wenn auch etwas ängstlich. Fritz leitete sie sehr zweckmäßig ohne meine tätliche Beihilfe. Es war ihnen aber doch sehr angenehm, daß ich stets in der Nähe blieb und mit Weisungen und Ratschlägen nicht kargte.

An einem der folgenden Tage konnte dann mit der großen Ausstopferei begonnen werden. Die zur Hälfte zugenähte Schlange war mit dem Kopf an einen mehrere Fuß hohen Pfahl gebunden, damit sie nicht wegrutschen konnte. Jack stellte sich, ein Bein hüben, eins drüben, über den offenen Schlauch, seinen Rücken dem Schwanzende zugekehrt, und nahm das von den Brüdern dargereichte Bartmoos entgegen, das er ballenweise hineinschob, hineinstopfte, hineinpuffte, immer mit dem neuen Büschel das frühere nach unten drückend. Das Kerlchen sah sehr komisch aus, wie es da mit ausgebreiteten Beinen vornübergebückt stand und im Schweiße seines Angesichts immer so unter sich weg arbeitete. Von Zeit zu Zeit richtete er sich auf, reckte sich und strich mit der äußeren Handfläche das Haar aus der feuchten Stirn. »Gelt, Vater«, rief er strahlend, »das machen wir meisterlich!«

Es ging indessen abermals ein Tag vorüber, ehe die Schlange vollständig ausgestopft und bis an die Kehle wieder zugenäht war. Aber nun erst hatten wir die größte Not mit einer recht charakteristischen Aufstellung des Tieres, was doch den Hauptspaß bei dem Ding ausmachen sollte. Gern also legte ich hier wieder Hand an, damit ein tüchtiges Bild herauskomme, das so langen Beschwerden und Vorrichtungen auch gehörig Ehre brächte.

Ein starkes Bodenkreuz samt einem fest eingezapften starken Pfahl gab mir die Grundlage der Stellung. Auf dieses kam der Schwanz des Tieres in einer ziemlich weiten Krümmung zu liegen, die sich dann um den Pfahl herum bis etwas zu acht Fuß in die Höhe verjüngte. Hier aber lehnte sich die Brust des Wurmes auf die abgestumpfte Spitze des Pfahles so, daß Hals und Kopf beinahe waagrecht und nur um so viel gesenkt herausstanden, daß das Untier auf einen Menschen von gewöhnlicher Größe herabzudrohen schien. Versteht sich, daß der Rachen möglichst aufgerissen und die Zunge hervorgestreckt war, welche beide wir mit dem Safte der indianischen Feigen blutrot angestrichen hatten. In Ermangelung des nötigen Glases wurden ein paar Augen von Gipskugeln eingesetzt, deren Stern ebenfalls mit roter Farbe gemalt und mit einem Firnis von durchsichtigem Fischleim bestrichen, wodurch ein lebhafter Glanz des furchtbaren Blickes bewirkt ward. Das Gebilde wurde wirklich so natürlich und täuschend, daß unsere Hunde es niemals anders als knurrend anblicken konnten und seine Nachbarschaft stets vermieden. Das Zugvieh ward beinahe wütend beim Anblick der scheußlichen Gestalt, die wir zum Behuf des Trocknens an der Sonne vor unserer Höhle aufgepflanzt hatten. Wir bestimmten daher das fürchterliche Geschöpf für unser neues Museum, wo es gerade der Türe gegenüber aufgestellt wurde. Über dem Eingang befestigten die übermütigen Jungen eine große Gipstafel, auf der in riesigen roten Buchstaben die doppelsinnigen Worte standen: »Kein Esel komme hier hinein!«

Die größte Gefahr von seiten der Boa war nun zwar glücklich vorübergegangen; aber es blieb uns doch noch die nicht unbegründete Besorgnis, es möchte das erlegte Ungeheuer irgendwo in der Nähe noch andere seinesgleichen zurückgelassen haben, entweder – da es ein Weibchen war – ein vielleicht bei Nachtzeit hergekommenes Männchen oder dann junge Brut, die uns in naher Zukunft verderblich sein könnte. Ich beschloß daher zwei Streifzüge, den einen nach dem Gänsesumpf in unserer Nähe und den andern über den Weg nach Falkenhorst, woher das Untier zu uns gekommen war. Der letzte Ausflug sollte sich bis nach jener Felsenklus erstrecken, durch die allein aus dem Innern des Landes eine solche Bestie zu uns hergelangen konnte.

Natürlich wollte ich den Anfang mit dem nahe gelegenen Gänsesumpf machen, allein Jack und Ernst bezeugten keine große Lust, mich dahin zu begleiten; »denn«, sagte Jack, »es überläuft mich allemal ein Schauer, wenn ich an das Scheusal denke, wie es mich beinahe noch auf den Boden hingeworfen hätte, als es mit dem Schwanze um sich schlug.«

Da mir jedoch ein solches Beispiel auch für die übrigen gefährlich schien, so munterte ich sie auf, bei einer bloß möglichen Gefahr nicht zaghafter zu sein als bei der wirklichen, da wir selbst auf die Schlange losgingen. »Festigkeit und Beharrlichkeit«, sagte ich, »müssen in der Regel vollenden, was augenblicklicher Mut oder vielleicht gar die Verzweiflung eingegeben hat; halb getan ist oft ebenso schlimm als nicht getan. Hätte die Boa von ihrer Brut in dem Sumpfe zurückgelassen, so könnte diese uns einst viel unerwarteter überfallen, als es die Alte getan hat, die am hellen Tag und auf der offensten Bahn gekommen ist.«

Wir bewaffneten uns denn mit unserm besten Jagdgerät und versahen uns überdies mit einigen Stangen von Bambusrohr, mehreren Brettern und aufgeblasenen Schläuchen von Tierfellen, die uns im Notfall über dem Wasser flott erhalten sollten, wenn wir in Gefahr kämen einzusinken.

An Ort und Stelle angelangt, legten wir die Bambusstangen und die Bretter bald übereinander, bald hintereinander auf den morastigen Grund, holten immer aufs neue die hintersten herum, setzten sie vorn wieder an und durchschritten so, wenn auch langsam, doch mit ziemlicher Sicherheit den Morast, bis wir endlich jenseits auf festeren Boden gelangten.

Hin und wieder in dem Pfuhle hatten wir unverkennbar die Spur des Ungeheuers entdeckt; aber zum großen Vergnügen sahen wir doch nirgends ein Anzeichen, daß Junge oder Eier des Tieres zurückgeblieben seien. Selbst am jenseitigen Ende des Sumpfes, wo die Schlange am längsten verweilt haben mochte, fanden wir nichts als etwas zusammengepreßten Rasen und mehrere geknickte Sumpfpflanzen, die eine Art von Nest vorstellten; etwas weiterhin hingegen entdeckten wir eine nicht unbeträchtliche Grotte, die sich wohl zwanzig Schritte in der Felswand ausdehnte und aus der ein spiegelklares Bächlein hervorrieselte.

Die ganze Decke dieser Höhle war mit Stalaktiten oder Tropfsteinen von der mannigfaltigsten Form behangen, die sich zum Teil auch den Wänden nach herunterzogen, zum Teil aber als stattliche Säulen das Gewölb zu tragen schienen, während andere wieder durch ihre sonderbare Bildung der Einbildungskraft ebenso vielen Stoff zu allerlei Vergleichungen gaben.

Wir forschten inzwischen nach der Quelle des Bächleins, das aus einer ziemlich beträchtlichen Spalte des Felsens einige Fuß hoch von der Erde herausrann, räumten bei dieser Mündung ein wenig auf und fanden das Gestein so locker, daß wir immer weiter vordrangen, bis endlich Fritz in die Öffnung einkroch und mir zurief, der Gang scheine sich allmählich zu erweitern und wohl gar mit einer innern großen Höhlung zu endigen. Da mir alles daran gelegen war, vor jeder anfälligen Brut unseres Feindes vollkommen sicher zu sein, so drang ich eilfertig nach, bis sich so viel Raum zeigte, daß ich aufrecht neben Fritz zu stehen vermochte, während Jack und Ernst in der äußern Grotte zurückgeblieben waren.

Unser erstes war, eine Pistole vor uns hin in die Dunkelheit loszubrennen, deren tiefer, langer Widerhall uns die mächtige Ausdehnung des Gewölbes bewies. Unverzüglich steckten wir nun zwei Lichter an; denn Feuerzeug und ein Stück Wachslicht waren in unsern Jagdtaschen stets vorrätige Dinge. Übrigens wollte ich mehr die Gesundheit der Luft probieren, als den weiten Raum hinlänglich erleuchten; da aber die Lichter ungehindert brannten, so ließ sich's ohne Gefahr in den Höhlenraum hineinschreiten, der mit der äußern Luft hinlängliche Verbindung gehabt hatte, um sich nicht mit einer verdorbenen Gasart anfüllen zu können.

Immerhin schritten wir mit großer Behutsamkeit vorwärts und sahen uns überall um, so weit die Strahlen unserer winzigen Lichtlein einen Teil der großen Finsternis aufklären konnten. Da rief mit einmal Fritz frohlockend: »Ach, Vater, eine neue Salzhöhle! Sieh, wie alles flimmert, was das für gewaltige Salzblöcke sind, die gleich prächtigen Kristallen aus dem Boden und von den Wänden hervorstrahlen!«

»Das können nicht Salzkristalle sein«, versetzte ich, »weil das Wasser über sie weg und an ihnen hin fließt, ohne getrübt zu werden oder einen Geschmack anzunehmen; vielmehr glaube ich, wir seien hier in eine ganz eigentliche Höhle von Bergkristallen eingedrungen.«

»Das wäre ja vortrefflich!« rief Fritz freudig aus; »so hätten wir einen großen und kostbaren Schatz entdeckt.«

»Allerdings! Wenn er uns nur zu etwas dienen könnte«, sagte ich, »in unserer Lage aber wird er uns just so ersprießlich sein als weiland dem guten Robinson Crusoe sein gefundener Goldklumpen.«

»Jedenfalls schlage ich hier ein kleines Stück los, damit wir den Fund genauer untersuchen können. Sieh, da ist ein beträchtliches Müsterchen, und es ist kein Salz, sondern eigentlicher Kristall, aber trüb und fast undurchsichtig.«

»Ja, du hättest eben nur nicht so rasch zu Werke gehen sollen; dann würdest du wohl dein Stück da so hell bekommen haben als die übrigen, die noch angewachsen stehen! Alle diese prächtigen Kristallmassen stehen als ebenso viele sechseckige Säulen, die zu sechseckigen Pyramiden auslaufen, in verschiedenen Richtungen auf einem festen, kristallartigen Gestein, das gleichsam mit dem feinen Lehm des Bodens verwachsen und daher undurchsichtig ist; dieses wird die Kristallmutter geheißen, und man kann wirklich mit bloßem Auge ein feines Gewebe einer Art Nadeln entdecken, die gewissermaßen nur Keime der Kristalle sind. Ein Stück solchen Muttergesteins mit mehreren Pyramiden zusammen wird eine Kristalldruse genannt und trägt mehr oder weniger kleinere oder größere Stücke, die mit ihrem breitern Unterteil ganz daran festgewachsen sind. Will man nun einen Kristall mit Gewalt von seiner Mutter losschlagen, so wird er plötzlich trübe und undurchsichtig, was von einer Menge kleiner Spältchen herrühren mag, die sich wahrscheinlich infolge der Erschütterung durch den versetzten Streich in dem Innersten der Masse verbreiten.«

»Aber wie muß man es denn anfangen«, fragte Fritz, »um einen ganz hellen, durchsichtigen Kristall von der Mutter losbrechen zu können?«

»Man muß ihn behutsam damit zugleich ausgraben und allenfalls nur diese, ja nicht die Säule selbst, mit Hammerschlägen berühren.«

Während dieser ganzen Unterredung hatten wir fortgefahren, die Kristallhöhle in verschiedenen Richtungen zu durchstreifen, und Fritz ließ nicht ab, bis er eine Kristalldruse von ungefähr zehn Pfund mit den zierlichsten Pyramiden für unser Museum abgesprengt hatte; unsere Lichter waren aber bis zu einem ganz kleinen Reste heruntergebrannt, so daß ich schnell wieder ans Tageslicht zu eilen beschloß, nachdem Fritz noch einen zweiten Schuß nach einer finstern Schlucht hin getan hatte, dessen langer Widerhall uns auf eine beträchtliche Entfernung der Hinterwand schließen ließ.

Als wir durch die Spalte bei dem Bächlein wieder ins Freie gelangten, erblickten wir Jack weinend und schluchzend. Kaum sah er uns aber, so kam er mit einem Jubelschrei auf uns losgestürzt. Der gute Junge war vor Freude ganz außer sich; er hatte geglaubt, wir würden aus dem finstern Bergschlund nicht mehr zurückkehren.

Während Fritz nun seinem bald getrösteten Bruder die Kristalle zeigte und ihm von der Höhle erzählte, schritt ich langsam vor und fand in kurzem den bedächtigen Ernst am Rande des Sumpfes. Er hatte sich einzelne dünne und schlanke Rohre in einen Kreis gesteckt und sie mit gespaltenen Rohrstreifen so durchflochten, daß sie oberhalb ganz trichterförmig zusammenliefen und mit einer etwa dreizölligen Öffnung endigten, über die die zugespitzten Stäbchen noch ein wenig hinausreichten. Dieser Korbtrichter sollte, nach der Erklärung des Jungen, in ein anderes bauchiges und langes, aber am Ende ganz verschlossenes Geflecht hineinbefestigt werden, so daß die engere Öffnung des Trichters ungefähr in die Mitte des blinden Korbes zu stehen käme, damit ein hineingeschlüpfter Fisch, zumal auch wegen der einwärts stehenden Rohrspitzen am Durchgang, nicht so leicht wieder den Ausweg finden könnte.

Ich erkannte sogleich die Bestimmung des Machwerkes und lobte den Knaben über seine Arbeit.

»Nebenbei habe ich aber auch eine junge Riesenschlange geschossen!« rief mir der Junge freudig zu, »hier liegt sie neben meinem Gewehr, mit Schilf bedeckt; sie mag wohl vier Fuß lang sein und ist fast wie mein Handgelenk so dick.«

»Oder doch vielmehr einen recht tüchtigen Aal!« lachte ich, als ich das Schilf hinweggeträumt hatte, »hübsch, groß und fett; der soll uns diesen Abend einen ganz vortrefflichen Braten geben.«

Als die beiden andern Knaben, die inzwischen herbeigesprungen waren, in mein Gelächter einstimmten, Ernst aufzogen, daß er einen Aal für eine Riesenschlange gehalten habe, sagte dieser ganz ruhig: »Ei was! Ich habe nun einmal geglaubt, es werde eine sein, da wir doch hier dergleichen vermutet und aufgesucht haben.«

Wir nahmen Ernsts Arbeit und Beute sowie Fritzens Kristalle mit und schlugen unsern Rückweg über den Sumpf diesmal etwas näher an der Felswand ein, wo wir ungleich mehr trockene Stellen fanden als bei der früher genommenen Richtung.

Von Seiten des Entensumpfes glaubten wir nun vor weiterer Gefahr von Schlangen gesichert zu sein; hingegen beschloß ich nun meinen zweiten Streifzug bis zur Felsenklus, die ich zugleich etwas mehr zu befestigen gedachte. Diese Arbeit mochte jedoch unsere vereinten Kräfte einige Wochen in Anspruch nehmen; es wurde daher Mundvorrat und Schießbedarf für diesen Zeitraum eingepackt, das Reisezelt und der Wagen in Bereitschaft gesetzt, auch Wachsfackeln zu nächtlicher Abhaltung der reißenden Tiere und Kerzen zur Erleuchtung des Zeltes, endlich Gefäße und Werkzeuge kurz, jeder Bedarf wurde zusammengesucht und auf das Fuhrwerk geladen. Noch nie hatten wir uns zu einem Unternehmen so umständlich angeschickt als zu diesem.

Wohlgerüstet zogen wir an dem bestimmten Morgen insgesamt von Felsenheim aus. Die Mutter hatte sich einen Platz auf dem Frachtwagen bereitet; Sturm und Brummer zogen ihn im Joch, indem sie zugleich ihre zwei Reiter, Jack und Fränzchen, auf dem Rücken trugen, die Kuh führte im Vorgespann das Fuhrwerk an; und Fritz auf seinem Leichtfuß trabte als fliegender Vorposten etwa hundert Schritte voraus, während ich selbst gewöhnlich neben der Kuh und Ernst neben dem Wagen einherschritt, doch so, daß auch wir uns das Recht zu reiten oder zu fahren vorbehielten, wenn wir uns ermüdet fühlten. Unsere Flanken endlich wurden von allen unsern vier Hunden samt dem Jager sattsam gedeckt.

Die Reise ging zunächst auf Waldegg und Zuckerfeld, auf welchem Wege sich Spuren genug von der Riesenschlange zeigten, die den Furchen einer streifenden Haubitzgranate in dem lockern Sandboden glichen.

In Falkenhorst wurde, wie gewöhnlich, wenn wir auszogen, alles Geflügel nebst Schafen und Ziegen in Freiheit gesetzt und Futter hingeschüttet, damit die guten Geschöpfe sich fortwährend an die Umgegend hielten; dann zogen wir weiter nach Waldegg, wo wir die Nacht zuzubringen gedachten, um uns womöglich noch einige Baumwollkissen zu stopfen und den dortigen See samt dem angrenzenden Reissumpf etwas näher auszukundschaften.

Je weiter wir uns aber von Falkenhorst entfernten, desto mehr verloren wir jede Spur der Riesenschlange, wie auch die der Affen verschwunden war; nur der Hahnenruf und das Geblök von Waldegg belebte die allgemeine Stille, und bei unserer kleinen Meierei sah es so niedlich und sauber aus, als ob wir erst vor kurzem dagewesen wären und alles in Ordnung gebracht hätten. Auf den ersten Ruf unseres Lockens kamen auch hier Ziegen und Schafe, dort Hühner und Hähne in lustigen Sprüngen und mutwilligen Flügen mit Freudengeschrei heran und wurden in der Eile wenigstens mit ein paar Händen voll Getreidekörner und Salz erfreut.

Sofort richteten wir uns ein, den Tag an diesem freundlichen Orte zu verbringen; und während die Mutter die Küche besorgte, streiften wir in der Nähe herum, die Reste von der Baumwolle einzusammeln, da wir einige neue Kopfkissen auf den bevorstehenden weitern Zug mitnehmen wollten.

Nach dem Mittagessen ward zur nähern Erkundigung der Gegend Anstalt getroffen; und zwar nahm ich diesmal Fränzchen zu meinem Gefährten und vertraute ihm zum erstenmal ein kleines Flintchen an, indem ich ihm die nötigen Weisungen der Behutsamkeit beim Laden und Tragen erteilte. Wir nahmen uns vor, die linke Seite des Schwanensees zu durchstreifen, während Fritz und Jack an der rechten wanderten und Ernst bei der Mutter am obern Ende des Sees blieb, um in dem Reissumpf allfällig reife Ähren einzusammeln. Jede Partei hatte übrigens eine Bedeckung von unserm leichten Truppenkorps bei sich; die Mutter und Ernst behielten Bill und Meister Knips, den Affen; unter Fritzens Kommando marschierten Türk und Jager; mich endlich begleiteten Falb und Braun. Ich schlenderte also mit Fränzchen langsam am linken Seeufer hin, wo wir uns oft wegen des sumpfigen und mit Rohr verwachsenen Bodens in einiger Ferne von dem offenen Wasser halten mußten; unsere vierbeinigen Gefährten durchstöberten hingegen vorzugsweise das Röhricht und jagten einige Reiher oder auch Schnepfen auf, die aber gewöhnlich ihren Flug über das Wasser hin nahmen, so daß sie mir nicht schußgerecht erschienen. Noch lüsterner indes machten uns die vielen Enten und Schwäne, die wir in der Ferne auf der Oberfläche des Wassers spielen sahen, und Fränzchen war ganz ungeduldig, an diesen seinen Probeschuß zu wagen, sei es an Ente, Schwan oder gar an einer Rohrdommel, deren häßliche, dem Eselgeschrei ähnliche Stimme wir tief aus dem Sumpf heraus hörten.

Ich rief denn die Hunde zu mir heran und wies sie nach der Gegend hin, woher dieses Geschrei gekommen war, während Fränzchen am Rand des Sumpfes in schußfertiger Stellung lauschte und ich selbst nach auffliegendem Federwild in die Höhe sah, um allenfalls auch einen Schuß gehörig anzubringen.

Jetzt raschelte es durch das Schilf gegen die Landseite des Ufers zu, der Schuß des Knaben ging los, und ich vernahm ein Freudengeschrei: »Es hat ihn, es hat ihn!«

»Was hat es? was?« rief ich dem Kleinen noch aus einiger Ferne zu.

»Eine Wildsau!« rief er.

»Oho!« versetzte ich. »Wenn du nur nicht ein Ferkel von unsern freigelassenen Schweinen erlegt hast, die jetzt überall in der Wildnis herumschweifen.«

Hiermit war ich vollends bis zu dem Knaben vorgeschritten und sah in der Tat ein erlegtes Tier von etwelcher Ähnlichkeit mit einem jungen Schwein, braunrot von Farbe und borstig, vor ihm auf der Erde liegen, bemerkte jedoch gleich, daß es nicht zu unserer europäischen Zucht gehöre, und das genügte mir. Der Knabe aber war über seine Beute außer sich vor Freude.

Bei näherer Untersuchung fand ich das Schwein ungefähr dritthalb Fuß lang, mit Schneidezähnen wie ein Kaninchen versehen, mit gespaltener Oberlippe, ohne Schwanz und mit gefingerten Klauen, die an den Hinterbeinen mit einer Schwimmhaut verwachsen waren, woraus ich schloß, den Kabiai oder die Cavia Capybara vor mir zu haben. Ich konnte somit dem Bübchen gar wohl die Freude lassen, daß er ein Wildschwein geschossen habe, und auf sein wiederholtes Befragen um den Namen des Tieres sagte ich ihm, es sei zwar kein gewöhnliches Wildschwein, aber dafür ein weit selteneres Geschöpf für uns, ein südamerikanisches Wasserschwein, das mit den Meerschweinen, dem Aguti und dem Paka in die nämliche Klasse gehöre. – Es war jedoch Zeit, wieder aufzubrechen; allein Fränzchen versuchte vergebens, sein Wildbret zu tragen; nach einigem Überlegen aber sprang er mit Vergnügen auf und rief: »Jetzt weiß ich's. Ich will das Tier ausweiden, so wird es um so leichter; vielleicht bringe ich es dann wenigstens bis zur Waldegghütte.«

»Das kannst du machen«, sagte ich, »denn die Eingeweide würden wir doch nicht essen! Auch verdienen unsere Jagdgehilfen wohl einen Lohn, daß sie dir das Wild vor den Schuß getrieben haben.«

Der Knabe ging sogleich an das Ausweiden des Kabiais und kam hurtiger damit zurecht, als ich es ihm zugetraut hätte. Die zwei Doggen erhielten ihren Anteil, und bald machten wir uns auf den Weg; doch fing der Knabe von neuem an zu seufzen, bis er plötzlich mit dem Gedanken herausrückte: »Ich will mein Wildbret einem Hund aufbinden, der kann es mir wohl tragen!«

»Um so mehr«, sagte ich, »da die beiden ja wirklich zum Tragen abgerichtet sind! Die Mühe des Abrichtens wird nun belohnt durch eine solche Erleichterung, die uns zustatten kommt.«

Sogleich schnallte ich den Sack los, den ich bei Jagdzügen gewöhnlich um den Leib trug; wir packten das Tier hinein und banden ihn dem Braun auf den Rücken, der stolz auf seine Last vor uns hertrabte.

Bald darauf gelangten wir in das Pinienwäldchen, wo wir uns mit den edeln Früchten desselben versahen, und kehrten dann nach Waldegg zurück, ohne von der Gegenwart einer Riesenschlange oder ihrer Brut die mindeste Spur entdeckt zu haben; hingegen stießen wir auf Spuren von dem Affengesindel, und ich mußte mich leider überzeugen, daß die fatalen Näscher und Verderber die Nachbarschaft unserer Kolonie nicht geräumt hatten; nur mochte die Mehrzahl etwas näher gegen Hohentwiel zu gezogen sein.

Ich bemerkte jedoch, daß die Knaben insgesamt von den heutigen Strapazen ermüdet sich nach Ruhe sehnten; wir lagerten uns daher ohne weitern Verzug in der freundlichen Waldegghütte auf unsere Baumwollsäcke und schliefen ruhig bis in die Frühe des Morgens hinein.

Gleich mit der Dämmerung des folgenden Tages setzten wir unsere Reise fort und nahmen den Weg über Zuckertop, unsern gewöhnlichen Aufenthalt in dieser Gegend, zwischen der Zuckerpflanzung und der Klus, wo wir früher eine Feldhütte oder eine Art Laube errichtet hatten und für die Zukunft eine neue Meierei anzulegen gedachten. Noch war das Flechtwerk der Laube ziemlich haltbar, und wir brauchten nur unser Segeltuch darüber hinzuwerfen, um für dieses milde Klima vortrefflich einquartiert zu sein. Da wir aber nicht im Sinne hatten, länger als bis nach dem Mittagessen hier zu verweilen, so durchstreiften wir sogleich die nächsten Umgebungen und besonders das Röhricht von Zuckerrohr, um die Spuren der getöteten Riesenschlange oder ihrer Sippschaft aufzusuchen. Dergleichen zwar fand sich glücklicherweise nun nirgends; desto mehr taten wir uns gütlich mit frischen Zuckerrohren, deren Genuß wir schon eine ziemliche Weile hatten entbehren müssen.

Noch waren wir nicht lange bei dieser angenehmen Beschäftigung, als unsere Hunde plötzlich Laut gaben und ein Lärmen, Geschrei und Rascheln durch das Rohr sich erhob, wie wenn die wilde Jagd oder das sogenannte wütende Heer in das Revier gekommen wäre. Niemand wußte, wo sich hinwenden, und noch weniger in dem dichten Rohrwuchs zu erspähen, was sich so rührig herumbewegte; ich begab mich daher mit den Knaben eiligst ins Freie und stellte mich mit ihnen auf etwa fünfzig Schritte im Umkreise auf. Hier sah ich denn nach wenigen Augenblicken eine ganze Herde kleingewachsener Schweine aus dem Dickicht hervorbrechen und aus allen Kräften das Weite suchen. Ich glaubte zuerst, das Häufchen unserer Freigelassenen vor mir zu haben; die Menge aber, die gleichmäßige graue Farbe und die ganz eigene wunderbare Ordnung, mit der die Ausreißer ihre Flucht durchführten, das alles belehrte mich, es dürften doch wohl hier nicht Schweine von europäischer Zucht vorhanden sein. Gleich gab ich aus meiner Jagdflinte mit doppeltem Rohr den Flüchtlingen die zweifache Ladung, und jeder Schuß erlegte glücklich sein eigenes Wild. Der Fall von zwei Kameraden störte jedoch die übrigen so wenig, daß sie in fast unabsehbarer Reihe kaum einen Schritt neben den Leichen vorbeispazierten, und zwar folgte drollig genug in hartem Trabe gleichsam an der Schnur eines dem andern, und keines schien irgend voreilen, keines zur Seite springen zu wollen.

Fritz und Jack waren in meiner Nähe, und kaum hatte ich mein Gewehr abgestellt, um es neu zu laden, als piff, paff, puff auf ein paar Schüsse wieder einige Schweine zu Boden fielen; aber auch jetzt blieb die Reihe kaum sekundenlang unterbrochen und veränderte die Richtung ihrer Flucht ebensowenig. Es schien mir wahrscheinlich, daß wir auf eine Schar Bisamschweine gestoßen waren, die man auch Tajassu nennt, und ich erinnerte mich, daß man bei Erlegung des Tieres nichts Angelegentlicheres zu tun hat, als ihm den drüsigen Sack auf dem Rücken auszuschneiden, weil sonst die schmierige Feuchtigkeit in demselben ihren widrigen Geschmack dem Fleisch des ganzen Tieres mitteilt.

Ich eilte daher hin, diese Operation an allen erlegten Tieren, so gut es gehen mochte, gleich vorzunehmen, wobei mir Fritz und Jack ebenfalls behilflich waren.

Bald darauf hörten wir aus der Ferne in der Richtung unserer Feldhütte wieder zwei Schüsse fallen, die wir auf Rechnung Ernsts und der Mutter schrieben, die sich aus dem Röhricht dorthin gewandt haben mochten. Unverzüglich sandte ich Jack dahin ab, um ihnen nötigenfalls beistehen zu können und zugleich den Wagen uns herzubringen, damit wir unser Wildbret leichter nach der Hütte schaffen könnten.

Mittlerweile schleppten Fritz und ich acht Bisamschweine, die wir erlegt hatten, auf einen Haufen, den wir schnell mit Zuckerrohren überdeckten, und erwarteten den Wagen; auf demselben erschien Ernst mit der Nachricht, daß der ganze Zug der Flüchtlinge nicht fern von unserm Waldhäuschen vorbeigerannt sei und sich nach dem Bambusdickicht unweit davon geflüchtet habe; doch hatte er mit Hilfe Bills ebenfalls drei Stück erlegt.

Um unsere Last etwas zu erleichtern, wurde beschlossen, die Tiere sogleich auszuweiden, und ich stimmte Ernst bei, der diese Art Schweine für die sogenannten Peccari hielt, die man in Guyana und ganz Amerika findet. Diese Arbeit beschäftigte uns jedoch länger, als ich gedacht hatte, und wir schätzten uns glücklich, Hunger und Durst in der Zwischenzeit mit unsern Zuckerrohren zu stillen; unsere Hunde hingegen hatten eine köstliche Mahlzeit an dem ganzen Rest der Eingeweide, die wir ihnen mit Ausnahme des Darmnetzes vollständig überließen. Leicht wurden nun die ausgeweideten Stücke auf den Wagen gehoben, da keines über einen halben Zentner wiegen mochte; die Jungen hatten sich sowohl als die Beute mit Blumen, Laub und Zweigen geschmückt, und unter Gesang und Jubel wurde endlich abgefahren, indem sich Fränzchen und Jack auf die beiden Zugochsen, Ernst und Fritz auf den Wagen setzten; ich selbst trabte auf meinem Reittier mit den Hunden nebenher, und so trafen wir endlich im Triumph bei der sehnsuchtsvoll harrenden Mutter ein.

Nach einem kurzen, ziemlich soldatischen Mittagessen ging es an die Zubereitung der Schweine. Zuerst wurden die Borsten verbrannt, darauf schnitt ich die Schinken aus und trennte die andern guten Stücke vom Rumpfe ab; das Gerippe samt dem Kopfe ward den Hunden und dem Adler preisgegeben; das Fleisch wurde sorgfältig gewaschen, mit Salz eingerieben und in einen Sack gesteckt, der oberhalb geöffnet war und an einigen Baumzweigen hing; unten wurde ein Kürbisgefäß hingestellt, um das abträufelnde Salzwasser aufzufangen, das von Zeit zu Zeit wieder über das Fleisch geschüttet wurde, bis die Rauchhütte, mit deren Verfertigung Fritz und die zwei Jüngern Knaben beauftragt waren, vollends zustande kam, was jedoch erst am folgenden Tage, und zwar gegen Abend, geschah, weil wir uns zuvor ein Stück von unserm Wildbret hatten braten wollen.

Dann aber wurde die Rauchhütte durch unsere gemeinsamen Anstrengungen vollendet, und sie fiel so geräumig aus, daß wir den ganzen Vorrat unseres Schweinefleisches darin aufhängen konnten. Alsbald wurde auf dem unterhalb zugerichteten Feuerherd ein Feuer angemacht und mit feuchtem Rasen, Gras und frischen Blättern gedämpft, so daß ein mächtiger Rauch die ganze Hütte durchzog, die wir oberhalb bestmöglich gegen den Luftzug verschlossen hatten. Der Rauch wurde sorgfältig so lange unterhalten, bis unser Fleisch ganz dürr und durchräuchert war.

Das Räuchern mußte freilich drei Tage lang fortgesetzt werden und wurde von der Mutter und abwechselnd einem der Knaben besorgt, während ich selbst mit den übrigen die Umgegend durchstreifte. Es fand sich nirgends mehr eine Spur von der Boa, dagegen kehrten wir jedesmal reich mit Beute beladen zurück. So entdeckten wir in dem Bambusröhricht einzelne Rohre von fünfzig bis sechzig Fuß Länge und verhältnismäßiger Dicke, die wir leicht zu Fässern, Kufen, Töpfen und so weiter benutzen konnten, indem wir sie bloß bei den Knoten durchzusägen brauchten; rings um diese starrten lange und kräftige Dornen hervor, die, so stark wie eiserne Nägel, mir ebenfalls willkommen waren.

Bei einem Besuche in Hohentwiel fanden wir leider, wie früher auf Waldegg, vieles von dem Affengesindel zerstört. Schafe und Ziegen hatten auch hier sich in die Nachbarschaft zerstreut; die Hühner waren ganz verwildert, und die Hütte sah so unsauber und zerrissen aus, daß gar nicht daran zu denken war, sie an diesem einen Tage wieder herzustellen, so daß ich diese Arbeit auf einen spätern Zeitpunkt verschob.

Noch ein paar Tage brachten wir mit Anlegung einer Straße sowie mit der Aufbewahrung unseres Wildbrets zu, das uns nun hinlänglich geräuchert schien. Wir nahmen bloß einige Schinken mit, ließen hingegen das übrige in der Rauchhütte hangen, die wir vor Raubvögeln, Raubtieren und Affen bestmöglich zu verwahren suchten, indem wir sie ringsherum sowie oben mit Rasenstücken belegten, so daß das Ganze fast einem Grabhügel glich, den wir noch möglichst mit Disteln und Dornen gegen Plünderung sicherstellten.

Endlich, an einem frühen Morgen, packten wir freudig auf und zogen durch den neugebahnten Weg in dem mächtigen Röhricht hinaus nach unserm wichtigsten Ziele, der Klus.


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