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November 1914
Wann war es doch? Der Wald, das Haus, der Stall,
Die alte Scheune, von Moos und Stroh überdacht,
Der Auslaufbrunnen, der treue Hund auf der Wacht,
Der Duft gespaltenen Holzes; und überall
Auf Hängen und Wiesen rings um das Haus
Kamen die gelben und weißen Blumen heraus,
Und Obstbaum an Obstbaum stand, und Wind war und Blütenfall.
Und dann auf einmal in jeder Ortschaft Fahnen!
Was jung war und rüstig, wurde von ihnen eingeholt.
Und viele Greise waren plötzlich Veteranen
Und trugen Federhüte und Litzen aus welkem Gold.
Der Bürgermeister sprach mit Tränen im Blick,
Bis zum nächsten Bahnhof begleitete die Musik,
Und ein langer Lastzug kam tausendstimmig herangerollt.
Und wenn ich nimmer wiederkehr'
Zu Weib und Kind,
Gottes Güte ist wie das Meer,
Gottes Gnade ist wie der Wind,
Treibt jedes Schifflein vor sich her,
Bis daß es seinen Hafen findt.
Lebt wohl, Weib und Kind,
Wir sehen uns nimmermehr!
Und dann im Waggon: Sechs Pferde oder vierzig Mann.
Tag und Nacht und immer wieder Tag und Nacht.
Und Frauen bringen Wasser und Kinder Blumen heran.
Und Felder und Felder in wehender, goldener Tracht.
Vaterland, Heimatland, noch immer lächelnd in aller Not!
Wo ist die Grenze, wann ist der Tod?
Vielleicht schon morgen: die Schlacht!
Und die Sonne ist giftig, die Nächte sind furchtbar klar.
Die Sterne zittern vor Frost am Firmament.
Die Füße marschieren, jeder Tag ein Jahr,
Der Gaumen ledern, die Zunge ein hölzerner Keil, der brennt.
Und jede Stunde wirft einen schwereren Stein
In den Tornister hinein:
Kein Feind, kein End!
Annemarie, mein tapferes Weib,
Deine Hände haben jetzt doppelt zu tun,
Und nachts mußt allein in der Kammer ruhn,
Und ist doch gesegnet dein treuer Leib.
Wer wird dir in deiner schweren Stund'
Über die Stirne streichen und küssen den bleichen Mund?
Annemarie, mein armes, gesegnetes Weib!
Und da auf einmal – woher, woher?! –
Zehntausend Peitschen über den trottenden Reihn!
Und nirgends ein Feind! Kein Rauch, kein Schein!
Die Hände fiebern am Schloß vom Gewehr.
Ein Gaul bricht aus. Schnell gedeckt und geduckt!
Aber die Hölle, die Hölle spuckt
Ätzenden Abschaum von obenher.
Keine ehrlichen Kugeln, nur Todesgeschmeiß:
Stechfliegen, Hornisse, Gereiß und Gebeiß!
Ein Mensch wälzt sich im Staub und keucht wie ein Hund.
Schaumfladen quirlen aus seinem Mund,
Seine verdrehten Augen sind zum Bersten weiß.
Und der Feldwebel übernimmt den Befehl.
Zückt den Säbel hoch und brüllt: Sturm!
Und irgendwo soll ein Friedhof sein und ein Turm.
Wer sieht ihn?! Aber – Gott, dir befehle ich meine Seel! –
Laufschritt vorwärts! Nur Sturm, nur Sturm!
Wer wird führen für euch im Frühling den Pflug,
Weib und Kind?
Es hat mich getroffen, ich hab' genug.
Mein Blut, mein Blut rinnt, rinnt.
Ein schwerer, großer, dunkler Strich
Geht quer durch mich.
Lebt wohl, Weib und Kind!
Er hieß Hollerbeck oder Hollubetz.
In der Verlustliste neun oder zehn
Fand man ihn unter den Toten stehn.
Er hatte nicht viel mehr als sein Leben.
Das hat er gehorsam gegeben
Für Eid und Gesetz.
Nur Gott hat ihn sterben gesehn.