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Ihr Kleingläubigen!

Eine Laienpredigt für Daheimgebliebene.

 

Oktober 1914

Ihr, die ihr müßig diese Zeit verlungert,
Aus eigner Unkraft aller Kraft mißtraut,
Von einem Zeitungsblatt zum andern hungert
Und vorgekaute Schalheit wiederkaut,
Ihr Unheilseher und Besorgnisstammler,
Ihr Hinterbringer und Gerüchtesammler,
Für euch wird diese Welt nicht neugebaut.

Die, so sie bauen, gehn mit harten Gliedern
Die Feinde an als Engel des Gerichts.
Mit heißen, schlafentwöhnten Augenlidern,
Im heiligen Schweiße ihres Angesichts
Beharren sie in Eisenhagelschauern –
Ihr flüchtet euch in billiges Bedauern
Und matten Wohltuns aufgebauschtes Nichts.

Die tragen Frost und Hunger, Durst und Wunden,
Ihr Tag ist Sterben und Gefahr die Nacht,
Und alles, was der Menschengeist erfunden,
Scheint nur zu ihrer Folter ausgedacht.
Ihr schlaft euch aus und nährt euch mit Behagen,
Und nichts, was jene wagen und ertragen,
Ist euch genug bewältigt und vollbracht.

Die werfen ihre Herzen in die Bresche –
O diese Herzen, männlich, treu und heiß! –
Und waschen fromm die fremde Sündenwäsche
Mit ihrem reinen Blute wieder weiß.
Ihr Krämerseelen und Prozentemacher
Bewinselt euren lahmgelegten Schacher,
Vereitelten Profit und Wucherpreis.

Wer fragt danach? Ein Volk hat sich erhoben
Aus dumpfen Friedens aufgestörtem Schoß
Und wuchtet wie Granit im Schlachtentoben.
Das war ein Aufstehn, schlicht und grenzenlos!
Denn nicht die Furcht vor Galgen und vor Knuten
Treibt dieses Volk, zu fechten und zu bluten,
Nein, eine Liebe, klar, gestreng und groß.

Die selbe Liebe, die im Ölbaumgarten
Vor Gott hinsank, ein Zeichen zu erstehn,
Und, als sich keine Zeichen offenbarten,
Aufschrie: Laß diesen Kelch vorübergehn!
Und dann, geklärt durch Wachen und durch Beten,
Vor Häscher und Verräter hingetreten
Zu unerhörtem, duldendem Bestehn.

Die selbe Liebe, die in Dornenqualen,
Vom eignen Volke preisgegeben, ging
Und, blutend aus den sieben Martermalen,
Am Schächerholze gottverlassen hing,
Indes die Söldner, die die Wache hielten,
Mit rohen Würfeln um den Mantel spielten,
Der dieser Liebe Blöße einst umfing.

Die selbe Liebe, die der Schrecken Böser
Vom Anbeginne ist, weil ihre Kraft
Aus einem wehrlos leidenden Erlöser
Des Jüngsten Tages strengen Richter schafft.
Denn wahrlich, wer es fassen kann, der fass' es:
Der Gott der Liebe ist der Gott des Hasses,
Der kein Erbarmen kennt, wo er bestraft.

Drum ziemt auch uns das göttliche Ereifern,
Das einst mit Zorneswort und Geißelhieb
Die Makler, Wechsler, Käufer und Verkäufer
Aus dem geweihten Hof des Tempels trieb,
Daß in das Opferbringen unserer Söhne
Nicht das Gewirre feiger Stimmen töne
Und eines Marktes schamloser Betrieb.

Daß vor dem Tabernakel höchsten Duldens
Für unser aller Erde, Weib und Kind,
Die tiefe Demut ungeheuren Schuldens
Sich dieses großen Sterbens Sinn verdient,
Und daß im ganzen heiligen Bereiche
Ein jeder jedem dieser Helden gleiche,
Die Wunder wirken, weil sie gläubig sind!


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