Johann Karl Wezel
Lebensgeschichte Tobias Knauts
Johann Karl Wezel

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7.

Das allegorische Seeleninstrument

Ein Frauenzimmer von der blühendsten Farbe, mit einem engländischen Gesichte und griechischer Kleidung, deren ganze Miene durch ein im Kopf angebrachtes Uhrwerk in einer beständig abwechselnden Grimasse erhalten wird und das der Künstler Einbildungskraft nennt, sitzt in dem geziertesten Pompe und der gezwungensten Grazie einer Theaterkönigin in einem schön gearbeiteten Sessel von Mahagoniholze. Wenn man sagen sollte, ob sie schön wäre, so würde man ein großes Bedenken tragen, mit Ja zu antworten, und ebensowenig würde man sich entschließen können, es zu verneinen. Zwischen den Knien hält sich ein musikalisches Instrument, unter welchen ein jeder nach Belieben seiner Phantasie, ein Violon, ein Violoncell, eine Viola di Gamba, oder was ihm sonst Ähnliches in der Geschwindigkeit beifällt, vorstellen kann. Die Zahl der Saiten, womit es bespannt ist, verliert sich ins Unendliche, und ich zähle schon sechs Wochen lang täglich eine Viertelstunde daran, fange jeden Tag von vorn an und verirre mich jeden Tag im Zählen. Die meisten darunter sind so fein, daß ich sagen würde, sie wären von der Luft oder gar aus Lichtstrahlen zusammengesetzt, wenn ich nicht gewiß wüßte, daß mein Freund ein sterblicher Künstler ist. Ihre Töne sind durch so unmerkliche Grade unterschieden, daß der Raum zwischen zween Tönen aus der bisherigen diatonischen Tonleiter gewiß in tausend und mehrere Töne zerteilt ist. Man sieht also leicht, daß man, um so ätherische Unterschiede zu fühlen, ein Paar Ohren nach des Pythagoras Manier äußerst nötig hat und deswegen dieses Werk für eine sehr geringe Anzahl von Sterblichen gemacht ist, die obendrein seinem Urheber mit nichts als dienstwilligen Lobsprüchen belohnen können. Jeder, den die Natur mehr durch den ansehnlichen Wuchs als die feine Empfindung der Ohren von andern Menschen unterscheiden wollte, hört bei allen jenen feinen Unterschieden nur einen Ton und empfindet überhaupt keine weiter, als die das schiffbrüchigste Klavier des elendesten Dorfschulmeisters zu hören gibt.

In der Mitte erhebt sich ein Steg, der bei jeder Überspannung der Saiten umfallt, oft in der Hitze des Spielens umgeworfen wird und vermittelst einer Feder bei der leisesten Berührung wieder aufspringt. Sobald er fällt, entsinkt der Spielerin der Bogen, sie fällt an die Lehne des Sessels zurück und scheint zu schlafen, während daß in ihrem Gesichte eine unaufhörlich abwechselnde Ebbe und Flut von allen menschlichen Affekten ist. Sobald der Steg aufgerichtet ist, ergreift sie den Bogen und spielt ihr Lied und spielt es zuweilen mit einem solchen Feuer und mit so vieler Flüchtigkeit, daß auch das schärfste Kennerohr nichts als einen betäubenden Mischmasch von Tönen empfinden kann. Je pathetischer, tönender, affektvoller ihr Stück ist, desto stärker und schneller werden alle Gliedmaßen ihres Körpers in Bewegung gesetzt; doch oft spielt sie auch unter den heftigsten Grimassen ein ganz gemeines Gassenlied.

 
Beiläufige Nachricht des Künstlers

Man verspricht, dieses Kunstwerk so klein wie des Praxiteles Wagen zu liefern, den eine Fliege mit ihren Flügeln decken konnte, kurz, in einer so kleinen Form, daß es völlig im Gehirnmarke Platz hat, und zwar zum besten derjenigen, denen aus irgendeiner Ursache ein solcher Vikarius der Seele nötig geworden ist. Der Preis ist 50 Pfund Sterlings. – Gewiß, ein geringer Preis! der für viele menschliche Seelen, die dies Kunstwerk weit übertrifft, zu – –

Doch in kurzem sollen die Liebhaber eine besondre Nachricht an das Publikum hierüber erhalten.


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