Johann Karl Wezel
Lebensgeschichte Tobias Knauts
Johann Karl Wezel

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32.

DAS GESPRÄCH

Vater: – – – die große Katze!

Mutter: Das Wetteraas! (lesend.) – »daß du mich diesen Tag für allem Übel etc. – widerfahren lassen wollest« – das verdammte Tier wirft Topf und Schüsseln um!

Vater: Ja.

Mutter (lesend) : »Ich bitte etc.« – Amen. – Ja, da sitzt Tobs und schnarcht! Nicht einmal sein Abendgebet kann man ordentlich verrichten; wenn der Bube noch hingegangen wäre und das Aas weggejagt hätte! – Aber so ist's! Wenn der Vater nichts taugt, so kann der Sohn nicht viel mehr wert sein.

Vater (gähnend) : – wohl möglich!

Mutter: Ja, ich weiß nicht, wozu einem der Junge nütze ist. Am Tage ist er im Wege, und des Abends schläft er, wenn er noch was tun könnte.

Vater: Hm! er muß bald aus dem Hause.

Mutter: Aus dem Hause? – Warum denn das?

Vater: Je nu! – viel größer wird er nicht werden.

Mutter: Du träumst oder bist nicht gescheut! – (seine Stimme nachahmend) »viel größer wird er nicht werden« – Warum soll er denn deswegen aus dem Hause?

Vater: Nu, siehst du? – und so! – Er soll ein Soldat werden.

Mutter: Ein Soldat! – Gott vergebe mir meine Sünde! – wenn er nichts Gescheuters werden soll!

Vater: Was hat denn ein Soldat für Not? und so! – Wenn er einmal Unteroffizier wird – viel braucht er nicht gelernt zu haben – lesen und schreiben lernt sich noch wohl – und so!

Mutter: Er soll nun kein Soldat werden, und wenn ich meinen Kopf einbüßen müßte! – Ein Soldat! – Gott vergebe mir meine Sünde! Eher wollte ich ihn mit der großen Holzaxt auf den Kopf hauen.

Vater: Meinethalben! und so! – mag er was anders werden.

Mutter: In alle Ewigkeit kein Soldat!

Vater (gähnend) : – – –

Mutter: So lange ich lebe, gewiß nicht!

Vater (gähnend) : – – –

Mutter: Und wenn er gleich General werden könnte!

Vater: Nein, er soll's nicht werden.

Mutter: Nein, daraus wird nichts, so wahr ich seine Mutter bin!

Vater: Es mag auf dich ankommen. – Wie du willst – und so!

Mutter: Das muß er werden!

Vater: Was denn?

Mutter: Er muß stoddieren und ein Pfarr werden.

Vater: Auch das.

Mutter: Siehst du, mein Mizchen? Da geb ich ihm meinen schwarzen Rock – du weißt ja wohl! – den großen, den ich so nicht gern anziehe – er ist so lang, man sieht nicht so viel als ein Nagelkopf von den Füßen – die Leute könnten gar denken – Gott vergebe mir meine Sünde! – ich hätte Pferdefüße wie der Teufel, wenn ich so einen langen Rock trüge. – Sie sahen drum verzweifelt auf mich, als ich ihn vor zwei Jahren den ersten Pfingsttag anhatte. – In meinem Leben trag ich ihn nicht mehr!

Vater: Er ist von meiner Großmutter – die trug ihn sehr gern. Da ich noch ...

Mutter: Mag sie doch! Ihre Zeiten und unsre! das ist ein Unterschied. – Nein, ich trag ihn nicht, und da er so lang ist, so muß ein recht hübsches Mannskleid daraus werden. Du gibst ihm die lange seidne Weste dazu, die du vom gnädigen Herrn gekriegt hast.

Vater: Ja, sie ist aus der Erbschaft von seines Vaters Unkel seligen Andenkens – und so.

Mutter: Es ist die lange, die oben neben meinem grünen Taffetrocke hängt. – So hat doch Tobs ein hübsches, schwarzes Kleid, daß er sich wie ein Pfarr kann sehen lassen.

Vater: Da muß er aber auch in die Schule gehen. Das wird viel kosten.

Mutter: Der liebe Gott wird ihm schon forthelfen. – Was fehlt denn unserm Pfarr? – Hernach kann er uns zu sich nehmen – und wenn mein Sohn ein Pfarr ist, so wüßte ich nicht, warum ich nicht auch solche Hauben tragen könnte wie unsre Fr. Pfarrin – und solche Kleider. – Hast du denn die gesehn, die sie gestern in der Kirche aufhatte?

Vater: Hatte sie eine auf?

Mutter: Ach, eine gar kostbare! – Die gnädige Frau rümpfte auch das Maul nicht wenig darüber. Die ganze Kirche durch hat sie kein Auge von ihr verwandt. – Sie ist ihr nicht gut, weil sie sich so putzt. – Da sie unsers Tobs seine Pate ist, die gnädige Frau, so könnte sie wohl ein übriges tun –

Vater: Ach, das geizige – und so!

Mutter: Nein, das sage mir nicht, daß die gnädige Frau geizig ist! Sie hat neulich ihrem Herrn eine Dose für 25 Taler zum Geburtstage geschenkt.

Vater: Ja, aber wenn sie an einen armen Schelm was wenden soll –

Mutter: Das wird sie wohl tun. – Sie muß ja noch hübsche Kleider von ihrem seligen Papa haben und auch wohl Perücken.

Vater: Ach wenn's beim Studieren auf weiter nichts ankäme – und so!

Mutter: Was braucht er denn weiter? – Wenn ihm eine Pfarr bescheret wird, so kann er uns ja alle glücklich machen.

Vater: Ach, ich habe gar keine Lust dazu. Meiner Mutter Bruder ist Fourier bei dem -schen Regimente; der könnte ihm viel eher forthelfen, wenn er Soldat würde – und so.

Mutter: Mit deinem Soldaten! Das soll er nun mit aller Gewalt nicht werden.

Vater: Es wäre aber besser für ihn.

Mutter: Das ist nicht wahr. Ein Pfarr ist doch mehr als ein elender Soldat.

Vater: Je ja, wenn er aber ...

Mutter (nachahmend) : »Je ja, wenn er aber« – es soll nun nach meinem Willen gehn, und morgen des Tages will ich ihn nach –sen auf die Schule bringen, und wenn du nicht mit ihm gehest, so geh ich mit ihm und bringe ihn selber hin, und das soll geschehn – und wenn sich der Papst dagegensetzte. – Ein Soldat! das wäre was! etc. etc.

 

So brummte und zankte sie, mit der schrecklichsten Ergießung ihrer Galle, noch lange fort, ohne zu merken, daß ihr der Mann gleich bei der ersten Anwandlung ihrer Disputationshitze ins Bette entwischt war. – Aber dafür wurde er auch gestraft! Die ganze Nacht kehrte sie ihm den Rücken zu.


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