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Im Hühnerhof war große Gesellschaft. Von überall her waren die Hühner und Enten eingeladen. Zu einem Gericht frischer Maikäfer hieß es, in Wahrheit aber um die neue Nachbarin in Augenschein zu nehmen. Es ging das Gerücht in der Gegend, daß sie eine Andalusierin sei. Und das mußte wahr sein, denn tief schwarz war das Gefieder, und blau die Bäcklein, wirklich blau. Andere Spanier, Minorka zum Beispiel, hatte man ja auch schon gesehen, aber Andalusier noch nie.
Die Fremde benahm sich wirklich nett. Sie begrüßte jede der Hennen einzeln, und nur ganz kurz den Hahn.
Sie beantwortete sämtliche Fragen mit »Ja« oder »Nein«. Selber fragte sie nichts.
Nur bei den Hennen, die Junge hatten, forschte sie eifrig, ob alle die Kleinen gesund seien, und fügte hinzu, daß sie selten so hübsche Jungen gesehen habe.
Diese weise Frage hatte sie von ihrer Großmutter.
»Kücken,« hatte die gesagt; »du gehst nun in die weite Welt. Klug bist du nicht. Also gibt es für dich nur zweierlei zu beobachten: Begegnet dir ein Hahn, so sei schweigsam, und begegnet dir ein Huhn, so lobe seine Jungen. Beide werden deine Klugheit preisen.«
Die einzige Klugheit des spanischen Kückens war aber die, daß es seiner Großmutter gehorchte. Und auch diese Klugheit verdankte es nur seiner Dummheit. Es fiel ihm leichter zu gehorchen, als selbst zu denken.
Der Rat des alten spanischen Huhnes bewährte sich.
»Es ist wirklich eine gescheite Henne,« sagten die mütterlichen Hühner.
»Das ist sie,« bestätigte der Hahn und fügte anzüglich hinzu: »Wenigstens gackelt sie nicht den ganzen Tag wie gewisse andre. Sie muß klug sein.«
Nun war die Parole ausgegeben. Die kluge Spanierin wurde sie überall genannt.
»Sie kann reizend zuhören,« sagten die guten, schwatzhaften Hühner und merkten nie, daß die Fremde bei ihren Erzählungen die Augen geschlossen hatte und träumte.
»Und so bescheiden ist sie,« sagte die alte Ente. Sie konnte es nicht leiden, wenn ihr jemand widersprach, ganz besonders wenn es junge Leute waren. Die Jungen hatten »Ja« zu antworten, und damit basta.
Und »Ja« antwortete die Spanierin immer, warum hätte sie »Nein« sagen sollen? Es war ihr ja ganz gleichgültig, was die Alte da behauptete.
Der Hahn aber liebte seine schwarze Andalusierin sehr. Sie bewunderte ihn schweigend. Mit kindlichen, runden Augen sah sie zu ihm auf. Sie schwieg, wenn die anderen gackelten. Sie lief immer dicht hinter dem Hahn und ging nie eigene Wege. Auch hatte sie nie eine eigene Meinung.
Später hatte die Spanierin Junge. Reizende, schwarze, kleine Geschöpfe. Sie hütete und fütterte sie und lief nie von ihrer Seite. Das tut ein Huhn aus Instinkt, dazu braucht es keinen Verstand.
Als sie aufwuchsen, gab es freilich Hindernisse.
»Was muß ich tun, um in der Welt fortzukommen?« fragte einer der jungen Gockel.
»Du mußt ›ja‹ und ›nein‹ sagen und die Kücken der Hennen loben,« sagte das Huhn. »Das hat mich meine Großmutter gelehrt, und ich bin gut damit ausgekommen.«
Das Huhn sah nicht, daß hinter dem Zaun eine schöne, bunte Katze saß, mit feurigen, gelben Augen, die das Gockelchen unverwandt anstarrte. Es lief auf sie zu. Die Katze packte es und trug es im Maul davon.
»Was muß ich tun, um in der Welt fortzukommen?« fragte auch eines der jungen Hühnchen.
»Du mußt dem Gockel gefallen, das hat schon meine Großmutter mich gelehrt,« sagte das spanische Huhn und warnte das Hühnchen nicht vor dem Habicht, der mit gierigen Augen über dem Hühnerhof kreiste. Er schoß herab und packte das Hühnchen mit seinen scharfen Krallen.
Auch die andern Kücken kamen gelaufen.
»Was ist das Schönste in der Welt?« fragten sie.
»Das Schlafen,« sagte die Andalusierin und schloß ihre Augen. Die Kücken schlossen auch ihre Augen.
Sie sagten des ganze Leben »ja« und »nein«. Sie fraßen und schliefen.
Als das spanische Huhn starb, hielt der Hahn die Grabrede. Er nannte die Andalusierin die Klügste des Hühnerhofes.
»Des Hühnerhofes,« nickte klappernd der Storch und flog davon.