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17. Kapitel
Dr. Kemps Gast

Dr. Kemp hatte in seinem Studierzimmer weitergeschrieben, bis die Schüsse ihn aufscheuchten. Krack, krack, krack, kamen sie, einer nach dem andern.

»Hallo!« sagte Dr. Kemp, steckte den Federhalter wieder in den Mund und horchte. »Wer schießt denn in Burdock Revolver los? Was machen diese Esel schon wieder?«

Er ging zum Südfenster, stieß es auf und blickte, sich weit hinauslehnend, auf die schimmernden Linien erleuchteter Fenster und Kaufläden und die Gaslaternen, deren Reihen durch die dunklen Dächer und Höfe unterbrochen wurde: das Nachtbild der Stadt. »Es sieht aus wie ein Zusammenlauf bei den ›lustigen Cricketern‹ unten,« sagte er. Dann wanderte sein Auge weit über die Stadt, bis dorthin, wo die Schiffslaternen glänzten und der Landungsplatz in hellem Licht erstrahlte. Über dem westlich gelegenen Hügel stand der Mond in seinem ersten Viertel und die Sterne schienen klar und funkelten in fast südlichem Glanze.

Nach fünf Minuten, während welcher sein Geist in die Betrachtung der sozialen Verhältnisse der Zukunft versunken war und sich in der Unendlichkeit der Zeit verloren hatte, ermannte sich Dr. Kemp mit einem Seufzer, schloß das Fenster und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück.

Es muß ungefähr eine Stunde später gewesen sein, als die Hausglocke ertönte. Seit er die Schüsse vernommen hatte, hatte er ganz zerstreut gearbeitet und war nicht recht bei der Sache. Er lauschte, hörte das Mädchen die Haustür öffnen und wartete darauf, ihre Schritte auf der Treppe zu hören; aber sie kam nicht. »Was das gewesen sein mag?« sagte Dr. Kemp.

Er versuchte, seine Arbeit wieder aufzunehmen, doch gelang ihm dies nicht; er erhob sich, ging auf den Flur hinunter, läutete und rief dem Hausmädchen, das in der Vorhalle unten erschien, über das Treppengeländer zu: »War das ein Brief?«

»Nur ein blindes Läuten, Herr!« erwiderte sie.

»Ich komme heute abend nicht zur Ruhe,« sagte er zu sich selbst. Dann kehrte er in sein Studierzimmer zurück und machte sich entschlossen an seine Arbeit.

Kurze Zeit darauf war er wieder in sein Werk vertieft und das einzige Geräusch, das man im Zimmer vernahm, war das Ticken der Uhr und das leise Kratzen der Feder, die er gerade im Mittelpunkt des Lichtkreises, den die Lampe auf den Schreibtisch warf, über das Papier eilen ließ.

Es wurde zwei Uhr, bevor Dr. Kemp seine Arbeit beendet hatte. Dann erhob er sich gähnend und ging in das obere Stockwerk, um sich zu Bette zu begeben. Er hatte Rock und Weste bereits abgelegt, als er Durst verspürte, So nahm er ein Licht und ging in die Speisekammer hinunter, um Sodawasser und Whisky zu holen.

Infolge seiner wissenschaftlichen Untersuchungen war Dr. Kemp gewöhnt, alles aufmerksam zu betrachten. Als er durch die Vorhalle zurückging, bemerkte er in der Nähe der Fußmatte einen dunklen Fleck auf dem Linoleumteppich. Er ging weiter, empfand aber plötzlich das Verlangen, den Fleck auf dem Linoleum zu untersuchen. Augenscheinlich trieb ihn etwas Unbewußtes. Wie dem auch sei, er kehrte um und ging nochmals in die Halle. Hier stellte er Sodawasser und Whisky nieder, beugte sich zur Erde und berührte den Fleck. Ohne besonders betroffen zu sein, fand er, daß derselbe, nach Farbe und Klebrigkeit zu schließen, von geronnenem Blut herrührte.

Er nahm die Flaschen wieder an sich und stieg die Treppe hinauf; dabei blickte er umher und suchte die Ursache des Blutfleckes zu erforschen. Im Treppenhaus sah er etwas und blieb erstaunt stehen. Die Klinke der Schlafzimmertür war mit Blut befleckt.

Er blickte auf seine Hand. Sie war ganz rein, und dann erinnerte er sich, daß die Tür des Schlafzimmers offengestanden hatte, als er aus seinem Studierzimmer heruntergekommen war; folglich hatte er die Klinke gar nicht berührt. Er ging geradeswegs in den Schlafraum; sein Gesicht erschien ganz ruhig – vielleicht ein wenig entschlossener als gewöhnlich. Die Blicke, die er durch das Zimmer schweifen ließ, trafen auch das Bett. Auf dem Teppich davor gewahrte er eine Blutlache, das Bettuch selbst war zerrissen. Als er vorher das Zimmer betreten hatte, hatte er dies nicht bemerkt, weil er direkt zum Toilettentisch gegangen war. Auf der gegenüberliegenden Seite war das Bettzeug niedergedrückt, als ob jemand vor kurzem dort gesessen hätte.

Dann hatte er eine sonderbare Empfindung, als ob eine Stimme leise sagte: »Großer Gott! – Kemp!« Aber Dr. Kemp glaubte nicht an geheimnisvolle Stimmen.

Er starrte auf das zerwühlte Leintuch. War es wirklich eine Stimme gewesen? Wieder blickte er im Zimmer umher, aber, außer einem Blutfleck im Bett bemerkte er nichts Auffallendes weiter. Dann hörte er ganz deutlich eine Bewegung in der Nähe des Waschtisches. Alle Menschen, selbst hochgebildete, haben bisweilen abergläubische Regungen. Ein Gefühl wie Geisterfurcht überkam ihn. Er schloß die Tür des Zimmers, ging zum Nachttisch und stellte die Flaschen nieder. Plötzlich bemerkte er, zusammenfahrend, einen blutbefleckten Leinwandfetzen zwischen sich und dem Waschtisch mitten in der Luft schweben.

Bestürzt starrte er darauf hin. Es war ein leerer Verband – ein richtig geknüpfter, aber ganz leerer Verband. Er wollte einen Schritt vorwärts tun, um ihn zu ergreifen, aber eine Berührung hielt ihn zurück sowie eine Stimme, die dicht neben ihm sprach.

»Kemp!« sagte die Stimme.

»Eh?« fragte Kemp mit offenem Munde.

»Bleiben Sie ruhig,« ertönte die Stimme. »Ich bin ein unsichtbarer Mensch.«

Eine Zeitlang antwortete Kemp nicht, sondern fuhr fort, den Verband anzustarren. »Ein unsichtbarer Mensch?« fragte er endlich langsam.

»Ich bin ein unsichtbarer Mensch,« wiederholte die Stimme.

Kemp fiel es ein, wie er noch am Morgen mit großem Eifer darauf bedacht gewesen war, die ganze Geschichte von einem unsichtbaren Menschen ins Lächerliche zu ziehen. In jenem Augenblick scheint er aber weder sehr erschrocken noch besonders überrascht gewesen zu sein. Das Bewußtsein des Wunderbaren kam erst später über ihn.

»Ich hielt alles für Lüge,« sagte er. Dabei wiederholte er ununterbrochen in seinem Geiste alle Gründe, aus denen er bei sich selbst das Gerücht als eine Ungeheuerlichkeit zurückgewiesen hatte. »Haben Sie sich einen Verband angelegt?« fragte er.

»Ja,« erwiderte der Unsichtbare.

»Oh,« sagte Kemp. Dann ermannte er sich. »Aber das ist ja Unsinn. Ein Taschenspielerkunststück.« Er trat plötzlich vor, und seine Hand, die er in der Richtung des Verbandes ausstreckte, stieß auf unsichtbare Finger.

Er wich bei der Berührung zurück und wechselte die Farbe.

»Nehmen Sie sich zusammen, Kemp, um Gottes willen! Ich brauche dringend Hilfe. Bleiben Sie stehen!«

Die Hand umklammerte seinen Arm. Er schlug danach. »Kemp!« rief die Stimme. »Kemp, nehmen Sie sich zusammen!« und der Griff wurde fester.

Ein wahnsinniges Verlangen, sich zu befreien, durchzuckte Kemp. Die Hand des verbundenen Armes packte ihn an der Schulter; er wurde um den Leib gefaßt und rückwärts auf das Bett geschleudert. Schon öffnete er den Mund und wollte um Hilfe rufen, als ihm der Zipfel des Leintuches in den Mund gestopft wurde. Der Unsichtbare hielt ihn mit eiserner Kraft nieder. Nur die Arme hatte er frei, und mit diesen stieß und schlug er herum, so gut er konnte.

»Wollen Sie vernünftig zuhören?« fragte der Unsichtbare und hielt Kemp, trotz eines Rippenstoßes, den er von ihm erhielt, fest. »Beim Himmel, noch eine Minute und Sie bringen mich zur Raserei!«

»Liegen Sie still, Sie Narr!« brüllte der Unsichtbare Kemp ins Ohr.

Kemp wehrte sich noch einen Augenblick, dann blieb er still liegen.

»Wenn Sie schreien, zerschlage ich Ihnen das Gesicht,« sagte der Unsichtbare, den Knebel entfernend. »Ich bin ein unsichtbarer Mensch. Das ist weder Tollheit noch Zauberei. Ich bin wirklich ein unsichtbarer Mensch. Und ich brauche Ihre Hilfe. Ich habe nicht die Absicht, Ihnen wehe zu tun, wenn Sie sich aber wie ein Bauerntölpel gebärden, kann ich mir nicht helfen. Erinnern Sie sich meiner nicht, Kemp? Griffin, Ihr Kollege an der Universität.«

»Lassen Sie mich aufstehen,« bat Kemp. »Ich werde bleiben, wo ich bin. Und lassen Sie mich eine Minute lang ruhig denken.«

Er setzte sich auf und befühlte seinen Hals.

»Ich bin Griffin, von der Universität, und ich habe mich unsichtbar gemacht. Ich bin ein ganz gewöhnlicher Mensch – den Sie selbst gekannt haben – der sich unsichtbar gemacht hat.«

»Griffin?« fragte Kemp.

»Griffin,« antwortete die Stimme. »Ein jüngerer Kollege von Ihnen, fast ein Albino, sechs Fuß hoch, breit in den Schultern – mit einem rosigen und weißen Teint und roten Augen – der den Preis für Chemie gewann.«

»Ich bin ganz verwirrt,« sagte Kemp. »Mein Kopf geht auseinander. Was hat das alles mit Griffin zu tun?«

»Ich bin Griffin.«

Kemp dachte nach. »Es ist schrecklich,« sagte er. »Aber welche Teufelei kann einen Menschen unsichtbar machen?«

»Es ist keine Teufelei. Es ist ein ganz einfacher und leichtverständlicher chemischer Prozeß – –«

»Es ist entsetzlich!« sagte Kemp. »Wie war es nur möglich – –?«

»Es ist wirklich entsetzlich. Aber ich bin verwundet, habe Schmerzen und bin müde. – Großer Gott! Kemp, Sie sind ein Mann. Fassen Sie sich. Geben Sie mir etwas zu essen und zu trinken und lassen Sie mich hier sitzen.«

Kemp blickte starr auf den Verband, der sich durch das Zimmer bewegte, und sah einen Korbsessel von dem andern Ende des Zimmers an sein Bett kommen und dort stehenbleiben. Der Sitz krachte und senkte sich um einen Viertelzoll. Kemp rieb sich die Augen und befühlte seinen Hals abermals. »Das übertrifft Geisterspuk,« sagte er und lachte albern vor sich hin.

»So ist's schon besser. Dem Himmel sei Dank, Sie kommen zur Vernunft.«

»Oder ich werde verrückt,« erwiderte Kemp und rieb sich die Augen.

»Geben Sie mir etwas Whisky, ich bin halbtot.«

»Den Eindruck hatte ich nicht. Wo sind Sie? Werde ich nicht in Sie hineinrennen, wenn ich aufstehe? Ja! Schon gut. Whisky. – Da ist ein Glas. Wohin soll ich es Ihnen geben?«

Der Stuhl krachte und Kemp fühlte, wie das Glas seiner Hand entzogen wurde. Er ließ es nur mit Überwindung los; sein Instinkt sträubte sich dagegen. Zwanzig Zoll über dem Stuhl blieb es in der Luft schweben. Unendlich verwirrt starrte er es an.

»Das ist – das muß Hypnotismus sein. Sie müssen mir suggeriert haben, daß Sie unsichtbar sind.«

»Unsinn!« sagte die Stimme.

»Das ist heller Wahnsinn!«

»Hören Sie mich an.«

»Ich habe heute früh überzeugend dargetan,« begann Kemp, »daß Unsichtbarkeit – –«

»Kümmern Sie sich nicht um das, was Sie dargetan haben!« sagte die Stimme. »Ich bin halb verhungert und fühle die Kälte der Nacht sehr, da ich keine Kleider anhabe.«

»Sie wollen etwas zu essen?« fragte Kemp.

Das Glas Whisky neigte sich von selbst. »Ja,« sagte der Unsichtbare, es niederstellend. »Haben Sie einen Schlafrock?«

Mit einem halblauten Ausruf ging Kemp auf einen Schrank zu und nahm einen dunkelroten Schlafrock heraus. »Genügt Ihnen dieser?« fragte er. Er wurde ihm weggenommen. Einen Augenblick hing das Kleidungsstück schlaff in der Luft, flatterte geheimnisvoll auf, dann stand es rund und ausgefüllt vor ihm, knöpfte sich zu und nahm auf einem Stuhl Platz.

»Unterhosen, Socken, Schuhe wären eine Wohltat für mich,« sagte der Unsichtbare kurz. »Und etwas zu essen.«

»Soviel Sie wollen. Aber das ist das Tollste, was ich je erlebt habe!«

Er zog die verlangten Kleidungsstücke aus den Schubladen hervor und ging dann hinunter, um seine Speisekammer zu plündern. Er kam mit einigen kalten Koteletts und etwas Brot zurück, schob einen leichten Tisch heran und forderte seinen Gast auf, zuzugreifen.

»Messer sind unnötig,« sagte dieser; ein Kotelett hing in der Luft und man hörte kauen.

»Ich habe immer gern etwas an, bevor ich esse,« sagte der Unsichtbare mit vollem Munde, gierig essend. »Eine seltsame Laune.«

»Ihr Gelenk ist doch gut verbunden?« fragte Kemp. »Darüber können Sie ruhig sein,« versetzte der Unsichtbare.

»Von allem, was merkwürdig und wunderbar ist – –«

»Ja, ja. Aber es ist komisch, daß ich in Ihrem Hause nach einem Verband suchen mußte. Mein allererster Glücksfall! Jedenfalls hatte ich die Absicht, heute nacht in diesem Hause zu schlafen. Sie müssen sich das schon gefallen lassen! Höchst unangenehm, daß mein Blut sichtbar ist, nicht wahr? Dort drüben ist eine ganze Lache. Wenn es gerinnt, wird es sichtbar, wie ich sehe. Ich habe nur das lebendige Zellengewebe verändert, und nur solange Leben in mir ist – – – Ich bin seit drei Stunden im Hause.«

»Aber, wie bewirkten Sie das?« begann Kemp in dem Tone der Verzweiflung. »Zum Teufel! Die ganze Geschichte ist widersinnig – von Anfang bis zu Ende.«

»Sie ist ganz erklärlich,« erwiderte der Unsichtbare. »Vollkommen erklärlich!«

Er beugte sich vor und griff nach der Flasche. Kemp starrte auf den sich bewegenden Schlafrock. Ein Lichtstrahl von der Kerze, der durch einen Riß in der rechten Schulter drang, zeigte einen dreieckigen Lichtfleck an der Stelle, wo die linken Rippen hätten sein sollen.

»Was waren das für Schüsse?« fragte er. »Wie begann das Schießen?«

»Es ist da ein Narr von einem Menschen – eine Art Verbündeter von mir, Gott verdamm' ihn! – der mein Geld zu stehlen versuchte. Er hat es auch gestohlen!«

»Ist er auch unsichtbar?«

»Nein.«

»Nein, und?«

»Kann ich nicht noch etwas zu essen haben, bevor ich Ihnen alles das erzähle? Ich bin hungrig und habe Schmerzen. Und Sie verlangen, daß ich Ihnen Geschichten erzähle!«

Kemp stand auf. »Sie haben nicht geschossen?« fragte er.

»Ich nicht,« erwiderte der Gast. »Irgendein Narr, den ich meiner Lebtag nicht gesehen habe, feuerte aufs Geratewohl. Ein paar von ihnen, Gott verdamme sie, habe ich ordentlich gezeichnet. – Ich muß noch mehr zu essen haben, Kemp.«

»Ich will sehen, ob ich unten noch etwas finde,« sagte Kemp. »Es wird nicht viel sein, fürchte ich.«

Als der Unsichtbare gegessen hatte – und er hielt eine tüchtige Mahlzeit – verlangte er eine Zigarre. Noch bevor Kemp ein Messer finden konnte, hatte er ungeduldig die Spitze abgebissen und fluchte, als das äußere Deckblatt sich loslöste.

Es war seltsam, ihn rauchen zu sehen: Mund und Kehle, Nase und Schlund wurden als eine Art rauchender Schornstein sichtbar.

»Rauchen ist eine Gottesgabe,« sagte er, dichte Rauchwolken ausstoßend. »Es war ein Glück für mich, daß ich gerade auf Sie stieß, Kemp. Sie müssen mir helfen! Wie sonderbar, daß ich gerade zu Ihnen kam! Ich bin in einer verteufelten Klemme – rein verrückt war ich – glaube ich. Was ich durchgemacht habe! Aber wir werden noch Großes vollbringen, sage ich Ihnen.«

Er nahm noch mehr Whisky und Soda. Kemp erhob sich, blickte sich um und holte sich ein Glas aus dem Nebenzimmer.

»Es ist rein unfaßbar – aber trinken möchte ich deshalb doch.«

»Sie haben sich in den letzten zwölf Jahren nicht sehr verändert, Kemp. Blonde Leute bleiben sich immer gleich. Kühl und methodisch. – Ich sage Ihnen, wir werden zusammen arbeiten!«

»Aber wie ist das alles gekommen?« fragte Kemp, »und wie haben Sie's angefangen?«

»Lassen Sie mich um Gottes willen ein Weilchen in Frieden rauchen, dann will ich erzählen.«

Aber die Geschichte wurde an jenem Abend nicht mehr erzählt. Das Armgelenk bereitete dem Unsichtbaren arge Schmerzen. Er fieberte und begann über seine Jagd den Hügel hinab und den Kampf im Wirtshaus nachzubrüten. Er fing seine Erzählung an, um gleich wieder abzuschweifen. In abgerissenen Sätzen sprach er von Marvel; er rauchte immer schneller und seine Stimme wurde immer zorniger. Kemp suchte aus seinen Worten aufzufangen, soviel er konnte.

»Er fürchtete sich vor mir – ich sah, daß er sich vor mir fürchtete,« wiederholte der Unsichtbare immer wieder. »Er wollte mir entwischen – er dachte nur immer an Flucht. Welch ein Narr ich war!

Der Hund!

Ich war wütend. Ich hätte ihn töten sollen – –«

»Woher nahmen Sie das Geld?« fragte Kemp plötzlich.

Der Unsichtbare schwieg eine geraume Zeit. »Ich kann es Ihnen heute nicht sagen.«

Er stöhnte plötzlich auf und lehnte sich nach vorn, sein unsichtbares Haupt in unsichtbare Hände stützend.

»Kemp,« sagte er, »ich habe seit drei Tagen nicht geschlafen – kaum eine Stunde hie und da genickt. Ich muß schlafen, und das bald.«

»Gut, Sie können mein Zimmer haben – dieses Zimmer.«

»Aber wie kann ich schlafen? Wenn ich schlafe, entwischt er mir. Bah! Was liegt daran?«

»Was ist es mit Ihrer Schußwunde?« fragte Kemp.

»Nichts. Eine blutige Schramme. O Gott! Wie ich mich nach Schlaf sehne!«

»Warum legen Sie sich nicht nieder?«

Der Unsichtbare schien Kemp zu beobachten. »Weil ich einen besonderen Widerwillen dagegen habe, mich von meinen Mitmenschen fangen zu lassen,« sagte er langsam.

Kemp fuhr in die Höhe.

»Narr, der ich bin!« sagte der Unsichtbare, mit der Faust auf den Tisch schlagend. »Jetzt habe ich Sie selber auf den Gedanken gebracht.«


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