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Jetzt rauschte es ungeheuer durch die Luft: schon warf es sich nieder und zerkrachte das splitternde Gesträuch. In rasend funkelndem Raketenlicht glühte der große rettende Gott, die Mutter.
Noch federte der riesige rostrote, schwarz geströmte Pfeil ihres Leibes vom Sprung.
Die Mutter kniete vor Nahar.
Mächtig kreiste ihr gesegnetes Haupt über dem Kinde. Ein Himmel, schwarz und fahl gestreift. Es blitzte aus Urgrundtiefe. Die Tieraugen, die runden Sterne wandelten über ihr. Die alte Mutter lebte. Sie erkannte ihr Kind. Unzerstörbar leuchtete sie ihm in ihrer Herrlichkeit.
Vereinigung Tier an Tier. Flanke an Flanke geschmiegt, ein Baum in zwei Äste gegliedert.
Mitten im Toben, im weißen Dampfgewölk, im niedrig sausenden Raketenprasseln, im Gewitter ohne Regen, in der atemlosen Flucht: die selige Zuflucht. Mitten in den Netzen atmeten sie stumm aneinandergepreßt, zu gleicher Höhe getürmt. Die engen Netze durchbrachen sie nicht. Schweigend schritten die Tiger herab, zurück den Weg ihrer Flucht, Schritt für Schritt entgegen den unermüdlich stampfenden Elefantenherden.
Die Mutter öffnete den rotglosenden Rachen. Zunder fiel glimmend vom Himmel, beißender Dunst von Pulver durchwölkte den Hain.
Geblendet schloß Nahar die Augen. Sie verkroch sich in den Schatten der Mutter. Sie blieb hinter ihr, in der milden Finsternis schleppte sie sich hin.
Wild bäumte die Alte ihren schweren Hals. Sie bleckte die starrenden Zinken ihrer weißen Zähne, aus weit aufgerissenen Augen sprühte sie die heranjagende Meute an, mit immer rascherem Laufe stürmte sie ohne Schrecken mitten ins Gewühl. An den eisgrauen Bergen der ruhigen Elefanten sprang sie hoch in ihrer grellgetigerten Gestalt. Weit hinter ihr, demütigen Herzens, mit sanft ausatmender Brust zog Nahar dahin.
Braune halbnackte Menschen schwangen von ihren Pferdchen herab geflammte Messer im Kreise, aber hinter ihnen standen, Mann an Mann, hochragende Gestalten, mit silbernen schmalen Gürteln, weißen und roten Turbanen, und ihre dunklen schweren Bärte schimmerten im Fackelglanz. Feucht und weit glänzten ihre ernsten Augen neben den kleinen Lichtern der Elefanten, ihre blauen Messer krümmten sich in Bogen neben den gelben Hauern aus Elfenbein. Allen voran der weiße Fürst, von Edelsteinen umglitzert auf hohem Elefantenthron, von seinen Getreuen umgeben.
Nahars Leib scharrte am Boden, die schwere Last der Kinder drückte sie nieder, preßte sie zur Erde. Ihr Rachen geschlossen. Ihre Kehle, die blutdürstige, besänftigt. Ihre Wollust beim Jagen ermüdet. Ihr Herz lag am Boden.
Nahar folgte nicht der kampfbrüllenden, krafttobenden Mutter. Im Schatten der Winkel blieb Nahar, Kind und Mutter in einer Vereinigung. Das Haupt wandte sie weg von der furchtbar verzauberten Welt, von den Reitern und ihrem Feuer. Sie schloß die Augen, hielt den Atem an.
Vor ihr aber, in hochklirrendem Jagdruf, stürmte die Mutter voran. Mitten in die Mauer der ehernen Männer brach sie ein, erfaßte einen Mann. Wirbelnd warf sie ihn umher um ihr wild kreisendes Haupt, das unbezwingliche.
Von den eisgrauen Elefanten herab spritzten Schüsse aus dicken schwarzen Gewehren auf das feuerfarbene Muttertier. Aus ihrer breiten, weiß beflaumten Brust riß es Stücke. Blut quoll, die schwarzen Bärte der ehernen Männer zu purpurnen Fahnen zu färben. Im Hechtsprung schnellte die Alte auf, rollte im Aufschrei gellend zusammen, den Kopf an die Pranken geklammert, eine feuerfarbene Kugel durchschwebte die raketenblitzende Luft.
Aber den Menschen befreite sie nicht.
Unsichtbar in ihrer Umarmung, von allen Seiten umgeben vom glühenden Tiger, starb er heulend dahin, während die Mutter, wieder festgegründet auf ihren niedrigen Pranken, langsam den Kopf beugend, stumm ihr Blut verrauschte.
Nach dem Kinde hin wandelten langsam ihre Augen, es sanken die runden Sterne. Auf das untere Lid neigten sich die dichten Wimpern, wie von Weizenähren eine schüttere Garbe, geschnitten am Abend. Ohne Laut fiel die Mutter nieder. Unbewegt verging sie im Angesicht des Kindes.
Feige Hunde mit lechzenden Zungen, mißtönig schreiend und kläffend, jagten wild an dem Leichnam empor. In dem Blute der Mutter badeten sie ihre Pfoten bis zu den dürren Knien, dann sprangen sie weiter, schnüffelten gierig am Boden. An einer Kette gehalten, stürzten sie rasselnd nach vorne, Nahar entgegen, die sich nicht rührte.
Es winkte ihr rettend ein Ausgang. Breit öffnete sich ihr eine Gasse zwischen den eisgrauen Bergen. Die Hunde, zurückgezerrt mit aller Gewalt, bellten zornig und bissen umher, aber Nahar schritt hindurch.
Zu Füßen der Elefanten schlich sie gebückt. In kreideweißem Licht sah sie die stumpfen Nägel der Riesentiere in geraden Reihen gegliedert. Unerschütterlich wie eine Mauer, Stein an Stein, ragten ohne Zittern ihre Knie.
Hold wehte der Urwald in tiefem Sausen hinter der Mauer.
Im Schweigen der Jagd tönte der Nachtvögel immer gleiches Geraune.
Nachtschwalben schwirrten niedrig über den Weg.
Ein niedriger Käfig, gezimmert aus zinnoberfarbenem Holz, stand am Ende der Gasse. Dorthin lief Nahar schnell, in den dunkelsten Winkel schmiegte sie ihren Kopf. Glücklich, zu leben.
Krachend erhob es sich mit ihr durch die aufrauschenden Zweige. Schweigend wurde sie davongetragen. Zum erstenmal durch fremde Kraft bewegt, starrte sie, flach liegend in dem niedrigen Gelaß, nach dem Walde, dem regengrünen Tropenhain, dessen Stämme, von den Raketen goldfarben und silbrig überflammt, immer tiefer hinter ihr versanken.