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VI

Die Pranken, vier ungeheure Säulen, rankte die Mutter um den zarten, rippenstarrenden Leib der Jungen. Sich selbst vergaßen Mutter und Kind. Lange ruhten sie, aneinandergelehnt, in glücklichem Tierblick eins ins andere gespiegelt.

Im Mittag zitterte der tropische Hain. Vögel, schwirrend in schwarzgoldenem Flug, zwitscherten ihren kreischenden Laut. Durch das Dunkel des Gezweigs rann das Licht, die blendend hinabgegossene Sonne. Glimmernde Feuerflecken flackerten auf dem feuerfarben gestreiften Fell, vom Winde flüchtig verscheucht, hingezaubert um das Haupt der gelagerten Tiere. Schnell trocknete Nahars Haut, die von dem feuchten Rachen der Mutter wie von Tränen dunkel benetzt war, schnell vergingen Angst und Schrecken der blinden Zeit, ihr, die jetzt in Glut strahlte.

Kindertag des Tieres: auf dem Rücken zu liegen in Trägheit, den weiß umflaumten Bauch hinspielen lassen, von Wärme hold umströmt, die Endlosigkeit des Daseins vor sich. So schlief sie ein. Rot durchleuchtete die zischende Sonne Nahars Schlaf, die festgeschlossenen, dünnen Lider des Auges.

Jetzt hörte sie in der Ferne des Vatertieres dröhnendes Rollen, still atmete neben ihr die Mutter, über ihr, eine leichte Last, so schlief der Bruder, des holden Spiegeltieres Gestalt, den Kopf auf die plumpen dicken Tigertatzen gestützt. Im Sommer waren beide geboren. Mit zärtlicher Zunge langte Nahar nach dem Bruder. Sie fühlte seine Brust, die kärglich bewachsene, den Leib mit dem zarten Geschlecht.

Auf ihren Armen trug sie das weichgegliederte Knochenspiel, als wäre es ihr Kind.

Sommerlich gewitternde Nacht, umrauscht von neuen Güssen. Der Himmel, die düstere, niedrige Decke, war gepeitscht von Blitzen. Sie schwangen sich in Kreisen, donnerdröhnend, wie das ungeheure Vatertier, das zur Nacht den Urwald im schwarzen Regen durchstreifte. Näher zuckten sie heran, stürmisch vom Gipfel herabzustürzen. Über die Kuppel der schützenden Weide schüttete der finstere Himmel in Flammenströmen, in Feuerhörnern blau blendendes Licht. Aber in der Ferne, am Saume des Waldes wanderte er unermüdet, der Vater, der ewige Wächter, rings um den Frieden seiner schlafenden Kinder: ohne Schlaf, in leisem Verrauschen, mit tastendem Schritt, in ruhigem Ruf.


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