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Zweiter Teil

I

Ratten und Pfauen jagte Nahar nicht mehr: ohne Furcht lauerte sie Gewaltigem auf.

Ein schwarzer Schatten schwankte gewaltig vor ihr durch das grüne Gebüsch. Schwerhufig brach ein Wildbüffel starrenden, glänzenden Auges mit breit vorgebeugter Brust durch das Gewirr, das um seine Keulen wogte. Blaugezackte Blüten schwebten herab neben seinem dünnbehaarten Fell, das in tiefer Schwärze spiegelte. Den Kopf hob er, in eckigen Quadern schwarz ragend.

In der großen Ruhe der Urwaldtiere atmete er aus und ein aus dunkel glänzenden Nüstern. Eingemauert in windschwankendes Grün stand er, bloß die Haut der Flanken zuckte unter dem Fliegenschwarm. Weißer Schleim wehte vor seinem Atem her, den er röhrend enthauchte.

Hinter seinem knochigen Rücken schlich Nahar dem Winde entgegen, der leise zog.

Der Büffel, zur Erde gebeugt, äste unter den Bäumen. Nach rückwärts waren in schwingendem Bogen seine mächtigen Hörner gedreht. Auf seinen Hörnern trug er das schwerlastende Laub eines Baumes, so stand das Riesentier stumm, den Wald auf seinem Haupte. Lange weidete es, mit bebuschtem Schweif schlug es nach Insekten, Libellen, nach flimmerndem Fliegengeschmeiß, aus seinem klaffenden After entließ es Unrat, dreimal entleerte es nasse Patzen gelbgrünen Kotes, dreimal klatschte es zur Erde. Jedesmal, in dreifach erneuertem Sprung, näherte sich der Tiger, in eins fiel mit dem klatschenden Laut das kaum hörbare Rauschen des anspringenden Raubtieres.

Nicht mit Furcht, mit Freude sah Nahar den gewaltigen, strotzenden, trotzenden Leib des Büffels. Wie Wasser glänzte die fast nackte Haut, an der edelsteinfunkelnd Myriaden von Fliegen summten und wippten, kaum verscheucht vom lässig schlagenden Schweif, ein aufgehobener Teppich auf dem wallenden Bauch, auf dem blutberstenden Geschlecht, das hoch über den Augen des Tigers brütete.

Nahar, kaum größer als das viereckig getürmte Ochsenhaupt, ballte sich zitternd zu Füßen des Tieres, hingeglitten wie eine lange bunte Schlange, mit kleinem Kopf, schmiegte sie ihre Brust an den taufeuchten Rasen, neben dem schwarzeisernen Huf. Geduckt, den Atem angespannt, zurück den Atem in die herrlich sich weitende Brust, zurück den Dunst ihres weiblichen Leibes, ob der Mann ihn nicht spüre, zurück noch einmal ganz und gar, zurück das jagende Raubtier, fort von den ruhig schnobernden Nüstern des ragenden Stieres, damit er sie nicht wittere, die Tigerin.

Aber nun schwang sie sich auf, aber nun flog sie ohne Mühe fort vom federnden Boden, dem Stiere entgegen: mit dem letzten Ende der Pranken erfaßte sie ihn, mit den grau geschliffenen Krallen landete sie, wie weiße Dornen sprangen ihre Zähne aus dem purpurnen Maule, breit biß sie sich ein in seine schwarzklirrende Wampe. In weiten Falten wallte nieder der Umhang des Stierhalses, hier knirschte ihr Gebiß in unbeschreiblicher Lust durch die spärlich behaarte Haut, aber das Büffelfell sank, von Löchern zerfetzt, zu Riemen zerrissen, nieder mit ihr.

Mit dem zweiten Satz faßte sie tiefer: das Fleisch, das die Kehle des Büffels seitlich in dicken Wülsten bewuchs. Jetzt erst erwachte der Stier aus panischem Schrecken, gewaltig brüllte er auf, riß sein Maul auf, das mit flachen, breiten, gelben Zähnen bewehrte. Das Haupt warf er nach hinten mit rasender Kraft, um den Tiger fortzuschleudern. Mit Wucht krampfte er es zurück, so daß die Hörner bis an den Rücken krachten, aber der Tiger, wie mit Ketten geschmiedet an die Gurgel des Stieres, flog von der Erde empor im gleichen Schwung, von Büffelkraft getragen, mit seinen Zähnen unerbittlich verbissen.

Schon zerbrachen die Zweige, blau rieselten Blüten nieder von dem windstill atmenden Baum, da begann Nahar, das Maul schon gefüllt mit Blut, in tobender Schwingung auf und nieder zu schaukeln, bloß mit den Zähnen hing sie an eiserner Schaukel, gespannt am Strange der Gurgel. Mit den Hinterpranken und dem nervigen Schweif stieß sie sich ab von dem Boden, in Kreisen schwang sie sich schneller, um das schwarze Haupt des Stieres mit sich zu rollen, auf und nieder, urkräftig es auszuwirbeln aus dem Gelenk, mit immer heißerem Schwung hob sie sich, sauste nieder und stieg, kaum noch gehindert, im freien Feld, in leerer Luft, zu tierischem Jauchzen geschwellt. Noch hielten die Zweige, noch spannten sie sich um die Hörner, jetzt wankte der Wald auf dem Haupte des Stieres, zerborsten splitterte das Holz in Trümmer, tiefer brüllte der Stier in weibischer Ohnmacht, stampfte ohne Hilfe mit den Hinterkeulen. Aber jetzt: in ungeheurem Krachen zerbarst ihm der verrenkte Halswirbel, ein Schwung noch, und jetzt stieg Nahar zur Höhe, sauste rings um den steil sich bäumenden Stier durch schattende Zweige.

Ohne Mühe getragen, fiebernd in strömendem Glück, warf sie sich dem Stier auf den breiten Nacken, ausgebreitet saß sie, mit den Pranken klammerte sie sich an den Hals an, Nahar ruhte hoch auf dem schwarzen Reitsitz.

Vor ihr, gräßlich verdreht, starrte der Kopf des Büffels nach hinten. Auf gemauert war sein Kiefer auf dem Rückgrat, die breiten gelben Zähne bissen in seinen eigenen schwarzen Nacken. Seinem eigenen Riesenkörper hatte er die matt verglasenden Augen zugewendet. Er besah jetzt sein eigenes Sterben.

Aber Nahar war selig, im Reitsitz zu ruhen auf dem weichgepolsterten Halse. Süß war ihr der schwarz zerrissene Tierblick des Wildes. Des Büffels Zunge, schon im Todeszittern ausgestreckt, gedörrt im Todesdurst, lang und flach auf dem bergigen Nacken, feucht bebte sie zwischen den Schenkeln des reitenden Tigers. Ungeheuer ragte der Kopf des Büffels aus der Bucht ihrer Scham.

Nun riß es sie hin, nun bebte sie in krampfender Wollust, mit ausgereckten Krallen sein schweres Aderngestränge zu fassen, die Zähne hineinzubohren, die kleine Krallenfaust mitten hinein in die noch hölzern verröchelnde Brust. Und nun, die Zehen auseinander, mitten in die auszischende Lunge, Wogen ringsum von quellendem Fleisch, das, wie von Ketten befreit, in ungeheuren Mengen hervorfloß.

Mit hallendem Getöse, ein zerborstenes Gewölbe, schütterte endlich der Büffel auf die bebende Erde. Summend erhob sich ein wallender Schwarm von Fliegen in unzähligen Funken.

Langsam glitt Nahar herab vom Reitsitz. Die Zunge, die noch aus dem furchtbar verrenkten Stierhaupt heraushing, streifte dem niedergleitenden Tiger den Bauch, benetzte ihm die ruhig pochende Brust, den blutgefüllten Mund. Die blutgestillte Natur war liebkost von der Zunge des Gewaltigen. Nahar selig am Leichnam der Beute.

Unter dem Haupte des toten Stieres, aufgerichtet im Rieseln des sommerfunkelnden Windes, erhob sich ein Ast, zur Höhe stieg er wieder zurück, mit blauen Blüten zauberhaft besternt, befreit von der Umschlingung der Hörner. Angeschmiegt an seinen Baum stand der Zweig still im ruhenden Himmel.


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