Gustav Weil
Tausend und eine Nacht, Vierter Band
Gustav Weil

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Zeitmond und Morgenstern.

Ein sehr reicher Kaufmann – sein Name war Abd Arrahman – hatte einen so schönen Sohn und eine so schöne Tochter, daß er ersteren Zeitmond und letztere Morgenstern nannte. Er fürchtete so sehr die List, den Neid und die Bosheit der Menschen, daß er seine Kinder bis zu ihrem vierzehnten Jahre nicht ausgehen ließ; auch nahm er keinen fremden Lehrer ins Haus, sondern unterrichtete selbst mit seiner Frau seine Kinder im Schönschreiben, Koranlesen, Mathematik und anderen Wissenschaften. Als aber Zeitmond das vierzehnte Jahr erreicht hatte, sagte seine Mutter zu Abd Arrahman: »Wie lange willst du deinen Sohn noch von der Welt trennen? Das geht wohl für ein Mädchen, aber ein Knabe muß unter Menschen leben; drum nimm ihn mit dir auf den Bazar, mache ihn mit deinen Freunden bekannt und lehre ihn den Handel. Wer weiß, ob dir nicht einmal etwas zustößt; läßt du ihn immer zu Hause eingesperrt, so wird ihn niemand als deinen Sohn anerkennen wollen, und nach deinem Tode wird sich die Regierung deine hinterlassenen Reichtümer zueignen; selbst meine Tochter möchte ich nicht länger so abgeschlossen lassen; man soll sie sehen und von ihr sprechen, vielleicht findet sich ein ebenbürtiger junger Mann, der um sie anhält.« Abd Arrahman erwiderte: »Nur meine allzu große Liebe zu meinen Kindern ist die Ursache ihrer Abgeschlossenheit; ich fürchte das böse Auge.« – »Vertraue auf Gott«, versetzte seine Gattin: »Wer unter seinem Schutze steht, hat kein Leid zu fürchten; nimm nur heute deinen Sohn mit!« Abd Arrahman ließ sich überreden und nahm seinen Sohn in einem höchst zierlichen Kleid mit auf den Bazar. Zeitmond war an diesem Tag so reizend, daß, wer ihn sah, bei ihm stehen blieb und ihn küßte. Zu Abd Arrahmans großem Ärger drängten sich immer mehr Leute zu ihm; der eine rief: »Heute ist eine neue Sonne auf dem Bazar aufgegangen;« der andere: »Heute hat sich neuer Mond gezeigt.« Abd Arrahman vermochte nichts gegen die Lobpreisungen des Volks und verwünschte nur immer seine Gattin, welche ihn beredet hatte, Zeitmond mitzunehmen.

Unter den vielen Leuten, welche Zeitmond bewunderten, war auch ein reisender Derwisch, welcher den Jüngling lange betrachtete und viele Verse rezitierte; dann näherte er sich Zeitmond und schenkte ihm einige Blumen. Abd Arrahman griff in die Tasche und gab ihm, in der Hoffnung, ihn dadurch zu entfernen, einige Drachmen; aber der Derwisch setzte sich auf den erhöhten Platz des Ladens vor Zeitmond hin, hörte nicht auf, ihn anzusehen und dabei zu seufzen und zu weinen. Alle Leute hefteten mit Erstaunen ihre Augen auf ihn; die einen riefen: »Kein Derwisch taugt etwas!« die andern: »Der Derwisch ist sterblich verliebt in den Knaben!« Abd Arrahman aber ärgerte sich so sehr darüber, daß er zu seinem Sohne sagte: »Komm, wir wollen den Laden schließen und nach Hause gehen, wir haben für heute genug gehandelt.« Dann hieß er den Derwisch aufstehen, schloß den Laden und ging nach Hause.

Aber der Derwisch folgte Abd Arrahman mit vielen Leuten bis vor seine Haustür. Da wendete er sich um und fragte ihn: »Was willst du, Derwisch, und warum weinst du so?« Er antwortete: »Ich möchte diese Nacht dein Gast sein; nimm mich auf, denn ich bin ein Gast Gottes!« – »Du bist mir willkommen!« antwortete Abd Arrahman, dachte aber bei sich: Ich werde aufpassen, und erlaubt er sich die geringste Unanständigkeit gegen meinen Sohn, so bringe ich ihn um. Er führte ihn in ein Gemach, hieß Zeitmond ihm Gesellschaft leisten, sagte ihm aber vorher: »Setze dich neben den Derwisch und scherze mit ihm; Ich werde durch die Öffnung von oben herunter zusehen und ihn töten, wenn er dir zu nahe tritt.« Der Derwisch hörte nicht auf, zu weinen und Zeitmond anzusehen, ohne ihn jedoch zu berühren, bis das Nachtessen aufgetragen wurde. Einige Zeit nach dem Essen ging Abd Arrahman weg und sagte seinem Sohn: »Schlafe du beim Derwisch, vielleicht bedarf er deiner in der Nacht.« Als aber der Derwisch für dieses Anerbieten dankte und beteuerte, er schlafe immer ganz ruhig nach dem Gebet, war Abd Arrahman überzeugt, daß er ihm durch seinen Verdacht sehr Unrecht getan.

Am folgenden Morgen bat er den Derwisch, ihm doch zu sagen, warum er seinen Sohn stets mit Tränen in, den Augen angesehen. Nach einigem Zögern begann der Derwisch: »Wisse, ich kam letzten Freitag des Morgens nach Baßrah, da fand ich alle Läden geöffnet, ohne daß sich ein Mensch sehen ließ; auch zeigte sich in keiner Straße weder eine Katze noch ein Hund; vor den Bäckerläden lag frisches Brot, in den Kaffeehäusern stand die Kaffeepfanne auf den Kohlen, und in den Trinkhäusern waren die Tische mit Sorbetten gefüllt, aber nirgends war eine lebende Seele anzutreffen. Ich aß und trank, soviel ich Lust hatte, und dachte: Sonderbar, wo sind wohl die Bewohner dieser Stadt mit ihren Hunden und ihren Katzen hingekommen? Es ist, als wäre auf einmal alles ausgestorben oder in der größten Angst entlaufen, ohne sich Zeit zu nehmen, die Läden zu schließen. Während ich so über diese wunderbare Erscheinung nachdachte, hörte ich auf einmal eine Trommel schlagen; da fürchtete ich mich und verbarg mich schnell in einem Haus, wo ich durch eine Wandritze auf die Straße sehen konnte. Ich hatte mich kaum zurückgezogen, da sah ich vierzig Paar Mädchen ganz unverschleiert vorüberziehen; dann folgte eine Dame zu Pferd, ebenfalls unverschleiert, welche so schön war, daß ich vor Liebe fast wahnsinnig wurde; das Pferd konnte kaum die Füße bewegen, so schwer war es und die Dame, die es trug, mit Gold, Silber und Edelsteinen beladen; zu ihren beiden Seiten, vor und hinter ihr ritten Mädchen mit gezogenen Schwertern, deren Griff von Smaragd war. Als die Dame mir gegenüber war, hielt sie still und sagte zu den Mädchen: Ich höre hier im Laden ein Geräusch; seht einmal nach, ob sich nicht ein Mann darin verborgen hat, um uns unverschleiert zu sehen. Die Mädchen gingen in den Laden, gerade dem Haus, in welchem ich verborgen war, gegenüber, und kamen eine Weile darauf mit einem Mann heraus, dem sie auf den Befehl der Dame den Kopf abschlugen, der auf der Straße liegen blieb. Ich fing an, für mein Leben zu zittern, doch konnte ich meinen Blick nicht von der Dame entfernen, die zu meinem Glück, ohne mich zu bemerken, vorüberzog. Als sie eine Weile vorüber war, kehrten alle Leute wieder zu ihren Geschäften zurück; ich erkundigte mich nach der schönen Dame, aber niemand konnte mir Auskunft über sie geben. So verließ ich Baßrah mit einer feurigen, hoffnungslosen Liebe im Herzen, welche durch die große Ähnlichkeit, die dein Sohn mit meiner Geliebten hat, wieder frische Tränen meinen Augen entlockte.«

Zeitmond, welcher diese Erzählung mit anhörte, beschäftigte sich so sehr mit der Dame, welche den Derwisch so entflammte, daß er die ganze Nacht nicht schlafen konnte und am folgenden Morgen seinen Vater bat, ihn gleich anderen Kaufmannssöhnen mit Waren auf Reisen zu schicken. Abd Arrahman sagte ihm: »Andere Kaufleute schicken ihre Söhne mit Waren von der Heimat weg, um mehr Geld zu gewinnen; ich bin aber so reich und genügsam, daß ich dessen nicht bedarf. Wie könnte ich übrigens die Trennung von dir ertragen, da ich keine Stunde ohne dich leben kann? Auch wäre ich wegen deiner ausgezeichneten Schönheit schon allzu sehr besorgt für dich.« Zeitmond erwiderte aber: »O Vater, ich muß einmal reisen, und wenn du mir keine Waren gibst, so entfliehe ich so.« Als Abd Arrahman dies hörte, sprach er mit seiner Gattin darüber, welche ihm sehr zuredete, Zeitmond wie andere Kaufmannssöhne reisen zu lassen. Er ließ ihm daher für neunzigtausend Dinare Waren zusammenpacken, und seine Gattin gab ihm noch vierzig Edelsteine, von denen der geringste fünfhundert Dinare wert war, mit denen er sich bald auf den Weg nach Baßrah machte.

Die ganze Reise lief glücklich ab, bis er nur noch einige Meilen weit von Baßrah war, da wurde er von einem räuberischen Beduinenstamm überfallen, die ganze Karawane wurde ausgeplündert, seine Leute wurden getötet und er selbst wurde von den Räubern für tot gehalten. Als sie sich aber mit ihrem Raub entfernt hatten, machte er sich auf und ging, Gott für seine Rettung und die Erhaltung seiner Edelsteine, welche er in einem Gürtel auf dem Leib trug, dankend, in die Stadt. Es war auch an einem Freitag, und er fand die Stadt in demselben Zustand, wie der Derwisch sie ihm beschrieben hatte; bald kam auch der Mädchenzug, welchen er aus dem Winkel eines Ladens, in welchem er sich schnell verbarg, sehen konnte, und auch seiner bemächtigte sich eine glühende Liebe zur Dame, welche zu Pferd war.

Als der Zug vorüber war und die Leute wieder auf die Straße und in ihre Läden kamen, ging Zeitmond auf den Bazar der Juweliere und verkaufte einen der vierzig Edelsteine, welche ihm seine Mutter gegeben, kaufte sich schöne Kleider, ging ins Bad und von da zu einem Barbier, um sich den Kopf rasieren zu lassen. Diesem erzählte er, wie er bei seiner Ankunft die ganze Stadt leer gefunden und bald darauf einen Zug Mädchen gesehen habe, von denen besonders eine zu Pferd wegen ihrer ausgezeichneten Schönheit einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht. »Mein Sohn«, rief der Barbier erschrocken, »hüte dich, mit irgend jemandem darüber zu sprechen, denn nicht alle Leute sind so verschwiegen wie ich; wie leicht könnte zuletzt die Dame erfahren, daß du sie unverschleiert gesehen, und dich umbringen lassen. Denn wisse, daß du der erste bist, der diesen Zug gesehen hat; die Bewohner Baßrahs ziehen sich jeden Freitag zu dieser Stunde in ihre Moscheen zurück und schließen vorher ihre Hunde und Katzen ein, so daß die Straßen ganz leer sind. Warum aber all dies geschieht, weiß ich selbst nicht; ich will einmal diesen Abend es versuchen, etwas Näheres bei meiner Frau darüber zu hören, denn sie kommt in die vornehmsten Häuser und weiß alle Stadtneuigkeiten; morgen will ich dir dann alles wieder erzählen.«

Zeitmond nahm eine Handvoll Gold aus der Tasche und gab es dem Barbier für seine Frau, dann eine zweite für ihn selbst. Als der Barbier das viele Gold sah, sagte er zu Zeitmond: »Ich will sogleich nach Hause gehen und meine Frau um Auskunft über den sonderbaren Zug der Mädchen bitten; bleibe du einstweilen hier in meinem Laden, bis ich wiederkehre.« Nach einer Weile kam der Barbier wieder zu Zeitmond und sagte ihm: »Meine Frau läßt dich grüßen und bittet dich, selbst zu ihr zu kommen; sie wird alles aufbieten, um dir in deinem Anliegen behilflich zu sein.« Zeitmond ging mit dem Barbier und wurde von dessen Gattin sehr freundlich aufgenommen. Er schenkte ihr wieder hundert Dinare und bat sie, ihm zu sagen, wer die schöne Dame war, welche hinter den vielen Sklavinnen ritt, und was überhaupt dieser ganze Zug bedeute. Da sagte sie: »Wisse, mein Sohn, der König von Indien hat dem Sultan von Baßrah eine so außerordentlich schöne Perle geschenkt, daß dieser sogleich alle Juweliere aus der Stadt kommen ließ und sie fragte, wer diese Perle durchlöchern wollte, ohne sie im mindesten zu beschädigen. Wer dies vermag, sagte der Sultan, der darf wünschen, was er will, es soll ihm nichts versagt werden; wer aber etwas daran verletzt, soll getötet werden.

»Kein einziger Juwelier wagte es, diese Arbeit unter solchen Bedingungen zu übernehmen; sie sagten daher dem Sultan: So sicher ist niemand in seiner Arbeit, als unser Vorgesetzter Abid; der allein kann ohne Gefahr eine solche Perle durchlöchern. Der Sultan ließ Abid rufen und übergab ihm die Perle, und als er sie unbeschädigt wiederbrachte, sagte ihm der Sultan: Nun, welchen Lohn erbittest du dir? – Ich werde es morgen dem Sultan sagen, antwortete Abid; ich will einmal zuerst mit meiner Gattin mich darüber beraten; denn er liebt sie so sehr, daß er nichts ohne sie tut; sie verdient auch wohl eine solche Liebe, denn sie ist die Dame zu Pferd, die dir so gut gefällt.

»Als Abid seine Gattin fragte, was er vom Sultan fordern sollte, sagte sie ihm: Da uns gar nichts fehlt, so bitte den Sultan, er soll ausrufen lassen, daß jeden Freitag zwei Stunden vor dem Gebet sich alle Bewohner der Stadt in die Moschee zurückziehen sollen, damit ich mit meinen Mädchen unverschleiert ausreiten könne; daß, wer sich aber an einem Fenster oder auf der Straße blicken lasse, meinem Schwert verfalle. Abid begab sich am folgenden Tag wieder zum Sultan und trug ihm seinen Wunsch vor, den ihm auch der König, seinem Versprechen gemäß gewährte. Da aber die Leute fürchten, Hunde und Katzen möchten ihnen ihre Waren in den offenen Läden verderben, sperren sie auch diese Tiere ein, ehe sie in die Moschee gehen. Nun weißt du«, fuhr die Gattin des Barbiers fort, »wer diese Dame ist; willst du aber mit ihr bekannt werden, so sage mir, ob du nicht etwa einige Kostbarkeiten bei dir hast.« – »O ja«, erwiderte Zeitmond, »ich habe allerlei Edelsteine bei mir, von fünfhundert bis tausend Dinaren das Stück.« – »Gut«, versetzte die Frau des Barbiers, »wenn du einige derselben zu opfern bereit bist, so kannst du zu deinem Ziel gelangen. Geh' einmal zuerst mit einem Stein, welcher fünfhundert Dinare wert ist, zu Scheich Abid, dem Obersten der Juweliere, und sagte ihm, er soll dir einen Siegelring daraus machen; du gibst ihm sogleich zwanzig Dinare Arbeitslohn und jedem seiner Gesellen einen Dinar, bleibst eine Weile bei ihm sitzen und unterhältst dich mit ihm; kommt ein Bettler, so schenke ihm einen Dinar; zeige dich überhaupt recht freigebig, damit alle Leute im Hause dich lieb gewinnen. Dann komme morgen wieder mit hundert Dinaren zu mir, da wollen wir das Weitere beraten.«

Zeitmond befolgte genau den ihm erteilten Rat, und Abid war so für ihn eingenommen, daß er den Edelstein mit nach Hause nahm, um ihn selbst nach Zeitmonds Wunsch zu schleifen. Dies tat er nur bei Arbeiten, an denen ihm sehr viel gelegen war und die er allein verrichtete, damit keiner seiner Gesellen es absehe und anderen Meistem verrate. Als er an dem Siegelring arbeitete, kam seine Frau in die Werkstätte und fragte ihn, wem dieser Ring gehöre, der eines Königs würdig wäre. »Er gehört einem fremden Kaufmannssohn«, antwortete Abid, »der ebenso schön und wohlgebildet ist, als edel und freigebig; wenn ich nicht fürchtete, dich zu beleidigen, so würde ich sagen, er ist noch tausendmal schöner als du.« Abid fuhr dann wie ein recht einfältiger Gatte, fort, Zeitmond solange zu loben, bis seine Gattin sich immer mehr zu ihm hingezogen fühlte. Als der Ring fertig war, ergriff sie ihn und legte ihn an, und da er ihr gerade paßte, sagte sie zu Abid: »Der Ring gefällt mir so gut, daß ich ihn für mich behalte, ich nehme ihn nicht mehr vom Finger.« – »Habe Geduld«, erwiderte Abid, »der Jüngling ist sehr edel, vielleicht verkauft er mir ihn, oder vielleicht hat er noch einen ähnlichen Stein, den ich dann für dich herrichte.«

Am folgenden Morgen begab sich Zeitmond zum Barbier, schenkte ihm wieder hundert Dinare und bat seine Frau um weitere Verhaltungsmaßregeln. »Wenn dir heute Abid den Ring bringt«, sagte des Barbiers Frau, »so tue, als wenn du ihn anziehen wolltest, und sagte, er sei dir zu eng; wenn er ihn dir dann erweitern will, so sage: Lasse ihn, wie er ist: schenke ihn einer deiner Sklavinnen und mache mir einen anderen aus einem besseren Stein. Du gibst ihm dann einen Edelstein, welcher siebenhundert Dinare wert ist, bezahlst ihm dreißig Dinare für den Siegelstecher voraus und schenkst jedem Arbeiter zwei Dinare. Morgen komme dann wieder mit zweihundert Dinaren zu mir, da will ich dir sagen, was du ferner zu tun hast.« Zeitmond begab sich hierauf in den Laden Abids und tat, wie ihm des Barbiers Frau geraten. Abid konnte eine solche Freigebigkeit gar nicht fassen; freudig ging er nach Hause, gab seiner Frau Zeitmonds Ring und erzählte ihr, wie edel sich Zeitmond gegen ihn benommen. »Dieser Jüngling«, fuhr er dann fort, »kann unmöglich ein Kaufmannssohn sein; er ist gewiß irgendein fremder Prinz.« Hierauf zog er dann den zweiten Stein aus der Tasche und arbeitete daran, bis der Ring fertig war. Seine Gattin zog ihn wieder an und wünschte auch diesen zu behalten; aber Abid sagte ihr: »Habe Geduld, vielleicht verkauft er mir ihn.« Am dritten Tag, als Zeitmond wieder zum Barbier mit zweihundert Dinaren kam, sagte ihm dessen Frau: »Wenn Abid dir heute den zweiten Ring bringt, so sage, er sei dir zu weit, er solle dir, um nicht wieder zu irren, das Maß nehmen; schenke ihm auch den zweiten Ring für eine seiner Sklavinnen und gib ihm einen Edelstein, welcher tausend Dinare wert ist, vierzig Dinare für den Siegelstecher und drei Dinare für jeden Arbeiter. Komme dann morgen wieder zu mir mit dreihundert Dinaren, ich werde dich bald ans Ziel führen,« Zeitmond befolgte wieder pünktlich, was ihm des Barbiers Frau geraten, Als daher Abid wieder zu seiner Gattin kam, konnte er gar nicht aufhören, seine Freigebigkeit und sein edles Benehmen zu loben; auch von seinen äußeren Reizen sprach er wieder so viel, daß seine Gattin ihm sagte: »Wenn dieser Jüngling wirklich so ist, wie du ihn schilderst, warum hast du ihn nicht auf diesen Abend eingeladen? Eine solche Ehre verdient doch wohl ein Mann, der dir zwei so kostbare Ringe schenkt? Lade ihn nur morgen ein, und wenn er es nicht annehmen will, so schwöre bei deinem Haupt und bei deinen Augen, bis er dir zu kommen verspricht.«

Zeitmond kam diese Einladung nicht unerwartet, denn schon hatte die Frau des Barbiers gesagt, daß Abid ihn wahrscheinlich einladen werden und daß er natürlich seine Einladung nicht abschlagen dürfe. Abids Gattin stand hinter ihrem Gitter, als Zeitmond zum Abendessen kam, und der Blick, den sie auf ihn warf, überzeugte sie, daß ihr Gatte in seinem Lob noch sehr bescheiden war. Als daher die, Mahlzeit vorüber war und eine Sklavin den beiden Männern Kaffee bringen sollte, mischte sie einen Schlaftrunk hinein, so daß sie gleich darauf in einen tiefen Schlaf versanken. Sie ging dann in das Gemach, in welchem die Männer waren, umarmte Zeitmond und küßte ihn so viel, daß er beim Erwachen des anderen Morgens im ganzen Gesicht rote und blaue Flecken hatte. Als er sich bei Abid darüber beklagte, sagte er ihm: »Das kommt von den Schnaken, die fallen stets die jungen, glattwangigen Gäste an, welche bei mir schlafen, bärtigen Männern wie ich aber tun sie nichts.«

Nachdem Zeitmond auch noch bei Abid gefrühstückt hatte, begab er sich zur Frau des Barbiers, welcher sogleich sein verküßtes Gesicht auffiel. Sie fragte ihn: »Nun, wie hast du die Nacht zugebracht? Bist du am Ziel deiner Wünsche? Erzähle mir doch, was du gesehenl« – »Ich habe gar nichts gesehen«, antwortete Zeitmond; »ich habe mit Abid allein zu Nacht gegessen, dann schliefen wir bis diesen Morgen.« – »Und was hast du denn an deinen Wangen und Lippen?« fragte lachend des Barbiers Frau. – »Die Schnaken haben mich so gestochen diese Nacht.« – »Und sonst ist dir gar nichts aufgefallen?« fragte sie ferner. – »O ja«, antwortete Zeitmond; »ich fand diesen Morgen einiges Spielzeug in meinen Taschen und weiß nicht, wo es herkommt.« – »Nun«, fragte die Ratgeberin, »ich will dir sagen, was das bedeutet. Deine Geliebte hat dich diese Nacht im Schlaf besucht und dir damit angedeutet, daß du noch ein Kind bist und nicht viel von Liebe verstehst, sonst würdest du nicht schlafen; drum bleibe das nächste Mal wach, denn ich bin es überzeugt, sie wird ihren Gatten bewegen, dich noch einmal einzuladen; ist dies der Fall, so komme morgen wieder zu mir mit fünfhundert Dinaren. Du bist nun deinem Ziel sehr nahe.« Die Frau des Barbiers hatte sich nicht getäuscht, denn kaum war Zeitmond aus Abids Hause weggegangen, als er zu seiner Gattin ging und ihr sagte, wie sein Gast so von Schnaken geplagt wurde, daß er sich schäme. »So geht es allen Gästen«, erwiderte sie, »welche in diesem Saal schlafen; darum lade ihn auf heute Abend wieder ein, vielleicht kann er in einem anderen Gemache besser schlafen.« Abid widersprach seiner Frau nicht, und auch diese Nacht verging wieder wie die vorige, nur daß Zeitmond diesmal beim Erwachen statt des Spielzeugs ein Messer in seiner Tasche fand. Er begab sich daher nach dem Frühstück wieder zu seiner Alten und erzählte ihr, wie die Nacht gelaufen, und wie er trotz aller seiner Anstrengung doch, sobald er den Kaffee getrunken hatte, sich nicht mehr wach halten konnte. Gott stehe dir bei«, sagte die Alte, »wenn du diesen Abend wieder eingeladen wirst und einschläfst, denn durch das Messer bedroht dich deine Geliebte mit dem Tod. Wenn dir also dein Leben teuer ist, so trinke keinen Kaffee, denn dieser scheint mit einem einschläfernden Getränk vermischt zu sein.«

Auch diesmal sagte die Frau des Juweliers zu ihrem Mann, nachdem Zeitmond sich entfernt hatte: »Es ist Sitte, einen Gast drei Tage lang zu bewirten, darum lade auch heute noch den jungen Kaufmann ein.« Der Juwelier eilte in Zeitmonds Wohnung und beschwor ihn, auch diese Nacht noch sein Gast zu sein, was er auch nicht ablehnte. Es wurde wie in den beiden ersten Nächten gespeist und gebetet; als aber nach der Mahlzeit die Sklavin den Kaffee brachte, sagte ihr Zeitmond: »Gib mir ein wenig Wasser, ich habe Durst.« Während sie aber ging, um den Wasserkrug zu holen und der Juwelier seinen Kaffee schlürfte, goß Zeitmond den seinigen aus, stellte sich aber, um seine Geliebte zu täuschen, als schliefe er, bis sie mit einem Messer auf ihn zukam. Da sprang er lachend auf und umarmte sie. »Du hast gewiß eine schlaue Ratgeberin«, sagte die Frau des Juweliers, »denn so viel List ist nicht deinem jungen Gehirn entsprungen; weiter als bis zu einer so kurzen Vereinigung reicht aber gewiß auch ihr Verstand nicht. Mir genügt aber weder eine Nacht, noch ein Monat, noch ein Jahr deiner Nähe; ich muß dich für immer besitzen, ich muß von meinem Mann geschieden werden und dir noch sein ganzes Vermögen verschaffen, folge nur meinem Rat.«

Abids Gattin sagte weiter zu Zeitmond: »Wenn mein Gatte dich wieder einladet, so danke ihm und sage, du möchtest ihn nicht länger von seinem Harem trennen, du müßtest gewiß auf diese Weise ihm und seinem Harem zur Last werden; will er häufig in deiner Gesellschaft sein, so miete er dir eine Wohnung in seiner Nähe, damit du zu jeder Stunde in der Nacht noch in dein Haus geben könntest. Überbringt mir dann mein Gatte«, fuhr die Frau fort, »deine Antwort, so rate ich ihm, unserem Nachbarn aufzukündigen und seine Wohnung dir einzuräumen, und bist du einmal unser Nachbar, so wird mir Gott schon ferner beistehen.« Nach dieser Unterredung küßten und umarmten sie sich, bis der Tag heranbrach, dann entfernte sich die Frau und die Sklavin weckte Abid, welcher sich freute, als Zeitmond ihm sagte, er sei diese Nacht nicht von Schnaken beunruhigt worden. Als des Abends Abid wieder zu Zeitmond kam, um ihn abzuholen, sagte dieser, was Abids Gattin ihm geraten, und Abid bat ihn, nur diese Nacht noch bei ihm zuzubringen, morgen wolle er ihm eine Wohnung in seiner Nähe mieten. Diese Nacht verging wieder, wie die vorige, Abid lag wie eine Leiche hingestreckt, während dessen Gattin mit Zeitmond sich aufs zärtlichste unterhielt. Am folgenden Morgen wurde dem Nachbar aufgekündet und Zeitmonds Effekten in dessen Haus gebracht. Abids Gattin ließ dann, während ihr Gatte ausgegangen war, einen geschickten Baumeister kommen und bot ihm so viel Geld, bis er sich dazu verstand, einen geheimen Gang in das nachbarliche Haus anzubringen. Sobald er vollendet war, begab sie sich zu Zeitmond, so oft ihr Gatte auf dem Bazar oder eingeschlafen war, und schleppte ihm auch nach und nach viel Geld und wertvolle Gegenstände zu. Nach einigen Tagen brachte sie ihm ein Messer, das ihr Gatte selbst verfertigt hatte und das über fünfhundert Dinare wert war, und sagte ihm: »Geh' damit auf den Bazar zu meinem Gatten, erzähle ihm, du habest dieses Messer für dreihundert Dinare gekauft und möchtest wissen, ob es nicht zu teuer ist. Fragt er dich, von wem du es gekauft hast, so sage, von einem jungen Mann, welcher dir erzählte, seine Geliebte habe es ihm geschenkt. Sobald du ihm aber das Messer gezeigt hast, gehst du damit wieder nach Hause und gibst mir es an der geheimen Tür, wo ich dich erwarten will.« Zeitmond tat, wie seine Geliebte wünschte; Abid, welcher sogleich sein Messer erkannte und es doch nicht zu sagen wagte, wurde so bestürzt, daß er Zeitmond kaum zu antworten imstande war, er hatte auch keine Ruhe mehr im Laden, sondern wollte, um jeden Zweifel zu tilgen, nach Hause gehen und sehen, ob sein Messer noch an seinem Platz sei. Aber schon war Zeitmond vor ihm zu Hause und gab seiner Gattin das Messer zurück. Als daher Abid es forderte, übergab sie es ihm und fragte ihn, was er damit wolle und warum er so angegriffen aussehe, er werde doch wohl niemanden umbringen wollen? »Zeige mir nur das Messer, ich schwöre dir, daß ich niemandem etwas damit zuleide tue.« Da holte sie das Messer aus der Kiste, er betrachtete es auf allen Seiten und rief. »Bei Gott, sonderbar«, und gab es ihr wieder zurück. Dann beschwor sie ihn, ihr zu sagen, was das bedeute; und als er ihr erzählte, was sie wohl wußte, stellte sie sich beleidigt und sagte, »Du konntest also meine Treue bezweifeln und dazu noch glauben, ich verschenke meinem Liebhaber, was dir gehört?« Abid entschuldigte sich auf alle mögliche Weise, bis sie sich wieder besänftigte. Am folgenden Tag, als er wieder auf dem Bazar war, brachte sie Zeitmond ihres Gatten Uhr, welche siebenhundert Dinare wert war, denn er hatte sie selbst mit den feinsten Steinen verziert, und sagte ihm: »Geh zu Abid und erzähle ihm, du habest von demselben jungen Mann, der dir das Messer verkauft hat, auch diese Uhr gekauft und frage ihn, ob sie nicht für fünfundachtzig Dinare zu teuer sei, dann bringe mir sie schnell wieder.« Zeitmond befolgte treulich den Befehl seiner Geliebten, und als Abid seine Uhr sah, dergleichen gar kein anderer Meister je verfertigt hatte, stiegen neue Zweifel gegen seine Gattin in ihm auf, er eilte schnell nach Hause und fragte ganz atemlos nach seiner Uhr. Seine Frau, welcher sie Zeitmond schon wieder zurückgebracht hatte, überreichte sie ihm und fragte, was er auf einmal damit wolle, und als er ihr gestand, daß er sie im Verdacht hatte, weil er sie bei Zeitmond gesehen, überschüttete sie ihn wieder mit Vorwürfen über sein Mißtrauen und sagte: Wäre also die Uhr oder das Messer aus unserem Haus entwendet worden, so müßte ich sie meinem Geliebten geschenkt haben? Wenn du so fortfährst, werde ich weder deine Speise, noch dein Getränk mehr mit dir teilen und dich in der Tat hassen.« Abid tat, was er konnte, um seine Gattin wieder zufriedenzustellen, und ging wieder auf den Bazar. Des Abends, als er allein nach Hause kam, fragte ihn seine Gattin, ob die Freundschaft zwischen ihm und Zeitmond schon erkaltet sei, daß er ihn nicht mitgebracht? Er antwortete: »Ich hasse ihn, weil er die Veranlassung zu meinem ungerechten Verdacht gegen dich war.« – »Hole ihn nur«, sagte seine Gattin, »du bist es meiner Ehre schuldig.« Abid ging zu Zeitmond und fiel fast in Ohnmacht, als er vieles, was ihm gehörte, in dessen Zimmer umherliegen sah; indessen wagte er es nicht, ein Wort zu sagen, und bat ihn, den Abend wieder bei ihm zuzubringen. Zeitmond mußte bei Tisch allein das Gespräch unterhalten, denn Abid war so tief ergriffen, daß er nicht viel Worte hatte. Nach dem Abendessen wurde wieder der Kaffee gebracht, worauf Abid in einen tiefen Schlaf versank, während Zeitmond die Nacht mit dessen Gattin durchwachte.

Nachdem Abids Gattin Zeitmond genug geküßt hatte, sagte sie ihm: »Morgen werde ich mich als Sklavin verkleiden, das kann ich sehr gut, denn ich war ja einst Sklavin, du führst mich dann zu Abid und sagst, du habest mich auf dem Sklavenmarkt für tausend Dinare gekauft, er möchte sehen, ob du nicht zu viel für mich gegeben. Wenn er mich unverschleiert gesehen hat, so führst du mich wieder in dein Haus, aus welchem ich mich sogleich in meine Wohnung begebe; ich will einmal sehen, wie Abid sich dabei benehmen wird; diese List führt uns am schnellsten zu unserm Ziele.« Abid wurde fast wahnsinnig, als er die Sklavin betrachtete und sie als seine Frau erkannte, und den Schmuck an ihr sah, welchen er ihr selbst geschenkt hatte, sogar seine Ringe an den Fingern hatte, die er nicht mit anderen verwechseln konnte; noch größer war seine Verzweiflung, als er sie nach ihrem Namen fragte, und sie ihren wahren Namen, Halimah, nannte. In aller Eile schloß er den Laden und ging nach Hause, um zu sehen, ob seine Gattin zu Hause sei, aber als er in seine Wohnung trat, saß sie schon wieder ruhig da mit demselben Schmuck, den er bei ihr als Sklavin gesehen. Voller Verwunderung rief er: »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen!« – »Was ist dir wieder?« fragte ihn seine schlaue Gattin, »du siehst ja aus, als hättest du den Verstand verloren.« Abid erzählte ihr, wie er geglaubt habe, sie als Zeitmonds Sklavin auf dem Bazar zu sehen. »Und warst du es nicht«, setzte er hinzu, »so hat diese Sklavin die größte Ähnlichkeit mit dir, nicht nur ihr Wuchs und Gesicht sind ganz dem deinigen gleich, sondern sie trägt auch denselben Halsschmuck und dieselben Ringe wie du.« – »Wenn du noch einigen Verdacht hast«, entgegnete Halimah, »und etwa glaubst, ich wolle dich zum besten haben, so will ich hier in meinem Zimmer bleiben, eile du zu Zeitmond: findest du dieselbe Sklavin wieder bei ihm, so hat sie eben die auffallendste Ähnlichkeit mit mir – (Gepriesen sei der, dem nichts zu vergleichen ist!) – findest du sie aber nicht bei ihm, so will ich jene Sklavin gewesen sein, die du auf dem Bazar gesehen.« Abid beteuerte zwar, er habe nicht den mindesten Verdacht mehr, ließ sich aber von Halimah überreden, sich durch einen plötzlichen Besuch bei Zeitmond noch näher von seinem Irrtum zu überzeugen. Ehe er aber zu seiner Haustür hinaus war und an der Zeitmonds klopfte, war Halimah durch den geheimen Gang schon bei diesem und benachrichtigte ihn von allem, so daß Abid wirklich an eine vollkommene Ähnlichkeit zwischen seiner Gattin und Zeitmonds Sklavin glaubte und sich bei Halimah, welche wieder vor ihm in ihr Haus zurückgekehrt war, vielmals entschuldigte. Als er hierauf wieder in seinen Laden ging, begab sich Halimah zu Zeitmond mit vier Beuteln voll Gold und sagte ihm: »Jetzt bereite alles zur Reise vor, in einigen Tagen müssen wir diese Stadt verlassen und in deine Heimat reisen, denn ich sehe, daß trotz aller Efersucht er mich doch immer mehr liebt und sich nicht scheiden laßt. Schaffe zuerst all dein Geld und deine anderen wertvollen Gegenstände fort, die ich dir gebracht; dann gehe zu meinem Gatten, melde ihm deine Abreise und frage ihn, was du für die Hausmiete schuldig bist, dann komme wieder zu mir.« Abid war sehr betrübt über Zeitmonds Abreise, und vom Augenblick an, wo er Nachricht davon erhielt, verließ er Zeitmond keinen Augenblick mehr, und stets fand er seine Gattin als Sklavin bei ihm, wenn er auch einen Augenblick vorher sie in seinem Haus gesehen hatte. Als Zeitmond alle Vorkehrungen zur Abreise getroffen hatte, sagte ihm Halimah: »Du hast nun alles, was meinem Mann gehört; es bleibt ihm nur noch eine Sklavin, die ich ihm aber auch nicht lassen will; ich werde mich daher unzufrieden mit ihr stellen und ihn nötigen, sie zu verkaufen; du kaufst sie ihm ab und wir nehmen sie auch mit, denn sie ist meine Vertraute und hat mir stets mit vieler Treue und Anhänglichkeit gedient.« Da auch diese List gelang, so wurde es der schlauen Frau möglich, mit ihrem Geliebten und ihrer Sklavin abzureisen, ohne daß ihr Gatte, der Zeitmond noch eine Strecke weit begleitete, auch nur eine Ahnung von ihrer Flucht hatte, denn als er sein Haus verließ, saß sie noch ruhig in ihrem Gemach, und schon saß sie in Zeitmonds Hof auf dem Dromedar, als Abid zu ihm kam. Erst als Abid von Zeitmond Abschied genommen hatte, um nach Hause zurückzukehren, fürchtete Halimah, er möchte, wenn er sie nicht zu Hause fände, ihr nachsetzen; darum schlug sie mit Zeitmond einen anderen Weg ein und blieb mit ihm auf unbefahrenen Straßen, bis sie die Grenzen Ägyptens erreichten. Hier schickte Zeitmond einen Boten voraus an seinen Vater, welchem er seit seiner Abreise keine Nachricht von sich gegeben hatte, und der daher ein höchst betrübtes Leben führte. Er war außer sich vor Freude, als er seines Sohnes Rückkehr vernahm, und ging ihm mit vielen Kaufleuten entgegen. Nachdem er seinen Sohn umarmt und geküßt hatte, fragte er ihn, woher er die schöne Sklavin habe, welche mit Ihm gekommen. »Sie ist keine Sklavin«, antwortete Zeitmond, »sie ist meine Geliebte, die schöne Dame, um derentwillen ich nach dem Bild, welches der Derwisch von ihr entwarf, meine Heimat verlassen.« Er erzählte ihm dann, als er allein mit ihm war, alle seine Abenteuer vom Tag seiner Abreise an und teilte ihm seinen Entschluß mit, Halimah für seine Gattin auszugeben. Da sagte Abd Arrahman: »Wenn du das tust, so werde ich dir nie mehr gut sein; bedenke, daß sie einst ebenso gegen dich verfahren kann, wie gegen ihren ersten Gatten. Sie ist eine Verräterin, und verdient daher kein Vertrauen. Gehorche mir, ich will dir eine tugendhafte Frau aus angesehener Familie verschaffen, die noch schöner sein wird, als Halimah, und mir und dir Ehre macht; es ist besser, als daß man sage: Zeitmond hat ein Mädchen aus niederer, unbekannter Familie geheiratet.«

So fuhr Abd Arrahman fort, seinen Sohn zu umarmen und ihm allerlei Verse und Anekdoten von lasterhaften Frauen zu erzählen, bis er in eine Trennung von Halimah willigte und seinem Vater erlaubte, eine andere Frau für ihn zu werben. Letzterer ließ sogleich Halimah und ihre Sklavin in ein abgelegenes Haus bringen und gestattete nur einem Schwarzen den Zugang zu ihnen, um sie mit den nötigen Lebensbedürfnissen zu versehen. Für seinen Sohn aber ließ er um die Tochter des Scheich El Islam werben, welches das schönste Mädchen ihrer Zeit war und welche ihm auch seines Ansehens und seiner Reichtümer willen nicht versagt wurde. Der Ehe-Kontrakt wurde bald geschrieben und große Festlichkeiten wurden veranstaltet. Mehrere Tage nacheinander wurde eine große Mahlzeit zubereitet, zu der zuerst die Geistlichen, dann die übrigen Gelehrten und Staatsmänner, dann die Kaufleute und zuletzt die Armen geladen waren. Unter den letztern bemerkte Zeitmond plötzlich seinen Freund Abid in einem höchst ärmlichen Aufzug. Er hatte sich nämlich auf die Reise nach Ägypten gemacht, sobald er nach Hause kam, seine Haustüre offen und seinen Schatz geleert fand und seine Frau nirgends zu sehen war. Um indessen kein Aufsehen zu machen und seinen Feinden keine Schadenfreude zu verursachen, sagte er zu dem obersten seiner Gesellen, er mache mit seiner Gattin in Gesellschaft Zeitmonds eine Vergnügungsreise, trug ihm aber, falls Fremde oder der König von Baßrah nach ihm fragen sollten, auf, ihnen zu sagen, er sei mit seiner Gattin nach Mekka gepilgert. Abid hatte aber auf der Reise dasselbe Schicksal, wie Zeitmond auf seiner Reise nach Baßrah; er wurde von Arabern angefallen und ausgeplündert. Er mußte ganz nackt bis in das nächste Dorf laufen, wo ihm einige gute Leute ein paar alte Kleider schenkten. Er reiste dann mit geschenktem Vorrat weiter von Ort zu Ort und kam so hungrig in Kahirah an, daß er auf den Straßen bettelte, bis ihn ein Kahiraner mit zur öffentlichen Tafel nahm. Sobald Zeitmond ihn bemerkte, machte er leise seinen Vater darauf aufmerksam. Dieser sagte ihm: »Der Mann ist sehr hungrig, lasse ihn vor allem sich sättigen, dann wollen wir ihn zu uns rufen lassen.« Sobald Abid gegessen und Kaffee und Sorbet getrunken und sich gewaschen hatte, ließ Zeitmond ihn zu sich kommen, umarmte ihn und weinte an seinem Hals. Aber Abd Arrahman sagte ihm: »So empfängt man keinen Freund; lasse ihn zuerst ins Bad gehen und andere Kleider anziehen, dann unterhalte dich mit ihm.« Er ließ hierauf Abid von einem seiner Diener wegführen, und nach einer Weile kehrte er wieder und sah aus wie der Oberste der Kaufleute. Zeitmond stellte ihn dann seinen Bekannten als einen alten Freund und Wohltäter vor und erzählte ihnen, daß er von Arabern ausgeplündert worden und es daher seine Pflicht sei, sich seiner anzunehmen. Als aber die Gäste sich zurückgezogen hatten und sie allein mit ihm waren, sagte ihm Abd Arrahman: »Du wirst wohl selbst einsehen, daß deine Frau viel schuldiger ist als mein Sohn, und ihm daher nicht grollen; bedenke aber auch, daß alle Männer mehr oder weniger von ihren Frauen sich gefallen lassen müssen. Ich rate dir daher, ihr zu verzeihen; schon bereut sie ihr Betragen gegen dich und wird gewiß in Zukunft dir treu sein. Was das verlorene Geld angeht, so gräme dich darüber nicht, ich will dir es gern ersetzen und auch für alles Nötige zur Reise sorgen, falls du mit ihr in deine Heimat zurückkehren willst; ziehst du es aber vor, hier bei uns zu bleiben, so wollen wir dir deinen Aufenthalt so angenehm als möglich machen. Hier hast du den Schlüssel des Hauses, in welches ich sie allein mit ihrer Sklavin eingeschlossen habe, weil ich wohl dachte, daß der Gatte einer so schönen Frau ihr bald nachfolgen würde. Gehe zu ihr, tue ihr aber nichts zuleid und versöhne dich mit ihr.« Abid nahm den Schlüssel und ging in das Haus, welches ihm Abd Arrahman bezeichnete. Dieser aber folgte ihm unbemerkt mit einem Schwert und beschloß bei sich selbst, ihn umzubringen, wenn er schwach und gemein genug sein würde, sich mit einer so schlechten Frau wieder zu versöhnen. Als Abid in das Haus seiner Gattin kam, hörte er im Vorzimmer, wie sie über Zeitmonds Verehelichung mit einer anderen laut weinte. Ihre Sklavin sagte ihr: »Warum hast du meiner Warnung kein Gehör geschenkt? Ich habe dir oft genug gesagt: Dein Verhältnis mit dem fremden Jüngling wird ein schlechtes Ende nehmen.« Darauf versetzte Halimah: »Noch gebe ich nicht alle Hoffnung auf; Zeitmond kann sich nicht immer von mir trennen, er wird schon wieder zu seiner früheren Liebe zurückkehren, so wie ich ihn niemals aus meinem Herzen verbannen werde.«

Bei diesen Worten trat Abid in ihr Zimmer und erwürgte sie; dann wendete er sich zur Sklavin und sagte ihr: »Von dir kommt alles Übel, du warst ihre Vertraute, warum hast du mich nicht von ihrem schlechten Lebenswandel in Kenntnis gesetzt? Auch du sollst sterben!« Sobald indessen Abid diese doppelte Mordtat begangen hatte, fing er an zu fürchten, Abd Arrahman möchte ihn, weil es in seinem Haus geschah, darüber zur Rede stellen. Aber dieser kam ihm freundlich entgegen und sagte ihm: »Fürchte nichts, du hast als Mann gehandelt. Hättest du deiner Frau verziehen und fortgefahren, mit ihr als Gatte zu leben, ich hätte euch alle mit eigener Hand aus der Welt geschafft! Nun sollst du aber, wenn es dir angenehm ist, zum Lohn für dein männliches Betragen meine Tochter Morgenstern zur Gattin haben; sie ist tausendmal schöner als Halimah und so tugendhaft und wohlerzogen, daß du nie etwas Schlimmes von ihr zu befürchten hast.« Abid nahm dieses Anerbieten mit Dank an und fand in der Hochzeitnacht, daß Abd Arrahman nicht zu viel von der Schönheit seiner Tochter gesagt hatte. Den Leuten aber sagte man, Abid habe zwei Sklavinnen von Baßrah mitgebracht, die bald nach ihrer Ankunft gestorben.

Nach einiger Zeit sehnte sich Abid nach seiner Heimat, wo er noch sein Geschäft und viele Häuser und Güter zurückgelassen hatte, und bat daher seinen Schwiegervater, ihm zu erlauben, auf einige Zeit nach Baßrah zu reisen. Abd Arrahman sah mit Freude, daß Abid seine Heimat nicht vergessen hatte, und erbot sich sogar, ihm seine Tochter mitzugeben. »Wird aber«, sagte Abid, »deine Tochter gern ihre Heimat und ihre Familie verlassen?« – »Bei uns«, antwortete Abd Arrahman, »haben die Frauen keinen anderen Willen, als den ihres Mannes; man weiß auch daher bei uns nichts von Ehescheidung, ja, es verheiratet sich sogar keine Frau zum zweiten Male, wenn ihr erster Gatte stirbt.« Abid reiste also mit seiner Gattin nach Baßrah, wo er, sobald man nicht mehr zu befürchten hatte, jeden Freitag eingesperrt zu werden, überall eine freundliche Aufnahme fand; auch der König verzieh ihm seine Abreise ohne Urlaub, sobald er die Ursache derselben erfuhr, Nach fünf glücklichen Jahren starb Abid. Da wollte der König seine Witwe heiraten. Sie weigerte sich aber, der Sitte ihres Landes gemäß, und bat den König um Erlaubnis, in ihre Heimat zurückzukehren. Der König ließ sie von seinem Vezier mit einem starken Geleit nach Ägypten bringen, wo sie bei ihrem Vater als Witwe ihr Leben beschloß.

So sind eben die Frauen verschieden: Die eine buhlt noch beim Leben ihres Mannes mit einem fremden Jüngling, und die andere weist nach dem Tod ihres Gatten noch die Hand eines Königs zurück. Wer glaubt, alle Frauen seien einander gleich, der ist im Gehirn nicht recht gesund!


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