Gustav Weil
Tausend und eine Nacht, Vierter Band
Gustav Weil

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Geschichte des Jungen mit den Dieben.

Sieben Diebe, die eines Tages auf Raub ausgingen, begegneten einem armen Waisen, der etwas zu essen bettelte. Einer der Diebe sagte ihm: »Komm mit uns, wir geben dir zu essen und zu trinken und kleiden dich.« – »Gerne folge ich euch, wohin ihr wollt«, erwiderte der Junge, »und sehe euch als meine Verwandten an.« Sie nahmen ihn mit in einen Garten, in welchem ein großer, schwer mit Früchten beladener Nußbaum war, hießen ihn hinaufsteigen und ihn schütteln, verboten ihm aber, auf dem Baum Nüsse zu essen; erst wenn sie alle abgeschüttelt und aufgelesen sein würden, sollte er seinen Anteil erhalten. Der Junge tat, wie ihm befohlen, und die Diebe hoben die Nüsse auf, steckten sie ein und aßen davon. Da kam auf einmal der Eigentümer des Gartens, machte ihnen Vorwürfe und drohte ihnen, sie beim Richter zu verklagen. Die Diebe, welche sich schon satt gegessen hatten, entschuldigten sich, indem sie sagten: »Wir gingen hier vorüber und sahen den Jungen an der Gartentüre stehen, da fragten wir ihn, wer er sei; er antwortete, er wäre der Eigentümer des Gartens und erbot sich auf unser Verlangen, uns Nüsse von dem Baum zu schütteln.« Als der Eigentümer des Gartens dies hörte, ließ er den noch hungrigen Jungen vom Baum herunterkommen, sagte ihm: »Wie wagst du es, du Dieb, in diesen Garten zu kommen?« und stellte sich an, ihn tüchtig durchzuprügeln. Der Junge schrie: »O Herr! Es ist nicht so, wie diese Leute sagen; ich bin ein armer Waise, der einige Nahrung suchte, da kamen die Leute und wollten mich als ihr Kind annehmen, und als wir hierher kamen, befahlen sie mir, Nüsse abzuschütteln, ich sollte aber keine essen, bis sie sie alle aufgelesen.« Der Eigentümer des Gartens glaubte ihm und ließ ihn frei ziehen, warnte ihn aber, die Gesellschaft dieser Diebe zu meiden. Der arme Junge ging wieder heim und auch die Diebe machten sich bald aus dem Weg. »So, o Herr«, schloß die Geliebte des Königs, »wollen auch deine Veziere und Gelehrten dir Mühe und Sorgen aufladen, damit sie um so mehr Ruhe genießen.« Der König ließ sich von diesen süßen Worten betören, gab ihr seinen Beifall und sagte: »Du bist mir teurer, als die alle, und hast durch deine Ansicht mich von schwerem Kummer befreit, laß uns jetzt essen und trinken und uns um niemanden mehr kümmern.« Dieses Weib freute sich ihres Sieges über des Königs Verstand; sie zog ihn immer mehr von den Regierungsangelegenheiten ab, bis er ganz in Vergnügen und Wollust versank. Als des Morgens alle Veziere und Häupter des Reiches und der Truppen sich in den bekannten Gerichtssaal begeben wollten, um den König zu erwarten, fanden sie die Türe geschlossen; sie klopften an, aber niemand antwortete, und als sie nach dem König fragten, sagte ihnen eine Frau, er schlafe und halte heute und morgen keinen Divan. Nun fielen alle über Schimas her und sagten ihm: »Wie gefällt dir des Königs Verfahren gegen dich und gegen uns? Dieser junge König behandelt uns jeden Tag mit mehr Geringschätzung; unsere Geduld ist nun zu Ende, geh einmal zu ihm und sehe, was ihn abhält, zu erscheinen.« Schimas wartete bis abends, dann sagte er einem Offizier des Königs: »Sage deinem Herrn, der Vezier Schimas habe ihm etwas mitzuteilen, das ihm großen Nutzen und viel Vergnügen verursachen wird.« Schimas traf den König allein und sagte ihm nach wechselseitiger Begrüßung: »Ich bitte Gott um Verzeihung für mein Vergehen!« – »Welches Vergehen?« fragte der König. »Das, welches ich begangen haben muß, um in eine so verächtliche Stellung zu geraten; ist mir dies vom Schicksal auferlegt, so bitte ich Gott und dich um Verzeihung, ist es aber bloß Folge deines Willens, so tust du Unrecht; du bist ja unser Hirt und Oberhaupt und darfst nicht wegen eitler Vergnügungen uns vernachlässigen, du wirst sonst dem Mann gleichen, der ein Kamel erzogen und es zur Unzeit melken wollte, so daß es entfloh, und er weder Kamel noch Milch hatte. Niemand darf des Hungers willen beständig am Tisch sitzen, noch des Durstes willen immerfort Wasser trinken, oder aus Liebe zu Weibern immer in ihrer Umgebung leben: Die Hälfte der vierundzwanzig Stunden, die Nacht nämlich, genügt dazu; am Tag aber ist man schuldig, seinem Beruf zu leben. Wer sich zuviel mit Weibern abgibt, der schwächt seinen Körper und seinen Geist, und verkürzt sein Leben. Die Frauen empfehlen das Gute, das sie selbst nicht tun, und verbieten das Böse, das sie selbst begehen; höre sie nicht an, sonst geht es dir, wie dem Gärtner mit seiner Frau.« Der König fragte: »Wie ging es diesem?« Schimas erzählte:


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