Gustav Weil
Tausend und eine Nacht, Vierter Band
Gustav Weil

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Ikirma und Chuseima.

Es wird noch erzählt: Zur Zeit des Kalifen Suleiman, des Sohnes Abd Almeliks, lebte ein Abkömmling von dem Stamm der Söhne Asad, der durch seine Biederkeit, seinen Edelmut und seine Freigebigkeit allenthalben berühmt war; sein Name war Chuseima, der Sohn Baschars. Nachdem er lange alle seine Freunde mit Wohltaten überhäuft hatte, verließ ihn das gute Glück, so daß er zuletzt derjenigen bedurfte, deren Wohltäter er bisher gewesen war. Aber diese Menschen waren seiner bald überdrüssig, und sobald er eine Veränderung in ihrem Benehmen gegen ihn wahrnahm, ging er zu seiner Frau, welche zugleich seine Base war, und sagte ihr: »Ich habe meine Freunde ganz verändert gegen mich gefunden und daher beschlossen, nicht mehr aus dem Hause zu gehen, bis ich sterbe.« Er schloß sogleich die Tür und lebte zu Hause von dem, was er noch hatte, bis endlich gar nichts übrig blieb und er gar nicht mehr wußte, was er tun sollte. Dies hörte zufällig Ikirma, der Statthalter von Mesopotamien, der wegen seiner Freigebigkeit berühmt war, und er sagte zu denjenigen, die ihm von Chuseimas Not erzählten: »Sind selbst diesem Mann keine Freunde und keine Bekannten zu Hilfe gekommen?« Er wartete dann, bis es dunkel war, nahm vierhundert Dinare und legte sie in einen Beutel, ließ sich sein Maultier satteln und nahm nur einen Diener mit, der das Geld trug, und ritt bis vor die Tür von Chuseimas Haus. Hier nahm er dem Diener den Beutel ab, schickte ihn weg und stieß die Tür auf. Als Chuseima herauskam, gab ihm Ikirma den Beutel und sagte: »Verbessere damit deine Lage!« Chuseima fand den Beutel so schwer, daß er ihn fallen ließ; er ergriff dann den Zaum von Ikirmas Maultier und sagte: »Wer bist du? Ich will es wissen, damit ich mein Leben für dich opfere!« Ikirma antwortete: »Ich werde es dir jetzt nicht sagen; wollte ich von dir gekannt sein, so wäre ich nicht zu dieser Stunde gekommen.« Aber Chuseima entgegnete: »Wenn du mir nicht sagst, wer du bist, so nehme ich dein Geld nicht an.« Da sagte Ikirma: »Ich bin ein Mann, der gern das Unglück der Elenden mildert, mehr sage ich dir nicht«, und lief schnell fort. Chuseima ging mit dem Beutel zu seiner Frau und sagte ihr: »Freue dich, Gott hat uns geholfen, wenn dieser Beutel voll Geld ist; zünde einmal Licht an!« Aber die Frau sagte: »Wir haben kein Licht im Hause.« Und so mußte er mit Ungeduld den Morgen erwarten. – Ikirma aber, als er wieder nach Hause kam, hörte, daß seine Frau ihn vermißt und nach ihm gefragt habe, und als man ihr gesagt, er sei ausgeritten, ihr die Sache sehr verdächtig vorgekommen sei. Sie sagte ihm daher, als er zurückkam: »Wie? Der Statthalter von Mesopotamien reitet in der Nacht aus ohne Gefolge? Der kann nur irgend ein Mädchen oder eine Frau besuchen.« – »Gott weiß es«, antwortete Ikirma, »daß ich weder bei einer Frau noch bei einem Mädchen war.« – »So sage mir denn, wo du warst«, entgegnete die Frau. Er antwortete: »Ich bin ja nur darum zu dieser Stunde ausgeritten, weil niemand wissen soll, wohin.« Aber sie plagte ihn so lange, bis er ihr endlich die ganze Geschichte erzählte, und als er damit zu Ende war, fragte er sie, ob er auch noch schwören solle; aber sie erklärte, daß sie nun vollkommen beruhigt sei. Nachdem Chuseima am folgenden Morgen mit dem Geld seine Schulden bezahlt und sich neu ausgestattet hatte, ritt er zu dem Kalifen Suleiman, dem Sohn Abd Almeliks, der ihn wohl kannte und daher auch gleich sich kommen ließ. Sobald Chuseima den Kalifen gegrüßt hatte, fragte ihn dieser, warum er ihn so lange nicht gesehen. Chuseima antwortete: »Meine schlechten Umstände haben mich abgehalten, und erst vergangene Nacht wurde ich in den Stand gesetzt, vor dem Fürsten der Gläubigen zu erscheinen«, und erzählte ihm hierauf, wie ihm jemand einen Beutel mit Geld gebracht. Suleiman sagte. »Kennst du den Mann?« – »Nein«, antwortete Chuseima; »er wollte sich nicht zu erkennen geben, und nannte sich nur den Mann, der das Unglück der Elenden mildert.« Suleiman wünschte sehr zu erfahren, wer er war, um ihn belohnen zu können. Bald nachher ließ Suleiman Chuseima eine Fahne überreichen und ernannte ihn zum Statthalter von Mesopotamien an Ikirmas Stelle. Chuseima machte sich auf den Weg nach Mesopotamien, und als er in die Nähe der Hauptstadt kam, ging ihm Ikirma mit den vornehmsten Bürgern der Stadt entgegen und begleitete ihn in den Regierungspalast. Chuseima fand bei der Übernahme der Kasse, daß viel Geld im Schatz fehlte, und forderte Ikirma auf, es herauszugeben. Ikirma bestand darauf, er habe kein Geld, man möge mit ihm verfahren, wie man wolle. Chuseima ließ ihn einsperren und schickte noch einmal zu ihm ins Gefängnis, um ihn aufzufordern, das, was er dem Schatz schuldig sei, zu bezahlen. Ikirma antwortete: »Ich gehöre nicht zu denen, die lieber ihre Ehre opfern, als ihr Geld; tue, was du willst!« Chuseima ließ ihn hierauf in Ketten legen und länger als einen Monat im Kerker schmachten. Als aber Ikirmas Gattin vernahm, was ihm zugestoßen, rief sie eine ihrer Sklavinnen, welche sehr viel Verstand hatte, und sagte ihr: »Gehe sogleich zu dem Statthalter Chuseima und sage: Du habest ihm einen wohlgemeinten Rat zu geben, und wenn er fragt: Was? Sage ihm, sobald du allein mit ihm bist. Belohnst du so mit Kerker und Fesseln den, welcher die Leiden der Elenden mildert?« Die Sklavin tat, wie ihr befohlen worden, und sobald Chuseima ihre Worte hörte, rief er mit lauter Stimme: »Wehe mir! So kam jenes Geld von ihm?« – »Allerdings«, erwiderte die Sklavin. Chuseima ließ sogleich die angesehensten Einwohner der Stadt zu sich rufen und ritt mit ihnen bis vor die Türe des Gefängnisses, trat dann mit seinem Gefolge hinein und fand Ikirma ganz entstellt von Schmerz und Gram, und beschämt den Kopf zur Erde beugend. Er fiel über ihn her, küßte sein Haupt und sagte: »Deine Handlungen waren edel, und ich habe dich schlecht dafür belohnt.« – »Gott verzeihe dir und mir!« erwiderte Ikirma. Chuseima nahm ihm dann die Fesseln ab und wollte sie sich selbst anlegen lassen, damit er erdulde, was er seinem Wohltäter angetan.

Ikirma beschwor jedoch Chuseima bei Gott, dies zu unterlassen, und so gingen sie denn alle zusammen in des letzteren Wohnung; auch Ikirma, der sich entfernen wollte, wurde von Chuseima genötigt, mit ins Haus zu kommen. Als Ikirma ihn fragte, was er von ihm wolle, sagte er: »Ich will dich in einen besseren Stand setzen, denn ich schäme mich vor deiner Gattin noch mehr, als vor dir selbst.« Er führte ihn hierauf ins Bad, wo er ihn selbst bediente, schenkte ihm ein kostbares Kleid und viel Geld und begleitete ihn in sein Haus. Als Chuseima in Ikirmas Haus war, bat er ihn, ihm zu erlauben, sich bei seiner Frau zu entschuldigen, und als dieses geschehen war, bat er ihn, mit ihm zum Kalifen zu reisen, der damals in Syrien sich aufhielt. Als sie vor dem Palast des Kalifen anlangten und der Pförtner Chuseima meldete, sagte der Kalif: »Der Statthalter von Mesopotamien kommt ohne Befehl hierher, da muß wohl etwas Außerordentliches sich ereignet haben. Er ließ ihn daher schnell hereintreten und fragte ihn, noch ehe er grüßte: »Was bringst du?« Chuseima antwortete: »Nur Gutes, o Fürst der Gläubigen! Ich habe endlich den Heilenden des Unglücks der Edlen gefunden, und da ich wußte, wie sehr du wünschest, ihn kennenzulernen, wollte ich dich mit dessen Anblick erfreuen.« – »Und wer ist es?« fragte Suleiman. »Ikirma«, antwortete Chuseima. Der Kalif ließ ihn hereintreten, grüßte und bewillkommte ihn freundlich und sagte: »Deine Wohltaten haben dir nur Schmerzen gebracht; doch schreibe jetzt auf, was du brauchst!« Ikirma machte ein Verzeichnis von allem, was ihm Bedürfnis war, und Suleiman ließ ihm alles geben und schenkte ihm noch obendrein zehntausend Dinare und zwei Stücke Tuch. Dann sagte er ihm: »Chuseimas Schicksal liegt in deiner Hand; wenn du willst, lasse ich ihm seine Statthalterschaft, wo nicht, so nehme ich sie ihm.« Ikirma bat den Kalifen, er möge Chuseima auf seinem Posten lassen; er selbst aber erhielt dann vom Kalifen die Statthalterschaft von Adserbeidjan und Armenien. Beide verließen hierauf den Kalifen Suleiman und blieben seine Statthalter während der ganzen Dauer seines Kalifats.

Es wird noch erzählt: Unter dem Kalifate Hischams, des Sohnes Abd Almeliks, lebte ein Mann, unter dem Namen Junus, der Schreiber, bekannt. Er reiste einst nach Damaskus mit einer Sklavin, die durch ihre Schönheit und Liebenswürdigkeit ausgezeichnet war, und die er auch in allem, was ein Mädchen wissen soll, hatte unterrichten lassen, so daß er sie auf hunderttausend Drachmen schätzte. In der Nähe von Damaskus ließ er sich mit seiner Karawane am Ufer eines kleinen Sees nieder und holte einige Speisen herbei, die er noch bei sich hatte, und einen Krug mit Wein. Auf einmal kam ein hübscher junger Mann mit zwei Dienern hergeritten, grüßte Junus und fragte ihn, ob er sein Gast sein dürfe. Junus lud ihn ein, hielt seine Steigbügel und ließ ihn absteigen, gab ihm zu trinken und hieß seine Sklavin etwas singen, so daß der Reiter ganz entzückt war. Nachdem sie so bis nach der Zeit des Nachtgebets miteinander gezecht hatten, fragte der Reiter den Schreiber Junus, was ihn nach Damaskus führe.

Junus antwortete dem jungen Mann: »Ich will diese Sklavin hier verkaufen!« – »Und um welchen Preis?« fragte dieser. – »Um die Summe, die ich brauche, um meine Schulden zu bezahlen und meine Lage zu verbessern.« – »Ich gebe dir dreißigtausend Drachmen.« – »Das genügt nicht, biete mehr!« – »Meinetwegen vierzigtausend Drachmen!« – »So viel brauche ich gerade, um meine Schulden zu bezahlen, ich bliebe dann mit leeren Händen.« – »Nun, so nehme ich sie für fünfzigtausend Drachmen, schenke dir noch ein Kleid und gebe dir Teil an meinem Geschäfte, solange ich lebe.« – »So sei sie dir verkauft!« Der Reiter fragte dann, ob er sie gleich mitnehmen dürfe und ihm erst morgen das Geld geben, oder ob er sie solange noch behalten wolle. Junus, vom Weine berauscht, schämte sich, gegen den Reiter Mißtrauen zu zeigen und sagte: »Ich traue dir, nimm sie nur gleich mit, Gott segne dich durch sie!« Der Reiter sagte einem seiner Diener: »Nimm sie vor dir auf dein Pferd!« Dann nahm er Abschied von Junus und ritt weg. Nach einigen Stunden sah erst Junus seinen Leichtsinn ein und er bereute es, die Sklavin einem Mann gegeben zu haben, den er gar nicht kannte und zu dem er gar nicht zu gelangen wußte. Am folgenden Morgen, als die Karawane nach dem Morgengebet in die Stadt zog, hatte er Lust, ihr zu folgen, denn die Sonne war sehr glühend an der Stelle, wo er sich befand; er fürchtete aber, es möchte ein Bote von dem Reiter kommen und ihn nicht finden, und er so nach der ersten Torheit noch eine zweite, größere, begehen. Er setzte sich daher in den Schatten einer Mauer, die dort war, und bald kam zu seiner größten Freude einer der Diener, die den Reiter begleitet hatten und sagte: »Kennst du den Herrn, der dir die Sklavin abgekauft?« – »Nein«, antwortete Junus. »So komme mit mir«, sagte der Diener, »es ist Walid, der Sohn Suheils,Dies soll wohl "Jesids" heißen, denn der auf Hischam folgende Kalif war ein Sohn Jesids der Statthalter von Indien.« Junus bestieg das Pferd, das der Diener für ihn mitgebracht, und als er in Walids Wohnung kam, trat ihm seine Sklavin entgegen und grüßte ihn. Junus fragte sie, wie es ihr gehe. Sie antwortete: »Ich bin in dieses Gemach gebracht und mit allem Nötigen versehen worden.« Bald kam ein Diener und führte ihn in einen Saal, wo der Käufer auf einem Throne saß und ihn bewillkommte und nach seinem Namen fragte. Dann sagte er: »Ich habe eine kummervolle Nacht zugebracht, weil ich die Sklavin nahm, ohne daß du mich kanntest; hast du es nicht bereut, sie einem Fremden ohne Geld gegeben zu haben?« Er ließ zuerst fünfzigtausend Drachmen bringen und legte sie Junus vor. Dann ließ er noch fünfzehnhundert Dinare herbeiholen und sagte: »Tausend Dinare gebe ich dir für die gute Meinung, die du von mir gehabt, und fünfhundert für deine Reisekosten; ich nehme die Sklavin nur unter dieser Bedingung; bist du zufrieden?« – »Vollkommen zufrieden«, antwortete Junus und küßte Walid die Hände. Er lobte dann die Sklavin sehr, ließ sie rufen und vor Junus einige Verse singen. Dann befahl er einem Diener, ein Pferd für Junus zu bringen und ein Maultier für seine Effekten, und sagte ihm: »Wenn du meiner wieder bedarfst, so komme nur, du sollst keinen Mangel haben, solange ich lebe.« Hierauf ritt Junus fort mit seinem Geld. Als dann später Walid Kalif wurde, ging Junus zu ihm, und Walid hielt sein Versprechen, nahm ihn mit vieler Auszeichnung auf, schenkte ihm viel Geld und Güter und verschaffte ihm hohes Ansehen. Junus lebte in den glücklichsten Umständen in der Nähe des Kalifen bis zu seinem Tod. Gottes Erbarmen sei mit ihm!

Es lebte in grauer Vorzeit ein griechischer Weiser, dessen Namen Daniel war; seine Gelehrsamkeit war so groß, daß alle Gelehrten Griechenlands zu ihm wanderten, um seine Weisheit zu vernehmen, und daß sein Wort allenthalben als höchste Autorität galt. Dieser Mann hatte aber keinen Sohn und war sehr betrübt darüber. Eines Abends ging er traurig und krank nach Hause, nahm fünf Blätter, die ihm noch übrig geblieben von einem Buch, das er ins Meer hatte fallen lassen, verschloß sie in eine Kiste und sagte zu seiner Frau: »Wisse, daß meine Todesstunde nahe ist; ich werde diese vergängliche Welt verlassen und in eine ewigdauernde übergehen. Gott weiß, ob du nicht in gesegneten Umständen bist und nach meinem Tod einen Sohn gebärst; ist dies der Fall, so nenne ihn Haseb Kerim Eddin (den Edlen im Glauben), gib ihm eine gute Erziehung, und wenn er dich fragt, was ich ihm hinterlassen, so überreiche ihm diese fünf Blätter, und wenn er sie liest und versteht, so ist er der gelehrteste Mann seiner Zeit.« Er nahm nach diesen Worten Abschied von ihr, seufzte tief, schöpfte noch einmal Atem und schied aus der Welt. (Der erhabene Gott erbarme sich seiner!) Seine Familie und Stammgenossen beweinten, wuschen und beerdigten ihn. Seine Frau aber gebar nach einiger Zeit einen hübschen Knaben, den sie Haseb nannte, wie ihr Gatte es befohlen; als er zur Welt kam, ließ sie Sterndeuter kommen, um ihm seine Zukunft zu prophezeien, und sie sagten ihr: »Wisse, daß dein Sohn sehr lange leben wird, wenn er einige Gefahren übersteht, die ihm in seiner Jugend zustoßen werden; er wird dann auch der Weiseste seiner Zeit werden.« Die Astrologen gingen dann wieder nach Hause und die Mutter pflegte Haseb bei sich im Hause, bis er das Alter von fünf Jahren erreicht hatte; dann schickte sie ihn in eine Schule, und nach mehreren Jahren ließ sie ihn ein Handwerk lernen, aber er lernte gar nichts und wollte gar nicht arbeiten, so daß er seiner Mutter viel Kummer machte. Man riet ihr dann, ihn zu verheiraten, weil er durch die Ehe doch zur Arbeit gezwungen würde, und sie warb um eine Gattin für ihn. Nachdem er einige Zeit verheiratet war, sagten seine Nachbarn, welche Holzhauer waren, zu seiner Mutter: »Kaufe deinem Sohn einen Esel und Strick und ein Beil, wir wollen ihn dann mit uns in den Wald nehmen, und was wir für das Holz lösen, werden wir, wenn er mit uns arbeitet, untereinander teilen, so daß ihr davon leben könnt.« Hasebs Mutter freute sich sehr mit dem Anerbieten ihrer Nachbarn und kaufte ihrem Sohn einen Esel, ein Beil und einen Strick, und schickte ihn mit den Holzhauern ins Gebirge. Diese halfen ihm schneiden und aufladen; kehrten mit ihm zur Stadt zurück, verkauften das Holz und ernährten ihre Familien damit. Sie setzten diese Lebensweise lange fort, bis sie eines Tages, als sie im Gebirge waren, ein starker Regen überfiel, da flüchteten sie sich in eine Höhle, um sich vor dem Regen zu schützen. Haseb schlug in der Höhle mit seinem Beil auf den Boden, da merkte er, daß der Boden hohl war; er grub eine Weile nach und fand eine runde Platte mit einem Ring. Bei dieser Entdeckung freute er sich sehr und rief seine Gefährten. Die Holzhauer eilten zu ihm und halfen ihm die Platte aufheben; als sie weg war und sie eine Grube ganz mit Honig gefüllt sahen, sagten sie zueinander: »Diese Grube ist von Honig gefüllt; es bleibt uns nichts übrig, als in die Stadt zu gehen, um Gefäße zu holen, in welchen wir ihn in die Stadt tragen, um ihn dort zu verkaufen; das Geld teilen wir dann. Doch muß einer von uns hier bleiben, um die Grube zu bewachen.« Haseb sagte: »Ich will als Wache hier bleiben, geht ihr in die Stadt und kommt bald wieder mit Gefäßen.« Alle gingen fort bis auf Haseb und kehrten bald wieder mit großen Töpfen zurück; sie füllten sie mit Honig, führten sie in die Stadt, verkauften sie und kehrten wieder zur Grube mit leeren Gefäßen. So machten sie viele Reisen hin und her und verkauften immer den Honig in der Stadt, während Haseb immer in der Höhle blieb, um die Grube zu bewachen, bis eines Tages einer der Holzhauer zu den übrigen sagte: »Wisset, da Haseb die Grube entdeckt hat, so könnte er morgen, wenn er in die Stadt kommt, uns anklagen und alles Geld in Anspruch nehmen, das wir für den Honig gelöst; das beste ist daher, wir lassen ihn nun noch einmal in die Grabe steigen, um den übrigen Honig herauszugeben, dann lassen wir ihn unten vor Hunger sterben; es wird nie ein Mensch etwas mehr von ihm erfahren.« Sämtliche Holzhauer stimmten mit diesem Vorschlag überein; sie gingen wieder zur Höhle und sagten zu Haseb: »Steige in die Grube hinab, um uns den übrigen Honig zu holen.« Haseb stieg hinunter; als er aber die Gefäße gefüllt hatte und den Holzhauern sagte: »Zieht mich wieder hinauf, es ist kein Honig mehr da«, erhielt er keine Antwort, denn sie waren alle in die Stadt zurückgekehrt und hatten ihn in der Grube gelassen. Haseb rief vergebens nach Hilfe und sagte weinend: »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, als bei Gott dem Erhabenen! Nun bin ich lebendig begraben.« Die Holzhauer verkauften wie immer ihren Honig in der Stadt; dann gingen sie zu Hasebs Mutter und sagten ihr: »Mögest du leben statt deines Sohnes Haseb!« Sie fragte: »Was ist denn diesem geschehen?« Da antworteten die Holzhauer: »Als wir im Gebirge waren, fing es an, stürmisch zu regnen, und wir flüchteten uns in eine Höhle; da entfloh die Eselin deines Sohnes ins Tal, und als dein Sohn ihr nachlief, um sie zurückzubringen, kam ein großer Wolf, tötete deinen Sohn und fraß den Esel.« Als Hasebs Mutter dies hörte, schlug sie sich ins Gesicht, streute Erde auf ihr Haupt und trauerte um ihren Sohn; die Holzhauer aber wurden angesehene Kaufleute, sie aßen und tranken, schickten auch Hasebs Mutter zu essen und führten das vergnügteste Leben. – Haseb blieb lange in der Grube, bis endlich ein großer Skorpion auf ihn von oben herunterfiel; er brachte ihn um und dachte: die Grube war doch ganz mit Honig angefüllt, wo mag wohl dieser Skorpion hergekommen sein? Er machte sich auf, um die Stelle zu untersuchen, wo der Skorpion hergekommen; da sah er eine Spalte, durch die Licht hereinfiel; er nahm sein Messer und erweiterte sie, bis er durchschlüpfen konnte; er kam dann an einen langen Gang und sah zuletzt eine große eiserne Tür mit einem silbernen Schloß, an dem ein goldener Schlüssel war. Er näherte sich der Tür und öffnete sie, und als er durchgegangen und eine Strecke vorwärts war, kam er vor einen großen See; daneben sah er einen Hügel aus grünem Smaragd, auf dem ein goldener Thron stand mit allerlei Edelsteinen besetzt.

Rings um diesen Thron standen Stühle, einige von Gold, andere von Silber, andere von Kupfer und einige von Eisen, von Sandelholz, von Elfenbein und von Ebenholz; es waren nicht weniger als zwölftausend Stühle. Haseb setzte sich auf den Thron, um welchen die Stühle standen, und vor großem Erstaunen und Wohlgefallen an diesem See und diesen Stühlen schlief er ein. (Gepriesen sei der, welcher nie schläft!) Als er wieder erwachte, hörte er ein Zischen und Wispern und Blasen; er öffnete seine Augen und richtete sich auf, da sah er auf den Stühlen große Schlangen sitzen; eine jede war hundert Ellen lang. Hasebs Mund trocknete aus vor Furcht; er verzweifelte schon am Leben, als er die Augen dieser Schlangen sah, welche wie blanke Schwerter funkelten. Als er dann seinen Blick auf den See warf, sah er darin viele kleine Schlangen, so viele, daß nur Gott ihre Zahl kennt. Nach einer Weile kam eine Schlange herbei, so dick wie ein Maultier und trug eine goldene Kufe auf dem Rücken, in welcher eine Schlange mit einem Menschengesicht wie Kristall leuchtete. Als sie in die Nähe Hasebs kam, grüßte sie ihn mit beredter Zunge, und er erwiderte ihren Gruß. Dann kam eine Schlange und setzte die Kufe auf einen der Stühle; die Schlange, die darin war, schrie dann die übrigen in ihrer Sprache an; sie erhoben sich alle von ihren Stühlen, fielen vor ihr nieder und grüßten sie. Erst auf einen Wink dieser Schlange setzten sie sich wieder. Sie sagte hierauf zu Haseb: »Fürchte dich nicht vor uns, ich bin die Königin der Schlangen und ihre Sultanin!« Diese Worte beruhigten Hasebs Herz um so eher, als sie einigen Schlangen befahl, etwas zu essen zu bringen, und sie sogleich mit Äpfeln, Trauben, Granatäpfeln, Pistazien, Haselnüssen, Mandeln, Nüssen und Bananen herbeikamen und sie Haseb vorstellten. Die Königin hieß ihn noch einmal willkommen, fragte ihn nach seinem Namen und bat ihn, von diesen Früchten ohne Furcht zu essen. »Gekochte Speisen«, sagte sie, »haben wir nicht.« Haseb aß von den Früchten, bis er satt war, und dankte dem erhabenen Gott dafür. Als er vollends gegessen hatte, wurden die Speisen weggetragen, und die Königin fragte ihn, woher er komme und wie er diesen Ort erreichen konnte. Haseb erzählte ihr, was seinem Vater mit dem Engel Gabriel begegnet, wie er erst nach seines Vaters Tod geboren worden und in der Schule nichts lernen wollte, wie er dann Holzhauer wurde und die Grube entdeckte, in der ihn seine Gefährten zurückgelassen, und wie er endlich durch einen Skorpion auf einen Ausgang aufmerksam gemacht worden. »Das ist«, schloß er, »alles, was ich über die Art und Weise, wie ich hierher gelangt, zu erzählen weiß.« Als Haseb seine Erzählung vollendet hatte, sagte ihm die Schlange: »Sei nur ruhig: Es wird dir nur Gutes begegnen; bleibe nur einige Zeit bei mir, Haseb, ich will dir auch meine Geschichte erzählen, du wirst darüber erstaunen.« Haseb sagte., »Ich gehorche recht gern deinem Befehl.« Darauf begann die Königin: »Wisse, o Haseb, es war in Ägypten ein Mann von den Söhnen Israels, welcher einen Sohn hatte, der Bulukia hieß. Der Mann tat nichts anderes, als Gott anbeten und die heilige Schrift lesen; als er erkrankte und dem Tod nahe war, kamen die Vornehmsten des Landes zu ihm und grüßten ihn; er sagte ihnen: Wisset, ihr Männer, meine Abschiedsstunde ist nahe; ich verlasse diese Welt, um in eine andere zu wandern; ich habe euch nichts zu empfehlen, als meinen Sohn Bulukia, dessen ihr euch annehmen möget. Hierauf rief er: Ich bekenne, daß es keinen Gott gibt außer dem einzigen Gott, atmete zum letzten Mal und schied aus der Welt. (Gott erbarme sich seiner!) Man bereitete ihm sein Totengewand zu, wusch und beerdigte ihn und ernannte seinen Sohn Bulukia zum Sultan. Dieser war so gerecht gegen seine Untertanen, daß die höchste Ruhe und Zufriedenheit in seinem Land herrschte, Eines Tages aber öffnete er die Schatzkammern seines Vaters, um zu sehen, was sie enthalten; da fand er in einer der Kammern eine verborgene Tür; er öffnete sie und kam in ein kleines Kabinett, worin auf einer weißen marmornen Säule ein Kästchen von Ebenholz stand. Bulukia öffnete es und fand darin ein anderes, goldenes Kästchen; er öffnete auch dieses und sah ein Buch darin, auf dessen Außenseite geschrieben war: Ein Prophet mit Namen Mohammed wird einst aufstehen (Gott sei ihm gnädig und bewahre ihn!), der ist der Herr aller ihm Vorangegangenen und ihm Nachfolgenden. Als Bulukia diese Worte gelesen, wurde er ganz rasend vor Liebe zu Mohammed; er versammelte die Großen und die Priester seines Volkes, machte sie mit dem Buch bekannt und sagte ihnen: Mein Vater verdient, daß ich ihn aus dem Grabe hervorziehe und verbrenne, weil er mir dieses Buch verborgen hat, das er gewiß aus der Tora oder aus den Büchern Ibrahims ausgezogen hat; wie mochte er ein solches Buch so sorgfältig verschließen und niemand damit bekanntmachen! Aber die Vornehmen der Söhne Israels widersetzten sich einer solchen Handlung und sagten: Laß ihn nun in der Erde ruhen, Gott hat ihn zu sich genommen! Bulukia ging dann zu seiner Mutter und sagte ihr, was er in der Schatzkammer seines Vaters gefunden, und erklärte ihr, daß er nun Mohammed so leidenschaftlich liebe, daß er alle Länder durchziehen wolle, bis er mit ihm zusammenträfe, sonst müsse er sterben. Er zog sogleich ein Reisekleid an und bat seine Mutter, nicht zu unterlassen, für ihn zu beten. Die alte Königin weinte und sagte: Was wird aus mir werden, wenn du fort bist? Aber er erwiderte: Ich kann unmöglich länger hier bleiben, und reiste fort in der Richtung nach Syrien, ohne einen Menschen in diesem Land zu kennen. Als er ans Ufer des Meeres kam, fand er ein Schiff; er bestieg es und wurde auf eine Insel gebracht. Da stieg er ans Land und schlief ein. (Gepriesen sei der, welcher nie schläft!) Unterdessen segelte das Schiff weiter, und als er erwachte, war es schon fort und hat ihn allein auf der Insel gelassen. Als er weinend auf der Insel umherging, begegneten ihm Schlangen, so groß wie Kamele und so lang wie Dattelbäume, die Gottes Lob verkündigten und für Mohammed beteten, worüber er sehr erstaunte.

Eine dieser Schlangen fragte nun Bulukia: »Wer bist du, wo willst du hin und wo kommst du her?« Er antwortete: »Ich heiße Bulukia, gehöre zu den Söhnen Israels und reise aus Liebe zu Mohammed (Gott sei ihm hold!), um ihn aufzusuchen; doch wer seid ihr, ihr edlen Geschöpfe?« Sie antworteten: »Wir sind Bewohner der Hölle, zur Pein der Ungläubigen geschaffen.« Bulukia fragte sie, wie sie denn hierher gekommen. Die Schlange antwortete: »Wisse, Bulukia, daß die Hölle, welche auch ein lebendiges Wesen ist, zweimal im Jahr Atem schöpft, einmal im Sommer und einmal im Winter, und daher entsteht auch die große Hitze im Sommer; so oft sie ausatmet, wirft sie uns aus, und wenn sie wieder einatmet, zieht sie uns wieder an.« Bulukia fragte dann, ob in der Hölle noch größere Schlangen umherkriechen, worauf die Schlange antwortete: »Wir sind die allerkleinsten; in der Hölle gibt es aber Schlangen, die es gar nicht empfinden, wenn die größte von uns in ihre Nase kriechen würde. Bulukia fragte ferner: »Woher kennt ihr Mohammed, für den ihr betet?« Sie antworteten: »O Bulukia, Mohammeds Name ist über die Tür des Paradieses geschrieben, und wäre er nicht, so hätte Gott gar nichts geschaffen, weder Paradies noch Hölle, weder Himmel noch Erde; Gott hat alles nur seinetwillen geschaffen und hat überall Mohammeds Namen mit dem seinigen verschlungen, darum beten wir für Mohammed (Gott sei ihm hold!). Als Bulukia diese Worte von der Schlange hörte, vermehrte sich seine Liebe und Sehnsucht zu Mohammed noch. Er nahm dann von den Schlangen Abschied, ging ans Ufer des Meeres, wo ein Schiff vor Anker lag, bestieg es und fuhr damit nach einer anderen Insel. Als er hier ans Land stieg und eine Weile umherging, sah er endlich viele große und kleine Schlangen. Unter anderen sah er auch eine, welche weißer und glänzender als Kristall war, sie saß in einer goldenen Kufe auf dem Rücken einer anderen Schlange, groß wie ein Elefant; die Schlange in der Kufe war die Königin der Schlangen, und die bin ich.« Haseb sagte: »Nun erzähle mir, was zwischen dir und Bulukia vorgefallen!« Die Königin fuhr fort: »Als ich Bulukia sah, grüßte ich ihn und fragte ihn, wo er herkomme, wer er sei, was er suche und wie er heiße; er antwortete mir: »Ich heiße Bulukia, bin von den Söhnen Israels und ziehe umher, um Mohammed, den Propheten Gottes, aufzusuchen, den ich in der heiligen Schrift angekündigt fand.« Er fragte mich dann: »Und wer bist du?« Ich sagte ihm: »Ich bin die Schlangenkönigin und heiße Tamlicha; wenn du Mohammed, dem Gott gnädig sei, triffst, so grüße ihn von mir.« Bulukia nahm dann Abschied von mir, bestieg das Schiff wieder und reiste nach Jerusalem. Da lebte ein Mann, der in allen Wissenschaften bewandert war; er hatte Geometrie, Astronomie, Chemie und Metaphysik studiert, auch viel in der Tora, in den Evangelien und Psalmen und den Büchern Abrahams gelesen. Dieser Mann – er hieß Afan – hatte in einem seiner Bücher gefunden, daß, wer den Siegelring unseres Herrn Salomon anlegt, dem gehorchen alle Vögel, Tiere, Menschen und Genien, kurz alle Geschöpfe. Als unser Herr Salomon aber starb, wurde er in einen Sarg gelegt und in einem Berg begraben, der von sieben Meeren umgeben ist, wo kein Schiff hinkommen kann, damit weder ein Genius noch ein Mensch ihm den Siegelring nehme.«

»Nun hatte aber Afan in einem seiner Bücher gefunden, daß, wenn man sich mit dem ausgepreßten Saft eines gewissen Krautes die Füße salbt, man auf jedem Meer, das Gott geschaffen, gehen kann, ohne unterzusinken; niemand kann aber zu diesem Kraut gelangen, ohne die Hilfe der Schlangenkönigin. Als nun Bulukia nach Jerusalem kam und in einem Tempel Gott anbetete, ging Afan auf ihn zu und grüßte ihn; Bulukia erwiderte seinen Gruß und fuhr wieder fort die Tora zu lesen und andächtig zu beten. Da näherte sich ihm Afan und fragte ihn, wer er sei und wo er herkomme; Bulukia antwortete: »Ich bin aus Ägypten und reise umher, um Mohammed zu suchen.« Afan lud ihn ein, mit ihm nach Hause zu kommen und sein Gast zu sein. Bulukia ging mit Afan, der ihn sehr gut bewirtete und ihm eine bequeme Wohnung einräumte. Am folgenden Morgen fragte Afan seinen Gast, wieso er Mohammed liebe und woher er etwas von ihm wisse. Als Bulukia hierauf seine Geschichte von Anfang bis zu Ende erzählte, verlor Afan fast den Verstand vor Erstaunen, dann sagte er: »Führe du mich zur Schlangenkönigin, ich bringe dich hernach zu Mohammed, dem Gott gnädig sei, doch wird das noch lange dauern. Sperre aber nur einmal die Schlangenkönigin in einen Käfig, wir tragen sie zu den Pflanzen, die auf dem Berg wachsen; jede Pflanze, an der wir vorübergehen, wird ihr dann sagen, wozu sie zu gebrauchen ist durch die Allmacht des erhabenen Gottes. Ich weiß, daß es ein Kraut gibt, dessen Saft die Eigenschaft hat, dem, der sich die Füße damit salbt, die Kraft zu verleihen, auf allen Meeren, die Gott geschaffen, umherzugehen. Haben wir einmal durch die Schlangenkönigin dieses Kraut kennengelernt, so lassen wir sie wieder ihres Weges gehen und salben uns mit dem Saft desselben, durchwandern die sieben Meere, bis wir zu Salomons Grab gelangen, da nehmen wir den Siegelring von seinem Finger und werden so mächtig wie Salomon, und erreichen alle unsere Wünsche; wir trinken hierauf von der Lebensquelle im Meer der Dunkelheit; unser Leben wird dann mit Gottes Willen so lange währen, bis wir in späterer Zeit mit Mohammed zusammenkommen.« Als Bulukia diese Worte hörte, sagte er: »Ich will dir zeigen, wo die Schlangenkönigin sich aufhält.« Afan ließ sich hierauf einen eisernen Käfig machen, nahm zwei Becher, füllte den einen mit Wein und den anderen mit Milch, und reiste mit Bulukia Tag und Nacht, bis sie auf die Insel kamen, wo er mich gesehen hatte. Sobald sie ans Land stiegen, machte Afan eine Falle an den Käfig, stellte die beiden Becher hinein und entfernte sich wieder. Nach kurzer Zeit kam ich herbei und staunte eine Weile den Käfig an, sobald ich aber die Milch und den Wein roch, stieg ich vom Rücken der Schlange herunter, die mich trug, und kroch in den Käfig hinein. Als ich aber von dem Wein getrunken hatte, schwindelte mir der Kopf; Afan, der nicht weit vom Käfig verborgen war, bemerkte dies, schloß die Türe des Käfigs und trug mich fort. Als ich wieder zu mir kam und mich eingesperrt auf dem Gipfel des Berges neben Bulukia fand, sagte ich: »So geht es denen, die Menschen schonen.« Bulukia erwiderte aber: »Fürchte nichts, o Königin der Schlangen, wir tun dir nichts zuleide, du sollst uns nur die Pflanze zeigen, deren Saft uns die Kraft gibt, auf allen Meeren zu gehen, die Gott geschaffen, ohne zu versinken; sobald wir sie gefunden, bringen wir dich wieder dahin zurück, wo wir dich gefangen.« So gingen sie nun mit dem Käfig, in welchem ich eingesperrt war, auf dem Gebirge umher unter allerlei Pflanzen, deren jede verkündete, wozu sie zu gebrauchen, bis sie endlich zu einem Kraut kamen, welches ausrief: »Wer mich pflückt und meinen Saft auspreßt und damit seine Füße salbt, der kann auf allen Meeren gehen, die Gott geschaffen, ohne daß sein Fuß wanke.« Als Afan dies hörte, stellte er den Käfig auf den Boden, pflückte von diesem Kraut, so viel er brauchte, zerstieß es, drückte es aus, goß den Saft in zwei Fläschchen, die er aufbewahrte, und salbte seine Füße mit dem übrigen. Dann ging er mit Bulukia wieder auf die Insel, wo er mich gefunden; Afan öffnete die Tür des Käfigs und ließ mich heraus. Als ich wieder im Freien war, sagte ich; »Was wollt ihr mit diesem Saft tun?« Sie antworteten: »Wir wollen die sieben Meere durchschreiten, um zu dem Grab unseres Herrn Salomon zu gelangen und den Siegelring von seinem Finger zu nehmen.« Ich erwiderte aber: »Das könnt ihr nie erreichen, denn der erhabene Gott hat nur Salomon damit beschenkt, als er betete: O Gott, schenke mir ein Reich, das keiner nach mir haben wird, du bist ja der Gebende. Was tut ihr also mit diesem Ring? Hättet ihr lieber das Kraut gepflückt, das dem, der es genießt, bis zum Auferstehungstag Gesundheit und Jugend verleiht, das hätte euch mehr genützt.« Als Afan dies hörte, bereute er, was er getan, und ging wieder mit Bulukia fort. Ich aber kehrte wieder zu meinem Heer zurück, wo durch meine Abwesenheit eine große Verwirrung entstanden war; ein Teil desselben war erkrankt, ein anderer gestorben. Als die Schlangen aber mich wieder sahen, versammelten sie sich vor Freude jubelnd um mich und fragten mich nach der Ursache meiner langen Abwesenheit. Ich erzählte ihnen, was mir mit Afan und Bulukia wiederfahren, und befahl ihnen, um keinen weiteren Verfolgungen der Menschen mehr ausgesetzt zu sein, mit mir auf den Berg Kaf zu ziehen, wo ich nun sonderbarerweise dich traf. Das ist's«, schloß die Schlangenkönigin, »was ich dir, o Haseb, erzählen wollte.«

Haseb war sehr erstaunt über diese Erzählung und bat die Schlangenkönigin Tamlicha, ihm eine ihrer Schlangen mitzugeben, die ihn wieder auf die Erde zu seiner Familie zurückführe. Tamlicha sagte aber: »Du darfst uns nicht bis zum Winter verlassen; sieh dich indessen auf dem Berg Kaf ein wenig um, wie Berge und Täler, Bäume und Flüsse, Blumen und Vögel den einzigen allmächtigen Gott preisen.« Haseb fragte dann Tamlicha, ob Afan und Bulukia wirklich die sieben Meere überschreiten und Salomons Siegel aus seiner Grabstätte ihm vom Finger nehmen konnten. Tamlicha antwortete: »Sie haben wirklich die sieben Meere durchschritten und haben dessen Wunder gesehen, dann sind sie an einen hohen Berg von grünem Smaragd gekommen, an dessen Fuß eine Wasserquelle hervorsprudelt, welche wie der feinste Moschus duftet. Sie freuten sich sehr und glaubten schon am Ziel zu sein.«

»Afan sah dann in der Ferne ein Minarett mit einer großen Kuppel; er ging mit Bulukia darauf zu, und als sie hineinkamen, fanden sie einen goldenen Thron mit allerlei Edelsteinen besetzt; um diesen Thron herum standen eine unzählbare Menge Stühle. Sie sahen dann unseren Herrn Salomon auf dem Thron; er hatte ein grünes seidenes Kleid an, mit Gold und Perlen und allerlei kostbaren Edelsteinen durchwirkt, seine rechte Hand lag auf seiner Brust und der Siegelring war an seinem Finger. Afan lehrte Bulukia allerlei Beschwörungen und Zauberformeln, die er immerfort hersagen sollte, dann näherte er sich dem Thron; aber auf einmal sprang eine große Schlange unter dem Thron hervor und zischte so laut, daß die ganze Gegend erbebte, und Feuerfunken flogen aus ihrem Mund. Mit grimmiger Miene sagte sie zu Afan: »Wenn du dich nicht schnell von hier entfernst, so gehst du zugrunde.« Aber Afan erschrak nicht vor dieser Schlange und rezitierte immer seine Beschwörungsformeln, Da blies ihn die Schlange so heftig an, daß fast das Minarett zusammenstürzte, und sagte: »Wehe dir! Wenn du nicht umkehrst, so wirst du verbrennen.« Als Bulukia dies hörte, entfloh er; aber Afan erschrak nicht, ging auf den Thron zu und streckte die Hand nach dem Ring aus; da fiel die Schlange über ihn mit einem Feuerregen her, bis er zu einem Haufen Asche wurde. Bulukia fiel in Ohnmacht, als er dies sah; während er aber in Ohnmacht lag, befahl Gott seinem Engel Gabriel, zur Erde zu steigen und ihn zu retten, ehe die Schlange auch ihn töte. Gabriel ließ sich herunter, weckte Bulukia, grüßte ihn und fragte ihn, wie er hierher gekommen. Bulukia erzählte Gabriel, was ihm mit Afan widerfahren, von Anfang bis zu Ende. Da sagte Gabriel: »Wisse, daß, wer Mohammed liebt, von keinem Feuer verbrannt wird.« Bulukia bat ihn dann, er möchte ihn doch mit Mohammed bekannt machen. Gabriel sagte aber: »Geh' jetzt deines Weges, Bulukia, die Zeit Mohammeds ist noch fern;« dann stieg er wieder gen Himmel und Bulukia sah jetzt erst ein, daß ich mit Recht ihm vorausgesagt, der Ring würde ihnen nichts nützen, und bereute, was er getan. Er stieg dann vom Berg herunter und brachte die Nacht Afan beweinend und über die Wunder dieses Berges nachdenkend zu. Am folgenden Morgen salbte er seine Füße wieder und ging mehrere Tage und Nächte auf dem Meer umher, dessen wunderbare Geschöpfe anstaunend, bis er an eine Insel kam, die dem Paradies glich. Da stieg er ans Land und bewunderte deren Schönheit. Der Boden war Safran, die Steine Rubin und andere edle Metalle, das Holz war lauter Jasmin und Aloe, und es wuchsen nichts als Rosen, Nelken, Lilien, Veilchen und andere wohlriechende Blumen auf der Erde. Schöne Vögel von allerlei Farben sangen fröhlich auf den Zweigen der Bäume, zwischen denen klare Bäche rieselten; allerlei niedliche Tiere weideten friedlich umher; der Taube Liebesgesang erfreute das Herz, und die Nachtigall antwortete ihr mit zärtlicher Stimme; die ganze Insel verkündete laut den Herrn des Ostens und Westens, den niemand erreicht und vor dessen Bestimmung niemand entfliehen kann, (Gepriesen sei er, der erhabene Gott!) Bulukia merkte bei diesem Anblick, daß er einen anderen Weg eingeschlagen, als den, welchen ihn Afan auf der Hinreise geführt.«

Er wandelte auf der Insel umher bis abends, dann bestieg er einen hohen Baum. Auf einmal fing das Meer zu toben an und es kam ein großes Tier hervor, das so laut schrie, daß die ganze Insel wankte. Nach einer Weile kamen Löwen, Tiger, Wölfe, Panther und andere wilde Tiere herangesprungen, jedes mit einem Edelstein im Vorderfuß, der wie ein Licht glänzte; es waren ihrer so viele, daß nur Gott ihre Zahl kennt; die ganze Insel war davon angefüllt. Sie unterhielten sich miteinander, bis der Tag anbrach, dann verschwanden sie wieder. Bulukia, aus Furcht vor ihrer Wiederkehr, stieg nun ins zweite Meer und ging Tag und Nacht, bis er an einen hohen Berg kam, unter welchem ein tiefes Tal lag, dessen Boden von Magnetstein war; hier stieg er ans Land und trocknete einige Fische in der Sonne. Als er aber am Ufer des Meeres sie verzehren wollte, kam ein Tiger drohend auf ihn zu, als wollte er ihn verschlingen, da salbte er sich schnell die Füße und sprang ins dritte Meer. Die Nacht war sehr dunkel und stürmisch und er mußte lange umhertappen, bis er auf eine Insel kam, wo allerlei Obstbäume wuchsen. Er pflückte einige Früchte, aß sie, dankte Gott und ging dann auf der Insel spazieren, die ihm so gut gefiel, daß er zehn Tage darauf zubrachte; am elften salbte er seine Füße wieder und ging auf das vierte Meer. Nach mehreren durchwanderten Tagen und Nächten kam er auf eine Insel, deren Boden aus weißem Sand bestand, auf dem weder Bäume noch sonst etwas Grünes zu sehen war. Es war ein Sandmeer, in welchem Raubvögel ihre Nester hatten. Er hielt sich daher gar nicht auf, sondern ging gleich auf das fünfte Meer, das er in einigen Tagen überschritt, und gelangte an eine kleine Insel, deren Boden wie Kristall glänzte und von vielen Goldadern durchschnitten war. Bäume wuchsen auf dieser Insel, die wie die Sonne leuchteten, und Blumen, die wie Gold aussahen. Bulukia brachte den Tag auf der Insel zu, und des Nachts sah er die Blumen wie Sterne leuchten. Man behauptet, diese Insel heiße die Blumeninsel, und diese Blumen seien lauter Funken, die von der Sonne abfallen. Bulukia schlief eine Nacht auf dieser Insel; am folgenden Morgen salbte er seine Füße wieder und stieg ins sechste Meer; dieses führte ihn nach einigen Tagen auf eine Insel, wo zwei Berge sich erhoben, auf denen viele Bäume wuchsen, an deren Zweigen Menschenköpfe an den Haaren hingen; andere Bäume sah er, an denen grüne Vögel mit den Füßen hingen, wieder andere, die wie Feuer strahlten und Früchte trugen, von denen brennende Funken herabtropften, er sah auch lachende und weinende Früchte und noch viele andere wunderbare Dinge. Auch sah er, als er des Nachts unter einem Baum lag, die Nymphen aus dem Meer steigen, mit Edelsteinen in der Hand, die wie ein Licht glänzten; sie tanzten und spielten und hüpften und scherzten miteinander, bis der Morgen heranbrach, dann sprangen sie wieder ins Meer. Auch Bulukia salbte sich wieder und betrat das siebente Meer. Er mußte zwei Monate lang gehen, ehe er Land erblickte, und große Hungersnot leiden, da er nichts als Fische aus dem Meer nehmen konnte, die er roh verzehren mußte. Endlich kam er an einem Morgen auf eine Insel, welche reich an Bächen und Bäumen war; er ging gleich auf einen Baum zu und streckte die Hand aus, um Äpfel zu nehmen. Da schrie ihn ein Mensch aus diesem Baum an: Wenn du etwas von diesem Baum nimmst, so teile ich dich in zwei Teile. Bulukia hob die Augen auf und sah eine Gestalt vor sich, welche wohlgemessene 40 Ellen lang war, er fürchtete sich sehr und sagte: Warum darf ich von diesen Früchten nichts essen? Der Mann antwortete: Weil du ein Erdensohn bist und dein Vater Adam Gottes Befehl übertrat und von dem verbotenen Baum aß. – Wem gehören denn diese Bäume und wer bist du? – Ich heiße Scherahia, und diese Insel mit ihren Bäumen gehört dem König Sachr, dessen Untertan ich bin, beauftragt, diese Insel zu bewachen; doch wer bist du und wie kommst du hierher? Bulukia erzählte ihm seine ganze Geschichte, worauf Scherahia ihm etwas zu essen brachte und Abschied von ihm nahm. Bulukia irrte nun wieder zehn Tage umher, zwischen Bergen und Tälern, bis er einen dichten Staub in der Ferne erblickte. Als er auf diese Staubwolken zuging, hörte er ein großes Geschrei und Kriegsgetümmel, und sah in einem Tal, durch welches man zwei Monate zu reisen hat, ganz eigene Gestalten, auf Pferden sitzend, gegeneinander so erbittert kämpfen, daß das Blut wie ein Strom unter ihnen floß; dabei schrieen sie mit einer Stimme wie der Donner und waren mit langen Schwertern und Lanzen, und eisernen Stangen und Bogen und Pfeilen bewaffnet. Bulukia zitterte das Herz vor Angst, als er diesen mörderischen Krieg sah; sobald aber die Krieger ihn erblickten, traten sie auseinander und machten dem Kampf ein Ende. Eine Abteilung der Krieger, deren Aussehen Bulukias Erstaunen erregte, näherte sich ihm, und ein Reiter trat auf ihn zu und fragte ihn: Wer bist du, woher kommst du, wo willst du hin und wer hat dir diesen Weg gezeigt? Bulukia antwortete: Ich bin ein Mensch, wandere umher aus Liebe zu Mohammed, dem Gott gnädig sei, und habe den rechten Weg verfehlt. Aber wer seid ihr denn? – Wir sind Genien vom weißen Land, das hinter dem Berg Kaf liegt, in einer Entfernung von 75 Jahren. – Was bedeutet denn der Krieg zwischen euch, und wie heißt dieses Land? – Du befindest dich hier auf dem Land Schaddads, des Sohnes Aads, und Gott befiehlt uns, jedes Jahr gegen die ungläubigen Genien hier zu kämpfen; wir aber tun weiter nichts, als Gott preisen und seine Heiligkeit verkünden. Wir haben auch einen König, der Sachr heißt, du mußt mit uns zu ihm gehen, daß er dich sehe. Sie führten dann Bulukia in ihr Lager, und er sah große seidene Zelte, so viel, daß nur Gott der Erhabene ihre Zahl kennt. Alle Zelte waren grün, nur ein sehr großes Zelt war rot, dieses hatte tausend Ellen im Umfang, die Stricke waren von blaugrüner Seide, und die Pfähle von Silber und Gold; es war das Zelt des Königs Sachr, in welchem ihm Bulukia vorgestellt wurde. Sachr saß auf einem goldenen Thron, mit Perlen und Edelsteinen besetzt, zu seiner Rechten standen die Könige der Genien und zu seiner Linken die Befehlshaber der Truppen, die Gelehrten und die Vornehmen des Reiches. Als Bulukia vor den König trat, verbeugte er sich und grüßte ihn. Der König erwiderte seinen Gruß und bat ihn, näher zu treten und sich auf einen Stuhl neben ihn zu setzen. Der König fragte ihn dann: Wer bist du? Er antwortete. Einer von den Söhnen Adams, ein Israelit. Der König bat ihn dann, ihm zu erzählen, wie er hierher gekommen und was ihm auf der Reise widerfahren. Als der König Sachr Bulukias Abenteuer vernahm, befahl er den Kammerdienern, etwas zu essen zu bringen. Nach einer Weile brachten sie gedeckte Tische, worauf allerlei Schüsseln von Silber, Gold und Messing standen; in einigen Schüsseln waren fünfzig gekochte Kamele, in anderen zwanzig, wieder in anderen fünfzig Hammel; es waren im ganzen 1050000 Schüsseln. Die Genien aßen dann miteinander, und Bulukia aß mit ihnen, bis er satt war, dann wurden die Fleischspeisen abgetragen und Früchte gebracht. Nachdem auch diese gegessen waren, priesen sie gemeinschaftlich Gott und beteten für seinen Propheten Mohammed. Als Bulukia den Namen Mohammed hörte, war er sehr erstaunt und bat den König Sachr um Erlaubnis, ihn etwas zu fragen. Auf einen bejahenden Wink des Königs sagte er: O König, wer seid ihr, woher stammt ihr und wieso kennt ihr Mohammed, daß ihr ihn liebt und für ihn betet? Der König antwortete: O Bulukia, Gott der Erhabene hat sieben Höllen übereinander geschaffen und zwischen der einen und der anderen ist eine Strecke von tausend Jahren. In die erste Hölle kommen die gläubigen Sünder, die ohne Buße sterben, in die zweite die Gottesleugner, in die dritte die Völker Jadjudsch und Madjudsch, in die vierte die Anhänger Satans, in die fünfte die, welche das Gebet vernachlässigen, in die sechste, wo man harte Pein aussteht, die Juden und Christen, und in die siebente die Heuchler. Die erste Hölle, welche die oberste ist, ist die minder peinliche von allen. Sie enthält tausend Feuerberge und bei jedem Berg 70000 Täler, und in jedem Tal 70000 Feuerstädte, in jeder Stadt 70000 Quartiere, in jedem Quartier 70000 Häuser, in jedem Haus 70000 feurige Stühle und auf jedem Stuhl 70000 verschiedene Qualen, und doch, o Bulukia, ist diese Hölle die oberste und allerleidlichste von allen. Die Anzahl der Feuerstädte in den übrigen Höllen aber kennt nur Gott. Bulukia weinte bei diesen Worten und fiel in Ohnmacht. Als er wieder zu sich kam, fragte er den König Sachr: Wie wird es denn uns gehen? Er antwortete. Fürchte nichts, Bulukia, wisse, daß, wer Mohammed liebt, der bleibt von der Hölle befreit, und kein Feuer kann ihn verletzen, denn die Hölle flieht vor allen, die an ihn glauben. Was aber uns angeht, o Bulukia, uns hat Gott aus Feuer geschaffen. Zuerst schuf nämlich Gott in der Hölle zwei Könige, der eine hieß Chalit und der andere Malit. Chalit hatte die Gestalt eines Löwen und Malit die eines Wolfes. Chalit war männlichen Geschlechts und Malit war ein Weibchen. Gott befahl ihnen dann, sich zu begatten, und sie zeugten allerlei Skorpione und Schlangen, mit denen Gott zur Pein der Ungläubigen die Hölle bevölkerte, denn diese häßlichen Tiere vermehrten und verbreiteten sich bald ins Unendliche. Nachher befahl Gott den beiden Engeln, zum zweiten Mal sich zu begatten; Malit wurde schwanger und gebar sieben Männchen und sieben Weibchen, die, als sie groß wurden, nach dem Willen Ihrer Eltern wieder einander heirateten; nur ein einziger widersetzte sich und wurde in einen Wurm verwandelt, dieser Wurm war Iblis (der Teufel), den Gott verdamme; später betete er doch den erhabenen Gott an, bis er in den Himmel erhoben und zu denen, die in der Nähe Gottes leben, gebracht wurde.

Iblis blieb unter den Gottesfürchtigen, bis Gott Adam erschuf; da befahl er Iblis, sich vor Adam zu beugen; der stolze Iblis wollte dies aber nicht tun, darum fluchte ihm Gott und verbannte ihn aus seiner Nähe. Von Iblis, der sich dann später vermehrte, kommen die Satane; von den sechs übrigen Paaren aber, die einander heirateten, stammen die gläubigen Genien her, zu denen wir gehören. Das ist alles, Bulukia, was ich dir über unsere Abkunft zu sagen weiß. Bulukia war sehr erstaunt über diese Worte und bat den König Sachr, ihm einen seiner Genien mitzugeben, der ihn in seine Heimat zurückbringe. Der König sagte: Wir dürfen nur tun, was uns Gott befiehlt; doch wenn du willst, so gebe ich dir eines meiner Pferde und befehle ihm, dich an die Grenze meines Reiches zu bringen; dort findest du einen König, welcher Barachja heißt, der mein Pferd wohl kennt; sobald er es sieht, wird er dich herunternehmen und das Pferd zurückschicken; das ist alles, was ich für dich tun kann, mehr nicht. Bulukia weinte, als er dies hörte, und sagte zum König: Tue, was du willst! Der König ließ dann ein Pferd bringen, man setzte Bulukia darauf und sagte ihm: Hüte dich wohl abzusteigen oder es zu schlagen oder zu schelten, sonst bist du verloren; laß es nur immer fortgehen, bis es von selbst mit dir stehen bleibt; dann steige ab und gehe deines Weges. Als Bulukia am Zelt des Königs vorüberritt, da sah er in der Küche große Kessel, die fünfzig Kamele hielten, unter denen Feuer brannte; er erstaunte so sehr über die Größe dieser Küche und ihrer Gerätschaften, daß er ein wenig stille hielt. Der König, der ihn vor der Küche halten sah, glaubte, er sei hungrig; er ließ daher zwei gebratene Kamele bringen und hinter ihm auf den Rücken des Pferdes befestigen. Bulukia nahm dann Abschied von diesen Genien und reiste bis an die Grenze ihres Reiches, wo das Pferd stehen blieb. Hier stieg er ab und schüttelte den Staub von seinem Kopf; da kamen Männer herbei, die sogleich das Pferd erkannten und es am Zaum in den Stall führten, ihn aber brachten andere zum König Barachja. Der König saß in einem prächtigen Saal, von vielen Genienfürsten und Helden und Truppenanführern zur Rechten und zur Linken umgeben. Nach gegenseitigem Gruß befahlt der König Bulukia, näher zu treten und sich neben ihn zu setzen. Als er dies getan hatte, ließ der König die Tische bringen, und Bulukia sah, daß hier ebenso unmäßig wie bei dem König Sachr gelebt wurde. Nach der Mahlzeit, an welcher auch Bulukia teilzunehmen eingeladen wurde, fragte ihn der König, wann er den König Sachr verlassen. – Vor zwei Tagen. – Weißt du, welche Strecke du in diesen zwei Tagen zurückgelegt? – Nein, ich weiß es nicht. – Du hast eine Reise von siebzig Tagen gemacht; du hättest aber noch weniger Zeit gebraucht, wenn man dem Pferd seinen freien Lauf gelassen hätte; da es nämlich wußte, daß du ein Mensch bist, wollte es dich herunterwerfen, darum hat man ihm zwei Kamele aufgebunden. Bulukia war sehr erstaunt über diese Worte und dankte Gott, glücklich angekommen zu sein. Barachja ließ sich dann von ihm seine ganze Reise und die Geschichte seiner Wanderungen erzählen und fand so viel Wohlgefallen daran, daß er ihn zwei Monate bei sich behielt.« Nachdem Haseb diese wunderbare Erzählung von der Schlangenkönigin Tamlicha gehört hatte, bat er sie, sie möchte doch nun ihm eine ihrer Gehilfinnen mitgeben, daß er in seine Heimat zurückkehre. Aber die Schlangenkönigin erwiderte: »Wisse, oh Haseb, wenn du auf die Oberfläche der Erde zurückkehrst, zu deinen Leuten gehst und dann ein Bad nimmst, so muß ich, sobald du dich wäschst, sterben.« Haseb sagte zur Schlangenkönigin: »Ich will dir schwören, daß ich in meinem Leben in kein Bad mehr gehen will, sondern, wenn ich eines Bades bedarf, mich zu Hause waschen lasse.« Aber die Schlangenkönigin erwiderte: »Und wenn du mir hundert Eide schwörst, so glaube ich dir nie und lasse dich nicht weg; du bist ja Adams Sohn und kennst so wenig Treue, als dein Stammvater, der Gottes Bündnis gebrochen, obschon der erhabene Gott vierzig Jahre lang an der Materie, woraus er geschaffen worden, gearbeitet und allen Engeln befohlen hatte, vor ihm niederzufallen.« Als Haseb dies hörte, schwieg er; dann rief er weinend: »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott dem Erhabenen!« Nach zehn Tagen bat er die Schlangenkönigin, ihm zu erzählen, was denn aus Bulukia geworden, nachdem er zwei Monate bei Barachja zugebracht hatte. Da erzählte sie: »Wisse, o Haseb, nachdem Bulukia den König Barachja verlassen hatte, irrte er Tag und Nacht in Wüsten und Einöden umher, bis er an einen hohen Berg kam, auf dem er einen erhabenen Engel sitzen sah, der Gott lobte und für Mohammed betete. Er hatte eine Tafel in der Hand, auf der etwas weiß und schwarz geschrieben war. Der Engel hatte zwei Flügel, einen nach Osten und einen nach Westen. Bulukia ging auf den Engel zu und grüßte ihn. Der Engel erwiderte seinen Gruß und fragte ihn, wer er sei und wo er herkomme. Bulukia erzählte ihm seine ganze Geschichte und bat ihn dann, ihm auch zu sagen, wie er heiße und was diese Tafel mit den Inschriften bedeute. Der Engel antwortete: Mein Name ist Michael. Ich bin beauftragt, über den Wechsel des Tages und der Nacht zu wachen; bis zum Auferstehungstag ist dies mein Geschäft. Auf dieser Tafel sind die Stunden des Tages und der Nacht aufgezeichnet. Nachdem Bulukia die ehrfurchtgebietende Gestalt des Engels bewundert und über seine geheimnisvollen Worte nachgedacht hatte, nahm er Abschied von ihm und reiste wieder einen Tag und eine Nacht, bis er in eine schöne, fruchtbare Wiese kam, welche von sieben Bächen durchschnitten war. Er erging sich eine Weile darin, bis er an einen hohen Baum kam, unter welchem vier Engel saßen; der eine hatte die Gestalt eines Menschen, der andere die eines wilden Tieres, der dritte die eines Stieres, und endlich der vierte die eines Vogels. Sie lobten Gott und beteten gemeinschaftlich: O mein Herr und Schöpfer, ich beschwöre dich bei deiner Allmacht und bei der Würde des Propheten Mohammed, verzeihe die Sünden aller Geschöpfe, welche meine Gestalt haben, und sei ihnen gnädig, du bist ja der Nachsichtsvolle! Bulukia verließ auch diese Engel mit großem Erstaunen und ging wieder weiter; da kam er an einen hohen Berg, auf dem ein Engel saß, der Gott lobte, für Mohammed betete und immer seine Hand zudrückte und wieder öffnete, sie ausstreckte und wieder zu sich zog.

»Bulukia ging auf den Engel zu und grüßte ihn. Da fragte ihn derselbe: Wo kommst du her, wo gehst du hin, wer bist du und wie ist dein Name? Er antwortete: Ich heiße Bulukia, bin von den Söhnen Adams und wandere umher in der Liebe zu Mohammed, dem Gott hold sei, und erzählte ihm hierauf seine ganze Geschichte. Als er damit zu Ende war, fragte er den Engel: Wer bist du, wie heißt du und was ist das für ein Berg? Der Engel antwortete: Wisse, Bulukia, dieser Berg ist der Berg Kaf, der die ganze Welt umgibt; ich halte in meiner Hand alle Länder, die der erhabene Gott geschaffen; ich vollziehe hier Gottes Willen, und ohne von hier zu weichen, bringe ich, wenn er es befiehlt, Erdbeben, Hungersnot oder Fruchtbarkeit auf der Erde hervor, denn in meiner Hand liegen die Adern der Erde. Bulukia fragte dann: Hat Gott hinter dem Berg Kaf auch noch ein Land geschaffen? Der Engel antwortete. Gott hat hinter dem Berg Kaf ein weißes Land geschaffen wie Silber; nur Gott weiß, wie groß dieses Land ist, er hat es mit Engeln bevölkert, die, statt zu essen, ihn preisen, und statt zu trinken, seinen heiligen Namen verkünden, und die viel für Mohammed beten, dem Gott gnädig sei. Jeden Donnerstag Abend versammeln sie sich auf diesem Berg und preisen Gott und beten zu ihm für die Sünder unter den Muselmännern und für die, welche sich am Freitag baden; so leben sie fort bis zum Tag der Auferstehung. Bulukia fragte ferner, ob es hinter dem Berg Kaf auch noch andere Berge gäbe. Und der Engel antwortete: Hinter dem Berg Kaf ist noch ein Berg, der fünfhundert Jahre hoch ist; er ist ganz aus Schnee und Eis gebildet und dient als Damm der Hölle, sonst würde die ganze Welt durch die Hitze der Hölle verbrennen. Dann, mein Freund, fuhr der Engel fort, sind hinter dem Berg Kaf noch vierzig Länder, jedes vierzigmal so groß, als die bekannte Welt; einige sind aus Gold, andere aus Silber, wieder andere aus Rubin, manche aus Smaragd und aus Safran, und jedes dieser Länder hat eine eigene Farbe; auch diese Länder hat Gott mit Engeln bevölkert, die sein Lob verkünden und seinen Namen heiligen und für die Anhänger Mohammeds beten, sonst aber gar nichts wissen, weder von Adam noch von Eva, weder von Tag noch von Nacht. Wisse ferner, o Bulukia, daß diese Länder in sieben Schichten übereinander liegen; um sie zu tragen, hat Gott einen Engel geschaffen, den nur er zu schildern vermag und dessen Kraft nur er kennt; unter diesen Engel hat Gott einen Felsen gelegt, unter den Felsen einen Stier, unter den Stier ein Seeungeheuer, und unter dieses Seeungeheuer ein unendliches Meer. Mit dem Seeungeheuer hat Gott einst Jesus bekannt gemacht, als er es zu sehen wünschte; Gott befahl nämlich einem Engel, Jesus an das Meer zu bringen, wo das Seeungeheuer ruht. Als er dort war, sagte ihm der Engel: Sieh nun, Jesus, hier ist das Seeungeheuer! Jesus konnte aber nichts sehen, denn es fuhr an ihm vorüber wie ein Blitz, so daß er in Ohnmacht fiel. Als er wieder zu sich kam, fragte ihn Gott, ob er das Seeungeheuer gesehen und dessen Länge und Breite beobachtet habe. Er antwortete: Bei deiner Herrlichkeit und Erhabenheit, o Herr! Ich habe nichts gesehen, als ein Licht, das an mir vorüberzog, so lang, daß man drei Tage von einem Ende zum anderen zu reisen hätte; ich weiß aber nicht, was es war. Da sagte Gott: Das, was du für ein Licht hieltst, war nichts anderes, als der Kopf des Seeungeheuers, und wisse, o Jesus, daß ich jeden Tag vierzig solche Seeungeheuer schaffe.

Bulukia fragte dann, was Gott unter dem Meer geschaffen, in dem das Seeungeheuer lebt. Der Engel antwortete: Einen großen Luftraum, unter diesem ein Feuer und unter dem Feuer eine braungefleckte Schlange, so groß, daß, fürchtete sie sich nicht vor Gott, sie den Engel verschlingen würde, der die sieben Länder trägt, samt dem Felsen und dem Stier und dem Seeungeheuer und dem Meer und dem Luftraum mit allem, was der Engel sonst trägt, ohne etwas davon im Leib zu spüren. Als Gott diese Schlange schuf, sagte er ihr: Ich will dir etwas anvertrauen, bewahre es aber wohl! Die Schlange sagte: Tue, was du willst. Da sagte Gott: Öffne deinen Mund! Als sie ihren Mund öffnete, steckte ihr Gott die Hölle in den Leib und sagte ihr: Bewahre die Hölle auf bis zum Auferstehungstag; wenn dieser kommt, wird Gott seinen Engeln den Befehl erteilen, mit Ketten herbeizueilen und die Hölle auf den Versammlungsplatz zu schleppen, dann wird Gott den Toren der Hölle befehlen, sich zu öffnen, und es werden Funken herausspritzen, größer als der höchste Berg. Als Bulukia diese Worte vernahm, weinte er heftig, nahm vom Engel Abschied und wendete sich nach Westen, bis er zwei Engel traf, die vor einer großen verschlossenen Tür saßen; der eine hatte die Gestalt eines Löwen und der andere die eines Stieres. Bulukia grüßte sie, und nachdem sie seinen Gruß erwidert hatten, fragten sie ihn, wer er sei und was er hier tue; er erzählte ihnen alle seine Reiseabenteuer von Anfang bis zu Ende, und fragte sie dann, wer sie seien und was sie hier für eine Tür bewachen. Die Engel antworteten: Wir haben kein anderes Geschäft, als vor dieser Tür Wache zu halten, Gott zu preisen und für Mohammed zu beten; was aber hinter dieser Tär ist, wissen wir selbst nicht. Bulukia beschwor sie bei dem erhabenen Schöpfer, ihm diese Tür zu öffnen, damit er sehe, was dahinter ist. Aber sie antworteten: Weder wir, noch irgendein Geschöpf Gottes hat die Macht, diese Türe zu öffnen, das kann nur der wahrhaftige Engel Gabriel. Als Bulukia diese Worte vernahm, betete er zu Gott: O Herr, schicke mir den Engel Gabriel, daß er mir diese Tür öffne, damit ich sehe, was sie verschließt. Gott erhörte sein Gebet und befahl dem Engel Gabriel, sich auf die Erde niederzulassen, um Bulukia die Tür zu öffnen. Gabriel grüßte Bulukia, öffnete die Tür und hieß ihn zur Tür hineingehen. Als Bulukia darin war, schloß Gabriel die Tür wieder und stieg gen Himmel. Bulukia sah ein ungeheures Meer, halb süß und halb gesalzen, das von zwei hohen Bergen aus Rubin umschlossen war. Auf diesen Bergen gingen Engel umher, die Gott lobten; Bulukia ging auf sie zu, grüßte sie und fragte sie, was das für ein Meer und für Berge wären. Sie erwiderten seinen Gruß und antworteten ihm: Du befindest dich hier unter dem himmlischen Thron, und dieses Meer ist die Quelle aller Gewässer von der Welt, wir schöpfen aus diesem Wasserbehälter und verteilen sowohl süßes, als gesalzenes Wasser unter alle Meere, Seen und Flüsse bis zum Auferstehungstag. Diese zwei Berge aber hat Gott geschaffen, um das Wasser zusammenzuhalten. Bulukia fragte sie dann nach seinem Weg, und sie sagten ihm: Es gibt keinen anderen, als längs dieses Meeres. Bulukia zog sein Fläschchen heraus, salbte sich die Füße wieder und ging einen Tag und eine Nacht auf dem Meer. Da begegnete ihm ein schöner Jüngling, den er grüßte und fragte, wo er hingehe. Der Jüngling sagte: Mein Freund, ich muß eilen, denn meine Gesellschaft, welche gleich folgen wird, darf mir nicht zuvorkommen. Als der Jüngling weiterzog, sah Bulukia vier Engel, die wie ein Blitz über das Meer liefen; er stellte sich in den Weg und beschwor sie bei dem Herrn, sie möchten ihm doch sagen, wie sie heißen und wo sie hingehen. Da antwortete der eine: Ich heiße Gabriel, ein anderer: Israfil, der dritte: Michael, und der vierte: Asrail. – Gott hat uns befohlen, sagten sie einstimmig, einen Drachen in die Hölle zu werfen, der schon tausend Städte verwüstet und alle ihre Bewohner aufgefressen hat. Bulukia zog dann wieder weiter, bis er an eine Insel kam; hier sah er einen schönen Jüngling, dessen Angesicht wie ein Licht glänzte; er saß zwischen zwei Gräbern und weinte und seufzte. Bulukia näherte sich ihm und fragte ihn, wie er heiße, wer er sei, was diese Gräber hier bedeuten und warum er so weine. Der Jüngling wendete sich zu Bulukia, weinte so heftig, daß alle seine Kleider durchnäßt wurden, und sagte: Meine Geschichte ist wunderbar und verdient wohl, daß du dich zu mir setzest, um sie anzuhören; doch zuerst sage mir, wer du bist und wie du hierhergekommen. Bulukia erzählte ihm alles, vom Eröffnen der Kiste seines Vaters, in der das Buch lag, in welchem von Mohammed geschrieben war, bis zu seinem Eintritt in die verschlossene Pforte. Als er vollendet hatte, sagte der Jüngling: Das ist alles sehr unbedeutend; du hast noch nichts in deinem Leben gesehen. Wisse, o Bulukia, ich habe unzählbare Wunder erlebt; ich habe den König Salomo zu seiner Zeit gesehen; setze dich nur zu mir, daß ich dir alles erzähle, was mir im Leben widerfahren; du wirst dann auch hören, warum ich hier bei diesen beiden Gräbern sitze.« – Haseb war sehr erstaunt über diese wunderbare Erzählung der Schlangenkönigin Tamlicha; doch bat er sie, ihm seine Freiheit zu schenken und durch eine ihrer Schlangen ihn auf die Erde zurückbringen zu lassen, und schwor abermals, er wolle nie ins Bad gehen. Aber sie antwortete wieder: »Ich glaube dir nicht, wenn du hundert Eide schwörst; daraus kann nie etwas werden.« Haseb weinte bei dieser Antwort so heftig, daß alle Schlangen aus Mitleid mit ihm weinten und die Königin baten, ihn auf die Erde zurückzuschicken, wenn er schwöre, nie ins Bad zu gehen. Die Schlangenkönigin begab sich hierauf zu Haseb und ließ ihn beim erhabenen Gott schwören, daß er nie ins Bad gehen wolle, und befahl dann einer Schlange, ihn auf die Oberfläche der Erde zurückzubringen. Als aber diese Schlange zu ihm kam und ihn wegführen wollte, bat er die Schlangenkönigin, ihm zuerst die Geschichte des Jünglings zu erzählen, dem Bulukia auf der Insel begegnet war, worauf jene begann:

Wisse, o Haseb, nachdem Bulukia seine Geschichte vollendet hatte und sich neben den Jüngling setzte, begann dieser: »Wisse, mein Freund, mein Vater war ein mächtiger König, der in Kabul residierte; sein Name war Tighanus. Unter ihm standen zehntausend Statthalter, deren jeder über hundert Städte und hundert Schlösser gesetzt war; auch waren sieben Sultane meinem Vater untertan, und von Osten bis Westen wurden ihm aus den entferntesten Ländern Huldigungen dargebracht, denn seine Regierung war sehr mild und gerecht. Der erhabene Gott segnete auch meinen Vater in allen seinen Unternehmungen; nur hatte er keine männlichen Nachkommen, weshalb er immer dachte: Wer wird wohl nach meinem Tode mein Nachfolger sein? Eines Tages ließ er die Weisen seines Landes und die Sterndeuter zu sich kommen und fragte sie, ob er wohl noch einen Sohn zeugen werde, dem er sein Reich hinterlassen könne. Die Sterndeuter öffneten ihre Bücher und beobachteten sein Gestirn, machten ihre Berechnungen und sagten: Wisse, o mächtiger König und edler Herrscher, eine Prinzessin von Chorasan wird dir noch einen Sohn gebären. Der König Tighanus freute sich sehr mit dieser Prophezeiung, schenkte den Sterndeutern unzählbare Schätze und entließ sie wieder. Er ließ sogleich seinen Großvezier Einsar kommen, der ein sehr tapferer Ritter war, teilte ihm der Sterndeuter Prophezeiung mit, und bat ihn, nach dem Lande Chorasan zu reisen und um eine dortige Prinzessin für ihn zu werben. Der Vezier verließ sogleich den König, um die Vorbereitungen zur Reise zu treffen und Ritter und Truppen zu seiner Begleitung zu versammeln. Der König aber ließ fünfzehnhundert Kamele mit Gold, Silber, Perlen, Edelsteinen, Seidenstoffen und allerlei Ausstattungsgerätschaften beladen und gab sie dem Vezier mit; auch schrieb er einen Brief folgenden Inhalts:

»Nachdem wir Bahrawan, den König von Chorasan, freundlich grüßen, melden wir ihm, daß die Weisen und Sterndeuter uns prophezeiten, nur von deiner Tochter würde uns ein Sohn geboren werden; wir schicken dir daher den Vezier Einsar mit allerlei Geschenken zur Morgengabe als unseren Stellvertreter und Bevollmächtigten, und ersuchen dich, ihm ohne Säumen zu gewähren, was er von dir fordert; was du uns Gutes tust, wird reichlich belohnt werden; hüte dich aber, dich unsern Wünschen zu widersetzen, denn wisse, o König Bahrawan, daß uns Gott das mächtige Königreich Kabul geschenkt hat; wenn du uns deine Tochter gibst, so verbinden wir unsere Reiche und wir schicken dir jedes Jahr so viel Geld du brauchst. Das ist's, was wir dir mitzuteilen haben.«

»Diesen Brief versiegelte der König, übergab ihm den Vezier und befahl ihm, abzureisen. Der Vezier reiste, von vielen Offizieren begleitet, nach Chorasan. Sobald der König Bahrawan dessen Ankunft vernahm, schickte er ihm einige Adjutanten entgegen mit allerlei Speisen und Getränken, und mit Futter für die Pferd.. Sie ließen ihren Proviant abladen, sobald sie dem Vezier begegneten, und bewillkommten ihn im Namen des Königs. Der Vezier brachte mit ihnen zehn Tage unter vielen Festlichkeiten in einer freundlichen Weise zu. Am ersten Tage, als er ausgeruht hatte, zog er in die Stadt; hier besuchte ihn der König sogleich und lud ihn ein, mit ihm ins Schloß zu kommen. Der Vezier überlieferte dann die Geschenke, die er mitgebracht hatte, und den Brief des Königs Tighanus.«

»Als Bahrawan den Brief gelesen hatte, freute er sich sehr und sagte zum Vezier: Dein Begehren sei dir gewährt; dem König Tighanus gäbe ich auch mein Leben, wenn er es verlangte. Er ging dann zu seiner Gattin und ihren Verwandten, um ihnen die Botschaft des Veziers mitzuteilen, und auch sie sahen mit Freude der Vermählung der Prinzessin von Chorasan mit dem König von Kabul entgegen.

»Der Vezier verweilte, nachdem ihm die Gewährung seiner Bitte zugesagt wurde, noch zwei Monate bei dem König Bahrawan; dann bat er ihn, ihm die Prinzessin, um derentwillen er gekommen, mitzugeben, daß er sie dem König zuführe. Der König ließ alles, was zur Aussteuer seiner Tochter gehörte, auf Kamele laden, beauftragte die Priester seiner Hauptstadt, einen Ehekontrakt zwischen seiner Tochter und dem König Tighanus aufzusetzen, beschenkte den Vezier, als Stellvertreter des Königs, mit den kostbarsten Edelsteinen, ließ die Stadt mit Teppichen belegen und herrlich ausschmücken, und dann reiste der Vezier mit der Prinzessin ab. Der König Tighanus liebte die Prinzessin von Chorasan mehr als seine übrigen Frauen, und nach einem Jahr zeigte sich die Bestätigung dessen, was die Astrologen prophezeit hatten, denn sie gebar einen Sohn, so schön wie der Vollmond. Der König Tighanus freute sich außerordentlich über die Niederkunft seiner Gattin; er ließ die Weisen und Sterndeuter abermals rufen und sagte ihnen: Ich wünsche von euch zu vernehmen, was diesem neugeborenen Kind in seinem Leben widerfahren wird. Die Sterndeuter und Weisen beobachteten des Prinzen Gestirn und fanden es glückverkündend; nur sahen sie, daß ihm nach dem fünfzehnten Jahr manches Unangenehme zustoßen würde; wenn er das aber überstanden hat, sagten sie, so wird er viel Glück erleben, ein großer König werden, noch mächtiger und gesegneter als sein Vater; alle seine Feinde werden untergehen, und ungetrübte Freude werden ihn bis zu seinem Tode begleiten. (Doch nur Gott ist allwissend!) Als der König Tighanus diese Wahrsagung der Astrologen hörte, wurde er sehr vergnügt. Er ließ dann Ammen und Pflegefrauen kommen, um den Prinzen zu erziehen, den er Djanschah nannte. Als der Prinz ein Alter von fünf Jahren erreichte, ließ ihn Tighanus Lesen lehren, so daß er bald das Evangelium lesen konnte, und noch ehe weitere sieben Jahre vergingen, lernte er auch die Kriegskunst und übte sich in allen Ritterspielen; er war bald in allem sehr gewandt und hatte besonders viel Freude an der Jagd; auch im Krieg zeichnete er sich zur größten Freude seines Vaters als ein wackerer Held aus. Eines Tages zog der König Tighanus mit Djanschah und vielem Gefolge auf die Jagd und trieb sich drei läge lang vergebens in Wüsten und Einöden umher. Am dritten Nachmittag sprang an Djanschah eine Gazelle von wunderschöner Farbe vorüber und entfloh vor ihm. Djanschah verfolgte sie, aber sie sprang immer vor ihm her, ohne daß er sie erreichen konnte, obschon sieben Mamelucken sich bald zu ihm gesellten und sie mit ihm verfolgten. Endlich blieb aber doch der Gazelle, da sie den Prinzen und die sieben Mamelucken im Rücken und das Meer vor sich hatte, nichts anderes zu ihrer Rettung übrig, als sich ins Wasser zu stürzen.

»Als die Gazelle im Meer war, sprang der Prinz mit sechs Mamelucken in einen Fischerkahn, der am Ufer lag, und ließ den siebten Mamelucken an Land, um die Pferde zu halten. Sie ruderten dann der Gazelle nach, bis sie sie eingeholt und aufgefangen hatten. Schon wollten sie wieder ans Land zurückkehren, da erblickte Djanschah eine Insel im Meer, und er sagte zu seinen Mamelucken: Laßt uns, ehe wir heimkehren, diese Insel sehen, Die Mamelucken erwiderten: Wir gehorchen dir in allem, was du befiehlst, und ruderten nach der Insel zu, stiegen daselbst ans Land und gingen eine Weile darauf spazieren, Dann bestiegen sie mit der Gazelle das Schiff wieder, um heimzukehren; aber die Nacht überfiel sie, sie irrten auf dem Meer umher und wurden vom Wind getrieben, ohne zu wissen wohin.

»Der König Tighanus vermißte aber bald seinen Sohn und schickte Soldaten nach allen Wegen aus, um ihn aufzusuchen, Da kamen nun auch einige Offiziere an das Meer, wo der zurückgebliebene Mameluck bei den Pferden stand; sie gingen auf ihn zu und fragten ihn nach seinem Herrn und nach den anderen sechs Mamelucken, und der Mameluck erzählte ihnen, was er wußte. Sie kehrten dann mit dem Mamelucken und den Pferden zum König zurück, um ihm diese Auskunft über seinen Sohn zu bringen. Der König weinte heftig, als er diese Nachricht hörte, warf die Krone von seinem Haupt, schlug die Hände übereinander, ließ Briefe nach den verschiedenen Inseln ausfertigen, versammelte hundert Schiffe und befahl den Hauptleuten, überall auf dem Meer seinen Sohn Djanschah zu suchen. Nach diesen Anstalten kehrte er höchst bestürzt mit seinen Truppen in die Stadt zurück und trauerte mit seiner Gattin, die sich auch ins Gesicht schlug, sobald sie die Abwesenheit ihres Sohnes bemerkte; ihre Angst war aber noch größer, als nach zehn Tagen die hundert Schiffe zurückkehrten, ohne den Prinzen gefunden zu haben. Dieser irrte lange mit den Mamelucken auf dem Meer herum, bis ihn ein Sturmwind an eine Insel warf. Er stieg auf diese Insel mit seinen sechs Mamelucken, und nachdem sie eine Weile umhergegangen waren, kamen sie an eine Wasserquelle, neben der ein Mann saß. Djanschah ging auf ihn zu und grüßte ihn. Der Fremde erwiderte seinen Gruß mit einer Stimme, welche dem Gezwitscher der Vögel ähnlich war und den Prinzen in Erstaunen versetzte; dann sah er sich links und rechts um, teilte sich in zwei Teile, und jede Hälfte wendete sich nach einer anderen Seite. Kaum war dieser fort, kamen noch unzählbare Gattungen Menschen vom Gebirge her zur Quelle, teilten sich in zwei Hälften und gingen auf den Prinzen und die Mamelucken los, um sie zu fressen. Djanschah entfloh; aber sie verfolgten ihn und fraßen ihm drei seiner Mamelucken. Djanschah bestieg dann schnell mit den übrigen drei Mamelucken den Nachen und segelte wieder ins offene Meer, ohne zu wissen, nach welcher Richtung. Bald mußte er die Gazelle schlachten lassen, um nicht vor Hunger zu sterben. Nach einigen Tagen trieb ihn der Wind auf eine andere Insel, welche reich an Bäumen und Bächen wie das Paradies war, Diese Insel gefiel dem Prinzen so gut, daß er seine Mamelucken fragte, ob einer von ihnen ans Land steigen wolle, um sich auf dieser Insel umzusehen. Einer von ihnen erbot sich zum Aussteigen; doch der Prinz sagte: Es ist besser, ihr geht alle drei zusammen, und ich warte hier, bis ihr wiederkehrt.

»Die Mamelucken stiegen ans Land und durchstreiften die Insel nach Osten und nach Westen, ohne einem Menschen zu begegnen. Als sie aber mitten auf die Insel kamen, sahen sie eine Zitadelle von weißem Marmor mit einem Palast aus dem reinsten Kristall. Mitten in der Zitadelle war ein Garten mit allerlei frischen und trockenen Früchten und allerlei wohlriechenden Pflanzen und vielen Vögeln, die auf den Baumzweigen zwitscherten. Am Ende des Gartens lag ein großer Teich, vor welchem ein herrliches Zelt aufgeschlagen war. In diesem Zelt standen viele Stühle ringsumher, und in ihrer Mitte erhob sich ein großer Thron mit allerlei Edelsteinen besetzt. Die Mamelucken bewunderten dieses schöne Schloß und den Garten und gingen überall herum, ohne jemand zu finden. Sie kehrten dann zu ihrem Herrn zurück und berichteten ihm, was sie gesehen. Als der Prinz ihren Bericht hörte, sagte er: »Ich muß auch dieses Schloß sehen!« Er verließ sogleich das Schiff und ging mit den Mamelucken nach der Zitadelle. Der Prinz war auch erstaunt über dieses schöne Schloß, und ging den ganzen Tag mit den Mamelucken im Garten spazieren und aß von dessen Früchten. Als der Abend herankam, begab er sich an die Stelle, wo die Stühle und der Thron standen, setzte sich auf den Thron und weinte heftig wegen der Trennung von seinem Vater und seiner Heimat, und die drei Mamelucken weinten mit ihm. Auf einmal hörten sie einen großen Lärm vom Meer her, und es kam eine Herde Affen, so zahlreich wie ein Heuschreckenschwarm, herbei, die sich nach allen Seiten hin verbreiteten, so daß Djanschah und die Mamelucken sich sehr fürchteten. Als die Affen – fuhr die Schlangenkönigin in ihrer Erzählung fort – den Prinzen Djanschah, welcher kein anderer als der Jüngling war, den Bulukia auf den Gräbern fand, auf dem Thron sahen, küßten sie die Erde vor ihm und verbeugten sich ehrerbietigst. Dann kamen mehrere Affen mit verschiedenen geschlachteten Tieren in die Zitadelle, zogen ihnen die Haut ab, zerschnitten und kochten sie und legten sie in goldene und silberne Gefäße. Bald wurde der Tisch gedeckt und die Affen gaben dem Prinzen und den Mamelucken durch Zeichen zu verstehen, sie möchten sich dem Tische nähern und mitessen. Djanschah stieg vom Thron herunter und aß mit den Mamelucken und den Affen, bis er satt war: Dann wurden die Speisen von einigen Affen weggetragen und Früchte herbeigebracht. Djanschah aß auch davon und dankte dem erhabenen Gott. Nach vollendeter Mahlzeit wendete sich der Prinz zu den Häuptern der Affen und fragte sie: Wer seid ihr und wem gehört dieses Schloß? Die Affen antworteten: Wisse, dieser Ort gehört Salomon, dem Sohne Davids, Friede sei mit ihm! Er kam jedes Jahr einmal hierher spazieren und ordnete unsere Regierungsangelegenheiten. Wisse auch, o glücklicher König, daß wir dich jetzt zu unserem Sultan ernennen und dir treu dienen wollen: Du kannst essen und trinken und befehlen, was du willst, es soll alles nach deinem Wunsche geschehen. Sodann verbeugten sich die Affen und zogen sich einer nach dem anderen zurück. Djanschah bestieg den Thron wieder und schlief darauf ein, und die drei Mamelucken saßen um ihn herum. Am anderen Morgen kamen die vier Veziere der Affen mit ihren Truppen, welche die ganze Gegend ausfüllten, und ließen sie in geschlossenen Reihen an ihm vorüberziehen; dann baten sie ihn im Namen der Armee, er möchte doch ihr Sultan werden. Hierauf zerstreuten sich die Affen wieder mit furchtbarem Lärmen; nur einige blieben stehen, um den Prinzen zu bedienen.«

»Bald darauf kam wieder eine Herde Affen mit Hunden, so groß wie Pferde, deren jeder eine Kette um den Hals gebunden hatte. Die Anführer der Affen gaben dem Prinzen durch Zeichen zu verstehen, daß er auch einen solchen Hund besteige und mit ihnen reite; er tat nach ihrem Wunsch; die drei Mamelucken und viele Truppen auf Hunden und zu Fuß folgten ihm. Als sie am Ufer des Meeres vorüberkamen, sah Djanschah, daß das Schiff, mit welchem er gekommen, in den Grund gebohrt war; er wendete sich zu den Anführern der Affen und fragte sie, wo sein Schiff hingekommen. Sie antworteten ihm: Wisse, o König, als du mit dem Schiff auf unsere Insel kamst, beschlossen wir gleich, dich zu unserem Sultan zu ernennen; da wir aber fürchteten, du möchtest, wenn wir uns dir nähern, vor uns entfliehen und wieder fortsegeln, haben wir das Schiff in den Grund gebohrt. Als Djanschah dies hörte, sagte er zu seinen Mamelucken gewendet: »Nun hilft uns keine List mehr zum Entkommen, wir müssen nun bei diesen Affen bleiben; doch Geduld ist eine schöne Tagend, Gott kann immer helfen!« Er zog dann traurig mit den Affen weiter bis an das Ufer eines Flusses, hinter welchem ein hoher Berg lag. Auf diesem Berge sah er eine unzählbare Menge Werwölfe und fragte die Affen, was das für Tiere seien. Die Affen antworteten: »Das sind unsere Feinde, gegen die wir nun Krieg führen.« Djanschah war sehr erstaunt über die Gestalt dieser Werwölfe; sie waren so groß wie ein Pferd und hatten Stierköpfe; manche glichen sogar Kamelen. Sobald sie die Affen erblickten, stürzten sie vom Gebirge herunter an den Fluß und warfen die Affen mit Steinen, so groß wie Säulen, und töteten viele von ihnen.

Als Djanschah die Niederlage der Affen sah, rief er den Mamelucken zu: »Holt schnell die Bogen herbei und schießt Pfeile gegen die Werwölfe ab, um sie zurückzutreiben.« Die Mamelucken taten dies und töteten viele Werwölfe und trieben die übrigen in die Flucht. Nachdem alle verschwunden waren, bestieg Djanschah mit den Affen einen hohen Berg. Auf dem Gipfel des Berges erblickte er eine marmorne Tafel, auf der geschrieben war: Wanderer, der du in dieses Land kommst, wisse, daß die Affen dich zu ihrem Sultan machen und dir nur zwei Wege zur Flucht übrig lassen. Der eine zieht sich östlich am Gebirge hin, ist drei Monate lang und führt dich an Werwölfen, allerlei reißenden Tieren, Gespenstern und abtrünnigen Geistern vorüber; dann gelangst du an das Meer, das die Welt umgibt. Auf dem andern, westlichen Weg hast du vier Monate durch das Ameisental zu reisen, wo du dich sehr vor den Ameisen in acht nehmen mußt. Dieses Tal endet an einem hohen Berg, über den man zehn Tage zu steigen hat und der wie Feuer brennt. Jenseits des Berges – stand ferner auf der Tafel – fließt ein großer Strom mit so reißender Schnelligkeit, daß man ganz verblendet wird, wenn man hineinsieht; jeden Samstag trocknet aber dieser Strom aus. Am jenseitigen Ufer des Stromes liegt eine Stadt, die nur von Juden bewohnt ist; es befindet sich überhaupt kein einziger Muselmann im ganzen Land; auch ist weit umher die ganze Gegend öde und menschenleer. Solange du bei den Affen bleibst, werden sie stets gegen die Werwölfe siegreich kämpfen. Unten stand: Wisse, daß Salomo, der Sohn Davids, diese Inschrift auf die Tafel gegraben.

Als Djanschah diese Inschrift gelesen hatte, weinte er heftig und erzählte den Mamelucken, was diese Tafel enthielt: Dann kehrte er mit den Affen, die über ihren erfochtenen Sieg sich gar zu sehr freuten, zur Zitadelle zurück und residierte darin als Sultan der Affen achtzehn Monate lang. Nach Verlauf dieser Zeit befahl er der Affenarmee, sich zu einer großen Jagdpartie auszurüsten, und zog mit ihr in Begleitung seiner Mamelucken mehrere Tage durch Wüsten und Einöden, bis er an das Ameisental kam, wo er das Merkmal fand, das auf obenerwähnter Inschrift angegeben war; da befahl er den Affen, ihre Zelte aufzuschlagen, um in diesem Tal zehn Tage lang zu lagern. Aber in der folgenden Nacht sagte er zu seinen Mamelucken: »Meine Absicht ist, jetzt zu entfliehen; wir wollen ins Ameisental geben, das uns in die Judenstadt führt; Gott wird uns beistehen, daß wir glücklich diesen Affen entkommen.« Die Mamelucken sagten: »Wir gehorchen in allem, was unser Herr uns befiehlt.« Als dann ein Teil der Nacht vorüber war und die Affen, welche seine Leibwache bildeten, schnarchend vor seinem Zelt lagen, machte er sich mit den Mamelucken auf, bewaffnete sich mit Schwert und Dolch und anderen Kriegsgerätschaften, und entfloh ins Ameisental. Als am Morgen aber die Affen vom Schlaf erwachten und Djanschah und die Mamelucken nicht mehr fanden, teilten sie sich in zwei Haufen; der eine ritt nach Osten gegen den Ozean und der andere nach Westen ins Ameisental, bis sie Djanschah und den Mamelucken auf die Spur kamen. Djanschah hörte bald die Affen hinter sich und floh immer vorwärts ins Tal; aber er wurde noch vor Mittag eingeholt, und schon wollten die Affen ihn und seine Mamelucken töten, als eine Herde Ameisen aus dem Tal hervorkamen, jede so groß wie ein Hund, sich über die Affen herstürzten und viele von ihnen fraßen; doch auch von den Ameisen wurde eine große Anzahl getötet. Der Kampf zwischen ihnen dauerte den ganzen Tag fort, und Djanschah benutzte diese Zeit, um vor beiden zu entfliehen und ins Innere des Tales zu dringen.

Aber noch am folgenden Morgen sah sich Djanschah von den Affen verfolgt; da rief er seinen Mamelucken zu: »Ziehet eure Schwerter und dringet auf sie ein!« Die Mamelucken zogen ihre Schwerter und hieben nach den Affen rechts und links, bis auf einmal ein großer Affe kam, mit Vorderzähnen wie ein Elefant; dieser sprang auf einen der Mamelucken los und teilte ihn entzwei; ihm folgten viele andere Affen, so daß Djanschah weiter ins Tal fliehen und zuletzt, um sein Leben zu retten, sich in den Strom stürzen mußte; die beiden übrigen Mamelucken taten dasselbe, aber sie ertranken, denn der Strom riß sie mit sich fort; und nur der Prinz schwamm hinüber, hielt sich an einem Baum fest und stieg ans jenseitige Ufer. Er lief den ganzen Tag umher und weinte über den Verlust seiner Mamelucken. Abends ging er in eine Höhle und brachte die Nacht in großer Furcht darin zu.

Am folgenden Tage zog Djanschah wieder weiter und nährte sich von den Pflanzen der Erde, bis er an den Berg kam, der wie Feuer brannte. Er bestieg diesen Berg und entdeckte bald den Strom, der jeden Samstag austrocknet, und jenseits des Stromes die große Stadt, welche nur von Juden bewohnt war. Er wartete bis Samstag, weil er wußte, daß an diesem Tag der Strom ausgetrocknet sein würde; dann ging er hinüber in die Judenstadt, fand aber keinen Menschen auf den Straßen. Da klopfte er an eine Tür und als man ihm öffnete, sah er die Bewohner des Hauses still dasitzen: Niemand sprach ein Wort. Djanschah sagte ihnen. »Ich bin fremd und hungrig.« Da stellten sie ihm zu essen vor und gaben ihm durch Zeichen zu verstehen, er möge essen und trinken, aber kein Wort sprechen. Djanschah aß und trank und schlief dann die ganze Nacht durch. Am folgenden Morgen kam der Hausherr zu ihm und bewillkommte ihn und fragte ihn, woher er komme und wohin er wolle. Djanschah erzählte ihm weinend seine Geschichte und sagte, er wolle in seine Heimat zurückkehren, und nannte seine Vaterstadt. Der Jude sagte mit Verwunderung: »Diese Stadt habe ich in meinem Leben nicht nennen hören; wir wissen nur durch Karawanen, welche zuweilen hierher kommen, daß es ein Land gibt, welches Jemen heißt.« Djanschah fragte: »Ist das Land, von dem die Karawanen sprechen, sehr weit von hier?« Der Jude antwortete: »Die Karawanenführer sagen, dieses Land sei zwei Jahre und drei Monate weit von hier entfernt.« Djanschah fragte dann: »Wann wird wohl wieder eine solche Karawane kommen?« Der Jude antwortete: »Das nächste Jahr.«

Djanschah weinte heftig bei diesen Worten über seine lange Trennung von seinen Eltern, über alles, was er auf der Reise leiden mußte, und über den Verlust seiner Mamelucken. Der Jude sagte ihm aber: »Weine nicht, Jüngling; bleibe bei uns, bis die Karawane kommt, dann schicken wir dich mit ihr in deine Heimat zurück.« Djanschah blieb nun zwei Monate lang bei dem Juden und ging jeden Tag aus, um die Stadt zu sehen. Als er eines Tages nach seiner Gewohnheit auf der Straße war und sich rechts und links umsah, hörte er, wie ein Mann ausrief: »Wer will tausend Dinare nehmen und ein wunderschönes Mädchen, und von morgens bis mittags eine Arbeit verrichten?« Der Mann rief lange so und niemand antwortete. Djanschah dachte: Das muß zwar keine leichte und gefahrlose Arbeit sein, die man mit tausend Dinaren und einem schönen Mädchen bezahlen will; indessen will ich mich doch melden. Er ging zum Ausrufer und sagte: »Ich will diese Arbeit verrichten.« Der Ausrufer nahm ihn bei der Hand und sagte: »Komm mit in die Wohnung dessen, bei dem die Arbeit geschehen soll.« Djanschah ließ sich von ihm in ein großes Haus führen, in dessen Hof ein Jude auf einem Stuhl von Ebenholz saß. Der Ausrufer sagte zu diesem: »Ich laufe nun schon drei Monate in der Stadt herum und rufe deine Arbeit aus, konnte aber niemanden finden, bis endlich dieser Jüngling sich hier meldete.« Der Jude bewillkommte Djanschah und hieß ihn sitzen; nachdem er eine Weile neben ihm saß, führte er ihn in das Wohnzimmer und gab einem Sklaven Befehl, zu essen zu bringen. Sie aßen miteinander, wuschen sich, dann tranken sie, und als sie getrunken hatten, holte der Jude einen Beutel mit tausend Dinaren und führte ein wunderschönes Mädchen an der Hand und sagte zu Djanschah: »Hier ist der versprochene Lohn für die Arbeit, die du zu verrichten hast; morgen früh sollst du ans Werk gehen.« Hierauf verließ er ihn.

Djanschah legte das Geld beiseite und brachte die Nacht auf dem Diwan neben dem Mädchen zu. Am folgenden Morgen kam der Jude zu ihm, führte ihn ins Bad und befahl den Sklaven, ihm ein seidenes Kleid nachzubringen. Als Djanschah aus dem Bad kam, überreichten ihm die Sklaven das seidene Kleid und führten ihn wieder nach Hause. Der Jude ließ dann allerlei Musiker und Getränke holen; man spielte und trank und scherzte, bis die halbe Nacht vorüber war; da zog sich der Jude in seinen Harem zurück, und Djanschah schlief wieder an der Seite seines Mädchens. Sobald aber der Morgenstern leuchtete, kam der Jude zu Djanschah und sagte ihm: »Ich wünsche nun, daß du mir meine Arbeit verrichtest.« Djanschah erwiderte: »Ich bin bereit zu allem, was du befiehlst.« Da ließ der Jude von seinen Sklaven zwei Maulesel bringen, hieß Djanschah den einen besteigen und ritt selbst auf dem zweiten. Nachdem sie von morgens bis Mittag auf dem Wege waren, kamen sie an einen unermeßlich hohen Berg. Der Jude stieg hier ab und befahl auch Djanschah abzusteigen. Er zog dann ein Messer und ein Seil aus der Tasche und sagte zu Djanschah: »Schlachte deinen Maulesel!« Djanschah schürzte sich auf, warf dem Maulesel den Strick um die Füße und stürzte ihn zu Boden. Dann sagte der Jude zu Djanschah: »Spalte dem Maulesel den Leib und schlüpfe hinein!« Als Djanschah hineinschlüpfte, nähte der Jude den Leib wieder zu, ging fort und verbarg sich im Gebirge.

Nach einer Weile kam ein großer Vogel herangeflogen, ergriff den Maulesel und trug ihn auf den Berg, um ihn zu essen. Sobald aber der Leib aufgepickt war, kroch Djanschah heraus und stellte sich aufrecht; da erschrak der Vogel vor ihm und flog davon. Djanschah sah sich rechts und links um, fand aber niemanden. Bald entdeckte er viele Totengebeine und Leichen in der Sonne verdorrt und schrie: »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen!« Er blickte dann vom Berg herunter und sah den Juden unten stehen und hörte, wie er ihm zurief, er möchte ihm von den Steinen herunterwerfen, die auf dem Berg liegen, er wolle ihm dann den Weg angeben, auf welchem er wieder herunterkommen könne. Djanschah warf dem Juden etwa zweihundert Steine vom Berge herunter zu; es waren nichts als Rubine, Smaragde und andere kostbare Edelsteine. Als er aber dann dem Juden sagte: »Zeige mir nun den Weg, der mich herunterführen soll, ich werfe dir dann noch einmal so viele Steine zu!« gab ihm der Jude keine Antwort, sondern wickelte seine Edelsteine ein, lud sie auf den Maulesel, bestieg ihn selbst und ritt davon. Djanschah blieb nun allein auf dem Berg sitzen und weinte und schrie um Hilfe drei Tage lang. Am vierten Tag machte er sich auf und ging zwei Monate lang auf dem Berg umher, von rohen Pflanzen sich nährend. Endlich kam er an den Abhang des Berges; da sah er ein Tal vor sich mit vielen Bäumen und Bächen. Er kam bald an einen Pfad, neben welchem sich ein Bach ins Tal ergoß und stieg da hinunter. Nachdem er eine Weile im Tal umherging und nach allen Seiten sich umsah, erblickte er ein sehr hohes Schloß; er ging darauf zu und sah vor dem Tor einen alten Mann mit ehrwürdigem, strahlendem Gesicht, der in der rechten Hand ein Beil von Rubin hielt. Djanschah näherte sich ihm und grüßte ihn; der Alte erwiderte seinen Gruß, bewillkommte ihn und hieß ihn sitzen. Als Djanschah sich vor das Tor des Schlosses neben den Alten setzte, fragte ihn dieser: »Wie kommst du in dieses Land, das vor dir noch kein Sohn Adams betreten, und wo willst du hin?« Djanschah erinnerte sich an alle Mühseligkeiten und Leiden, die ihm auf der Reise widerfahren, und weinte so heftig, daß er nicht antworten konnte. Da sagte ihm der Alte: »Laß das Weinen, mein Sohn!« und holte ihm etwas zu essen. Djanschah aß, bis er satt war, und dankte Gott. Als er gegessen hatte, bat ihn der Alte wieder, ihm zu erzählen, wie er hierhergekommen, und Djanschah erzählte ihm alle Abenteuer seiner Reise bis zu seinem Zusammentreffen mit ihm; dann bat er den Alten, welcher ihm mit viel Aufmerksamkeit und Teilnahme zugehört hatte, ihm zu sagen, wem dieses Tal und dieses Schloß gehöre und wie er heiße. – Der Alte antwortete: »Wisse, mein Sohn, dieses Tal mit allem, was du darin siehst, so wie auch dieses Schloß, gehört unserm Herrn Salomo, dem Sohne Davids (Friede sei mit ihm!); mein Name aber ist Scheich Naßr und ich bin König der Vögel. Unser Herr Salomo hat mir dieses Schloß anvertraut und mich die Sprache der Vögel gelehrt und zum Herrscher über alle Vögel von der ganzen Welt ernannt; sie müssen sich jedes Jahr in diesem Schloß versammeln, und ich halte Musterung über sie.« Djanschah fragte weinend: »Was soll ich nun tun, um in meine Heimat zu kommen?« Der Alte antwortete: »Es bleibt dir nichts übrig, als hier zu warten, bis sich die Vögel versammeln; da gebe ich einem der Vögel den Auftrag, dich mitzunehmen; einstweilen kannst du hier im Schloß wohnen, essen und trinken und spazieren gehen.« Djanschah blieb bei Scheich Naßr und lebte mit ihm sehr angenehm, bis endlich die Vögel kamen, um Scheich Naßr zu besuchen. Bei der Ankunft der ersten Vögel übergab Scheich Naßr Djanschah die Schlüssel des Schlosses mit den Worten: »Bleibe du hier und ergehe dich im ganzen Schloß; nur die Tür eines Zimmers darfst du nicht öffnen, sonst geht es dir schlecht; nimm dich also wohl in acht!« Hierauf verließ Scheich Naßr das Schloß und ging den Vögeln entgegen. Sobald die Vögel Scheich Naßr erblickten, flogen sie zu ihm hin, und eine Gattung nach der anderen küßte ihm die Hand.

Djanschah ging indessen im Schloß umher und besuchte ein Gemach nach dem anderen, bis er endlich an die Tür kam, die ihm Scheich Naßr zu öffnen verboten hatte.

Die Türe war schöner als die aller übrigen Gemächer, und es hing ein goldenes Schloß davor. Da dachte Djanschah: Gewiß ist dies das schönste Zimmer im Schloß; ich möchte doch wissen, was darin ist, daß Scheich Naßr mir den Eingang verboten. Er blieb eine Weile nachdenkend stehen; dann sagte er: »Ich muß in dieses Zimmer und sehen, was darin ist; es kommt dem Menschen doch nur zu, was im Himmel über ihn bestimmt ist.« Er öffnete hierauf die Tür und sah einen großen Teich, neben welchem ein kleines Schloß gebaut war aus Gold, Silber und Kristall; die Fenster waren aus Rubin, und der Boden aus grünem Smaragd, Diamanten, Perlen und marmorfarbigen Edelsteinen. Mitten im Schloß war ein goldener Springbrunnen voll mit Wasser, und rund herum allerlei goldene und silberne wasserspeiende Tiere und Vögel, die, sooft der Wind ihnen in die Ohren wehte, jedes in seiner Sprache redete. Neben dem Springbrunnen war ein großer Saal mit einem Thron aus Rubin mit Perlen und Edelsteinen verziert, und über dem Thron war ein Zelt von grüner Seide aufgeschlagen mit allerlei Juwelen durchwirkt; das Zelt war fünfzig Ellen groß und dessen Boden mit einem Teppich bedeckt, der unserem Herrn Salomo gehörte. Hinter dem Schloß war ein Garten mit vielen Bächen und Fruchtbäumen, und ein Blumenbeet von Rosen, Jasminen, Nelken, Lilien, Narzissen, Veilchen, Anemonen und anderen wohlriechenden Blumen, die ein leiser Zephyr sanft umherschaukelte. Djanschah ging lange in diesem Garten umher, der unbeschreiblich viele Merkwürdigkeiten enthielt; dann bewunderte er wieder den schönen Teich, dessen Boden aus den kostbarsten Edelsteinen zusammengesetzt war.

Nachdem Djanschah alle Wunder des Gartens und Springbrunnens angestaunt hatte, ging er ins Zelt, das neben dem Springbrunnen aufgeschlagen war, bestieg den Thron, der darin stand, und schlief eine Weile. Als er erwachte, ging er wieder zum Zelt hinaus und setzte sich vor die Tür, um noch einmal dieses schöne Schloß zu bewundern.Einige der folgenden Nächte haben Ähnlichkeit mit denen aus der Geschichte Hasans aus Baßrah, konnten aber des Zusammenhangs willen nicht ausgelassen werden. Auf einmal kamen drei Vögel in der Gestalt von Tauben, aber so groß wie Adler, herbeigeflogen, ließen sich neben dem Teich nieder und spielten und scherzten eine Weile miteinander; dann zogen sie ihre Federn aus und sprangen in den Teich, und siehe da! Es waren drei Mädchen wie der Mond, dergleichen Djanschah in der Welt noch nie gesehen hatte. Er wußte nicht, was er am meisten bewundern sollte, ihr blühendes Gesicht mit seinen regelmäßigen Zügen oder das Ebenmaß und die Grazie ihres Wuchses. Nachdem sie eine Weile gebadet hatten, stiegen sie wieder ans Land und gingen im Garten spazieren. Djanschah verlor fast den Verstand, als er sie in der Nähe sah; er lief ihnen nach und grüßte sie. Als sie seinen Gruß erwiderten, fragte er sie: »Wer seid ihr, meine Damen, und wo kommt ihr her?« Da sagte die Jüngste unter ihnen: »Wir kommen aus dem Reiche Gottes, um in diesem Garten ein wenig spazieren zu gehen.« Djanschah blieb eine Weile betroffen; dann sagte er: »O habe doch Mitleid mit mir und mit meinem Zustand, es sind mir schon gar zu viele Leiden im Leben zugestoßen.« Das Mädchen antwortete: »Ich kann dir nicht helfen; geh' deines Weges!«

Djanschah weinte heftig über diese Antwort, denn er war schon in Liebe und Verlangen aufgelöst, und er sprach folgende Verse:

»Sie erschien mir im Garten im grünen Gewande mit aufgelöstem Gürtel und herunterhängenden Haaren; ich frage sie nach ihrem Namen, und sie antwortet: Ich bin die, welche das Herz der Liebenden wie mit heißen Kohlen entzündet. Da klage ich ihr die Qualen der Liebe und sie antwortet: Du klagst einem Felsen, weißt du das nicht? Ich erwidere: Wäre auch dein Herz ein Felsen, hat nicht Gott Wasser aus einem Felsen entspringen lassen?«

Die Mädchen machten sich über diese Verse lustig und fuhren fort, zu scherzen und zu spielen und zu singen. Djanschah brachte ihnen dann einige Früchte, die sie aßen; dann legten sie sich nieder und schliefen die ganze Nacht in der Nähe von Djanschah. Als der Morgen leuchtete, zogen sie ihre Kleider wieder an und flogen in der Gestalt von Tauben davon. Djanschah sah sie vor seinen Augen verschwinden und verlor fast seinen Verstand darüber; er schrie laut auf und fiel in eine Ohnmacht, die den ganzen Tag dauerte.

Scheich Naßr aber war inzwischen von seiner Zusammenkunft mit den Vögeln zurückgekehrt und hatte schon einige Vögel gebeten, Djanschah in seine Heimat zu bringen, was die Vögel auch gerne tun wollten; er suchte Djanschah überall im Schloß, konnte ihn aber nirgends finden. Endlich kam er an die Tür des verschlossenen Gemachs und fand sie offen; da dachte er: Djanschah müsse trotz seines Verbotes hineingegangen sein; und als er vor das Schloß kam, fand er ihn ohnmächtig auf dem Boden liegen.

Als Djanschah durch die Pflege des Scheichs Naßr aus seiner Ohnmacht erwachte, seufzte er vor Liebe und Sehnsucht und rezitierte folgende Verse:

»Sie erschien wie der Mond in der Nacht der Seligkeit, mit zarten Hüften und schlankem Wuchs und einem Auge, so reizend, daß es jedes Herz fesselt; die Röte ihrer Lippen glich Rubinen, und lange, schwarze Haare bedeckten ihren Rücken. Hüte dich wohl vor ihr, denn ihr Herz ist härter als ein Fels; aus den Bogen ihrer Augenbrauen sendet sie Pfeile ab, die auch aus der Ferne nie das Ziel verfehlen.«

Als Scheich Naßr diese Verse hörte, sagte er: »Mein Sohn, habe ich dich nicht vor der verschlossenen Tür gewarnt? Warum hast du mein Gebot nicht beobachtet?« Djanschah weinte so heftig, daß er lange nicht imstande war, Scheich Naßr zu erzählen, was ihm in seiner Abwesenheit widerfahren. Dann bat er ihn, ihm zu sagen, wer die drei Mädchen waren, die ihm als Tauben erschienen. Scheich Naßr antwortete: »Diese drei Tauben sind Genientöchter, die jedes Jahr einmal hierher kommen, um in diesem Garten auszuruhen, und dann wieder in ihre Heimat zurückkehren.« – »Und wo ist denn ihre Heimat?« fragte Djanschah. Scheich Naßr antwortete: »Bei Gott! Mein Sohn, das weiß ich selbst nicht! Darum rate ich dir: Mache dich jetzt auf; ich will dich mit den Vögeln in deine Heimat schicken. Denke nicht mehr an diese Mädchen, die dir ewig unerreichbar bleiben!« Djanschah stieß ein furchtbares Geschrei aus, als er diese Worte hörte, und fiel wieder in Ohnmacht. Als er wieder zu sich kam, sagte er zu Scheich Naßr: »O mein Vater! Ich werde nicht in meine Heimat zurückkehren, bis ich diese Mädchen wieder gesehen, ich will lieber hier sterben; laß mich hier bleiben, ich bin zufrieden, wenn ich sie nur jedes Jahr einmal sehe.« Er warf sich dann Scheich Naßr zu Füßen und küßte sie, und fuhr heftig weinend fort: »Habe Mitleid mit mir, Gott wird sich auch deiner erbarmen; hilf mir in meiner Not, Gott wird auch dir helfen!« Da sagte ihm Scheich Naßr: »Bei Gott! Mein Sohn, ich weiß nicht, wer diese Mädchen sind; doch wenn deine Liebe so heftig ist, so bleibe noch ein Jahr bei mir; sie müssen gewiß das nächste Jahr um diese Zeit wiederkehren; da verbirgst du dich im Garten unter einem Baum, und wenn sie in den Teich steigen, um zu baden und zu scherzen, und recht weit von ihren Kleidern sind, da springst du hervor und nimmst das Kleid derjenigen von ihnen, die dir am besten gefällt. Wenn dann die Mädchen dich bemerken, werden sie ans Land steigen und die, deren Kleid du genommen, wird dich mit süßen Worten und rührender Stimme bitten, ihr das Federnkleid zurückzugeben. Gibst du ihr dann Gehör, so bleibt dir kein Mittel mehr übrig, sie an dich zu fesseln, denn sobald sie ihr Kleid wieder anzieht, fliegt sie in ihre Heimat, und du siehst sie nie mehr wieder. Nimm daher ihr Kleid unter den Arm und gib es ihr ja nicht zurück, bis ich von der Zusammenkunft mit den Vögeln zurückkehre, da will ich euch verbinden und zusammen in deine Heimat zurücksenden. Das ist alles, mein Sohn, was ich für dich tun kann, sonst nichts.«

Djanschah beruhigte sich bei diesen Worten und blieb noch ein ganzes Jahr bei Scheich Naßr, bis endlich die Zeit der Zusammenkunft mit den Vögeln wiederkehrte; da kam Scheich Naßr und sagte zu ihm: »Ich gehe jetzt wieder zur Versammlung der Vögel; beherzige wohl, was ich dir geraten in bezug auf die Kleider der Mädchen.« Djanschah versprach ihm, alles zu befolgen, und wünschte ihm Glück zur Reise. Sobald Scheich Naßr fort war, ging Djanschah in den Garten und verbarg sich unter einem stark belaubten Baum, und wartete darunter drei Tage lang; da aber niemand kam, war er sehr betrübt und niedergeschlagen und weinte, bis er in Ohnmacht fiel. Nach einer Weile, als er wieder zu sich kam, sah er bald nach dem Himmel, bald auf die Erde, bald in den Teich, und sein Herz zitterte vor Liebe und Verlangen. Auf einmal kamen drei Tauben aus der Luft und ließen sich neben dem Teich nieder. Sie drehten sich nach allen Seiten um, und als sie niemanden, weder einen Menschen noch einen Genius erblickten, entkleideten sie sich, stiegen in den Teich und spielten und scherzten miteinander. Als sie glänzend wie neugegossenes Silber im Wasser umherschwammen, sagte die älteste zu den anderen: »Wie wäre es, wenn jemand in diesem Garten verborgen wäre?« Die mittlere antwortete: »Wo denkst du hin? Seit der Zeit unseres Herrn Salomo ist weder ein Mensch noch ein Genius in dieses Schloß gekommen.« Hierauf sagte die jüngste lachend: »O wenn jemand im Garten verborgen wäre, würde er gewiß mich rauben!« Dann scherzten sie wieder untereinander und schwammen im Teich umher. Djanschah, der unter dem Baum hervor sie ungesehen beobachten konnte, wartete mit zitterndem Herzen, bis sie mitten im Teich waren, recht weit von ihren Kleidern, dann sprang er hervor wie ein Blitz und nahm das Federnkleid der Jüngsten, welche Schemsiah hieß. Als die Mädchen sich umdrehten und Djanschah erblickten, tauchten sie vor Scham unter das Wasser; dann hoben sie nur den Kopf aus dem Wasser hervor, näherten sich dem Ufer und fragten ihn: »Wie kommst du hierher und wer bist du, daß du Schemsiahs Kleider nimmst?« Djanschah antwortete: »Kommt nur näher her zu mir, da will ich euch erzählen, wie es mir gegangen.«

Da sagte Schemsiah. »Wer bist du, daß du gerade meine Kleider gestohlen, und mich hier ohne Bedeckung gelassen?« Djanschah antwortete: »O Licht meines Auges, Innerstes meines Herzens, steige nur ans Land, da will ich dir alles sagen, wie ich dich kennengelernt und warum ich hierher gekommen.« Schemsiah sagte: »O mein Herr, Freude meines Auges, Frucht meines Herzens, gib mir meine Kleider, daß ich meine Scham bedecke, dann will ich zu dir kommen.« – »Ich will mich nicht selbst vor Liebesgram ins Grab stürzen; ich kann dir deine Kleider nicht zurückgeben, bis Scheich Naßr kommt.« – »Wenn du mir meine Kleider nicht geben willst, so warte, bis meine Schwestern angezogen sind, daß sie mir etwas bringen, um mich zu bedecken.« –»Das will ich recht gern«, sagte Djanschah und ging einstweilen voraus ins Schloß. Die Mädchen stiegen dann ans Land, und die ältesten gaben der jüngsten einen Teil ihrer Kleider, mit denen sie aber nicht fliegen konnte, und sie gingen zusammen ins Schloß zu Djanschah, der auf dem Thron saß. Schemsiah, die wie der Mond oder wie eine weidende Gazelle aussah, setzte sich neben ihn und sagte: »O schöner Jüngling, der du dich und uns ins Verderben gestürzt, erzähle mir nun, was dir widerfahren.« Djanschah fing an zu weinen, bis alle seine Kleider von Tränen benetzt waren; aber Schemsiah trocknete ihn ab und war so liebevoll gegen ihn, daß er bald gefaßt genug war, seine ganze Geschichte zu erzählen.

Als Djanschah seine Erzählung vollendet hatte, stand Schemsiah auf und sagte: »Mein Herr, wenn du mich wirklich liebst, so gib mir meine Kleider, daß ich mit meinen Schwestern zu meinen Eltern zurückkehre und ihnen von deiner Liebe zu mir erzähle; dann komme ich wieder hierher zu dir und bringe dich in deine Heimat,« Djanschah sagte weinend: »Erlaubt dir dein Gott, daß du mich unschuldigerweise tötest?« – »Wieso das?« fragte Schemsiah. »Ich weiß«, erwiderte Djanschah, »daß, wenn du deine Kleider anziehst, du mich verläßt, und ich muß sogleich sterben.« Schemsiah lachte über diese Worte und ihre Schwestern lachten mit ihr. Dann sagte sie: »Sei frohen Herzens, ich will dich heiraten.« Sie umarmte ihn hierauf, drückte ihn an ihre Brust und küßte ihn auf die Wangen und zwischen die Augen. Nachdem sie sich lange umarmt hatten, setzten sie sich wieder auf den Thron, und Schemsiah sagte zu Djanschah: »O mein Geliebter, Freude meines Auges, bei Gott; ich liebe dich sehr und werde mich nie von dir trennen!« Diese Worte erleichterten Djanschahs Brust und erheiterten sein Gesicht. Sie aßen dann miteinander einige Früchte, welche die älteste Schwester aus dem Garten holte, und bald darauf kam Scheich Naßr zurück. Da standen alle vor ihm auf und grüßten ihn. Er erwiderte ihren Gruß, bewillkommte sie und hieß sie wieder sitzen. Als sie wieder Platz genommen hatten, sagte er zu Schemsiah: »Ich empfehle dir diesen Jüngling hier, der dich sehr leidenschaftlich liebt; er ist von edler Geburt, sein Vater ist Sultan im Lande Kabul.« Schemsiah sagte: »Ich gehorche dir in allem, was du mir befiehlst«, und küßte Scheich Naßr die Hand. Scheich Naßr versetzte hierauf: »Wenn du aufrichtig bist, so schwöre mir bei Gott, daß du ihm nie untreu werden willst, solange du lebst.«

Schemsiah schwor einen schweren Eid, daß sie Djanschah heiraten, ihm stets treu bleiben und sich nie von ihm trennen wolle, solange sie lebe. Als sie diesen Eid geschworen hatte, glaubte ihr Scheich Naßr und rief freudig aus: »Gelobt sei Gott, der euch beide vereinigt!« Djanschah war vor Freude außer sich und lebte noch drei Monate mit Schemsiah in Scheich Naßrs Schloß in den schönsten irdischen Genüssen. Nach drei Monaten sagte sie zu Djanschah: »Nun wünsche ich, daß du in deine Heimat zurückkehrst, damit wir uns dort verheiraten.« Djanschah ging zu Scheich Naßr und teilte ihm Schemsiahs Wunsch mit. Scheich Naßr sagte: »Kehre in deine Heimat mit ihr zurück und laß sie dir empfohlen sein; du kannst ihr ohne Furcht ihre Kleider zurückgeben, sie wird dich nie mehr verlassen.« Djanschah ging ins Schloß und holte Schemsiahs Kleider und gab sie ihr. Als sie sie angezogen hatte, sagte sie ihm: »Steige nun auf meinen Rücken, drücke deine Augen und deine Ohren zu, damit dich das Geräusch der Himmelssphäre nicht zerschmettere; halte dich mit der Hand recht fest an meinem Rücken und nimm dich wohl in acht, daß du nicht herunterfällst.« Djanschah bestieg ihren Rücken, und Scheich Naßr belehrte sie über die Lage des Landes Kabul, damit sie den Weg dahin finde. Dann empfahl er ihr noch einmal Djanschah und nahm von beiden Abschied. Schemsiah verabschiedete sich hierauf von ihren beiden Schwestern und sagte ihnen: »Geht nun in eure Heimat zurück und erzählt zu Hause, was mir mit Djanschah begegnet.« Dann flog sie in einem fort von morgens bis abends, und Djanschah hielt sich fest an ihrem Rücken. Gegen Abend erblickte sie in der Ferne ein Tal mit vielen Bäumen, Früchten und Bächen; da sagte sie zu Djanschah: »Wir wollen uns ein wenig in diesem Tal ergehen und diese Nacht darin ausruhen.« Djanschah erwiderte: »Tue, was dir gut dünkt.« Sie ließ sich hierauf aus der Luft auf die Erde herunter, Djanschah stieg von ihrem Rücken ab und küßte sie zwischen die Augen; sie setzten sich eine Weile an das Ufer eines Flusses, dann gingen sie spazieren und aßen von den Früchten des Tales, bis es Nacht wurde; da legten sie sich unter einen Baum und schliefen die ganze Nacht. Des anderen Morgens stand Schemsiah auf und hieß Djanschah wieder auf ihren Rücken steigen, und flog wieder in einem fort bis Mittag; da erkannte sie die Merkmale, die ihr Scheich Naßr vom Lande Kabul gegeben, und ließ sich in eine schöne, weite Wiese herab, wo viele Bäche flossen und viele Gazellen umherhüpften. Als sie auf den Boden kam, stieg Djanschah ab und küßte sie zwischen die Augen. Da sagte Schemsiah: »Weißt du, mein Geliebter, welche Reise wir in zwei Tagen zurückgelegt?« Djanschah antwortete: »Bei Gott, ich weiß es nicht!« – »Wir haben«, fuhr sie fort, »eine Reise von dreißig Monaten gemacht.« Djanschah dankte Gott und setzte sich neben Schemsiah. Auf einmal, als sie so beisammen saßen und aßen und tranken und scherzten, kamen zwei Mamelucken auf sie zu, von denen der eine zur Zeit, wo Djanschah mit seinem Vater auf die Jagd gegangen war, die Pferde gehalten hatte, während Djanschah den Nachen bestieg. Sie küßten Djanschah Hände und Füße, als sie ihn erkannten, und sagten: »Dein Vater jagt hier in der Nähe; wir wollen ihm schnell deine Ankunft melden.« Djanschah antwortete: »Tut dies; dann bringt Zelte herbei: Wir wollen hier eine Woche ausruhen, damit alle Fürsten und Heerführer mir hierher entgegenkommen, und ich dann mit Pomp und Glanz meinen Einzug halte.«

Die beiden Mamelucken bestiegen ihre Pferde und ritten zu Djanschahs Vater und sagten: »Gute Nachricht, o König der Zeit!« Als der König Tighanus dies hörte, sagte er: »Wehe euch, bringt ihr mit etwa Botschaft von meinem Sohne Djanschah?« Die Mamelucken antworteten: »Ja wohl, dein Sohn Djanschah ist von seiner Reise zurückgekehrt; er ist hier in der Nähe.« Der König verlor das Bewußtsein bei diesen Worten. Als er wieder zu sich kam, freute er sich sehr, befahl seinem Vezier, jedem der Mamelucken ein Ehrenkleid zu schenken für tausend Dinare und noch einen Beutel voll Geld dazu. Der Vezier holte sogleich nach dem Befehl des Königs zwei Ehrenkleider und zwei Beutel voll Geld, gab sie den zwei Mamelucken und sagte ihnen: »Hier habt ihr den Lohn für die frohe Botschaft, die ihr überbracht, ihr möget wahr gesprochen oder gelogen haben.« Da versetzten die Mamelucken: »Wir lügen nicht, wir sind eben bei Djanschah gesessen, haben ihn gegrüßt und ihm die Hand geküßt; auch hat er uns befohlen, Zelte zu holen, weil er sieben Tage in der Wiese verweilen will, bis alle Emire, Fürsten und Prinzen ihm entgegenkommen.« Als der König Tighanus dies hörte, ließ er in die Trompeten stoßen und Botschafter umherreiten, um die Ankunft Djanschahs allenthalben zu verkünden; auch sandte er einen Eilboten an Djanschahs Mutter, um ihr die Rückkehr ihres Sohnes zu melden. Dann zog der König Tighanus mit vielen Truppen in die Wiese, wo Djanschah neben Schemsiah saß. Djanschah stand auf, als er die Truppen bemerkte und ging ihnen entgegen. Alle Reiter stiegen von ihren Pferden ab, als sie den Prinzen erblickten, grüßten ihn und küßten seine Hände. Djanschah ging immer vorwärts an den Truppen vorüber, bis er zu seinem Vater kam. Als dieser Djanschah erblickte, sprang er vom Pferd herunter, umarmte ihn und weinte heftig. Dann bestieg er sein Pferd wieder, Djanschah ritt ihm zur Rechten und die Truppen folgten. Hierauf wurden Zelte aufgeschlagen und Fahnen aufgesteckt, und die Trompeten erschallten von allen Seiten. Der König ließ für Schemsiah ein Zelt von roter Seide aufschlagen, und als sie eine Weile darin ausgeruht hatte, besuchte er sie mit dem Prinzen. Als Schemsiah den König Tighanus sah, stand sie auf und verbeugte sich vor ihm. Er setzte sich, ließ den Prinzen zu seiner Rechten und Schemsiah zu seiner Linken Platz nehmen, bewillkommte letztere und fand viel Wohlgefallen an ihr.

Der König ließ sich dann von seinem Sohn alles erzählen, was ihm während seiner Abwesenheit widerfahren, und als er dessen Erzählung angehört hatte, wendete er sich zu Schemsiah und sagte: »Gelobt sei Gott, der dich mit meinem Sohn vereinigt! Wünsche dir nun etwas, ich werde es dir gewähren, was es auch sein mag!« Sie sagte: »Ich wünsche, daß du mir ein Schloß bauen lassest mitten in einem Garten, am Ufer eines Flusses.« Der König antwortete: »Dein Wille geschehe!« Während dieses Gesprächs kam Djanschahs Mutter mit den Frauen der Fürsten und Veziere und aller Vornehmen der Stadt. Als Djanschah sie kommen sah, ging er ihr entgegen zum Zelte hinaus. Bei dem Anblick ihres Sohnes verlor sie fast den Verstand vor Freude; sie fiel ganz außer sich über ihn her und hielt ihn lange umarmt. Dann sagte sie weinend folgenden Vers:

»Die Freude stürmt so gewaltig über mich her, daß ich vor allzu großem Entzücken weinen muß; mein Auge hat sich so sehr ans Weinen gewöhnt, daß nun die Freude ihm wie einst der Gram Tränen entlockt.«

Während sie so einander die Schmerzen der Trennung und Sehnsucht klagten, kamen auf einmal Boten, welche Schemsiahs Ankunft meldeten, die ihre Schwiegermutter zu begrüßen kam. Djanschahs Mutter ging ihr entgegen, grüßte und umarmte sie, und begleitete sie wieder mit allen Frauen der Fürsten und Staatsoberhäuptern in ihr Zelt zurück und brachte zehn Tage in allerlei Festlichkeiten bei ihr zu. Der König, der auch so lange in seinem Zelt geblieben war, befahl nun den Truppen, in die Stadt zu ziehen, und er ritt selbst an der Spitze, von zahlreichem Gefolge umgeben. Die Stadt wurde mit Atlas und anderen Seidenstoffen, farbigem Tuch und sonstigem Zierat ausgeschmückt. Die Vornehmen des Reiches veranstalteten allerlei Feste, und die Armen und Bedürftigen wurden reichlich gespeist.

Nach zehn Tagen schickte der König Tighanus zu sachverständigen Baumeistern und Geometern und befahl ihnen, ein Schloß mitten in seinem Garten anzulegen. Die Baumeister entwarfen einen Plan zur Erbauung des Schlosses, und als der Grund gelegt wurde, ließ Djanschah eine weiße marmorne Säule herbeischaffen und befahl den Arbeitsleuten, sie wie ein Rohr auszuhöhlen. Als dies geschehen war, nahm er Schemsiahs Kleid und legte es in diese Säule, die er dann in den Grund versenken und mit einem Gewölbe überbauen ließ. Sobald das Schloß vollendet war, ließ es der König ausmöblieren, und bald darauf wurde Djanschahs Hochzeit in diesem Schloß gefeiert. Als aber Schemsiah das Schloß betrat, stieg ihr der Geruch ihres Kleides entgegen und leitete sie auf den Platz, wo es verborgen war. Nun ging sie mit dem Gedanken um, sich desselben wieder zu bemeistern. Aber sie mußte warten, bis die Hochzeitsgäste das Schloß verließen und Djanschah in ihren Armen eingeschlafen war.

Gegen Mitternacht, als er in tiefen Schlaf versunken war, stand sie leise auf, ging zur Säule hin, grub das Gewölbe auf, das darüber gebaut war, bis sie zur Säule gelangte, in welcher das Kleid war; dann zerschnitt sie das Blei, das darüber gegossen war, nahm das Kleid heraus, zog es an und flog auf die Terrasse des Schlosses; von hier aus rief sie ihren Leuten zu, sie möchten Djanschah wecken, damit sie von ihm Abschied nehme. Als Djanschah heraustrat und Schemsiah auf der Terrasse des Schlosses in ihrem Federnkleid sitzen sah, sagte er: »Was hast du getan?« Sie antwortete: »O mein Geliebter, Freude meines Auges! Bei Gott, ich liebe dich sehr und bin dir sehr gern hierher gefolgt; auch habe ich mich mit deinem Vater und deiner Mutter gefreut; aber länger will ich doch nicht hier bleiben. Wenn du mich nun auch liebst, so folge mir zur Zitadelle von Edelsteinen.« Sobald sie diese Worte gesagt hatte, flog sie davon und kehrte zu den Ihrigen zurück. Djanschah wurde fast wahnsinnig, als er sie verschwinden sah, und fiel ohnmächtig zu Boden.

Seine Leute benachrichtigten seinen Vater von dem, was vorgefallen; er eilte ins Schloß und fand seinen Sohn noch immer ohnmächtig über den plötzlichen Verlust seiner Geliebten; er bespritzte ihn mit Rosenwasser, bis er wieder zu sich kam; dann fragte er ihn: »Wie konnte deine Gattin von der Terrasse entfliehen?« Der Prinz antwortete: »Wisse, mein Vater, Schemsiah war eine Genientochter, aus Liebe zu ihr nahm ich ihr das Kleid weg, mit welchem sie fliegen konnte, und verbarg es in einer Säule, die ich in den Grund versenkte; sie aber grub die Grundlage des Hauses auf, nahm das Kleid, flog davon und lud mich ein, ihr in die Diamanten-Zitadelle zu folgen.« Da sagte der König: »Betrübe dich nicht, mein Sohn, ich will alle Reisenden und Kaufleute versammeln und mich erkundigen, wo diese Zitadelle liegt; dann ziehen wir hin, und mit Gottes Hilfe werden ihre Verwandten sie dir zurückgeben.« Der König ließ hierauf sogleich seine vier Veziere rufen und befahl ihnen, alle Kaufleute und Reisenden der Stadt zu versammeln und sie nach der Diamanten-Zitadelle zu fragen, und dem, der weiß, wo sie liegt, tausend Dinare zu geben. Die Veziere taten, wie ihnen der König befohlen, aber niemand wußte etwas von dieser Zitadelle; sie kehrten daher bestürzt zum König zurück und berichteten es ihm. Dieser ließ nun, um seinen Sohn zu zerstreuen, die schönsten Sklavinnen, die besten Sänger und geschicktesten Musiker ins Schloß kommen. Auch schickte er Kundschafter nach allen Ländern aus, um die Zitadelle der Genien zu erfragen; aber alle kehrten ohne Nachricht zurück. Er ging dann weinend zu seinem Sohn, der mitten unter Sängern und Sklavinnen doch seine Geliebte nicht vergessen konnte, sagte ihm, daß alle seine Bemühungen, die Zitadelle zu erforschen, fruchtlos geblieben, und schlug ihm vor, eine andere Gattin zu nehmen, schöner und liebenswürdiger als Schemsiah. Aber Djanschah war untröstlich, und brachte alle Nächte weinend und seufzend zu; auch sein Vater lebte daher sehr mißvergnügt und unruhig.

Dies vernahm der König Kefid, der über Indien herrschte und ein alter Feind des Königs Tighanus war. Kefid gebot über tausend Statthalter, deren jeder über tausend Völkerschaften herrschte, von denen jede tausend Reiter ins Feld stellte. Er versammelte daher seine Veziere und Staatsräte und Emire, und sagte ihnen: »Ich habe vernommen, daß der König Tighanus wegen der Trauer seines Sohnes Djanschah alle Staatsangelegenheiten vernachlässigt: nun wißt ihr wohl, daß er einen Teil meines Landes geraubt, meinen Vater und meine Brüder getötet und ihr Gut geplündert hat; wir wollen daher diesen günstigen Augenblick benutzen, um eine Armee auszurüsten, ihn zu überfallen, ihn und seinen Sohn zu töten und ihr Land uns zu unterwerfen.«

Die Veziere und Emire schenkten dem König Kefid ihren Beifall, und jeder von ihnen machte die nötigen Vorbereitungen zum Feldzug. Als nach sieben Tagen alle Anstalten zum Krieg getroffen waren und die Truppen sich versammelt hatten, erschallten die Trompeten und Zimbeln, die Fahnen wurden umhergetragen, und der König Kefid begab sich mit seinen Truppen bis an die Grenze des Landes Kabul, das dem König Tighanus gehörte. Sie fingen gleich an, die Ortschaften an der Grenze auszuplündern, den Bewohnern Gewalt anzutun, Große zu töten und Kinder gefangenzunehmen, so daß bald die Nachricht davon zum König Tighanus gelangte. Dieser entbrannte vor Zorn, versammelte die Großen des Reiches, die Veziere und Emire und sagte ihnen: »Wisset, daß der König Kefid herangezogen ist, um uns zu bekriegen, er hat so viele Truppen bei sich, daß nur Gott ihre Zahl kennt; ratet nun, was zu tun ist.« Sie sagten: »O König der Zeit, wir müssen ihm entgegenziehen und unser Land verteidigen.« Da sagte der König Tighanus: »Nun bereitet euch vor zum Feldzug!« Er öffnete dann alle Waffenmagazine und verteilte Panzer, Schwerter, Schilde, Helme und anderes Kriegsmaterial, versammelte die Armee, ließ die Trompeten erschallen und die Fahnen aufpflanzen, und zog mit den Truppen dem König Kefid entgegen. Als sie an die Grenze des Landes Kabul in das Land Sahran kamen, stieg der König Tighanus ab, schrieb einen Brief und schickte ihn mit einem Boten an den König Kefid. Folgendes war der Inhalt des Briefes:

»Wir tun dir, o König Kefid, hiermit kund, daß du als ein Niederträchtiger gehandelt hast; wärest du von königlichem Geblüte, so hättest du nicht auf diese Weise unser Land überfallen, um darin zu plündern und Gewalt auszuüben. Hätte ich früher deine Absicht gewußt, so wäre ich dir längst schon entgegen gezogen, um dir den Eintritt in mein Land zu versperren; doch willst du nun zurückkehren, so lassen wir das Geschehene und hegen keine Feindschaft mehr; wenn nicht, so stelle dich zum Kampf.«

Der Bote, der sehr verständig und von Kundschaftern begleitet war, begab sich ins feindliche Lager; da sah er viele seidene Zelte, darunter ein sehr großes von rotem Atlas; es war das Zelt des Königs Kefid, in dessen Mitte er selbst auf einem Thron saß, von Emiren, Vezieren und Staatsräten umgeben. Der Bote zog vor dem Zelt den Brief hervor, es kamen Soldaten und nahmen ihn ihm ab und brachten ihn dem König. Als Kefid den Brief gelesen hatte, schrieb er folgende Antwort:

»Wir tun dem König Tighanus kund, daß wir entschlossen sind, uns zu rächen, sein Land zu verwüsten, und alle Großen zu töten; morgen werde ich mich auf dem Kampfplatz zeigen.«

Diesen Brief versiegelte er und gab ihn dem Boten. Der Bote kehrte zu dem König Tighanus zurück, verbeugte sich vor ihm, übergab ihm die Antwort des Königs Kefid und sagte ihm: »O König, ich habe eine unzählbare Menge Reiter und Fußvolk gesehen!« Tighanus wurde sowohl durch den Inhalt der Antwort als durch das, was der Bote ihm mündlich sagte, so aufgebracht, daß er sogleich seinem Vezier Einsar den Befehl erteilte, mit tausend Reitern in der Nacht plötzlich den Feind zu überfallen und in Verwirrung zu bringen. Auf der anderen Seite hatte der König Kefid seinem Vezier Ghatarfan befohlen, mit fünftausend der tapfersten Ritter um Mitternacht über die Truppen des Königs Tighanus herzufallen.

Beide Veziere rückten mit ihren Truppen aus, um die Befehle ihrer Herren zu vollziehen. Um Mitternacht stießen sie aufeinander, und es entstand ein mörderischer Kampf zwischen ihnen, der die ganze Nacht fortdauerte. Gegen Morgen wurden Kefids Truppen geschlagen, und nachdem sie etwa zweitausenddreihundert Mann, darunter auch den berühmten Helden Sarchin, verloren hatten, ergriffen die übrigen die Flucht. Als Kefid die flüchtigen Truppen zurückkehren sah, entbrannte er vor Zorn und sagte ihnen: »Wehe euch, was ist euch geschehen?« Sie antworteten: »Als wir um Mitternacht mit dem Vezier Ghatarfan auszogen, da begegnete uns Einsar, der Vezier des Königs Tighanus, und auf einmal fanden wir uns mitten unter seinen Truppen; wir kämpften bis morgens, und viele von uns wurden getötet, und wären wir nicht entflohen, wir hätten den letzten Mann verloren!« Der König Kefid rief ganz außer sich vor Zorn: »Die Sonne zürne euch und versage euch ihren Segen!« Der König Tighanus hingegen flog fast vor Freude, als der Vezier Einsar zurückkehrte und ihm zum Sieg seiner Truppen Glück wünschte. Er ließ dann seine Truppen zählen, und es fehlten nur zweihundert. Am folgenden Tag musterte der König Kefid seine Armee und führte sie in geordneten Reihen auf das Schlachtfeld; es waren fünfzehn vollständige Reihen, jede von zehntausend Reitern; auch hatte er zweihundert Helden bei sich, die auf Elefanten ritten. Alles war zum Kampf gerüstet, die Fahnen waren aufgerollt, die Trompeten erschallten und die Helden sehnten sich nach Kämpfern. Auch der König Tighanus hatte seine Truppen in Schlachtordnung aufgestellt; es waren zehn Reihen, jede von zehntausend wackeren Reitern, und hundert Helden ritten ihm zur Rechten und zur Linken.

Als die beiden Armeen einander angriffen, zitterte die Erde unter den Hufen der Rosse; das Lärmen der Zimbeln und Trompeten, vermengt mit dem Gewieher der Pferd und dem Kriegsgeschrei der Männer, war betäubend; der Staub umhüllte die Häupter der Kämpfenden, welche den ganzen Tag wie Löwen stritten. Erst die Dunkelheit der Nacht trennte die beiden Armeen und führte jede in ihr Lager zurück. Der König Kefid entbrannte vor Zorn, als er seine Truppen zählte und fünftausend Mann vermißte; aber der König Tighanus war sehr aufgebracht, als er seine Truppen musterte und dreitausend seiner ausgezeichnetsten Ritter fehlten. Am folgenden Tag zogen beide Armeen wieder auf das Schlachtfeld, und jede hoffte diesmal den Sieg davonzutragen. Aber der König Kefid rief seinen Truppen zu: »Wer unter euch will hervortreten und durch einen Zweikampf den Krieg eröffnen?« Da trat ein Ritter, auf einem Elefanten reitend, aus den Reihen hervor – sein Name war Barkik, der Sohn Farsachs – stieg von seinem Elefanten ab, verbeugte sich vor dem König und bat um Erlaubnis, als Kämpfer in die Schranken zu treten; er bestieg dann seinen Elefanten wieder, spornte ihn in die Kampfbahn und schrie: »Wer will mit mir sich messen, wer will mit mir fechten, wer will mit mir eine Lanze brechen?« Als der König Tighanus dies hörte, wendete er sich zu seinen Truppen und rief: »Wer von euch will die Herausforderung dieses Ritters annehmen?« Da trat ein Ritter hervor, auf einem hübschgestalteten Roß reitend, verbeugte sich vor dem König Tighanus und bat um Erlaubnis, den Zweikampf anzunehmen; auf einen bejahenden Wink des Königs ritt er dann auf Barkik zu.

Dieser sagte ihm: »Wer bist du, daß du mich so geringschätzest und ganz allein mit mir kämpfen willst, und wie ist dein Name?« Er antwortete: »Mein Name ist Ghadhanfar, der Sohn Schamchils!« Da sagte Barkik: »Ich habe schon in meiner Heimat von dir gehört; doch diesmal laß ab vom Kampf, sonst ist all dein Ruhm dahin!« Ghadhanfar aber zog seine Lanze hervor und Barkik sein Schwert, und sie fochten lange miteinander, bis endlich Barkik seinem Gegner einen Hieb versetzte, der ihm aber nichts schadete; Ghadhanfar benutzte jedoch diesen Augenblick, um Barkik mit der Lanze so zu durchbohren, daß er ihn an seinem Elefanten festnagelte. Als dies geschehen war, kam ein Mann auf Ghadhanfar zu und sagte ihm: »Wer bist du, daß du meinen Bruder tötest?« Mit diesen Worten verwundete er ihn am Schenkel. Aber Ghadhanfar zog schnell sein Schwert und teilte ihn in Zwei, so daß ganze Meere von Blut auf die Erde strömten, dann kehrte er um und eilte zum König Tighanus zurück.

Als der König Kefid dies sah, feuerte er seine Truppen zum Kampf an; der König Tighanus tat dasselbe; Pferde rannten auf Pferde, Männer stießen auf Männer, Schwerter klirrten, Trompeten erschallten, Krieger schrien jubelnd und jammernd, bis die Sonne unterging; da zog sich der König Tighanus zurück, zählte seine Soldaten und fand, daß er gegen fünftausend Reiter verloren hatte und vier Fahnen. Auch der König Kefid zog sich in sein Zelt zurück und ließ seine Truppen zählen, und es fehlten ihm sechshundert der besten Ritter und sieben Fahnen waren zerbrochen. Hierauf wurde ein Waffenstillstand von drei Tagen geschlossen.

Während des Waffenstillstandes schrieb der König Kefid an seinen Freund, den König Kafun, mit dem er von mütterlicher Seite her verwandt zu sein vorgab, und bat ihn um Hilfstruppen. Kafun versammelte so viele Ritter, als er konnte und zog zu ihm. Aber der König Tighanus erhielt bald Nachricht davon durch einen seiner Kundschafter, welcher ihm sagte, er habe einen furchtbaren Staub in der Ferne gesehen, der bis zum Himmel steige. Tighanus befahl einer Abteilung Soldaten, zu sehen, was dieser Staub bedeute, und sie sahen, als ihn der Wind zerstreute, sieben Fahnen darunter hervorkommen, jede von dreitausend Reitern umgeben, die zur Armee des Königs Kefid stießen, und diese Nachricht verbreitete großen Schrecken im Lager des Königs Tighanus.

»Der König Kefid hingegen begrüßte freudig seinen Bundesgenossen Kafun und erzählte ihm, der König Tighanus habe seinen Vater und seine Brüder getötet, nun wolle er Rache an ihm nehmen. Der König Kafun sagte: Die Sonne segne dich, mein Freund, und begab sich mit dem König Kefid höchst zufrieden in sein Zelt.

»Das ist's, was die beiden Könige angeht. Der Prinz Djanschah aber, höchst beunruhigt darüber, daß er zwei Monate lang weder seinen Vater, noch die Sklavinnen sah, mit denen er ihn zuweilen besuchte, erkundigte sich bei einem seiner Diener, der ihm besonders ergeben war, nach ihm, und als er von dem Krieg mit Kefid hörte, sagte er: Bringt mir mein Pferd, ich will zu meinem Vater auf das Schlachtfeld. Bei sich dachte er aber: Bin ich einmal im Freien, so reise ich in die Judenstadt; dort wird mir Gott beistehen, daß ich wieder einen Kaufmann finde, der wie das erste Mal gegen mich verfährt; niemand weiß ja, woher sein Glück kommt. Er bestieg sein Pferd und nahm tausend Reiter mit sich, so daß alle Leute glaubten, er ziehe in den Krieg zu seinem Vater. Aber des Abends ließ er die Ritter in einer großen Ebene absteigen, um daselbst zu übernachten, und als sie schliefen, machte er sich allein auf, setzte sich wieder auf sein Pferd und schlug den Weg nach Bagdad ein, weil ihm der Jude gesagt hatte, daß von Bagdad alle zwei Jahre eine Karawane zu ihnen komme, in der Absicht, sich dieser Karawane anzuschließen. Als die Ritter, die Djanschah begleitet hatten, ihn bei ihrem Erwachen vergebens auf allen Seiten suchten, gingen sie zu seinem Vater und berichteten ihm des Prinzen Flucht. Tighanus war so aufgebracht, daß ihm Funken aus dem Gesicht sprühten, ganz außer sich warf er die Krone von seinem Haupt und sagte: Nun habe ich meinen Sohn verloren und der Feind ist in meinem Angesicht. Es gibt keinen Schutz, außer bei Gott! Seine Emire und Veziere suchten ihn zu trösten und zu ermutigen, aber er wollte den Krieg nicht fortsetzen, sondern zog sich mit seinen Truppen in die Hauptstadt zurück, ließ die Tore schließen und die Mauern befestigen. Kefid kam jeden Monat, um die Stadt zu erstürmen, wurde aber von den Belagerten zurückgeschlagen und so dauerte der Krieg zwischen den beiden Königen noch sieben Jahre lang.

»Djanschah aber reiste, nachdem er seine Truppen verlassen hatte, Tag und Nacht durch Wüsten und Einöden, und überall, wo er hinkam, erkundigte er sich nach der Diamanten-Zitadelle; aber niemand hatte je davon gehört. Er erkundigte sich dann nach der Judenstadt, und ein Kaufmann sagte ihm, sie liege an der äußersten Spitze des Ostens: er solle in einem Monat mit ihm nach der indischen Stadt Marsakan gehen, von da nach Chorasan, von Chorasan nach der Stadt Schanum, von hier nach Chowaresm; dann bliebe nur noch eine Reise von fünfzehn Monaten nach der Judenstadt.Der Übersetzer hat hier wörtlich seinen Text wiedergegeben, so unsinnig er auch in geographischer Beziehung sein mag. Djanschah wartete, bis die Karawane nach Marsakan abreiste, und als er mit ihr diese Stadt erreichte, erkundigte er sich nach der Diamanten-Zitadelle, aber niemand konnte ihm Auskunft darüber geben. Er reiste daher unter vielen Leiden und Gefahren nach Chorasan; dort fragte er nach der Judenstadt, und man bezeichnete ihm den Weg, der dahin führt. Er reiste nun Tag und Nacht, bis er an die Stelle kam, wo er vor den Affen entflohen war. Dann hatte er wieder mehrere Tage zu reisen, bis er an den Strom kam, an dessen jenseitigem Ufer die Judenstadt lag. Er setzte sich ans Ufer des Stromes und wartete bis samstags, wo er durch die Allmacht Gottes austrocknete. Dann ging er in das Haus des Juden, der ihn auch zum ersten Mal aufgenommen hatte. Der Jude grüßte und bewillkommte ihn, brachte ihm zu essen und zu trinken, und fragte ihn, wo er so lange geblieben. Er antwortete: Im Reiche Gottes.

»Am folgenden Tage ging er in die Stadt spazieren, da hörte er wieder ausrufen: Ihr Leute, wer will ein schönes Mädchen und tausend Dinare um einen halben Tag Arbeit? Er ging zum Ausrufer und sagte: Ich will diese Arbeit verrichten. Der Ausrufer sagte ihm: Folge mir, führte ihn in ein großes Haus und sagte zum Hausherrn: Dieser Jüngling will deine Arbeit übernehmen. Der Hausherr bewillkommte ihn, führte ihn in seine Wohnung und ließ ihm Speise und Getränke reichen. Nachdem er gegessen und getrunken hatte, brachte ihm der Hausherr tausend Dinare und ein schönes Mädchen.

»Am folgenden Morgen nahm Djanschah das Mädchen und die tausend Dinare und schenkte sie dem Juden, der ihn samstags bewirtet hatte. Dann ging er wieder zum Kaufmann zurück und ritt mit ihm bis an den Fuß eines sehr hohen Berges. Der Kaufmann zog ein Messer und einen Strick heraus, warf letzteren dem Pferd um die Füße, stürzte es zu Boden und schlachtete es; dann zog er ihm die Haut ab, hieb ihm Kopf und Füße ab, spaltete den Leib und sagte zu Djanschah: »Schlüpfe hinein, daß ich zunähe, und sage mir dann, was du siehst; das ist die Arbeit, die ich von dir verlange.« Djanschah schlüpfte hinein, und der Kaufmann nähte den Leib zu und verbarg sich. Nach einer Weile kam ein ungeheurer Vogel und trug das Pferd auf den Gipfel des Berges. Hier wollte er das Pferd fressen, aber sobald Djanschah dies merkte, schnitt er den Leib auf, kroch hervor, und der Vogel entfloh vor Schrecken. Djanschah sah den Kaufmann am Fuß des Berges stehen und fragte ihn, was er wolle? Er bat ihn, ihm von den Steinen des Berges herunterzuwerfen, aber Djanschah erwiderte: Hast du nicht vor fünf Jahren mich treulos verlassen und mir so viele Leiden und Gefahr verursacht? Bei Gott! Ich werfe dir nichts zu. Mit diesen Worten ließ er den Juden stehen und nahm den Weg zum Schloß des Scheich Naßr, dem König der Vögel. Nach einer sehr mühevollen Reise von mehreren Tagen und Nächten gelangte er endlich vor das Schloß unseres Herrn Salomo, und Scheich Naßr saß vor dem Tor. Als dieser Djanschah erblickte, stand er auf, grüßte und bewillkommte ihn und sagte ihm: Wie kommst du wieder allein hierher? Du bist ja so vergnügt mit Schemsiah von hier abgereist? Djanschah weinte und erzählte ihm, wie Schemsiah davongeflogen und ihm gesagt hatte: Wenn du mich liebst, so folge mir auf die Diamanten-Zitadelle. Scheich Naßr erstaunte und sagte: Bei Gott! Ich weiß nichts von dieser Zitadelle, und bei unserm Herrn Salomo, dem Sohne Davids, Friede sei mit ihm! Ich habe nie etwas davon gehört. Djanschah rief weinend: Wie wird es mir nun gehen? Ich sterbe vor Liebe und Verlangen. Scheich Naßr suchte ihn zu trösten und sagte ihm: Warte, bis die Vögel wieder zu mir kommen, ich will sie nach der Diamanten-Zitadelle fragen, vielleicht kennt sie einer von ihnen. Djanschah beruhigte sich bei diesen Worten und ging mit Scheich Naßr ins Schloß, und öffnete wieder das Gemach, das zum Teich führte, in welchem die drei Mädchen gebadet hatten, aber der Teich blieb leer. Nach Verlauf einiger Wochen kam Scheich Naßr zu ihm und sagte ihm: Nun ist die Zeit der Ankunft der Vögel, hier hast du einige heilige Namen, lerne sie auswendig, dann kannst du mich zu den Vögeln begleiten. Djanschah freute sich sehr und begleitete Scheich Naßr zu den Vögeln, welche diesen, eine Gattung nach der anderen, begrüßten.

»Als aber Scheich Naßr die Vögel nach der Diamanten-Zitadelle fragte, antworteten alle: Wir haben sie in unserem Leben nicht nennen hören. Djanschah weinte heftig bei dieser Antwort und fiel in Ohnmacht. Scheich Naßr rief dann einen großen Vogel herbei und sagte ihm: Bringe diesen Jüngling in das Land Kabul. Der Vogel nahm Djanschah auf den Rücken und sagte ihm: Nimm dich wohl in acht, daß dich die Luft nicht zerschneide, und stopfe deine Ohren zu wegen der Wind- und Seekrankheit und dem Getöse der Himmelssphären. Djanschah tat, wie ihm gesagt wurde, und der Vogel erhob sich und flog mit ihm einen Tag und eine Nacht; dann ließ er sich herunter in der Nähe der Wohnung des Königs der Tiere und sagte ihm: Ich habe den Weg verfehlt, den mir Scheich Naßr beschrieben, wir müssen wieder umkehren. Aber Djanschah sagte: Geh' nur deines Weges, ich will hier sterben oder in meine Heimat zurückkehren. Der Vogel flog hierauf seines Weges fort und Djanschah ging in das Schloß des Schah Bedr, des Königs der Tiere. Dieser fragte ihn, wer er sei und wo er mit diesem ungeheuren Vogel herkomme? Djanschah erzählte ihm seine ganze Geschichte vom Anfang bis zum Ende, und bat ihn um Auskunft über die Diamanten-Zitadelle. Schah Bedr erstaunte sehr über seine Erzählung und sagte: Bei unserem Herrn Salomo, dem Sohne Davids, Friede sei mit ihm: Ich weiß nichts von dieser Zitadelle; sobald mir aber jemand darüber Auskunft gibt, will ich dich dahin senden. Djanschah weinte heftig und blieb einige Zeit bei Schah Bedr. Eines Tages kam Schah Bedr zu ihm und sagte ihm: Nimm diese Tafel und lerne auswendig, was darauf geschrieben, dann kannst du mich zu den Tieren begleiten und sie nach der Diamanten-Zitadelle fragen. Nach einer kurzen Weile kamen alle möglichen Gattungen Tiere an und grüßten Schah Bedr. Er fragte sie nach der Diamanten-Zitadelle, aber niemand wußte etwas davon. Da weinte Djanschah und bedauerte es, nicht mit dem Vogel gereist zu sein, den ihm Scheich Naßr mitgegeben. Der König der Tiere bemitleidete ihn und sagte ihm: Mein Sohn, betrübe dich nicht, ich habe einen älteren Bruder, der dem König Salomo abtrünnig geworden und viel mehr vermag, als Scheich Naßr, denn er ist der Herrscher über alle Genien dieses Landes; ich will dich zu ihm schicken, vielleicht weiß er etwas von der Diamanten-Zitadelle. Hierauf setzte er Djanschah auf den Rücken eines ungeheuren Tieres und gab ihm Empfehlungsschreiben mit an seinen Bruder, den König Schamach. Das Tier lief sogleich weg, und nach mehreren Tagen und Nächten blieb es in einiger Entfernung von der Wohnung des Königs Schamach stehen, denn aus Ehrfurcht vor ihm wagte es nicht, sich ihm ganz zu nähern. Djanschah stieg ab und ging zum König, küßte ihm die Hände und übergab ihm das Schreiben seines Bruders. Als der König Schamach es gelesen hatte, bewillkommte er Djanschah und sagte ihm: Mein Sohn, ich habe in meinem Leben die Diamanten-Zitadelle nicht nennen hören. Djanschah weinte und seufzte, und erzählte auf Verlangen des Königs Schamach seine ganze Geschichte. Als er zu Ende war, sagte Schamach: Mein Sohn, ich glaube nicht, daß unser Herr Salomo je von dieser Zitadelle gehört, noch sie gesehen hat; aber ich kenne einen sehr alten Priester im Gebirge, dem alle Tiere und Vögel und Genien gehorchen, der selbst durch seine Beschwörungen die Könige der Genien sich zu unterwerfen versteht; auch war er es allein, der etwas gegen mich vermochte, als ich von unserm Herrn Salomo abtrünnig und gefangengenommen wurde, denn er ist ein gar zu listiger Zauberer und geschickter Beschwörer. Er hat auch, um in seiner Kunst sich auszubilden, alle Länder durchreist, und ich glaube nicht, daß es einen Ort gibt, der ihm verborgen ist. Ich will dich zu ihm schicken, vielleicht kann er dir den Weg angeben, der dich zur Diamanten-Zitadelle fährt; weiß er ihn nicht, so weiß ihn auch niemand in der ganzen Welt, denn alle Geschöpfe Gottes sind seine Diener. Er ist ein so großer Zauberer, daß er eine Achse aus drei Stücken zusammengesetzt hat; wenn er sie in die Erde einschlägt und über das erste Stück einige Zauberformeln liest, so kommt Fleisch heraus, aus dem noch Blut fließt; macht er Beschwörungen über das zweite Stück, so fließt süße Milch hervor, und aus dem dritten Stück wächst auf sein Verlangen Gerste, Weizen und allerlei Obst. Wenn er dann die Achse wieder aus der Erde nimmt, so zieht er sich wieder in sein Kloster zurück, das man das Diamantenkloster nennt. Dieser verdammte Priester, dem ich dich nun empfehlen will, heißt Jaghmus. Der König Schamach rief dann einen ungeheuren Vogel herbei, setzte Djanschah darauf und befahl jenem, diesen Menschen zum Priester Jaghmus zu bringen. Der Vogel hatte vier Flügel, deren jeder dreißig Ellen lang war, und zwei Füße, wie die Füße eines Elefanten; er flog nur zweimal im Jahre aus, und ein Adjutant des Königs Schamach mußte ihm jeden Tag aus Irak seine Beute zur Fütterung holen. Auf den Befehl seines Herrn flog er mit Djanschah mehrere Tage und Nächte durch, bis er an das Gebirge kam, wo das Diamantenkloster stand. Djanschah stieg dann ab und ging ins Kloster, wo er den Priester in der Kirche betend fand. Als der Priester gebetet hatte und Djanschah sich vor ihm verbeugte, bewillkommte ihn jener und bat ihn, ihm die Ursache seines Besuchs mitzuteilen. Djanschah erzählte ihm seine ganze Lebensgeschichte von seiner Geburt an bis zu seiner Ankunft im Kloster. Der Priester erstaunte sehr über diese Erzählung und sagte: Bei Gott, mein Sohn, ich habe in meinem Leben nichts von dieser Zitadelle gehört, und ich lebe doch schon seit den Zeiten Noahs, des Propheten Gottes, und herrschte über die ganze Erde bis zur Erscheinung unseres Herrn Salomo; ich glaube sogar, daß sie Salomo, dem Sohne Davids, Friede sei mit ihm, unbekannt war. Warte jedoch, mein Sohn, bis die Vögel, Tiere und Genienfürsten zusammenkommen, vielleicht kann uns einer von ihnen Auskunft darüber geben. Djanschah blieb beim Priester, bis die Tiere, Vögel und Genien sich versammelten; da fragte sie der Priester nach der Diamanten-Zitadelle, aber jeder sagte: Ich habe sie weder gesehen, noch etwas davon gehört. Djanschah weinte und seufzte. und flehte Gottes Hilfe an.

»Auf einmal erschien ein ungeheuer großer schwarzer Vogel, der eben erst aus der Luft herabstieg, und küßte dem Priester die Hand. Der Priester fragte auch ihn nach der Diamanten-Zitadelle, und der Vogel sprach: O Priester, als wir hinter dem Berge Kaf wohnten auf dem Kristallberg, der neben einem großen Tal sich erhebt, und ich noch ganz jung war, da weidete ich viele Jahre lang mit meinen Schwestern auf dem Berg; unsere Eltern aber machten jeden Tag einen Ausflug, um uns mit noch besserer Nahrung zu versorgen. Einst flogen sie auch von uns weg und blieben sieben Tage aus, so daß wir fast vor Hunger starben. Am achten Tag kamen sie weinend zurück, und als wir sie nach der Ursache ihrer ungewöhnlich langen Abwesenheit fragten, sagten sie uns, ein widerspenstiger Geist habe sie ergriffen und auf die Diamanten-Zitadelle zum König Schahlan gebracht, und dieser habe sie erst dann wieder freigelassen, als sie ihm sagten, sie haben Junge zu Hause, die vor Hunger sterben müßten. Wenn nun, fuhr der Vogel fort, meine Eltern noch lebten, so könnten sie dir Auskunft geben über die Lage der Diamanten-Zitadelle, ich weiß aber nichts Näheres darüber. Als Djanschah dies hörte, weinte er heftig und bat den Priester, diesem Vogel zu befehlen, daß er ihn auf den Kristallberg hinter dem Berg Kaf bringe, wo seine Eltern ihr Nest hatten. Der Priester ersuchte den Vogel, Djanschah in allem zu gehorchen, und der Vogel versprach, keine Mühe für ihn zu scheuen. Er ließ sogleich Djanschah auf seinen Rücken steigen und trug ihn nach dem Kristallberg, wo das Nest seiner Eltern war. Hier ließ er sich herunter und sagte zu Djanschah: Hier ist das Nest meiner Eltern. Djanschah stieg ab und sagte weinend: Ich bitte dich, bringe mich in die Gegend, nach welcher deine Eltern auszufliegen pflegten und von welcher sie zurückkehrten. Der Vogel sagte: Ich gehorche dir in allem, Djanschah; er flog nun noch sieben Tage und sieben Nächte mit ihm, dann setzte er ihn eines Abends auf einen Berg und sagte ihm: Von hier an weiter weiß ich nichts mehr. Djanschah stieg auf den Gipfel des Berges und schlief darauf ein. Als er wieder erwachte, wurde er ganz geblendet von dem Glanz des Schlosses, das in einer Entfernung von zwei Monaten ihm entgegenstrahlte; es war die Diamanten-Zitadelle, die aus den feinsten Edelsteinen und Kristall gebaut war. Diese Festung mit dem Schloß war so groß und so strahlend, daß sie die ganze Gegend, eine Strecke von zwei Monaten umher, beleuchtete, und dort thronte der König Schahlan, der Vater der drei fliegenden Mädchen. Dieser König hatte, sobald seine Tochter zu ihm zurückgekehrt war und ihm von ihrem Abenteuer mit Djanschah und von seiner Liebe zu ihr erzählt hatte, in der Hoffnung, Djanschah werde sie wieder aufsuchen, allen widerspenstigen Genien, seinen Adjutanten, den Befehl erteilt, sobald sie einen Menschen erblickten, ihn festzunehmen und vor ihn zu führen.

»Als nun Djanschah auf das leuchtende Schloß zuging, das er vom Berg erblickt hatte, begegnete ihm einer der Adjutanten des Königs Schahlan, der gerade in jener Gegend ein Geschäft hatte, und fragte ihn, wie er heiße? Djanschah fürchtete sich vor diesem Adjutanten und antwortete zitternd: Ich heiße Djanschah und hatte eine Geliebte unter den Genien, die Schemsiah hieß; es gelang mir, sie für mich zu gewinnen, aber sie entfloh mir wieder. Er erzählte ihm dann seine ganze Geschichte und weinte so heftig, daß der Adjutant voller Rührung zu ihm sagte: Weine nicht, denn du bist am Ziel; wisse auch, daß Schemsiah dich liebt und ihren Eltern ihre Liebe gestanden hat, auch sind alle Bewohner der Zitadelle dir zugetan! Sei nur frohen Mutes! Der Adjutant nahm ihn dann auf die Schultern und trug ihn in die Nähe der Diamanten-Zitadelle und benachrichtigte sogleich den König Schahlan und seine Tochter Schemsiah von Djanschahs Ankunft. Der König kam ihm entgegen, umarmte, grüßte und bewillkommte ihn und ließ Schemsiah die Ankunft ihres Gatten melden, und auf des Königs Befehl erschienen alle seine Adjutanten und Truppen, um Djanschah zu begrüßen und zur Zitadelle zu begleiten. Der König schenkte Djanschah ein buntfarbiges seidenes Kleid mit Gold bestickt, desgleichen kein König auf Erden eines besitzt, auch ließ er ihm ein herrliches Pferd vorführen, und ritt mit ihm, von zahlreichen Truppen umgeben, bis ans Tor der Zitadelle; da stiegen sie ab und traten ins Schloß, dessen Edelsteine, Gold, Silber, Perlen und Kristall Djanschah nicht genug bewundern konnte; auch erstaunte er über die schönen Diwane und Teppiche, die er hier sah, und weinte vor Freude. Der König und Schemsiahs Mutter trockneten ihm seine Tränen ab und sagten ihm: Laß jetzt das Weinen und den Gram, du bist ja am Ziel. Man führte ihn dann mitten ins Schloß, wo schöne Sklavinnen ihm entgegen kamen und ihm ihre Dienste anboten. Der König ließ den Tisch herrichten und setze sich neben ihn auf den Thron. Die Sklavinnen brachten Speisen und Getränke, und nach der Mahlzeit brachten sie Wasser zum Waschen. Bald nachher kam Schemsiahs Mutter wieder und bewillkommte Djanschah abermals und sagte ihm: Du bist nun am Ende deiner vielen Mühseligkeiten und kannst nach langem Wachen wieder ruhig schlafen; gelobt sei Gott, der dich erhalten! Sie ging hierauf weg und holte ihre Tochter Schemsiah, welche ganz schamrot Djanschah grüßte; auch ihre Schwestern, welche mit ihr im Schloß waren, kamen, um Djanschah zu grüßen und seine Hände zu küssen. Die Königin sagte dann zu Djanschah: Verzeihe meiner Tochter, was sie gegen deine Liebe verbrochen, denn sie hat es unseretwillen getan. Djanschah stieß einen lauten Schrei aus und fiel in Ohnmacht, und man mußte ihn lange mit Rosen- und Moschus-Wasser bespritzen, bis er wieder zu sich kam. Als er die Augen öffnete und Schemsiah erblickte, sagte er: Gelobt sei Gott, der mich ans Ziel meiner Wünsche geführt und die Flammen meiner Sehnsucht gestillt hat! Schemsiah sagte ihm hierauf: Gott bewahre dich vor den Flammen! – Doch erzähle mir, was dir seit meiner Abwesenheit widerfahren, und wie du diesen Ort entdeckt, den selbst die meisten Genien nicht kennen, denn wir haben uns gegen alle Könige der Genien aufgelehnt und leben hier verborgen. Djanschah erzählte ihr alles, was ihm zugestoßen, vom Tag ihrer Flucht bis zu seiner Ankunft. Als er dabei auch den Krieg zwischen seinem Vater und dem König Kefid erwähnte, sagte ihm die Königin: Nach einem Monat feiern wir Schemsiahs Hochzeit nochmals, dann kannst du mit ihr in deine Heimat ziehen, und wir geben dir tausend unserer mächtigsten Genien mit, von denen der Geringste auf deinen Befehl den König Kefid und seine ganze Armee in einem Augenblick vernichten wird; wir schicken dir dann jedes Jahr eine Abteilung Genien, von denen ein einziger alle deine Feinde töten kann. Wir geben dir aber, fuhr die Königin fort, unsere Tochter Schemsiah nur unter der Bedingung mit in dein Land, daß du abwechselnd ein Jahr in deiner Heimat und ein Jahr bei uns zubringst. Der König Schahlan setzte sich dann auf den Thron und befahl den Großen des Reichs, siebentägige Feste zu veranstalten und alles zur Hochzeitsfeierlichkeit vorzubereiten, Nach einem Monat, als alles zur Hochzeit bereit war, wurde Djanschah zu Schemsiah geführt, und er lebte einige Zeit mit ihr im schönsten Liebesrausch. Doch bald erinnerte er sich wieder seines Vaters und sagte zu Schemsiah: Dein Vater hat mir versprochen, dich mit mir in meine Heimat zurückzuschicken, daß wir abwechselnd ein Jahr dort und ein Jahr hier zubringen, bitte ihn nun um die Erfüllung seines Versprechens. Sobald der Abend hereinbrach, ging Schemsiah zu ihrem Vater und trug ihm Djanschahs Bitte vor. Der König sagte: Ich füge mich gern in seinen Willen; wartet nur bis zu Anfang des Monats, daß ich die Genien zu eurer Begleitung ausrüste. Als die bestimmte Zeit vorüber war, befahl Schahlan seinen Genien, sich in den Dienst Djanschahs und Schemsiahs zu begeben, und ließ für Djanschah und Schemsiah einen großen goldenen Thron verfertigen, mit Perlen und Edelsteinen beschlagen, und darüber ein rotes seidenes Zelt spannen, mit Gold durchwirkt und mit allerlei Farben bemalt. Djanschah und Schemsiah setzten sich darauf, und vier Genien faßten ihn an den vier Ecken. Schemsiah nahm Abschied von ihrer Mutter, ihren Schwestern und ihren übrigen Verwandten, ihr Vater aber stieg auf den Thron und begleitete sie bis mittags, dann stieg er ab und nahm Abschied, empfahl Djanschah seine Tochter, und sie beide den Genien, die sie tragen sollten; er schenkte dann Schemsiah noch zweihundert schöne Sklavinnen, und Djanschah hundert junge Mamelucken, und kehrte wieder in seine Zitadelle zurück. Djanschah mit den Seinigen reiste nun auf dem Thron, der zwischen Himmel und Erde von vier schwebenden Genien getragen wurde, zehn Tag nacheinander fort und legte jeden Tag eine Strecke von dreißig Monaten zurück. Am elften Tag erblickte einer der Genien das Land Kabul, das ihm wohl bekannt war, und gab den Trägern Befehl, sich herabzulassen. Die Genien ließen sich gerade vor der Stadt des Königs Tighanus, Djanschahs Vater, auf die Erde herunter.

»Der König Tighanus, weicher, wie wir schon erzählt haben, nach der Abreise seines Sohnes die Flucht ergriffen und sich in die Stadt zurückgezogen hatte, die dann der König Kefid eng belagerte, befand sich in so großer Not, daß er gern dem Feind die Stadt öffnen wollte, wenn er ihm nur Leben und Freiheit zusicherte. Da ihm aber Kefid auch diese Bitte nicht gewährte, beschloß er, um seinen Leiden ein Ende zu machen, sich selbst das Leben zu nehmen. Er hatte schon von seinen Vezieren und Staatsräten und von seinen Frauen Abschied genommen und saß eben in größter Verzweiflung da, als die Genien ins Schloß traten, welches innerhalb der Zitadelle lag, und auf Djanschahs Befehl den Thron mitten im Diwan niedersetzten und ihn heraushoben. Als Djanschah seinen Vater in einem so betrübten Zustand fand, sagte er zu Schemsiah: O Geliebte meines Herzens, sieh, in welcher Lage mein Vater sich befindet. Schemsiah befahl sogleich den Genien, die Truppen des Königs Kefid zu schlagen, bis kein einziger von ihnen übrig bleibe. Djanschah befahl einem der Genien, der sehr stark war und Karatesch hieß, den König Kefid gefangen zu bringen. Die Genien gingen mit dem Thron und dem darüber gespannten Zelt weg, und um Mitternacht ließen sie ihn im Lager des Königs Kefid nieder und fielen vernichtend über Kefids Truppen her; ein einziger faßte acht bis zehn Feinde samt den Elefanten, auf welchen sie ritten, hob sie in die Luft und ließ sie fallen, so daß sie in Stücken niederfielen, andere schlugen von oben herab mit eisernen Stangen, bis sie die ganze Armee aufgerieben hatten. Karatesch ging dann in das Zelt des Königs Kefid, der auf einem Diwan saß, und ergriff ihn und flog mit ihm in die Luft, brachte ihn auf den Thron und befahl den vier Genien, ihn fortzutragen. Als Kefid erwachte, fürchtete er sich sehr vor den Genien und stieß einen lauten Schrei aus, als er sah, daß er zwischen Himmel und Erde schwebte, und schlug sich vor Verzweiflung ins Gesicht. Der König Tighanus, der bei dem Anblick seines Sohnes in Ohnmacht gefallen war, kam eben wieder zu sich und umarmte ihn heftig weinend, als Schemsiah hereintrat, ihm die Hände küßte und ihm sagte: Mein Herr, komm auf die Terrasse des Schlosses, um zuzusehen, wie die Genien meines Vaters gegen die Truppen des Königs Kefid kämpfen. Tighanus setzte sich auf die Terrasse und sah, wie die Genien mit der Armee des Königs Kefid umgingen. Die einen schlugen mit eisernen Stangen Elefanten samt ihren Reitern zu Boden, andere nahmen durch einen einzigen Schrei ins Gesicht einer ganzen Reihe Soldaten das Leben, wieder andere hoben auf einmal zehn Reiter in die Höhe und stürzten sie mit solcher Kraft auf die Erde, daß ihr Rücken zerschmettert wurde. Der König Tighanus saß noch auf der Terrasse des Schlosses und sah höchst vergnügt dem Kampf zu, als Djanschah den Genien befahl, den Thron auf dem der König Kefid, weinend und hilferufend saß, mitten in die Zitadelle des Königs Tighanus niederzulassen. Als die Genien Djanschahs Befehl vollzogen, bat Tighanus einen der Genien, den König Kefid zu fesseln und in den schwarzen Turm zu sperren. Sodann ließ er den errungenen Sieg mit Trompeten und Trommeln verkündigen und auch Djanschahs Mutter von allem, was geschehen war, in Kenntnis setzen. Diese kam zu ihrem Sohn und fiel vor Freude in Ohnmacht. Djanschah bespritzte sie mit Rosenwasser und drückte sie innig an seine Brust, bis sie wieder zu sich kam und seine Umarmung erwiderte. Sodann kam Schemsiah, von vielen Sklavinnen begleitet, zu ihr und begrüßte sie und hielt sie lange umarmt.

»Der König ließ nun die Tore der Stadt wieder öffnen und sendete überall Boten umher. Alle Emire und Fürsten kamen aus den entlegensten Provinzen, um dem König zu seinem Sieg und zur glücklichen Rückkehr seines Sohnes Djanschah Glück zu wünschen und ihnen allerlei Geschenke darzubringen. Bald darauf ließ der König Schemsiahs Hochzeitsfeier noch einmal begehen, die Stadt wurde festlich geschmückt und Schemsiah im reichsten Putz und Schmuck ihrem Gatten zugeführt. Schemsiah bat dann den König Tighanus, er möchte dem König Kefid seine Freiheit schenken und ihn in sein Land zurückkehren lassen, denn sobald er wieder etwas Böses tun wollte, würde sie ihn durch einen ihrer Genien aufgreifen lassen. Der König sagte: Dein Wille geschehe, und befahl dem Genius Schamauel, der Kefid eingesperrt hatte, ihn aus dem Gefängnis zu holen und zu ihm zu führen. Schamauel brachte Kefid gefesselt vor den König Tighanus. Aber dieser ließ ihm die Fesseln abnehmen, setzte ihn auf ein hinkendes Pferd und sagte ihm: Die Königin Schemsiah hat mich gebeten, dich zu begnadigen; du kannst in dein Land zurückkehren; unternimmst du aber wieder etwas Schlechtes, so sendet sie einen ihrer Genien, der dich wieder hierherbringt. Der König Kefid reiste hierauf allein mit betrübtem Herzen im schlechtesten Zustand in seine Heimat zurück, und Djanschah lebte mit Schemsiah bei seinem Vater in den glücklichsten Verhältnissen.

»Dies alles erzählte Djanschah Bulukia und sagte ihm zuletzt: Ich bin Djanschah, der alles dies erlebt hat. Bulukia, der aus Liebe zu Mohammed umherwanderte, bewunderte diese Geschichte und sagte zu Djanschah: Nun, mein Freund, was bedeuten denn diese beiden Gräber, zwischen denen du weinend sitzest? Djanschah antwortete: Wisse, o Bulukia, nachdem wir viele Jahre hindurch gegessen und getrunken und abwechselnd ein Jahr in Kabul und ein Jahr auf der Diamanten-Zitadelle angenehm zugebracht hatten, ließen wir einmal unsern Thron, auf welchem wir, von Genien getragen, die Reise zu machen pflegten, auf dieser Stelle nieder und schlugen unser Zelt neben diesem Fluß auf, aßen, tranken, spielten und belustigten uns. Auf einmal sagte Schemsiah: Ich habe Lust, in diesem Fluß zu baden. Sie entkleidete sich und auch ihre Sklavinnen entkleideten sich und schwammen im Fluß umher; ich blieb am Ufer sitzen und sah zu, wie sie miteinander scherzten. Auf einmal kam ein ungeheuer großer Fisch herbei und tötete Schemsiah; die Sklavinnen entflohen aus dem Fluß aus Furcht vor dem Seeungeheuer und kamen ins Zelt zurück; doch blieben einige und holten Schemsiah aus dem Fluß und brachten sie tot ins Zelt. Als ich sie tot vor mir sah, fiel ich in Ohnmacht. Die Sklavinnen bespritzten mich mit Wasser, und als ich wieder zu mir kam, weinte ich und befahl den Genien, Schemsiahs Verwandten Nachricht von ihrem Tod zu geben. Die Geniert flogen davon und kehrten bald mit Schemsiahs Eltern zurück, die ihre Tochter wuschen, beerdigten und betrauerten. Sie wollten mich dann mit in ihre Zitadelle nehmen, aber ich sagte zum König: Laß mir hier ein Grab bauen, damit, wenn ich sterbe, ich hier neben Schemsiah beerdigt werde. Der König befahl einem der Genien, das zu tun, und so verließ er mich hier einsam trauernd um Schemsiah. Das ist meine Geschichte, schloß Djanschah, und die Ursache, warum ich hier zwischen den Gräbern sitze. Dann rezitierte er folgende Verse:

Seitdem du nicht mehr bist, ist mein Haus kein Haus mehr und mein guter Nachbar kein Nachbar mehr: Der Freund, der mich darin besuchte, ist nicht mehr derselbe, auch die Blumen, die es umgaben, sind anders. Nicht mehr dieselbe Sonne, noch derselbe Mond beleuchten es mehr. Wohin bist du geflohen, Geliebte, die du mein Herz mit fortgetragen? Warum bist du fern und machst durch deine Abwesenheit mir die ganze Welt unheimlich und das ganze Leben trübe? Seit ich dich nicht mehr sehe, schmeckt mir das Leben nicht mehr süß, und ich kann deine Wohnung nicht mehr sehen, ohne vor Gram und Sehnsucht zu vergehen. Ich frage stets meine Heimat nach dir und es ist mir, als wäre sie meine Heimat nicht mehr; o möge sie, weil du sie nicht mehr bewohnst, nie mehr grünen, möge kein Regen des Himmels sie mehr tränken!«

»Als Bulukia das alles von Djanschah gehört hatte, sagte er: Bei Gott! Ich habe geglaubt, ich sei weit in der Welt umhergereist, nun habe ich aber durch deine Erzählung alles vergessen, was ich gesehen. Nun, mein Freund Djanschah, bitte ich dich, die Güte zu haben, mir den sicheren Weg zu zeigen. Djanschah belehrte ihn über den Weg, den er einschlagen sollte, und nahm Abschied von ihm.«

Als die Schlangenkönigin Tamlicha mit ihrer Erzählung zu Ende war, fragte sie Haseb, woher sie dies wisse; sie sagte: »Wisse, o Haseb, ich habe vor fünfundzwanzig Jahren eine große Schlange nach Ägypten geschickt und ihr einen Brief mit Grüßen an Bulukia mitgegeben. Als er meinen Brief sah, bat er die Überbringerin, ihn mitzunehmen, und sagte ihr, er habe ein Geschäft mit mir abzumachen. Die Schlange führte ihn zu ihrer Tochter und diese sagte ihm: Drücke deine Augen fest zu! Er drückte sie zu, und als er sie wieder öffnete, fand er sich auf dem Gebirge, wo die Schlange wohnte, der ich den Brief gegeben hatte. Er fragte dann nach mir und die Schlange sagte ihm, ich sei mit meinen Truppen nach dem Berg Kaf gezogen und kehre erst im Sommer zurück; wenn er etwas von mir wolle, so sage er es nur ihr als meiner Stellvertreterin. Bulukia sagte: Ich bitte dich, zeige mir die Pflanze, deren Saft vor Alter und Schwäche schützt. Die Schlange erwiderte: Ich werde dir sie nicht eher angeben, bis du mir erzählst, was dir mit Afan widerfahren, seitdem ihr euch von uns getrennt. Bulukia erzählte ihr seine ganze Geschichte, und als er vollendet hatte, bat er sie, ihm nun sein Verlangen zu gewähren, daß er wieder heimkehre. Die Schlange schwor bei unserm Herrn Salomo, sie kenne keine solche Pflanze, und befahl einer ihrer Dienerinnen, ihn wieder in seine Heimat zu bringen. Diese sagte ihm: Drücke deine Augen zu! Er drückte sie zu und befand sich auf einmal auf dem Berg Mokattem in der Nähe der Stadt Kahirah, von wo er in seine Wohnung ging.«

»Als ich nun«, fuhr die Schlangenkönigin fort, »vom Berg Kaf zurückkam, trat mir meine Stellvertreterin entgegen, bewillkommte mich, richtete mir Grüße von Bulukia aus und erzählte mir alles, was ihm auf seiner Wanderung widerfahren; so, o Haseb, ist mir die Geschichte von Bulukia bekannt geworden.« Haseb bat nun die Schlangenkönigin, ihm noch zu erzählen, was Bulukia begegnet war von dem Augenblick, wo er Djanschah verlassen, bis er nach Ägypten kam. Da sagte die Schlangenkönigin: »Nachdem Bulukia Djanschah verlassen hatte, reiste er Tag und Nacht, bis er an ein großes Meer kam, da salbte er seine Füße mit dem Saft, den er bei sich hatte, und ging auf dem Meer, bis er eine Insel erreichte, reich an Früchten, Bäumen und Flüssen, wie das Paradies. Er sah unter anderem einen großen Baum mit Blättern, wie Segel eines Schiffes, unter welchem ein Tisch, mit den verschiedenartigsten herrlichsten Speisen bedeckt, stand. Auf dem Baum sah er einen Vogel aus Perlen und grünem Smaragd, die Füße waren silbern, der Schnabel war aus rotem Rubin und die Federn aus allerlei Edelsteinen; da pries er Gott und betete für Mohammed, Friede sei mit ihm, und staunte eine Weile diesen wunderbaren Vogel an und dann sagte er: O herrliches Geschöpf, wer bist du? Der Vogel antwortete: Ich bin einer der Vögel des Paradieses. Wisse, mein Freund, als Gott Adam aus dem Paradies verbannte, gab er ihm vier Blätter mit, um seine Scham zu bedecken: da fiel eines davon auf den Boden, ein Wurm fraß es, und daher stammen die Seidenwürmer; ein anderes fiel auf den Boden, eine Biene aß davon, und daher kommt der Honig. Von dem dritten Blatt, das einer Gazelle in den Mund fiel, kommt der Moschus, und von dem vierten, das Adam in Indien fallen ließ, der feine Weihrauch. Auch ich verließ damals das Paradies und wanderte lange auf der Erde umher, bis mir Gott diesen Platz anwies, wo jeden Donnerstag Abend alle Heiligen sich versammeln, um von diesen Früchten zu genießen, mit denen sie Gott jeden Freitag bewirtet und die er die ganze Woche im Paradies verschlossen hält. Bulukia aß auch von diesen Früchten und dankte Gott. Als er gegessen hatte, erschien ihm der Prophet Alchidhr, Friede sei mit ihm. Bulukia grüßte ihn und wollte wieder weiter gehen, aber der Vogel erlaubte ihm, sich neben ihn zu setzen und Alchidhr bat ihn, ihm zu erzählen, wie er hierhergekommen. Nachdem Bulukia seine ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende erzählt hatte, fragte er Alchidhr, wie weit er nach Ägypten habe. Alchidhr antwortete: Es ist ein Weg von fünfundneunzig Jahren. Bulukia weinte heftig, als er dies hörte, warf sich auf Alchidhrs Hand, küßte sie und sagte: Rette mich aus diesem fremden Land, daß ich nicht darin untergehe. Gott wird dich dafür belohnen. Alchidhr antwortete: Bete zu Gott, und wenn er es mir befiehlt, so bringe ich dich nach Ägypten. Bulukia weinte und flehte zu Gott mit demütigem Herzen. Gott erhörte sein Gebet, offenbarte sich in der Nacht Alchidhr und befahl ihm, Bulukia nach Ägypten zu bringen. Alchidhr sagte des Morgens zu Bulukia: Erhebe dein Haupt, Gott hat dein Gebet erhört; umfasse meinen Leib recht fest und drücke deine Augen zu! Sobald Bulukia Alchidhr umschlungen und seine Augen zugedrückt hatte, machte dieser nur einen einzigen Schritt und sagte zu Bulukia: Du kannst deine Augen wieder öffnen. Als er sie öffnete, befand er sich vor der Tür seines Hauses; er drehte sich um und suchte Alchidhr, um von ihm Abschied zu nehmen, aber er sah keine Spur mehr von ihm.

»Als Bulukia in sein Haus trat und seine Mutter ihn erblickte, schrie sie laut und fiel in Ohnmacht; man bespritzte ihr Gesicht mit Wasser, bis sie wieder zu sich kam, dann umarmte sie ihren Sohn und weinte heftig, doch bald darauf lachte sie wieder. Bald nachher kamen Bulukias übrige Verwandte und Freunde mit vielen Geschenken, um ihm Glück zu wünschen; die Nachricht seiner Rückkehr verbreitete sich nach und nach im ganzen Land von Osten bis Westen, Zimbeln und Psalter ertönten auf allen Straßen, und die Freude und das Erstaunen über Bulukias wunderbare Rettung waren allgemein.«

Als die Schlangenkönigin dem vor Verwunderung und Teilnahme heftig weinenden Haseb alles dies erzählt hatte, sagte sie ihm: »Nun kehre auch du in deine Heimat zurück, aber hüte dich wohl, den Eid zu brechen, den du mir geschworen und gehe niemals ins Bad!« Haseb wiederholte seinen Schwur, worauf Tamlicha einer Schlange befahl, ihn auf die Oberfläche der Erde zurückzubringen. Die Schlange kroch lange umher, bis sie endlich Haseb durch einen unterirdischen Gang auf die Oberfläche der Erde zurückbrachte. Haseb ging dann seines Weges fort, bis er in die Stadt kam, und die Sonne ging gerade unter, als er vor sein Haus trat. Er klopfte an der Tür, seine Mutter kam heraus und öffnete sie ihm, und als sie ihren Sohn erblickte, schrie sie laut und weinte und umarmte ihn. Hasebs Frau, welche dieses Geschrei hörte, kam auch herbei, bewillkommte ihren Mann, küßte seine Hände und freute sich sehr mit ihm. Sie führten ihn dann ins Innere des Hauses, und nachdem er eine Weile bei den Seinigen saß, fragte er nach den Holzhauern, die mit ihm Holz gehauen und ihn dann in der Grube gelassen hatten. Seine Mutter sagte ihm: »Die Holzhauer sind damals zu mir gekommen und haben mir gesagt, ein Löwe habe dich gefressen; sie aber wurden angesehene Kaufleute, und erwarben sich ein großes Vermögen; sie haben viele Magazine mit den schönsten Waren angefüllt, und besitzen viele Güter und Sklaven.« Haseb sagte zu seiner Mutter, »Gehe morgen früh zu ihnen und sage ihnen: Mein Sohn Haseb ist von seiner Reise zurückgekehrt, kommt ihn zu besuchen und zu begrüßen.« Als Gott den Morgen heranbrechen ließ, ging Hasebs Mutter in die Häuser der Holzhauer und sagte ihnen, was ihr ihr Sohn aufgetragen. Die Holzhauer nahmen jeder ein gesticktes seidenes Kleid und sagten ihr: »Bring dies deinem Sohn und sage ihm, morgen früh werden wir zu ihm kommen.« Die Alte ging wieder zu ihrem Sohn zurück, brachte ihm das Geschenk und sagte ihm, daß sie morgen ihn besuchen würden. Die Holzhauer berieten sich aber mit einigen Kaufleuten über das, was sie tun sollten, und entschlossen sich, Haseb die Hälfte ihres Geldes, ihrer Mamelucken und ihrer Sklavinnen zu geben. Sie besuchten Haseb am folgenden Tag und brachten die Hälfte ihres Vermögens mit, küßten ihm die Hände und sagten: Unser Schicksal liegt nun in deinen Händen.« Haseb erwiderte: »Was geschehen ist, ist geschehen. Gott hatte es so bestimmt, und da half keine menschliche Vorsicht.« Sie sagten ihm dann: »Komm mit in die Stadt spazieren, wir wollen dann zusammen ins Bad gehen;« Haseb versetzte aber: »Ich habe geschworen, nie in ein Bad zu gehen.« Da sagten sie: »So komm mit uns in unser Haus, daß wir dich bewirten!« Er ging mit ihnen und brachte bei jedem eine Nacht zu, sieben Nächte nacheinander, dann kaufte er einen Laden und lebte lange als reicher Kaufmann, bis er eines Tages, als er in die Stadt ging, einem alten Freunde begegnete, welcher Herr eines Badhauses war. Als dieser ihn sah und erkannte, umarmte er ihn und sagte: »Komm herein in mein Bad, daß ich dich nach dem Bad bewirte.« Haseb sagte: »Ich habe geschworen, nie mehr in ein Bad zu gehen.« Da schwor der Badherr, er würde von allen seinen Frauen sich dreimal scheiden lassen,Gewöhnlicher Eid der Muselmänner: tust du dies nicht, so lasse ich mich dreimal von meiner Frau scheiden, weil nach der dritten Scheidung man seine Frau nicht wieder heiraten darf. wenn er nicht mit ihm komme und ein Bad nehme. Haseb dachte eine Weile nach und sagte dann: »Du willst meine Kinder zu Waisen machen, mein Haus verwüsten und mir eine schwere Sünde aufladen.« Da küßte der Badherr Haseb die Füße und sagte: »Ich will die Sünde übernehmen, komm nur mit mir.« Die Badgesellen und alle Badgäste drangen dann in Haseb, schleppten ihn ins Haus, zogen ihm die Kleider aus und führten ihn in die Badstube. Er hatte sich aber kaum an die Wand gesetzt und sich Wasser über den Kopf gießen lassen, als zwanzig Mann zu ihm traten und ihm sagten: »Steh auf! Du bist des Sultans Gefangener.« Einer dieser Männer ging sogleich zum Vezier, um ihn davon in Kenntnis zu setzen, und bald darauf kam der Vezier zu Pferd mit sechzig Mamelucken vor das Bad, grüßte und bewillkommte Haseb, schenkte dem Badherrn hundert Dinare, ließ Haseb ein Pferd besteigen und ritt mit ihm ins Schloß zum Sultan. Sie ließen sich in einem Saal des Schlosses nieder, und man brachte ihnen Speisen und Getränke und Wasser zum Waschen. Als sie gegessen und getrunken hatten, schenkte der Vezier dem erstaunten Haseb zwei Ehrenkleider, deren jedes fünftausend Dinare wert war.

Haseb, dessen Befremden immer wuchs, bat den Vezier, ihm doch zu sagen, was dies alles bedeute? Der Vezier antwortete ihm: »Wisse, daß uns Gott durch deine Ankunft eine große Gnade erzeigt hat. Der Sultan ist so krank infolge eines Aussatzes, daß man jeden Augenblick seinen Tod befürchtet; und wir haben in Büchern gelesen, daß er durch dich wieder geheilt werden kann.« Haseb, den diese Worte in noch größeres Erstaunen versetzten, wurde dann, von vielen Soldaten begleitet, durch sieben Tore geführt, bis er endlich zum Sultan gelangte, welcher Kersedan hieß. Dieser Sultan herrschte über sieben Länder, und hundert Könige, die auf goldenen Thronen saßen, waren ihm untertan; außerdem gebot er über zehntausend Heerführer, deren jeder hundert Adjutanten hatte und von hundert Offizieren mit gezogenem Schwert umgeben war. Als Haseb in den Saal trat, schlief der Sultan und hatte das Gesicht mit einem Tuch bedeckt. Haseb, durch die furchtbare Umgebung des Sultans eingeschüchtert, verbeugte sich tief und betete für das Wohl des Sultans. Der Großvezier Schamhur bewillkommte ihn und ließ ihn zur Rechten des Sultans sitzen. Sobald Haseb sich niedergelassen hatte, brachte man ihm wieder einen Tisch mit Speisen und Getränken und Wasser zum Waschen. Dann stand der Vezier auf – und sogleich erhoben sich auch alle übrigen Anwesenden – ging auf Haseb zu und sagte ihm: »Wir alle hier wollen deine Diener werden, fordere von uns, was du willst, auch die Hälfte des Reiches soll dir nicht versagt werden, heile nur unseren Sultan!« Er nahm dann Haseb bei der Hand und führte ihn vor das Bett des Sultans. Haseb deckte sein Gesicht auf und erschrak vor dessen üblem Aussehen. Der Vezier küßte dann Haseb die Hand und sagte: »Wir wünschen, daß du den Sultan heilest; wir geben dir dann alles, was du verlangst; du allein, als Abkömmling Daniels, kannst ihn vom Tod retten.« – »Es ist wohl wahr, daß ich ein Abkömmling Daniels, des Propheten Gottes, bin, aber ich bin nicht wissenschaftlich gebildet, ich habe nur dreißig Tage eine medizinische Schule besucht, ohne etwas gelernt zu haben; jetzt bedaure ich sehr, nichts gelernt zu haben, um den Sultan heilen zu können.« –»Mache keine langen Reden; wenn wir alle Gelehrten des Ostens und Westens versammeln, so kann niemand als du den Sultan heilen.« – »Wie soll ich ihn heilen, ich kenne ja weder seine Krankheit, noch ein Mittel dagegen?« – »Mache es nur kurz, seine Genesung steht in deiner Hand.« –»Wieso denn? Sagt mir, wie ich ihn heilen soll, und wenn ich es vermag, so will ich es gern tun.« – »Die Genesung des Sultans hängt von der Schlangenkönigin ab; du kennst sie, hast sie gesehen und weißt, wo sie sich aufhält.« – »Was wollt ihr von der Schlangenkönigin? Ich kenne sie nicht und habe in meinem Leben nichts von ihr gehört.« – »Lüge nicht, ich habe Beweise, daß du sie kennst und zwei Jahre bei ihr zugebracht hast.« – »Ich kenne sie nicht und war nicht bei ihr und höre jetzt zum ersten Mal von ihr sprechen.«

»Wir haben ein heiliges Buch, in welchem angedeutet ist, daß ein Mann zur Schlangenkönigin gelangen und zwei Jahre bei ihr zubringen würde, dessen Leib schwarz wird, sobald er ins Bad geht; zeige also deinen Leib!« Haseb entblößte seinen Leib, und da er in der Tat ganz schwarz war, sagte er: »Mein Leib ist schwarz von dem Tag her, wo mich meine Mutter geboren.« Der Vezier entgegnete: »Wir haben in jedes Bad drei Mamelucken geschickt und jeden beim Ein- und Ausgehen untersuchen lassen: Die haben gesehen, daß dein Leib beim Entkleiden noch weiß war, und dich darum hierher gebracht; sage uns also, wo du wieder auf die Oberfläche der Erde gekommen, wir werden uns dann schon der Schlangenkönigin bemächtigen.« Haseb bereute es jetzt, wo es zu spät war, ins Bad gegangen zu sein, doch fügte er sich in die göttliche Bestimmung und bestand hartnäckig darauf, die Schlangenkönigin nicht gesehen zu haben. Da gab der Vezier den Offizieren den Befehl, ihn zu entkleiden, auf den Boden hinzustrecken und zu prügeln. Haseb ließ sich schlagen, bis er vor Schmerzen dem Tod nahe war. Als der Vezier sah, daß er mit Gewalt nichts gegen Haseb vermochte, küßte er ihm den Kopf und sagte in einem sanften Ton: »Was leugnest du länger deine Bekanntschaft mit der Schlangenkönigin, da wir Beweise haben, daß du sie kennst und bei ihr warst? Zeige uns nur den Ort, wo du zur Erde heraufgekommen, wir haben schon jemanden, der sie ergreifen wird, du kannst dann deines Weges gehen.« Der Vezier ließ dann Haseb wieder aufrichten und ihm ein goldgesticktes Kleid mit Edelsteinen besetzt bringen, das er ihm selbst anzog. Der Vezier bestieg sein Pferd, von allen Emiren und vielen Truppen begleitet, und Haseb mußte an ihrer Spitze reiten, um ihnen die Stelle zu zeigen, wo er zur Oberfläche der Erde zurückgekehrt war. Als Haseb den Brunnen erreichte, aus dem er hervorgekommen, stieg er ab, und der Vezier nebst seinem Gefolge taten das gleiche. Der Vezier ließ dann Feuer anzünden, machte Räucherwerk, murmelte allerlei unverständliche Zaubersprüche, nahm ein Buch heraus und las darin; dann rief er mit lauter Stimme dreimal nacheinander: »Komm hervor, Schlangenkönigin!« Bis endlich das Wasser, das in dem Brunnen war, austrocknete, eine große Tür sich öffnete, aus der ein jämmerliches Geschrei hervorkam, wie der Donner, so daß man glaubte, die ganze Welt würde zusammenstürzen. Alle Anwesenden fielen ohnmächtig hin und einige starben sogar. Dann kam aus der Höhle eine Schlange hervor, größer als ein Elefant, die eine goldene Kufe auf dem Rücken hatte, in welcher eine andere Schlange lag mit einem strahlenden Menschengesicht. Letztere, welche die Schlangenkönigin war, wendete sich rechts und links um, bis sie Haseb erblickte und sagte ihm in deutlicher Menschenzunge: »Wo ist der Eid, den du mir geschworen? Warum bist du ins Bad gegangen? Doch was bestimmt ist, das muß geschehen; Gott hat nun das Ende meines Lebens beschlossen, ich soll sterben und der Sultan Kersedan soll von seiner Krankheit geheilt werden.« Bei diesen Worten weinte sie heftig, und Haseb weinte mit ihr. Der Vezier streckte dann die Hand nach ihr aus, um sie zu ergreifen, da sagte sie: »Wenn du deine Hand nicht zurückziehst, du Verruchter, so verwandle ich dich durch einen einzigen Hauch in einen Haufen Fleisch und schwarze Asche; komm du, Haseb, lege du mich auf die Platte, die ihr mitgebracht, und trage mich auf deinem Kopfe: es ist von Ewigkeit her geschrieben, daß ich durch dich sterben soll.« Haseb nahm sie und legte sie auf die Platte. Sogleich nahm der Brunnen wieder seine frühere Gestalt an. Als Haseb mit der Schlange auf dem Kopf zur Stadt ging, sagte sie ihm: »Höre Haseb, was ich dir sagen will; ich muß dir einen guten Rat erteilen, obschon du deinen Eid gebrochen, denn so wollte es die Bestimmung von jeher. Wenn du in das Haus des Veziers kommst und er dir sagt: Schlachte die Schlangenkönigin und teile sie in drei Stücke, so tue es nicht, behaupte, du könntest nicht mit Schlachten umgehen, und laß ihn selbst mich schlachten. Sobald er mich geschlachtet und zerschnitten hat, wird ein Bote vom Sultan kommen und den Vezier zu ihm rufen. Er wird vorher mich in einen Topf legen und über das Feuer stellen und dir befehlen, mich am Feuer zu lassen, bis der Schaum aufkocht, diesen Schaum dann in ein Schüsselchen abzuheben, ihn kalt werden zu lassen und dann zu trinken; auf diese Weise, wird er sagen, vergehen deine Schmerzen am Leibe. Er wird dich ferner beauftragen, mich zum zweiten Mal ans Feuer zu stellen, bis wieder Schaum aufkocht, und diesen Schaum für ihn stehen zu lassen, damit er ihn von seinen Kreuzschmerzen heile. Tue dies aber nicht, sondern trinke du den zweiten Schaum und bewahre ihm den ersten auf, sonst geht es dir schlecht. Hast du«, fuhr die Schlangenkönigin fort, »den zweiten Schaum getrunken, so nimm mein Fleisch aus dem Topf, lege es auf eine kupferne Schüssel und gib dem König davon zu essen; sobald er es aber im Leib hat, so bedecke seinen Mund mit einem Tuch. Dann warte bis Mittag, da soll er etwas Wein trinken, und er wird so gesund werden, wie er war, durch den Beistand Gottes. Merke dir aber wohl, was ich dir hier anempfahl.« Haseb war unter diesem Gespräche mit der Schlange, die er auf dem Kopf trug, an das Haus des Veziers gekommen; da legte er die Platte ab, auf welcher die Schlangenkönigin lag.

Der Vezier entließ nun sein ganzes Gefolge und sagte zu Haseb: »Schlachte jetzt die Schlangenkönigin!« Haseb antwortete: »Ich kann nicht schlachten, ich habe in meinem Leben nicht geschlachtet; hast du Lust, so schlachte sie selbst!« Der Vezier nahm die Schlange aus Hasebs Hand und schlachtete sie. Als Haseb bei diesem Anblicke heftig weinte, sagte ihm der Vezier: »O Blödsinniger, wegen einer Schlange weinst du?« Nachdem der Vezier die Schlangenkönigin geschlachtet hatte, zerschnitt er sie in drei Teile und legte sie in einen kupfernen Topf, den er über das Feuer stellte. In diesem Augenblicke kam einer der Mamelucken des Sultans und sagte zum Vezier: »Der Sultan verlangt sogleich nach dir.« Der Vezier holte zwei Schüsselchen, gab sie Haseb und sagte ihm: »Laß diesen Topf kochen, bis der Schaum aufsteigt, hebe ihn dann in eines dieser Schüsselchen ab, laß ihn kalt werden, dann trinke ihn, und es wird an deinem Körper kein Schmerz mehr zurückbleiben. Setze dann den Topf wieder ans Feuer, und wenn zum zweiten Mal Schaum aufsteigt, so hebe ihn in das zweite Schüsselchen ab und bewahre ihn auf, bis ich wiederkomme, daß ich es trinke, um meine Kreuzschmerzen zu vertreiben.« Der Vezier ging hierauf zum Sultan und Haseb wartete, bis der erste Schaum aufstieg; er nahm ihn herunter, goß es in eines der Schüsselchen und ließ es stehen, Als dann zum zweiten Mal Schaum aufkochte, nahm er ihn wieder herunter und bewahrte ihn für sich auf, und als das Fleisch weichgekocht war, nahm er es vom Feuer und ließ es stehen. Nach einer Stunde kam der Vezier herbeigesprungen und fragte Haseb, was er getan? Haseb antwortete: »Alles, wie du mich geheißen.« Er fragte dann wieder: »Was hast du mit dem ersten Schaum getan?« – »Ich habe ihn getrunken.« – »Was empfindest du?« – »Ich fühle ein Kochen und Brennen im ganzen Körper.« – »So gib mir das zweite Schüsselchen, daß ich mich auch heile.« Haseb reichte ihm das erste Schüsselchen, das der Vezier für das zweite hielt und austrank. Kaum hatte er getrunken, fiel ihm das Schüsselchen aus der Hand, sein ganzer Körper wurde von Geschwüren bedeckt, sein Leib öffnete sich und er starb auf der Stelle, wie das Sprichwort sagt: Wer einem anderen eine Grube gräbt, der fällt selbst hinein. Als Haseb sah, wie es dem Vezier ging, fürchtete er sich, die zweite Schüssel zu trinken, doch dachte er, wäre diese auch schlecht, so würde sie der Vezier nicht für sich gewählt haben, übrigens vertraue ich auf Gott; und so trank er sie in Gottes Namen. Sobald er getrunken hatte, öffnete Gott in seinem Herzen die Quellen der Weisheit und Gelehrsamkeit, und versetzte ihn in die freudigste Stimmung. Der Vorschrift der Schlange eingedenk, nahm er dann das Fleisch, das im kupfernen Topf war, und verließ das Haus des Veziers. Auf der Straße blickte er gen Himmel und sah die sieben Himmel bis zum äußersten Lotusbaum des Paradieses; er sah, wie das ganze Firmament im Kreise herumging, auch die Bewegung der Fixsterne und Planeten zeigte ihm Gott, und die Beschaffenheit der Erde und der Meere und den Lauf der Flüsse. So wurde er auf einmal erfahren in Geometrie und Astronomie und anderen Wissenschaften, die mit der Uranologie in Verbindung stehen, als, die Kenntnis der Sonnen- und Mondfinsternisse und dergleichen, Er blickte dann zur Erde, und alles, was darauf war, redete ihn an, alle Pflanzen, Bäume und Metalle entdeckten ihm den Nutzen, den sie bringen, und so wurde er auf einmal in der Botanik, Arzneikunde, Chemie und Mineralogie äußerst bewandert. Als er endlich mit dem Fleisch zum König Kersedan kam, verbeugte er sich vor ihm und sagte ihm: »Dein Haupt lebe für das deines Veziers Schamhur.«Gewöhnliche Redensart für: N. N. ist gestorben. Der König erschrak sehr über den Tod seines Veziers und weinte so heftig, daß alle übrigen Veziere, Fürsten und Staatsräte mit ihm weinten. Dann fragte der König: »Der Vezier Schamhur war ja eben bei mir, er ist nur nach Hause gegangen, um zu sehen, ob das Fleisch gekocht ist, wie ist er auf einmal gestorben?« Haseb erzählte ihm, wie es dem Vezier gegangen, nachdem er die Schüssel ausgetrunken. Da sagte der König: »Wie wird es mir gehen, da Schamhur nicht mehr ist?« Haseb antwortete: »Betrübe dich nicht, o König der Zeit, ich will dich in drei Tagen so herstellen, daß keine Spur von deiner Krankheit übrigbleibt.« Haseb stellte dann den Fleischtopf vor den König, schnitt ein Stück von der Schlangenkönigin herunter und reichte es ihm. Sobald er es gegessen hatte, deckte ihm Haseb den Mund mit einem Tuch zu und ließ ihn von Mittag bis Abend schlafen, dann gab er ihm etwas Wein zu trinken und ließ ihn die Nacht durch wieder mit bedecktem Gesicht schlafen. An den zwei folgenden Tagen wiederholte Haseb dasselbe Verfahren; da schwitzte der König von Kopf bis Fuß, seine ganze Haut schälte sich und er wurde ganz gesund. Haseb führte ihn dann ins Bad, und als er herauskam, war er wie eine Silberstange. Er zog dann seine prachtvollsten Kleider an, setzte sich auf den Thron und ließ Haseb neben sich sitzen. Er befahl hierauf, den Tisch für beide zu decken, und nachdem sie gegessen, getrunken und sich gewaschen hatten, kamen alle Emire und Veziere und Großen des Reiches, um dem König zu seiner Genesung Glück zu wünschen. Der König ernannte in ihrer Gegenwart Haseb zu seinem Großvezier an die Stelle Schamhurs. Dann sagte der König: »Wer Haseb liebt, der liebt auch mich, wer ihn verehrt, der verehrt auch mich, und wer ihm Gehorsam leistet, der beweist dadurch seinen Gehorsam gegen mich.« Alle Veziere, Emire und Großen des Reiches begrüßten nun Haseb und wünschten ihm Glück zum Vezierate; der König aber schenkte ihm ein Ehrenkleid mit Perlen und Edelsteinen besetzt, das tausend Dinare wert war. Ferner schenkte er ihm zweihundert Mamelucken, zweihundert weiße Sklavinnen wie der Mond, zweihundert Abessinierinnen, zweihundert Paar Kleider, fünfhundert Maulesel mit Waren beladen, zweihundert Kamele und ebenso viele Stiere, Büffel und Schafe.

Haseb wurde dann auf Befehl des Sultans von allen Vezieren, Emiren und Großen des Reiches und vielen Truppen in sein Haus begleitet. Seine Mutter freute sich außerordentlich und wünschte ihm Glück zum Vezierate. Dann kamen seine übrigen Verwandten und Freunde und auch die Holzhauer, um ihm zu gratulieren. Am folgenden Tag begab er sich in das Schloß des Veziers Schamhur, ließ alles versiegeln und in sein Haus bringen. Haseb war so auf einmal durch die Allmacht Gottes, nachdem er sehr arm war und keinen Buchstaben verstand, der reichste und gelehrteste Mann in der Welt. Eines Tages sagte er zu seiner Mutter: »Hat mein Vater Daniel kein Buch oder etwas Ähnliches hinterlassen?« Da brachte ihm seine Mutter eine Kiste, in welche Daniel die fünf Blätter gelegt hatte, die ihm vom Buch übriggeblieben waren, welches Gabriel in den Fluß Gichon geworfen hatte. Als Haseb nach dem Übrigen vom Buch fragte, sagte ihm seine Mutter: »Wisse, dein Vater wollte ein Arzneimittel gegen den Tod verfertigen, da befahl Gott dem Engel Gabriel, Friede sei mit ihm, das Buch deinem Vater zu entreißen und es in den Strom Gichon zu werfen. Als der Engel dies getan hatte und dein Vater das Buch im Wasser sah, sprang er ihm nach, rettete aber noch fünf Blätter davon, welche er, als seine Todesstunde herannahte, in diese Kiste legte; er sagte mir: Bewahre sie auf, und wenn du einen Sohn gebärst und er dich fragt, ob ich nichts hinterlassen, so gib sie ihm.« Haseb lernte noch vieles aus diesen Blättern, obgleich er schon der gelehrteste Mann seiner Zeit war, und lebte ganz den Wissenschaften, bis der Zerstörer aller Freuden und der Trenner aller Vereinigungen ihn heimsuchte. Das ist das Ende dessen, was uns zugekommen von der Geschichte Hasebs, des Sohnes Daniels; Gott erbarme sich ihrer insgesamt!


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